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ENCYKLOPiEDIE
DER
NATURWISSENSCHAFTEN
HERAUSGEGEBEN
VON
Prof. Dr. W. FÖRSTER, Prof. Dr. A. KENNGOTT,
Prof. Dr. LADENBURG, Dr. ANT. REICHENOW,
Prof. Dr. SCHENK, Geh. Schulrath Dr. SCHLÖMILCH,
Prof. Dr. G. C. WITTSTEIN, Prof. Dr. von ZECH.
IL ABTHEILUNG.
m. THEIL:
HANDWÖRTERBUCH DER CHEMIE
HERAUSGEGEBEN
VON
Professor Dr. LADENBURG.
BRESLAU,
VERLAG VON EDUARD TREWENDT.
1884.
o
HMDWORTERBUCH
DER
CHEMIE
HERAUSGEGEBEN
VON
Professor Dr. LADENBURG.
UNTER BÄITWIRKUNG
VON
Dr. BERENU-Kiel, Dr. BEEDERMANN-Berlin, Prof. Dr. DRECHSEL-
Leipzig, Prof. Dr. EMMERLING-Kiel, Prof. Dr. ENGLER-Karlsruhe,
Dr. HANTZSCH-Leipzig, Prof. Dr. HEUMANN-Zürich, Prof. Dr.
HOFFMANN-KiEL, Prof. Dr. JACOBSEN-Rostock, Dr. NIETZKY-
Basel, Prof. Dr. PRINGSHEIM-Berlin, Prof. Dr. v. RICHTER-
Breslau, Dr. RÜGHEIMER-Kiel, Prof. Dr. SALKOWSKI-Berlin,
Prof. Dr. TOLLENS-Göttwoen, Prof. Dr. WEDDIGE-Leipzig,
Prof. Dr. E. WIEDEMANN-Leipzic.
MIT HOLZSCHNITTEN.
ZWEITER BAND.
BRESLAU,
VERLAG VON EDUARD TREWENDT.
1884.
Das Recht der Uebersetzung bleibt vorbehalten.
Antimon*), Sb (Stibium). Atomgewicht nach Rose, Weber, Schnetoer (2)
u. CooKE (3) = 120; nach Dexter, Dumas u. Kessler (4) = 122.
Das natürlich vorkommende Sulfid Sb^S, war schon den alten Griechen
und Römern bekannt und wurde unter dem Namen Stibium als Heilmittel und
Schminke der Augenbrauen verwendet. Die Bezeichnungen Spiessglanz, Spiess-
glas und Antimonium sind neueren Datums und wurden von den Alchymisten
gebraucht, bei deren Arbeiten jener Körper eine grosse Rolle spielte.
Das Element Antimon findet sich in der Natur auch in gediegenem Zustand,
insbesondere in Böhmen und im Harz, jedoch niemals in grösserer Menge. Da-
gegen gehört das natürliche Sulfid, auch Grauspiessglanzerz oder Antimonglanz
genannt, zu den häufiger vorkommenden Mineralien und findet sich auf Erzgängen
des Urgebirgs und des Uebergangsgebirges meist gemeinschaftlich mit anderen
Schwefelmetallen. Mit letzteren bildet es auch bestimmte Doppelverbindungen,
z. B. Kupferantimonglanz Sb^Sj-Cu^Sj, dunkles Rothgültigerz SbgSj-SAgjS.
Auch in den Fahlerzen ist Antimon enthalten, jedoch häufig z. Th. durch das
isomorphe Arsen vertreten.
Die Abscheid ung des Antimons aus dem Grauspiessglanzerz geschieht
auf den Hütten entweder durch Glühen des durch Rösten in Antimontetroxyd
überführten Erzes mit Kohle und Soda (Röstarbeit), oder man zersetzt das Erz
durch Schmelzen mit Eisen (der Reinheit wegen am besten Schmiedeeisen), wo-
bei sich Schwefeleisen bildet. Der erkaltete Tiegel wird zerschlagen und der
Metallregulus von dem über ihm befindlichen Schwefeleisen getrennt. Die ge-
naue Abgrenzung des Regulus vom Schwefeleisen wird durch Zusatz von etwas
wasserfreiem Natriumsulfat und Kohle befördert, weil die aus Natriumsulfid und
Schwefeleisen bestehende Schlacke dünnflüssiger ist als reines Schwefeleisen.
Man verwendet zweckmässig auf 100 Thle. Erz, 42 Thle. Eisen, 10 Thle.
Sulfat und 2^ Thl. Kohle und erhält ca. 65^ rohes Antimonmetall, welches indess
•) i) Gmklin-Kraut's Handbuch. 2) ScHNEroER, J. pr. [2] 22, pag. 131. BrochUre.
BeTlin 1880 bei Gutmann. 3) J. P* CooKE, Sill. Amer. J. [3] 15, pag. 41, 107. Z. anal.
Ch. 17, pag. 531. Her. 12, pag. 2123. Ber. 13, pag. 951, 1132. Cb. News. 44, pag. 245.
4) Kessler, Ber. 12, pag. 1044. Brocbüre, Bochum 1879. 5) Clarke u. Stallo, Ber. 13, pag.
1787. 6) Sabanajew, Z. 1871, pag. 204. 7) Schültz-Seliac, Ber. 4, pag. 13. 8) Clarke
u. Stallo, Ber. 13, pag. 1787. 9) Geuther, Jenaische Z. f. Nat u. Med. 7, pag. 121. Dau-
bawra, Ann. 186, pag. iio. Conard, Chem. Nat. 40, pag. 197. 10) Daubrawa, Ann. 184,
pag. 1 18. 1 1) Schneider, P. i 10, pag. 147. 12) Teclu, Dingl. pol. J. 236, pag. 336. 13) Bunsen,
Ann. 192, pag. 317. 14) Fresenius, quantit. Analyse. 15) Ann. 213, pag. 346. 16) Ber. 14, pag. 1629.
Laoxmburg, Chemie. IT. I
2 Handwörterbuch der Chemie.
ausser durch geringe Mengen sonstiger Metalle besonders durch Eisen verunreinigt
ist und dem durch Röstarbeit erhaltenen Metall nachsteht. Zur Reinigung des
Rohantimons können viele Wege eingeschlagen werden, die aber meist darauf
begründet sind, den Regulus mit Schwefelantimon oder Oxyden des Antimons
zu schmelzen, wobei die fremden Metalle in Sulfide oder Oxyde übergeführt werden.
Nach Bensch werden 16 Thle. des eisenhaltigen Regulus (Eisengehalt ist nöthig; event
Schwefcleisen zuzufügen) mit I Thl. Antimonsulfid und 2 Thln. trockner Soda eine Stunde lang
im hessischen Tiegel geschmolzen, worauf man nach dem Erkalten den Regulus noch ein zweites
Mal mit 1^ Thln. Soda und später noch ein drittes Mal mit 1 Thl. Soda umschmilzt
Das Antimon besitzt starken Metallglanz und eine fast silberweisse Farbe,
zeichnet sich aber vor den übrigen Metallen durch seine bedeutende Sprödigkeit
aus, welche es leicht zu pulvern gestattet. Auf dem Bruch zeigt es blättrig-
krystallinische Structur und lässt sich bei langsamem Erkalten des geschmolzenen
Metalls in würfelähnlichen Rhomboedem krystallisirt erhalten.
Der Schmelzpunkt des Antimons liegt bei 425^; stärker erhitzt verdampft
es und bei Luftzutritt verbrennt dieser Dampf unter Ausstossung eines dichten
weissen Rauches zu Oxyd. Das spec. Gew. ist zu 6,64— 6|72, die spec. Wärme
nach BuNSEN zwischen 0 und 100° zu 0,0495 gefunden worden. Von verdünnter
und selbst concentrirter Salzsäure oder Schwefelsäure wird das Antimon in der
Kälte nicht angegriffen, heisse Salzsäure löst es aber unter Wasserstofifentwicklung
zu Antimontrichlorid und heisse concentrirte Schwefelsäure bildet weisses Antimon-
sulfat, während Schwefligsäuregas entweicht. Salpetersäure löst das Antimon nicht,
sondern verwandelt es je nach ihrer Concentration und Temperatur in weisses
Trioxyd oder Pentoxyd — ein Verhalten, welches das Antimon bei der Analyse
seiner Legirungen von den anderen Metallen zu trennen erlaubt. Königswasser
löst Antimon leicht zu Antimonpentachlorid und derselbe Körper entsteht unter
Feuererscheinung, wenn gepulvertes Antimon in eine mit Chlor gefüllte Flasche
geschüttet wird. Auch mit Brom, Jod, Phosphor und Schwefel vereinigt es sich direkt.
Explosives Antimon. Durch Electrolyse einer salzsauren Lösung von
Antimontrichlorid erhält man bei Anwendung eines schwachen Stromes am nega-
tiven Pol (der aus Platin oder Kupfer bestehen kann, während der weit ab-
stehende positive Pol aus einem Stück Antimon gebildet ist) einen silberglänzenden
Ueberzug, welcher zu Centimeterdicke anwächst. Wird die glatte Oberfläche
dieses Ueberzugs mit einer Feile geritzt, so zerspringt er explosionsartig unter
Zischen und Ausstossung eines weissen Rauches (Gore, Gh. News 8, pag. 201).
Diese eigenthümliche Modiflcation des Antimons explodirt auch beim Erhitzen
auf 200° und giebt nach Böttger, J. pr. Gh. 73, pag. 484; 107, pag. 43 dabei
ein Sublimat von Antimontrichlorid, von welchem das explosive Metall bis 20^
enthalten kann. Die Vermuthung Böttger's, das explosive Antimon enthalte
Wasserstoff occludirt, bestritt F. Pfeiffer (Ann. 209, pag. 161), fand aber ebenfalls
stets Antimontrichlorid in dem Metallniederschlag. Auch aus der Lösung von
Antimontribromid oder -Jodid wird ein explosiver Metallüberzug erhalten, welcher
Bromid resp. Jodid einschliesst.
Die Sprödigkeit des Antimonmetalls verhindert seine Anwendung in der
Technik in isolirtem Zustand, wohl aber dient es zur Herstellung vieler wichtiger
Legirungen; so der Buchdrucklettem (4 Thle. Blei, 1 Thl. Antimon) und des
Britanniametalls (85,6 Thle. Zinn, 10,4 Thle. Antimon, 3 Thle. Zink, 1 Th. Kupfer).
Für bestimmte Zwecke werden auch Legirungen mit Wismuth, Blei und Kupfer
verwendet, wobei der Antimongehalt dem Gemisch eine besondere Härte verleiht.
Antimon. 3
Stellt man Antimon dar durch Reduction des Brechweinsteins oder bei Gegen-
wart von Alkalicarbonaten und Kohle, so nimmt das Metall gleichzeitig eine nicht
unbeträchtliche Menge Kalium oder Natrium auf und bildet damit Legirungen,
welche sich mit Wasser zersetzen oder an der Luft von selbst zu brennen beginnen.
Chloride des Antimons.
Antimontrichlorid, SbClj, auch Antimonchlorür genannt, entsteht beim
Erhitzen von Antimon in einer von trocknem Chlorgas langsam durchströmten
Retorte. Da sich dabei gleichzeitig Pentachlorid bildet, so ist das Produkt mit
gepulvertem Antimon gemischt der Destillation zu unterwerfen. Auch beim
Destilliren einer wässrigen Lösung von Antimontrichlorid erhält man, nachdem
Wasser und Salzsäure entwichen sind, beim Wechseln der Vorlage, sobald die
übergehenden Tropfen erstarren, reines Antimontrichlorid als Destillat
Das lästige Stossen der Flüssigkeit wird durch ausgeschiedenes Chlorblei be-
wirkt, welches häufig als Verunreinigung des Antimonchlorids vorkommt. Man
beseitigt das Chlorblei durch Decantation der Flüssigkeit.
Auch durch Destillation des metallischen Antimons oder des Schwefelantimons
mit Quecksilberchlorid kann Antimontrichlorid gewonnen werden.
Das Trichlorid ist farblos und krystallinisch, zeigt aber butterartige Consistenz
und führt deshalb auch den Namen Antimonbutter oder Spiessglanzbutter.
Bei 73,2° schmilzt es und siedet bei 223® (corrigirt); sein spec. Gew. fand Kopp
bei 26° zu 3,064. In kaltem Alkohol und in SchwefelkohlenstoflF ist das Tri-
chlorid unverändert löslich, Wasser zersetzt es aber sofort unter Abscheidung
von sogen. Algarotpulver. Concentrirte sowie verdünnte Salzsäure lösen das
Chlorid, und in einer solchen Lösung vermag selbst ein grösserer Wasserzusatz
nur schwierig das Antimon zu fallen. Im Handel kommt unter dem Namen
Liquor stibii chlorati eine concentrirte Lösung des Trichlorids in mit Salzsäure
versetztem Wasser vor und wird zu medicinischen Zwecken, sowie zur Darstellung
von Antimonpräparaten und zum Brüniren von Gewehrläufen verwendet. Diese
Flüssigkeit wird durch Auflösen von natürlichem Schwefelantimon in heisser Salz-
säure dargestellt. Soll ein reines Präparat erzielt werden, so ist die zuerst
erhaltene Lösung durch Wasser zu fällen und das ausgewaschene Algarotpulver
von Neuem in Salzsäure zu lösen.
Antimonpentachlorid, SbClg. Trifft feingepulvertes Antimon mit über-
schüssigem Chlor zusammen, so verbrennt es von selbst zu Pentachlorid. Zur
Darstellung desselben in grösserer Menge erhitzt man Antimonstücke in einer
von raschem Chlorstrom durchflossenen Retorte; in der Vorlage sammelt sich
das Chlorid in Form einer meist durch Eisenchlorid gelb gefärbten Flüssigkeit.
In reinem Zustand ist das Antimonpentachlorid völlig farblos, raucht stark an
feuchter Luft und erstarrt in einer Kältemischung zu einer bei — 6° schmelzenden
Masse. Bei wiederholtem Destilliren giebt die Verbindung Chlor ab und enthält
nun ein wenig Trichlorid gelöst. Mit ganz wenig Wasser gemischt liefert das
Chlorid eine klare Lösung, aus welcher sich beim Eindunsten Krystalle der Ver-
bindung SbClj -I- 4H2O absetzen; bei Zusatz einer etwas grösseren Wassermenge
scheidet sich jedoch zunächst das Ox^chlorid SbOjCl aus, welches durch Be-
handlung mit heissem Wasser in unlösliche Antimonsäure übergeht. Bringt man
Antimonpentachlorid sofort in vieles Wasser, so findet völlige Lösung ohne
Bildung eines Niederschlages statt.
Auf viele Reagentien wirkt Antimonpentachlorid chlorirend, indem es selbst
4 Handwörterbuch der Chemie.
zu Trichlorid zurückgeführt wird und dient daher z. B. zur Ueberfiihrung von
Benzolderivaten in Perchlorbenzol oder Perchlordiphenyl. Die Seitenketten der
aromatischen Kohlenwasserstoffe werden in Form von Tetrachlorkohlenstoff ab-
gespalten. Chloroform wird durch Antimonpentachlorid in Tetrachlorkohlenstoff
überführt. Mit Ammoniak verbindet sich das Fentachlond zu einem festen
Körper von der Zusammensetzung SbCljj'GNHj; mit Phosphorpentachlorid und
-oxychlorid, sowie mit Schwefeltetrachlorid vereinigt es sich ebenfalls direkt;
desgl. mit Acetylen und Chlorcyan.
Antimontribromid, SbBrj. Brom und Antimon vereinigen sich unter
Feuererscheinung aber nur in dem der Formel SbBr, entsprechenden Verhältniss;
bei Ueberschuss von Brom bleibt dieses unverbunden. Auch durch Eintragen
von gepulvertem Antimon in eine Lösung von Brom in Schwefelkohlenstoff und
Eindunsten der Flüssigkeit wird Tribromid erhalten. Es bildet rhombische
OctaMer, schmilzt bei 90^, und der Siedepunkt der geschmolzenen Masse liegt bei
275,4° (Kopp). Durch Wasser wird das Tribromid analog dem Trichlorid zersetzt
Antimontrijodid, SbJ,. Wird gepulvertes Antimon mit Jod gemischt, so
findet von starker Erhitzung begleitete Vereinigung der beiden Elemente zu Tri-
jodid statt. Weniger heftig ist der Verlauf der Keaction, wenn das Jod zuvor in
Schwefelkohlenstoff gelöst wird. Auf erstere Art erhalten bildet das Produkt
eine rothe krystallinische Masse, während aus der Schwefelkohlenstofflösung
sechsseitige Krystallblättchen gewonnen werden. Das Trijodid schmilzt leicht
und liefert bei stärkerem Erhitzen ein rothes Sublimat.
CooKE unterscheidet drei Modificadonen : Ein in Form rother hexagonaler
Krystalle auftretendes Jodid vom Schmp. 167° wird durch Verdunsten der
Schwefelkohlenstoff lösung erhalten; erhitzt man diese Krystalle jedoch vorsichtig
(nicht über 114°), so bildet sich ein aus grüngelben rhombischen Krystallen
bestehendes Sublimat, welches über 114° erhitzt wieder in die rothe Modification
übergeht. Eine dritte, dem monoklinen System angehörende Modificarion ent-
steht beim Verdunsten einer Lösung des rothen Jodids in Schwefelkohlenstoff in
direktem Sonnenlicht Diese dritte Modification geht über 125° wieder in die
hexagonale Modification über.
Das Antimontrijodid wird von den concentrirten Lösungen der Alkalijodide
in der Wärme leicht aufgenommen und bildet mit diesen krystallisirbare Doppel-
salze. Wasser zersetzt dieselben, ebenso wie das isolirte Antimonjodid unter Ab-
scheidung eines gelben Oxyjodids.
Fluoride des Antimons.
Antimontrifluorid, SbFl,, lässt sich in reinem Zustand durch Erhitzen
eines Gemenges aus Quecksilberfluorid mit Antimon als weisses, sehr hygros-
kopisches Sublimat erhalten.
In rhombischen Krystallen scheidet sich das Trifluorid ab beim Verdunsten
einer Lösung von Antimonoxyd in concentrirter Flusssäure. Durch Wasser wird
die Lösung des Antimontrifluorids nicht gefallt; beim Eindampfen entweicht aber
ein Theil des Fluorwasserstoffs und es hinterbleibt ein weisses Pulver, wahr-
scheinlich ein Oxyfluorid. Mit Alkalifiuoriden verbindet sich das Antimontrifluorid
analog dem Jodid zu Doppelfluoriden.
Antimonpentafluorid, SbFlj, hinterbleibt nach Marignac beim Ein-
dampfen einer Lösung von Antimonsäure in Flusssäure als amorphe Masse, welche
mit Alkalifluoriden ebenfalls Doppelsalze bildet.
Antimon. 5
Oxyde des Antimons.
Drei Oxyde sind bekannt: das Trioxyd, SbjOs, das Tetroxyd, Sb^O^,
und das Pentoxyd, Sb^Oj.
Antimontrioxyd, Sb^Oj, gewöhnlich Antimonoxyd (auch wohl antimo-
nige Säure) genannt, findet sich in rhombisch und in regulär krystallisirtem Zu-
stand in der Natur und wird dann Antimonblüthe resp. Sdnarmontit genannt.
Künstlich kaim es durch Verbrennen des metallischen Antimons an der Luft
erhalten werden, indem man das Antimon in einem grossen, schief gelegten
Tiegel zum Glühen erhitzt. Der entstehende Oxydrauch verdichtet sich an den
kälteren Stellen des Tiegels zu weissen Krystallnadeln. Auch durch Schmelzen
des Antimons mit Salpeter und primärem (saurem) Kaliumsulfat kann Antimon-
oxyd erhalten werden, welches nach dem Auskochen der Schmelze mit Wasser
als weisses Pulver zurückbleibt. Das saure Sulfat hat den Zweck, das bei der
Zersetzung des Salpeters freiwerdende Kali zu neutralisiren, damit durch seine
Anwesenheit nicht die Bildung von Antiroonsäure begünstigt wird.
Verdünnte Salpetersäure oxydirt Antimon zu Oxyd ohne es zu lösen, conc.
Säure liefert Tetroxyd und Pentoxyd. In reinem Zustand, insbesondere frei von
höheren Oxydationsstufen lässt sich das Oxyd durch Behandeln des basischen
Antimonsulfats oder des Algarotpulvers mit kochender sehr verdünnter Soda-
lösung gewinnen.
Das Antimontrioxyd wird beim Erhitzen gelb, schmilzt und sublimirt bei noch
höherer Temperatur, wobei vorzugsweise prismatische, selten reguläre Krystalle
auftreten. Auch das natürlich vorkommende Oxyd zeigt diese beiden Formen,
und die Aehnlichkeit des Antimons mit dem Arsen wird durch diese gleichartige
Dimorphie der Oxyde besonders deutlich, doch zeigt die arsenige Säure häufiger
die octaedrische Form.
Bei längerem Erhitzen an der Luft nimmt das Antimonoxyd Sauerstoff auf
und geht allmählich in Tetroxyd über, weshalb das durch Verbrennen des Metalls
dargestellte Oxyd stets etwas der letzteren Verbindung enthält. In Wasser ist
das TrioxycJ nur sehr wenig löslich, in Salzsäure, Schwefelsäure oder Weinstein-
säure löst es sich dagegen auf und bildet Salze; doch auch in Natronlauge ist
es löslich und liefert ein krystallisirbares Salz NaSbOj, in welchem das Antimon-
oxyd die Rolle einer Säure spielt.
Antimontetroxyd, Sb204, auch als antimorsaures Antimonoxyd, SbOj-
O(SbO) bezeichnet, bildet sich sowohl beim Glühen der Antimonsäure oder des
Pentoxyds als auch des Trioxyds; im letzteren Fall wird Sauerstoff aus der Luft
aufgenommen.
Am zweckmässigsten stellt man das Tetroxyd dar durch Oxydiren des
metallischen Antimons oder des Schwefelantimons mit rauchender Salpetersäure
und starkes Glühen des zur Trockne verdampften Reactionsproduktes.
Anrimontetroxyd ändert seine weisse Farbe beim Glühen in Gelb um, löst
sich nicht in Wasser und wird auch von Säuren nur wenig angegriffen. In
schmelzendem Kali löst es sich aber und beim Behandeln der erkalteten Masse
mit kaltem Wasser bleibt ein weisses Kaliumsalz von der Formel, K^SbjOg, zu-
rück, welches als unterantimonsaures Kalium bezeichnet werden kann.
Seine Lösung in kochendem Wasser fällt aus den Salzlösungen vieler Schwer-
metalle unlösliche Hypoantimoniate. Eine Lösung des Tetroxyds in Salz-
säure scheidet aus gleichzeitig zugefügtem Jodkalium Jod aus, welches durch
6 Handwörterbuch der Chemie.
Ausschütteln mit Schwefelkohlenstoff an der diesem ertheilten violetten Farbe
erkannt werden kann. Antimontrioxyd zeigt diese Reaction nicht.
Antimonpentoxyd, 80,05 (Antimonsäure-Anhydrid), wird durch
Oxydation von gepulvertem Antimon mit rauchender Salpetersäure oder Königs-
wasser und Eindampfen mit überschüssiger Salpetersäure als weisses Pulver er-
halten, welches durch Erhitzen von der anhängenden Salpetersäure befreit werden
kann; doch darf die Temperatur nicht bis zur Glühhitze steigen, da sonst unter
Sauerstoffaustritt Tetroxyd gebildet wird. Die Hydrate des Pentoxy ds, die
eigentlichen Antimonsäuren, hinterlassen beim Erhitzen ebenfalls reines Pentoxyd.
Antimonpentoxyd ist schwach gelb gefärbt, löst sich in Salzsäure und in
schmelzenden Alkalien und Alkalicarbonaten und lässt sich von Antimontrioxyd
und Tetroxyd mit Hülfe einer ammoniakalischen Silbemitratlösung unterscheiden,
welche beim Erwärmen mit den beiden letztgenannten Oxyden Schwärzung be-
wirkt, während das Pentoxyd nicht verändert wird. Gegen Salzsäure und Jod-
kalium verhält sich das Pentoxyd dem Tetroxyd gleich und kann durch diese
Reaction also nur vom Trioxyd unterschieden werden.
Hydrate des Antimons.
Normales Antimonhydroxyd, Sb(OH)j, entsteht nach F. W. Clarke
und Stallo (5) durch freiwillige Zersetzung der Säure des Brechweinsteins,
C4H5Sb07, welche aus dem correspondirenden Bar3mmsalz durch Schwefelsäure
abgeschieden werden kann. Bei Zersetzung des Brechweinsteins mit verdünnten
Säuren scheidet es sich ebenfalls, wenn auch weniger rein, aus.
Weisses Pulver, das erst über 150° Wasser entlässt.
Das Hydroxyd, Sb,0(0H)4 oder Sb20j-2H,0, ebenfalls von weisser
Farbe erhält man durch Zersetzung einer Lösung von Schwefelantimon in
Natronlauge mit Kupfersulfat und Fällen mit einer Säure. Dieses Hydroxyd
kann auch als antimonige Säure aufgefasst werden.
Ein Hydrat des Antimontetroxyds ist nicht bekannt.
Hydrate des Pentoxyds; Antimonsäuren.
Es sind vier verschiedene Hydrate darstellbar (9).
Die monohydrische Säure, SbOg-OH, bildet sich beim Erhitzen der
trihydrischen Antimonsäure, SbO(OH)j, auf 175°, welche selbst durch
Fällung einer Antimoniatlösung durch Schwefelsäure gewonnen wird. Die Säure,
SbOj'OH, bildet mit Basen Salze, welche An timoniate genannt werden. Das
Antimonsäurehydrat von der Formel, Sb20-(OH)j, entsteht durch Zersetzung
des Antimonpentachlorids durch Wasser. Wird dieses Hydrat bei 100° getrocknet,
so geht es in die Metaantimonsäure FRfeMv's, Sb,07H4 oder Sb203(OH)4
über, welche mit Alkalien die sogen. Metantimoniate bildet.
Salze des Antimons.
Oxydsalze. Wenig beständig. Beim Auflösen von Antimonoxyd in con-
centrirter Salpetersäure kann das Nitrat, Sb^NjO^i, in Gestalt weisser Krystall-
blättchcn erhalten werden. Verdünnte Salpetersäure überführt metallisches Anti-
mon in ein basisches Salz.
Sulfate (7). Wird eine Lösung von Antimonoxyd in massig concentrirter
Schwefelsäure abgedampft, so scheiden sich seideglänzende Nadeln des normalen
Antimonsulfats, Sb^CSO^), oder Sb^Oj-SSOj ab.
Das Sulfat, SbjOj-HSO„ erhielt Pelicot durch Erhitzen von Antimon.
Antimon. 7
oxychlorid mit concentrirter Schwefelsäure und das Sulfat, Sb303*SOj, aus
Antimonoxyd und rauchender Schwefelsäure. Weisse Kiystalle. Heisses Wasser
überführt beide Sulfate in das basische Sulfat, 2Sb30j-S03, welches beim
Kochen mit Sodalösung in Antimonoxyd übergeht
Brechweinstein, ein Doppelsalz von weinsteinsaurem Antimonoxyd und
weinsteinsaurem Kalium, KSb €411^07 -f- HqO, wird entweder als saures wein-
saures Kalium aufgefasst, in welchem das Radical SbO die Stelle von 1 At.
Kalium einnimmt, also als, Sb^]^C4H4 0g, oder als Derivat der antimonigen
Säure, Sb(0H)8, nach der Formel, Sb^Q*^*^«, (Clarke und Stallo) (8).
Der Brechweinstein wird durch Kochen von Weinstein mit Antimonoxyd und
Wasser und Krystallisation der filtrirten Flüssigkeit dargestellt. Er bildet oktae-
drische Krystalle und ist das als Brechmittel gewöhnlich gebrauchte Medicament.
Reactionen der löslichen Antimonoxydsalze*).
Wasser fallt basische Salze, resp. Oxychlorid etc. Kalilauge und Kalium-
carbonat erzeugen einen weissen, im Ueberschuss des Fällungsmittels löslichen
Niederschlag. Der von Ammoniak oder Ammoniumcarbonat bewirkte weisse
Niederschlag bleibt dagegen unlöslich in den fällenden Flüssigkeiten. Schwefel-
wasserstoff oder Schwefelammonium fällt orangegelbes Antimontrisulfid, welches
in gelbem Schwefelammonium, sowie in concentrirter Salzsäure löslich ist, von
Ammoniak aber nur wenig aufgenommen wird. Aus Goldchloridlösung fällen
Antimonoxydsalze metallisches Gold und ammoniakalische Silberlösunig bewirkt
an dem durch Wasser aus einer Oxydlösung gefällten basischen Salz Schwarz-
färbung in Folge der Bildung von Silberoxydul. Antimonsäure zeigen diese
letzteren Reactionen nicht.
Dem Antimonoxyd entsprechende Oxyhalogenverbindungen.
Oxychlorüre.
Antimonylchlorid, SbOCl. Antimonchlorid wird ebenso wie seine Lösung
in wenig Salzsäure durch Wasser unter Abscheidung eines weissen Pulvers zer-
setzt, welches — wenn es bei gewöhnlicher Temperatur dargestellt vidrd — die
Formel SbO Gl besitzt Bei zu wenig Wasser enthält der Niederschlag noch
unverändertes Trichlorid, welches ihm durch Aether entzogen werden kann
Der Niederschlag ist amorph, wenn die Fällung durch viel Wasser erfolgte; in
kleinen Rhomboedem krystallisirt, wenn man auf 10 Thle. Antimonchlorid
17 Thle. Wasser anwendet und einige Tage stehen lässt. Durch trocknes Er-
hitzen zerfällt das Antimonylchlorid in Antimontrichlorid und Algarotpulver,
Sb^OsCl,.
Mit dem Namen Algarotpulver oder pulvis Algaroti (nach dem Arzt
Algarotus, der im 16. Jahrhundert in Verona lebte, so genannt) belegt man den
wechselnd zusammengesetzten Niederschlag, welcher bei der Fällung einer
Antimontrichloridlösung durch viel Wasser entsteht.
Beträgt die zugefügte Wassermenge auf 1 Thl. Trichlorid 5 bis 50 Thle., so
sind die entsprechenden Niederschläge nach Sabanajew (6) amorph und nach der
Formel Sb405Cl2 zusammengesetzt. Bei längerem Stehen unter der Flüssigkeit
verwandelt sich aber der Niederschlag in eine aus seideglänzenden Nadeln be-
stehende Masse. Durch längeres Auswaschen lässt sich der Chlorgehalt ver-
*) Brechweinstein zeigt in mancher Hinsicht ein anderes Verhalten.
8 Handwörterbuch der Chemie.
mindern bis schliesslich krystallinisches Antimonoxyd zurückbleibt. Sodalösung
bewirkt diese Umwandlung sofort. Je nach der Concentration der Antimonlösung,
der Menge anwesender freier Säure, der herrschenden Temperatur und der
zugefügten Wassermenge variirt der Chlorgehalt des Produktes, weshalb dem
sogen. Algarotpulver so verschiedene Formeln früher beigelegt worden sind. —
Je mehr freie Säure zugegen ist, um so mehr Wasser ist zur Fällung nöthig und
um so mehr Antimon bleibt in der Lösung und geht somit bei der Bereitung
des Algarotpulvers verloren. Letzteres findet — wie viele andere Antimon-
präparate Anwendung als Medicament.
Antimonylbromid, SbOBr, bildet sich nach Cooke durch Einwirkung
von Luft und Licht auf eine Lösung von Antimontribromid in SchwefelkohlenstoÖ.
Braunes Pulver. Ein Oxybromid, Sb^OgErg, entsteht nach E. MAavoR
bei der Zersetzung von Antimontribromid durch kaltes Wasser und Extraction mit
Schwefelkohlenstoff.
Antimonyljodid wird bei Zersetzung von Antimonjodid mit Wasser oder
bei Zusatz von Jodkaliumlösung zu Antimontrichlorid erhalten. Beim Abdampfen
scheidet sich ein gelbes krystallinisches Oxyjodid von der Formel Sb405J, ab.
Antimonylfluorid, Sb^OjFlg oder 2SbFl3-Sbj03, hinterbleibt beim Ver-
dampfen einer wässrigen Lösung von Antimontrifluorid.
Salze der Antimonsäuren, s. unter den betr. Metallen.
Hier seien davon erwähnt:
Ammoniumantimoniat, NH4Sb03. Durch Auflösen von Antimonsäure
in erwärmter Ammoniakflüssigkeit zu erhalten. Weisses krystallinisches Pulver.
Antimoniate vieler Schwermetalle lassen sich durch Zersetzung der
löslichen Antimoniate mit den Salzlösungen der betreffenden Schwermetalle dar-
stellen. Sie sind unlöslich oder schwer löslich in Wasser, löslich in Salzsäure.
Ein Bleiantimoniat wird unter dem Namen Neapelgelb in der Malerei an-
gewandt. Man erhält es aus Brechweinstein durch mehrstündiges Schmelzen mit
dem doppelten Gewicht Bleinitrat und dem vierfachen Gewicht an Kochsalz.
Die Masse wird hierauf mit Wasser behandelt.
Saures Ammoniummetantimoniat, (NH4)3H2Sb307H-5H20. Krystalli-
nischer Niederschlag, welcher durch Fällen einer ammoniakalischen Lösung der
Metantimonsäure mit Alkohol erhalten wird.
Das durch Schmelzen von KLaliumantimoniat mit der dreifachen Kalimenge und
Behandlung mit Wasser erhaltene saure Kaliummetantimoniat, KgHjSbgOj,
dient als Reagens auf Natriumsalze, da das entsprechende Natriumsalz,
NajHjSbjOy, in kaltem Wasser fast unlöslich ist.
Oxychloride, welche dem Pentoxyd entsprechen.
Antimonoxytrichlorid, SbOClj. Diese dem Phosphoroxychlorid corres-
pondirende Verbindung entsteht (lo) bei der Zersetzung des Antimonpentachlorids
mit der berechneten Menge eiskalten Wassers nach der Gleichung SbClj-hHaO
= 2HCl-f-SbOClj. Krystallinische, gelblich weisse Masse, welche durch Wasser
und durch Alkohol zersetzt wird.
Sulfide des Antimons.
Antimontrisulfid, Sb^Sj. Das gewöhnlichste, sehr verbreitete Antimonerz,
der sogen. Antimonglanz, auch Grauspiessglanzerz und Stibnit genannt, besteht
aus diesem Sulfid. Es bildet schwarzgraue prismatische Krystalle, welche spröde
Antimon. 9
und leicht schmelzbar sind. Spec. Gew. = 4,62. In Gestalt eines orangerothen,
amorphen Pulvers wird das Antimontrisulfid durch Fällen einer Trichloridlösung
oder einer mit Salzsäure vermischten Brechweinsteinlösung durch Schwefelwasser-
stoff erhalten. Dieses rothe Sulfid enthält jedoch Wasser gebunden, welches erst
bei 200** völlig austritt, wobei schwarzes Sulfid zurückbleibt. Beim Eingiessen
von geschmolzenem Antimonglanz in kaltes Wasser bildet sich eine amorphe
graue Masse, die aber in dünnen Schichten roth durchscheint und beim Zerreiben
ein rothbraunes Pulver liefert. — Durch Wasserstoff wird das Trisulfid zu Antimon
reducirt.
Durch Auflösen von gepulvertem Antimonglanz in Laugen oder Alkalicarbonat-
lösungen und Fällen mit einer Säure wird ein rothbraunes Pulver erhalten,
welches unter dem Namen Kermes als Medicament noch in diesem Jahrhundert
eine sehr wichtige Rolle spielte. Ueber die Zusammensetzung des Körpers erhob
sich ein längerer Streit zwischen den untersuchenden Chemikern bis endlich
Rose und Fuchs nachwiesen, dass der Kermes ein amorphes Trisulfid ist, welches
je nach den besonderen Verhältnissen bei seiner Bereitung in der Regel mehr
oder weniger Antimontrioxyd enthält, das jedoch durch Weinsäure ausgezogen
werden kann.
Mit den Sulfiden der Alkalimetalle vereinigt sich das Antimontrisulfid zu
Sulfosalzen, den sogen. Thioantimoniten.
Durch Zusammenschmelzen des Trisulfids mit Schwefelalkalien werden
braune Massen, sogen. Antimonschwefellebern erhalten, welche in Wasser
löslich sind und durch Säuren unter Abscheidung von Trisulfid zersetzt werden.
Auch durch Erwärmen des Letzteren mit der Lösung alkalischer Sulfide entstehen
diese Verbindungen, welche mit Antimoniten gemengt auch beim Auflösen von
Antimontrisulfid in alkalischen Laugen oder Carbonatlaugen erhalten werden.
DerProzess verläuft nach der Gleichung, 2Sb2S8-l-4KOH=3KSbS2-l-KSb02
-h 2H2O. Bei Zusatz einer Säure fallt aus solcher Lösung ein Gemisch von
Antimontrisulfid mit Oxyd nieder, welches den Kermes bildet.
Das Trisulfid verbrennt flir sich schwierig an der Luft, leicht aber, wenn es
mit Salpeter oder Kaliumchlorai gemischt ist. Die entstehende Flamme ist weiss
und vom lebhaftesten Glanz, weshalb derartige Gemische in der Feuerwerkerei zur
Herstellung bengalischen Weissfeuers Anwendung finden. Ein Salz für Weiss-
feuer besteht z. B. aus 48 Thhi. Salpeter, 13} Thln. Schwefelblumen und 7} Thln.
natürlichem Schwefelantimon. Ausserdem dient* das Trisulfid zur Fabrikation
der an den sogen, schwedischen Zündhölzern befindlichen Zündmasse, welche
sich an einer mit amorphem Phosphor bestrichenen Reibfläche entflammen und
fand ausgedehnte Anwendung zur Herstellung der Zündpillen in dem Dreyse' sehen
Zündnadelgewehre. —
Antimonzinnober, eine schöne rothe Farbe, wird beim Erwärmen einer
Lösung von Antimonchlorid oder Brech Weinstein mit unterschwefligsaurem Natrium,
NajSjOj , erhalten. Zunächst bildet sich hierbei ein gelber Niederschlag, dessen
Farbe aber bald durch Orange in Roth übergeht. Bei zu langem Erwärmen wird
die Farbe braun.
Nach älteren Untersuchungen ist der Antimonzinnober ein Oxysulfid, Teclu
(12) fand aber neuerdings, dass das nach verschiedenen Methoden dargestellte
Produkt nach der Formel SbjSg zusammengesetzt und also eine besondere
Modification des Trisulfids ist.
lo Handwörterbuch der Chemie.
Zur Darstellung wird nach Böttger 1 Thl. einer Lösung von Antimontrichlorid von 1,35 spcc.
Gew. mit einer Lösung von 1^ Thl. unterschwefligsaurem Natrium in 3 Thln. Wasser langsam
erhitzt, bis sich kein neuer Niederschlag mehr bildet. Die erhaltene Farbsubstanz ist zunächst
mit verdünnter Essigsäure und erst dann mit Wasser auszuwaschen, um die Fällung von Algarot-
pulver zu vermeiden. — Nach R. Wagner's Vorschrift werden 4 Th. Brechweinstein mit 3 Thln.
Weinsäure in 16—20 Thln. Wasser gelöst, auf 60—70® erwärmt und dann mit kaltgesättigter
Hyposulfitlösung bis auf 90° erhitzt — Zur Erzielung einer reinen Farbe ist es durchaus nöthig,
dass das verwendete Antimonpräparat keine Spur von Blei oder Kupfer enthält, weshalb das
Antimontrichlorid vor der Verwendung destillirt oder aus gut ausgewaschenem Algarotpulver
bereitet sein muss.
Der Antimonzinnober giebt mit Oelen angerieben eine sehr haltbare, lebhaft
rothe Farbe, welche nur durch alkalische Substanzen leicht zerstört wird, aber
gegen das Licht unempfindlich ist und in dieser Beziehung dem Quecksilber-
zinnober überlegen erscheint.
Antimonpentasulfid, Sb^Sj, auch Goldschwefel genannt, wird vielfach
als Heilmittel benutzt und aus dem Natriumthioantimoniat, NajSbS^ -f-9H20,
welches nach seinem Entdecker gewöhnlich den Namen Schuppe* seh es Salz
führt, durch 2^rsetzung mit Säuren gewonnen.
Das genannte Sulfosalz lässt sich auf trocknem und auf nassem Wege dar-
stellen.
Bei Anwendung des trocknen Verfahrens werden 16 Thle. wasserfreies Natriumsulfat mit
13 Thln. Antimontrisulfid und 5 Thln. Holzkohle in einem hessischen Tiegel zusammengeschmolzen;
die wässrige Lösung der Schmelze ist dann mit 2,5 Thln. Schwefel zu kochen, um das Trisulfid
in Pentasulfid zu überführen. Auf nassem Wege erhält man dasselbe Produkt durch längeres
Kochen von Natronlauge mit Schwefel und Antimontrisulfid. Aus der filtrirten Lösung scheidet
sich das SCHLU>PE'sche Salz in schwach gelblich geftlrbten, sehr grossen Tetraedern aus.
Wird seine Lösung mit verdünnter Schwefelsäure vermischt, so fällt das
Antimonpentasulfid als orangegelbes Pulver nieder. Auch durch Einleiten
von Schwefelwasserstoff zu in Wasser suspendirter Antimonsäure oder zu einer
Lösung von Antimonpentachlorid in angesäuertem Wasser wird Antimonpenta-
sulfid erhalten.
Das Pentasulfid ist in heisser concentrirter Salzsäure unter Abscheidung von
Schwefel und Schwefelwasserstoff löslich; die Flüssigkeit enthält dann Antimon-
trichlorid. Auch in alkalischen Laugen, Alkalicarbonatlösung, sowie in Lösungen
der Alkalisulfide und des Schwefelammoniums ist das Pentasulfid löslich und
zerfällt beim Erhitzen in Trisulfid und Schwefel. Ausser als Heilmittel findet es
Anwendung zum Rothfarben von Kautschukwaaren.
Thioantimoniate.
Von den Sulfosalzen, welche das Antimonpentasulfid bildet, ist die Natrium-
verbindung, das erwähnte in grossen Tetraedern krystallisirende Schlippe' sehe Salz,
NajSbS4 -I- OHqO, ^^ wichtigste. Es ist in Wasser sehr leicht löslich, wird
aber durch Alkohol aus dieser Lösung gefällt. Beim Aufbewahren an der Luft
überziehen sich die Krystalle mit einem braunen, kermesartigen Ueberzug und
werden schliesslich ganz zersetzt. Uebergiessen der Krystalle mit Natronlauge
oder Alkohol schützt sie auf längere Zeit vor der Zersetzung.
Das analog zusammengesetzte Kaliumthioantimoniat wird auf ähnliche
Weise gewonnen. Das Baryumsalz, Ba3(SbS4)3 -l- eHjO, scheidet sich bei
Zusatz von Alkohol zur Lösung des Goldschwefels in Baryumsulfidlösung in
Krystallnadeln ab. — Mit den Lösungen vieler Schwermetallsalze liefern die
Alkalithioantimoniate gefärbte Niederschläge.
Antimon. 1 1
Antimonoxysulfid, SbgOSg, bleibt beim Kochen von Antimonsulfojodid,
Sb S J, mit Wasser und Zinkoxyd und Behandeln der Niederschläge mit Salzsäure
als rothbraunes Pulver zurück. Als Rothspiessglanzerz findet sich diese
Verbindung in der Natur.
Antimonsulfochlorid, SbCljS, entsteht beim Auflösen von Antimontrisulfid
in siedendem Antimonpentachlorid, sowie bei langsamem Einleiten von Schwefel-
wasserstofFgas in dieses Chlorid. Bei letzterem Verfahren wird eine weisse
krystallinische Masse von der Formel SbSClg erhalten. Auch beim Vermischen
von Antimonpentachlorid mit Schwefelkohlenstoff unter guter Abkühlung bildet
es sich (Bertraud u. Finot, Bull. soc. 34, pag. 201).
Antimonsulfojodid, SbSJ, bildet sich beim Auflösen von gepulvertem
Antimontrisulfid in geschmolzenem Antimonjodid und wird durch Aiisgiessen der
erstarrten Masse mit verdünnter Salzsäure, welche das überschüssige Jodid auf-
löst, rein erhalten.
Selenide des Antimons.
Antimontriselenid, SbjSej. Graue Masse, welche beim Zusammen-
schmelzen der Bestandtheile und durch Fällen einer Brechweinsteinlösung mit
SelenwasserstofT gebildet wird.
Antimonpentaselenid, SbQSe^. Braunes Pulver. Wird durch Fällen des
dem ScHLiPPE'schen Salz analogen und isomorphen Natriumselenantimoniats mit
einer Säure gewonnen.
Telluride, SbTe und Sb^Te,. Graue, resp. zinnweisse, metallglänzende
Massen. Durch Zusammenschmelzen der Bestandtheile darstellbar.
Phosphide und Arsenide des Antimons lassen sich in analoger Weise
gewinnen.
Antimonwasserstoff, SbH,.
Wird die Lösung einer Sauersoflf- oder Haloid Verbindung des Antimons in
einen mit Zink und verdünnter Salz- oder Schwefelsäure gefüllten WasserstofF-
entwicklungsapparat gebracht, so mischt sich dem Wasserstoff sofort Antimon-
wasserstoff bei. Die Analogie, welche Letzterer mit dem Arsenwasserstoff hin-
sichtlich dieser Bildungsweise zeigt, wird noch erweitert durch die ganz ähnlichen
Reactionen beider Gase.
Das aus dem Apparat austretende Gasgemisch wird reicher an Antimon-
wasserstoff, wenn man 3 Thle. Zink mit 2 Thlen. Antimon legirt hatte und dann
die Säure zufügt, doch ist es nicht möglich ein einigermaassen reines Antimon-
wasserstoffgas auf diese Weise zu erhalten. Reicher ist das bei Zersetzung von
Antimontrichloridlösung durch Natriumamalgam entwickelte, sowie das beim
Zutropfen einer conc, salzsauren Antimontrichloridlösung zu granulirtem Zink
freiwerdende Gas, doch enthält dasselbe immerhin höchstens 4J SbHj.
Antimonwasserstoff ist ein färb- und geruchloses Gas und verbrennt mit
fahler, weisser Flamme, welche einen aus Antimonoxyd bestehenden weissen Rauch
ausstösst Eine in die Flamme gehaltene kalte Porzellanschale überzieht sich
mit Antimonflecken, welche den Arsenfiecken sehr ähnlich, aber schwärzer
sind. Auch beim Durchleiten durch eine glühende Glasröhre zerfallt das Gas
unter Abscheidung eines Antimonspiegels, der theils silberglänzend, theils
sammetschwarz erscheint und sich von dem mehr bräunlich gefärbten Arsenspiegel
durch seine Unlöslichkeit in verdünnter Chlorkalklösung und durch seine geringere
Flüchtigkeit beim Erhitzen auszeichnet. — Aus Silbemitrat fällt das Antimon*
W^sserstoffgas einen schwarzen Niederschlag, welcher ein Gemenge von Antimon-
12 Handwörterbuch der CHiemie.
silber, SbAgj, mit metallischem Silber ist. Mit Schwefel oder Schwefelwasserstoff
in Berührung liefert das Antimon wasserstoffgas im Sonnenlicht orangerothes
Antimontrisulfid und wird auch durch die Halogene unter Bildung der ent-
sprechenden Antimonverbindungen zersetzt
Ein fester AntimonwasserstoÖ ist noch nicht in reinem Zustand erhalten
worden, obwohl einige Beobachtungen seine Existenz wahrscheinlich machen.
Quantitative Bestimmung des Antimons.
Zur Bestimmung des Antimons ist zunächst eine lösliche Verbindung herzu-
stellen, was durch Behandlung mit Salzsäure oder Königswasser gelingt. Da
beim Eindampfen einer solchen Chloridlösung ein Verlust an Antimon durch
Verflüchtigung stattfindet, so darf das etwa nöthige Concentriren nur nach Ueber-
sättigung mit Alkali geschehen, welches später wieder durch Salzsäure verdrängt
wird. Gewöhnlich fällt man zuerst das Antimon aus der mit Weinsteinsäure
versetzten Lösung durch Schwefelwasserstoff als Trisulfid, filtrirt dasselbe ab und
oxydirt nach dem Auswaschen und Trocknen mit rauchender Salpetersäure in
einem gewogenen Porzellantiegel. Durch weiteres Erhitzen wird die Salpetersäure
und die gebildete Schwefelsäure verjagt und schliesslich die zurückbleibende
Antimonsäure durch Glühen in das constantere Antimontetroxyd, SbjO^, über-
geführt, dessen Gewicht zu bestimmen ist.
Auf maassanalytische Weise lässt sich das Antimon, wenn es als Trioxyd
vorliegt, mit Hülfe titrirter Jodlösung bestimmen. Das Oxyd ist zunächst in
Weinsäure zu lösen, dann mit Natriumcarbonat zu neutralisircn und mit kalt
gesättigter Natriumbicarbonatlösung zu vermischen. Nach Zusatz einiger Tropfen
Stärkekleisterlösung wird mit Jodlösung bis gerade zum Eintritt einer blauen
Färbung titrirt. Dass die blaue Farbe bald verschwindet, darf nicht zu weiterem
Zusatz verleiten.
Da Antimonsäure aus Jodkalium Jod ausscheidet und Antimonoxyd entsteht,
so kann auch das Antimon durch volumetrische Bestimmung des abgeschiedenen
Jods bestimmt werden. Insbesondere eignet sich diese Methode für Legirungen,
welche Zinn und Antimon enthalten (Weller) (15).
Die electrolytische Bestimmung des Antimons lässt sich in der Lösung des
Sulfids im Schwefelammonium leicht und genau ausfuhren (Classen u. von Reis) (16).
Auch ist empfohlen worden, das Antimontrisulfid dadurch zu bestimmen,
dass man den aus ihm durch Kochen mit Salzsäure austreibbaren Schwefel-
wasserstoff bestimmt und die Menge des vorhandenen Antimons darnach be-
rechnet.
Ueber die Trennung des Antimons vom Arsen s. Arsen. Heumann.
Aromatische Säuren. Als aromatische Säuren bezeichnet man die Carboxyl-
haltigen Derivate des Benzols, also diejenigen Substanzen, welche zugleich einen
oder mehrere Benzolreste und eine oder mehrere Carboxylgruppen enthalten.
Die letzteren Gruppen bedingen den Säurecharakter der Verbindungen und be-
stimmen durch ihre Anzahl die Basicität der betreffenden Säure.
Da ein Kohlenstoffatom des Benzolrings nicht gleichzeitig einer Carboxyl-
gruppe angehören kann, so enthält die einfachste aller aromatischen Säuren
sieben Kohlenstoflfatome. Es ist dies die Benzoesäure CgHj-COQH. Diese
Benzoesäure kann aufgefasst werden als Monocarboxylderivat des Benzols, d. h.
als Benzol, in welchem ein Wasserstoffatom durch die Gruppe COjH vertreten
ist, oder als ein Phenylderivat der Ameisensäure, d. h, als Ameisensäure, in
Aromatische Säuren. 13
welcher das direkt an Kohlenstoff gebundene Wasserstoffatom durch den Benzol-
rest CßHg, die Phenylgruppe, ersetzt worden ist. In derselben Weise lassen sich
ganz allgemein die aromatischen Säuren ableiten, einerseits von dem Benzol oder
seinen Homologen durch Vertretung von Wasserstoff durch Carboxyl, andrerseits
von den Säuren der nicht aromatischen Reihen durch Vertretung von Wasserstoff
durch Reste des Benzols oder seiner Homologen.
Die letztere Betrachtungsweise ist für die Nomenclatur der aromatischen
Säuren vielfach verwerthet: CgHs-CO^H = Phenylameisensäure (Benzoesäure),
CßH5.CH2-COaH=Phenylessigsäure, C6H.^.CH2-CH3.COjH=Phenylpropion-
säure.
In den hier genannten Säuren kehrt die Homologie derjenigen nicht aro-
matischen Säuren wieder, auf welche jene bezogen werden. Diese Homologie
entspricht derjenigen, welche auch bei den Benzolkohlenwasserstofien durch Ver-
längerung der einzelnen Seitenketten hervorgebracht wird : CgHg'CHgss Methyl-
benzol, CgH^-CHj-CHa = Aethylbenzol u. s. w.
In gleicher Weise muss eine anderweitige Homologie der aromatischen
Säuren derjenigen entsprechen, welche bei den Benzolkohlenwasserstoffen die
Vermehrung der Seitenketten hervorruft:
CgHj.CHs Methylbenzol, CgH-COgH Benzoesäure,
CH CH
C6^4Cch' Dimethylbenzol, ^e^iCcO^H Toluylsäure,
CH CH
CgHg ~ CH3 Trimethylbenzol, CgH, — CH3 Xylylsäure.
^CH, ^COgH
Aus dieser zweifachen Art der Homologie bei den aromatischen Säuren
ergiebt sich ohne Weiteres eine erste Art der bei ihnen vorkommenden Iso-
merien: Eine aromatische Säure, die sich von einer niedrigeren durch Ver-
längerung einer Seitenkette um die Differenz (CHg)^- ableitet, muss isomer sein
mit einer solchen, welche aus jener niedrigeren Säure durch Vermehrung der
Seitenketten um denselben Betrag, z. B. durch Eintritt von x Methylgruppen, ent-
standen gedacht werden kann:
CH
CßHg-CH^-COaH (Phenylessigsäure) ist isomer mit C6H4C[qq*^ (Toluyl-
^CHj
säure), CgHj-CHj'CH^-COjH (Phenylpropionsäure) isomer mit C^Hj — CHg
^CO,H
(Xylylsäure).
Eine zweite Ursache von Isomerien ist die verschiedene Stellung des Phenyls
an dem Rest derjenigen nicht aromatischen Säure, als deren Phenylderivate die
betreffenden aromatischen Säuren zu betrachten sind. Die dadurch bedingten
Isomerien entsprechen durchaus den Isomerien der einfacheren Substitutions-
derivate jener nicht phenylirten Säuren: CgH^-CHg-CHj-COgH (Phenylpropion-
CH
säure) ist isomer mit CßH^-CH^QQ^jj (Isophenylpropionsäure), wie die ß-Chlor-
CH
Propionsäure CHjCl-CHj-COjH mit der a-Chlorpropionsäure CHCICIqq'pj.
Diesen Isomerien schliessen sich diejenigen an, in welchen nur die schon
bei den betreffenden nicht aromatischen Säuren vorkommenden Constitutions-
verschiedenheiten wiederkehren. Die Möglichkeit solcher Isomerien beginnt
natürlich erst mit dem Auftreten von 4 Kohlenstoffatomen in der Seitenkette:
Die Phenylbuttersäure, CgHs-CHj-CHj-CHa.COjH, ist in dieser Weise
14
Handwörterbuch der Chemie.
CH,
isomer mit der Phenylisobuttersäure, CgHg-CHj-CHCilro'H' ^^ ^^ Buttersäure
selber, CHa.CHj.CHj.COjH, mit der Isobuttersäure, CHj-CH:
-COjPI-
Endlich ist bei aromatischen Säuren, in welchen mehr als ein Wasserstoflf-
atom des Benzolrings ersetzt worden ist, die verschiedene relative Stellung dieser
ersetzten Wasserstoffatome die Ursache sehr zahlreicher Isomerien. Diese ent-
sprechen durchaus den Ortsisomerien, welche überhaupt bei den Di- bis Hexa-
derivaten des Benzols wiederkehren (vergl. unter aromatischen Verbindungen):
CH,
CHj
CH,
f^|CO,H
Ortholuylsäure.
l^JcOjH
Metatoluylsäure.
CO,H
Paratoluylsäure.
CO,H
CO,H
CO,H
Phtalsäure.
I^JcOjH
Isophtalsäure.
1 1
CO,H
TerephtalsSure.
Vorkommen. Einige aromatische Säuren treten fertig in der Natur auf,
und zwar theils in freiem Zustande, theils in Form von Salzen, zusammengesetzten
Aethern oder entfernteren Derivaten. Im freien Zustande ist z. B. die Benzoe-
säure im Benzoöharz und anderen Harzen und Balsamen enthalten, freie Zimmt-
säure im Storax, im Perubalsam und in gewissen Benzoesorten. Aether der
Benzoesäure kommen im Perubalsam und im Oel der Blüthen von Unona odora-
tissima vor, ein Aether der Zimmtsäure im Storax, ihr Aldehyd im Zimmtöl.
Verschiedene Wurzeln und Kräuter enthalten geringe Mengen von benzo^sauren
Salzen. Im Harn der pflanzenfressenden Säugethiere kommt als normaler Be-
standtheil ein Derivat der Benzoesäure, die Hippursäure (BenzoylglycocoU), zu-
weilen auch die Benzoesäure selber vor. Das Nitril der Phenylessigsäure ist im
ätherischen Oel von Tropaeoium majus und Lepidium satkmmy das Nitril der
Phenylpropionsäure in demjenigen von Nasturtium officinaU enthalten. Ziemlich
zahlreich treten endlich im Benzolkem hydroxylirte aromatische Säuren, sogen.
Phenolsäuren und Derivate derselben im Pflanzenreich auf.
Von künstlichen Bildungsweisen der aromatischen Säuren sind die
folgenden von allgemeinerer Bedeutung:
1. Die Oxydation der Benzolkohlenwasserstoffe. Alle Homologen
des Benzols können durch Oxydation in aromatische Säuren übergeführt werden.
Als Seitenketten vorhandene Methylgruppen werden hierbei einfach in Carboxyl-
gruppen übergeführt, so dass Säuren mit ebenso viel Kohlenstoffatomen entstehen,
wie im Kohlenwasserstoff vorhanden waren, also aus Toluol, C^Hg-CHj, die
Benzoesäure, CeHs-CO^H, aus Phenyltoluol, CgHs-CgH^-CHj, die Diphenyl-
carbonsäure, CgH5»CgH4«COj|H. Längere Seitenketten werden fast immer so
weit zerstört, dass erst das letzte, direkt am Benzolring befindliche Kohlenstoff-
atom derselben die bleibende Carboxylgruppe bildet; die entstehenden Säuren
enthalten also weniger Kohlenstoffatome, als die ursprünglichen Kohlenwasser-
stoffe: Propylbenzol, CßHjCHj.CHj.CHj, giebt Benzoesäure, CeHj.COjjH,
CH »CH
Paradiäthylbenzol , ^^k^o^ . rji^ ' ^^^ Paramethylpropylbenzol (Cymol),
Aromatische Säuren. 15
CH
^e^iCcH^-CH «CH ' 8®^^^ ^^s entsprechende Dicarbonsäure die Terephtal-
saure, C«H4^(.q»h'
Nur in Ausnahmefällen gelingt es, die Oxydation einer längeren Seitenkette
so 2U beschränken, dass die Carboxylgruppe nicht unmittelbar an den Benzolring
tritt Solche Fälle liegen vor in der Oxydation des Propylisopropylbenzols,
CH »CH «CH
CftH^:^ CH. , zur sogen. Homoterephtalsäure, C-H.:^^^»;^^»^
(Paterno u. Spica, Ber. 1877, pag. 1746), und in derjenigen des sjnnmetrischen
/CHjCHs .CO3H
Triäthylbenzols, CeHj — CH3.CH3, zur Isophtalessigsäure, C.Ho — CO.H
^CHa-CH, ^CHj.COjH
(Friedel u. Balsohn, Bull. soc. chim. [2] 34, pag. 635).
Beim Vorhandensein mehrerer Seitenketten in den Kohlenwasserstoffen lassen
sich dieselben durch nicht zu energisch wirkende Oxydationsmittel successive
oxydiren, so dass zunächst einbasische, dann zweibasische und eventuell mehr-
basische aromatische Säuren erhalten werden. So giebt das Mesitylen, als ein
/CH3 /CO,H
Trimethylbenzol, CgHj — CH3, zunächst Mesitylensäure, C^Hj— CH3 , dann Uvi-
^CHj ^CH,
/COjH /COjH
tinsäure, CgH,— COjH, und endlich Trimesinsäure, C^H,— CO^H, das Diäthyl-
^CHj ^COgH
C H C H
benzol, CgH^C^r^jj*» zunächst Aethylbenzoesäure, CßH^CT^?) |ji dann Terephtal-
n xj --CO.H
säure, CgH4^(.Q>jj.
Von gleichzeitig vorhandenen Seitenketten verschiedener Länge verfallen die
CH »CH »CH
längeren zuerst der Oxydation: Cymol, C6H4C^qtt* * ', liefert Para-
CH CO H
toluylsäure, CgH4ClrQ*jj» dann Terephtalsäure, CgH^dro^H*
Von Seitenketten mit gleich viel Kohlenstoffatomen aber von verschiedener
Constitution werden anscheinend allgemein die verzweigteren leichter angegriffen,
als diejenigen mit normaler Bindung, welche kein Kohlenstoffatom an weniger
als zwei Wasserstoffatome gebunden enthalten. Das p. Propylisopropylbenzol,
^CHj* CHa' CHj
^e^4 v.r'xx^'^Hs > liefert als erstes Oxydationsprodukt Propylbenzoesäure,
^^--CHj
^ XT .^CHj'CHj-CHj
^6 «4 -^COjH
Die Basicität der als Endprodukte entstehenden Säuren zeigt in allen Fällen
die Zahl der im Kohlenwasserstoff vorhanden gewesenen Seitenketten an.
Die Halogen- und Nitrosubstitutionsprodukte der dem Benzol homologen
Kohlenwasserstoffe, sowie die Sulfosäuren der letzteren lassen sich im Allgemeinen
durch passend gewählte Oxydationsmittel in ähnlicher Weise oxydiren, wie die
Kohlenwasserstoffe selber. Die drei Nitrotoluole, C^H^^^jt*, liefern z. B. die
jQ^O *
entsprechenden drei Nitrobenzoesäuren, C^H^^pQ^j^.
i6 Handwörterbuch der Chemie.
Als Oxydationsmittel benutzt man zur Darstellung der aromatischen Säuren
entweder verdünnte Salpetersäure, oder Chromsäure, oder Kaliumpermanganat
Die Wahl unter diesen Oxydationsmitteln hat sich nach der Natur des
Kohlenwasserstoffs und ausserdem danach zu richten, wie weit man ihn zu oxy-
diren beabsichtigt. In ersterer Beziehung ist zu berücksichtigen, dass Kohlen-
wasserstoffe mit in Orthosteilung zu einander befindlichen Seitenketten nicht die
Anwendung der Chromsäure erlauben, weil sie durch diese vollständig verbrannt
zu werden pflegen. Das Ortho-Dimethylbenzol (Orthoxylol) z. B. lässt sich nicht
durch Chromsäure zu Phtalsäure oxydiren, sondern wird durch diese völlig zer-
stört. Bei solchen Kohlenwasserstoffen lässt sich hingegen verdünnte Salpeter-
säure oder übermangansaures Kalium anwenden.
Die Anwendung der verdünnten Salpetersäure führt bei Kohlenwasser-
stoffen mit mehreren Seitenketten vorwiegend zur Bildung einbasischer Säuren
und ist daher zur Darstellung der letzteren gewöhnlich in erster liinie zu
empfehlen, wenn auch keineswegs die oxydirende Wirkung der Salpetersäure mit
der Bildung jener einbasischen Säuren ihre definitive Grenze erreicht.
Da stärkere Salpetersäure wesentlich nitrirend wirken würde, wendet man
nur etwa 10— löprocentige Säure an. Diese muss anhaltend mit dem Kohlen-
wasserstoff" am Rtickflusskühler gekocht werden. Wenn die Siedhitze nicht er-
reicht werden soll, darf der Kohlenwasserstoff" nur in sehr dünner Schicht die
möglichst grosse Oberfläche der verdünnten Salpetersäure bedecken.
Auch bei der angegebenen Verdünnung ist eine Nitrirung nicht ganz zu
vermeiden, so dass die entstandenen Säuren von Nitrosäuren befreit werden
müssen. Es geschieht dies dadurch, dass man die rohe Säure mit salzsaurer
Zinnchlorürlösung oder mit Zinn und Salzsäure erhitzt und die unangegriffene
Säure, resp. das Gemenge verschiedener einbasischer Säuren, im Wasserdampt-
strom abdestillirt. Die aus den Nitrosäuren entstandenen Amidosäuren bleiben
an Salzsäure gebunden im Rückstand, zusammen mit den eventuell als Neben-
produkt gebildeten mehrbasischen Säuren.
Bei der Oxydation durch Chrom säure wendet man eine Lösung der reinen
Säure, oder gewöhnlicher ein Gemisch von dich romsaurem Kalium und Schwefel-
säure an (etwa 2 Thle. Dichromat, 3 Thle. Schwefelsäure und 5 Thle. Wasser)
und zwar 1 Mol. Dichromat auf jede zu oxydirende Methylgruppe. Auch hier
muss anhaltend gekocht werden. Das Verfahren eignet sich vorzugsweise für die
Fälle, wo nur eine Seitenkette im Kohlenwasserstoff vorhanden ist, oder wo bei
mehreren vorhandenen Seitenketten (soweit hier nach dem oben Gesagten Chrom-
säure überhaupt anwendbar ist) mehrere dieser Seitenketten oxydirt werden sollen.
Die Oxydation durch Kaliumpermanganat hat vor der Anwendung der
Salpetersäure den Vorzug, dass keine Nebenprodukte, wie dort die Nitro-
verbindungen entstehen; gegen die Anwendung der Chromsäure bietet sie den
Vortheil, dass bei Anwendung berechneter Mengen des Oxydationsmittels in
passenden Verdünnungsgraden und durch Einhalten bestimmter Temperaturen es
leichter ist, die Oxydation auch beim Vorhandensein mehrerer Seitenketten
wesentlich auf die Bildung der gewünschten Produkte zu beschränken. Selbst
ziemlich verdünnte neutrale Lösungen des Permanganats wirken in der Kälte
oder in massiger Wärme noch auf die Kohlenwasserstoffe ein, doch ist, wenn
man unter Siedhitze operiren muss, beständiges oder sehr häufiges Schütteln
durchaus erforderlich. Auch Orthoderivate des Benzols, wie Orthoxylol, werden
Aromatische Säuren. 17
durch Kaliumpermanganat in neutraler oder alkalischer Lösung normal oxydirt,
ohne wie durch die Chromsäure verbrannt zu werden.
Wo es sich um die Oxydation kohlenstoffarmer aromatischer Säuren zu
mehrbasischen handelt, ist die Anwendung des Permanganats in schwach alkalischer
Lösung unbedingt jeder anderen Methode vorzuziehen.
Bei allen Oxydationsmitteln ist es ein wesentliches Hindemiss für die stufen-
weise Oxydation der Kohlenwasserstoffe mit mehreren Seitenketten , dass die
Kohlenwasserstoffe sich mit dem wässrigen Oxydationsmittel nicht mischen, während
die bereits entstandenen Säuren sich diesem in gelöster Form darbieten und
deshalb leicht weiter angegriffen werden. Um dieses Hindemiss zu umgehen ist
es in vielen Fällen vortheilhaft, die Kohlenwasserstoffe zunächst in die Amide
ihrer Sulfosäuren überzuführen, diese in schwach alkalischer Lösung mit Kalium-
permanganat bis zu dem gewünschten Grade zu oxydiren und aus den entstandenen
Sulfaminsäuren durch Ueberhitzen mit Salzsäure die betreffenden aromatischen
Säuren abzuspalten.
2. Die Oxydation der aromatischen Alkohole und Aldehyde führt
zu den aromatischen Säuren, wie diejenige des Aethylalkohols und des Acet-
aldehyds zur Essigsäure. Sie findet häufig schon freiwillig an der Luft statt.
Als Oxydationsmittel eignet sich besonders das Kaliumpermanganat oder ge-
schmolzenes Kaliumhydroxyd, zu welchem der Alkohol oder der Aldehyd all-
mählich hinzugefügt wird. Man ist indess selten in der Lage, diese Verbindungen
als Ausgangsmaterial für die praktische Gewinnung der aromatischen Säuren zu
benutzen.
CcHsCHgOH -f- O, = CßHsCOjH -h HjO
Benzylalkohol Benzoesäure.
CeHjCHO -f- O « C6H5.CO4H
Benzaldehyd Benzoesäure.
3. Die Zersetzung der Nitrile mit Alkalien oder Säuren:
CcHjCN -+- 2H3O = CeHj-CO^H -f- NH,
Benzonitril Benzoesäure.
CeH5.CH3.CN -f- 2H3O = CeHj.CHgCOjH -f- NH3
Benzylcyanid Phenylessigsäure.
Man bewerkstelligt die Zersetzung durch Kochen der Nitrile mit concentrirter
alkoholischer Kalilauge am Rückflusskühler, oder wo dieses Verfahren nicht ge-
nügt, durch Erhitzen mit rauchender Salzsäure auf 200^.
Diese auch in der Reihe der Fettsäuren allgemein anwendbare Reaction
gestattet die Darstellung der aromatischen Säuren
a) aus den Sulfosäuren der um ein Kohlenstoffatom ärmeren Benzolkohlen-
wasserstofTe, insofern die Alkalisalze jener Säuren beim Erhitzen mit Cyankalium
(V. Merz, Zeitschr. f Chem. 1868, pag. 33) oder Blutlaugensalz (Witt, Ber. 1873,
pag. 448) die Nitrile liefern:
C«H* C SO,K + <^NK = SO.K, -f C.H, ^ gg»
Toluolsulfosaures Kalium TolunitriL
b) Aus den in der Seitenkette halogensubstituirten Benzolkohlenwasserstoffen
von nächst niedrigerem Kohlenstoffgehalt durch Erhitzen mit alkoholischer Lösung
von Cyankalium (Cannizzaro, Ann. 96, pag. 247):
CeHj.CHjCl H- CNK = C«Hb-CH,.CN -+- KCl
Benzylchlorid Benzylcyanid
(Phenylessigsäurenitril).
c) Aus den Halogennitroderivaten der Benzolkohlenwasserstoffe. Am Benzol-
LAmwBURC, Chcmi«. IL 2
i8 Handwörterbuch der Chemie.
kern selbst halogensubstituirte Kohlenwasserstoffe zersetzen sich mit Cyankalium
oder Blutlaugensalz erst in sehr hoher Temperatur und auch dann nur sehr un-
vollständißf. Wenn aber ausser dem Halogen, und zwar in der Para- oder der
MetaStellung zu demselben, auch die Nitrogruppe am Benzolring vorhanden ist,
so wird diese Nitrogruppe durch die CN-Gruppe verdrängt, wenn man solche
Benzolderivate mit Cyankalium in zugeschmolzenen Röhren erhitzt. Man gelangt
also zu den Nitrilen halogensubstituirter aromatischer Säuren. Die CN-Gruppe
nimmt aber in diesen nicht dieselbe Stellung ein, welche die Nitrogruppe inne
hatte, sondern eine derselben benachbarte (v. Richter, Ber. 1871, pag. 21; 1875,
pag. 1418).
^6^4 C NO, -^ CNK = CeH,^ g'^ + NO,K
Parabromnitrobenzol MetabrombenzonitriL
d) Aus den Amidoderivaten der Benzolkohlenwasserstoife von nächst niedri-
gerem Kohlenstoffgehalt. Diese Aniline werden durch Erhitzen mit Schwefel-
kohlenstoff in Sulfocarbanilide (Schwefelh am Stoffe) und diese durch Kochen mit
rauchender Salzsäure in die Sulfocarbanile (Senföle) übergeführt, welche dann
durch Erhitzen mit Kupferpulver entschwefelt und dadurch in die Nitrile ver-
wandelt werden (Weith, Ber. 1873, pag. 419). Es führt so z. B. die folgende
Reihe von Reactionen von den Toluidinen zu den Nitrilen der entsprechenden
Toluylsäuren:
or w -^^^3 i_ pc poj/NH'C^H^-CHj , tt c
2^6W4\NHjj "^ ^^» - ^^vNH.CßH^.CHg "^ ^a^
Toluidin Ditolylschwefelhamstoff.
^^v^NHCßH^-CHa"^*^^^ — ^6^*\NHa.HCl"*"^6"*\NCS
Ditolylschwefelhamstoff Salzsaures Toluidin Tolylsenföl.
C6H4CSCS + Cu, = Cu,S + C,H,^ gg3
Tolylsenföl Tolunitril.
Als einen zweiten Weg zur Ueberfiihrung der Aniline in Nitrile kann man.
ihre Umwandlung (z. B. durch Einwirkung von Chloroform und alkoholische
Kalilauge, Hofmann, Ber. 1877, pag. 1096) in die Carbylamine benutzen, welche
sich bei längerem Erhitzen über 200° in die isomeren Nitrile umsetzen:
CgHäNH, 4- CHCI3 + 3K0H = CgHg.NC -+- 3KC1 -h 3H,0
Anilin Chloroform Phenylcarbylamin.
QHj-NC = CgH,.CN
Phenylcarbylamin Bensonitril.
4. Schmelzender Alkalisalze von Sulfo Säuren aromatischer Kohlen-
wasserstoffe mit ameisensaurem Natrium (V. Meyer, Ber. 1870, pag. 112).
CßHj.SOaK -h CHOgNa = SO3KH -h CgHg.COjNa
Benzolschwefels. Kalium Benzoes. Natrium.
5. Einwirkung von Kohlensäure und Natrium auf die brom-
substituirten aromatischen Kohlenwasserstoffe. Die letzteren werden
mit Benzol verdünnt und während des Durchleitens der nicht getrockneten
Kohlensäure unter allmählichem Eintragen des Natriums im Wasserbade erhitzt
(KEKULfi, Ann. 137, pag. 178)
CgHjBr H- CO2 -f- Na, = CßHg.COjNa H- NaBr
Monobrombenzol Benzols. Natrium.
CH CH
CßH^-CHl -f- COj H- Naj = CgHs-CH, -h NaBr
""^Br "^COjNa
Monobromxylol Xylylsaures Natrium.
Aromatisclie Säuren. 19
6. Einwirkung von Chlorkohlenoxyd und Aluminiumchlorid auf
Benzolkohlenwasserstoffe und Behandeln mit Wasser.
Nur im direkten Sonnenlicht wirkt Chlorkohlenoxyd auf dampfförmiges Benzol
ein und bildet nach der Gleichung CgH« + COClj = HCl -f- CgH^-COCl Benzoyl-
chlorid, welches mit Wasser Salzsäure und Benzoesäure liefert (Harnitzky, Ann. 132,
pag. 72). Leicht verläuft dieselbe Reaction schon in der Kälte oder in massiger
Wärme bei Gegenwart von Aluminiumchlorid. Da unter dem Einfluss des letzteren
aus Benzoylchlorid und noch unverändertem Benzol Benzophenon entsteht, so
hängt es von den Versuchsbedingungen ab, ob man erhebliche Mengen des
Säurechlorids oder ob man als Hauptprodukt dieses Keton erhält. Die Homologen
des Benzols geben dieselbe Reaction (Friedel, Grafts und Ador, Ber. 1877,
pag. 1854; Ador und Meyer, Ber. 1879, P^g- 1968).
7. Einwirkung von Chlorkohlensäureäther und Natriumamalgam
auf bromirte oder chlorirte Benzolkohlenwasserstoffe und Verseifung
der entstandenen Aether (Wurtz, Ann. Suppl. 7, pag. 124).
CgHftBr -+- ClCOj.CjHg H- Na, = CßHjCOa.CjHs -f- NaCl -h NaBr
Monobrombenzol Chlorkohlens. Aethyläther BenzoSsäure-Aethyläther.
Man verwendet etwa 1 proc. Natriumamalgam und erhitzt auf 100—110°.
Die Reaction ist ganz allgemein anwendbar.
8. Erhitzen der aromatischen Aldehyde mit den Chloriden, oder
besser den Anhydriden der Fettsäuren, in letzterem Falle bei Gegenwart
der entsprechenden trocknen Natriumsalze (Bertagnini, Ann. 100, pag. 125.
Perejn, Chem. soc. J. 1877, I, pag. 388). Es entstehen aromatische Säuren mit
ungesättigter Seitenkette, aus denen durch nascirenden Wasserstoff (Wasser und
Natriumamalgam oder Jodwasserstoff und Phosphor) auch die entsprechenden
gesättigten Verbindungen erhalten werden können:
CeHjCHO -+- CH3.COCI = CßHjCHrCH.COCl -h H^O
Benzaldehyd Acetylchlorid Chlorid der Zimmtsäure.
2CeH6.CHO -h ch'^CO^^ = ^C^H^CUiCH-CO^H -h H^O
Benxaldehyd Essigsäureanhydrid Zimmtsäure.
CßH5.CH:CH.C02H-f-H3 = CgH5.CH,.CH,.COaH
Zimmtsäure Hydrozimmtsäure
(Phenylacrylsäure) (Phenylpropionsäure).
Nach neueren Erfahrungen (Oglialoro, Gazz. chim. ital. 8, pag. 429; 9,
pag. 428, 533; 10, pag. 481, FiTTiG, Ber. 1881, pag. 1826) findet übrigens die
Reaction bei Anwendung von Anhydriden^ wenigstens in vielen Fällen, nicht
zwischen diesen Anhydriden und dem Aldehyd statt, sondern zwischen dem
Aldehyd und dem zugesetzten Natriumsalz, während das Anhydrid nur als wasser-
entziehendes Mittel wirkt Wird z. B. Benzaldehyd mit trocknem phenylessigsaurem
Natrium und Essigsäureanhydrid am Rückflusskühler anhaltend auf 150—160°
erhitzt, so entsteht nicht Zimmtsäure, sondern Phenylzimmtsäure (Oglialoro):
C.Hj.CHO -f- C.Hs.CHj.COjNa « CeHj-CHrCdco^^a "^ ^s^'
Mit bemsteinsaurem Natrium und Essigsäureanhydrid erhitzt, giebt der Benz-
aldehyd ebenfalls nicht Zimmtsäure, sondern Phenylisocrotonsäure und eine
Lactonsäure von der Formel CjiHioO^:
CeH5.COH-hC08H.CH,.CH8.C03H=CgH5.CH:CH.CH,.C03H-f-COjH-H20
Bencaldehyd Bemsteinsäure Phenylisocrotonsäure
und
20 Handwörterbuch der Chemie.
C6H5.COH-f-CO,H.CHj.CHj.CO,H:=CeH5.CH.O.CO.CH8
(LactODSfture CjiHi^jO^).
Der Mechanismus des Vorgangs bei der FERKiN'schen Synthese wird von
FiTTiG (vergl. auch Ann. 216, pag. 97 u. 115 u. Ber. 16, pag. 1436) so gedeutet^
dass zunächst eine Condensation nach Art der WuRxz'schen Aldolbildung statt-
findet, aus Benzaldehyd und essigsaurem Natrium z. B. zunächst eine Phenylmilch-
säure entsteht:
CeHgCHO -h CHjCOjH = CeH5.CH(0H).CH,.C0,H,
aus welcher sich dann durch Wasserabspaltung die Zimmtsäure bildet:
CeH5.CH(0H).CH,.C0aH == H^O 4- CßHjCHiCH.COjH.
9. Einwirkung von Natrium auf die Benzyläther der Fettsäuren
CnH2n02 (CONRAD, Ann. 193, pag. 2.98). Es entsteht der Benzyläther derjenigen
aromatischen Säure, deren Seitenkette n H- 1 KohlenstofFatome enthält:
2CH,CO,.CH,.C6H5-hNa = CeH5.CH3.CH,.C08.CHj.CeH5-i-
Essigsäure-Benzyläther Hydrozimmtsäure-Benzyläther
CHaCOjNa + H
Essigs. Natrium.
Als Nebenprodukte bilden sich gewöhnlich durch weitere Einwirkung des
Natriums auf diese Benzyläther ungesättigte Säuren und Benzolkohlenwasserstofife :
C6H-CH2.CH2-C02.CHj-CßH54-Na=C6H5.CH:CH.CO,Na-HCeH5.CH3-l-H
Hydrozimmtsäure-Benzyläther Zimmtsaures Natrium ToluoL
10. Einwirkung von Benzylchlorid auf die Natriumderivate des
Acetessigäthers, anstatt deren man auch direkt das Produkt der Einwirkung
von Natrium auf Essigäther verwenden kann (L. Sesemann, Ber. 1873, pag. 1086).
Es entstehen benzylirte Acetessigäther, deren Säuren sich beim Verseifen mit
concentrirter Kalilauge wesentlich in Essigsäure und benzylirte Essigsäuren spalten:
CHa.CO.CHNa.COa.C2H5^-C6H5.CH2Cl=CH3.CO.CHC:cS^'c*HVNaCl
Natriumacetessigäther Benzylchlorid BenzylacetessigäÄer.
ch3.co.chc;^q3;^«J}«-*-2KOh==c«H5.ch,.ch,-co,k
Benzylacetessigäther Beuzylessigsaures
(hydrozimmtsaures) Kalium
+ CHj.COjK + CaHj.OH
Essigsaures Kalium Alkohol.
AusDinatriumacetessigäther erhält man in gleicherweise dieDibenzylessigsäure.
Der Benzylacetessigäther lässt sich durch Natriumäthylat in Natriumbenzyl-
acetessigäther und dieser durch Methyljodid in Methylbenzylacetessigäther über-
führen. Der letztere spaltet sich bei der Verseifung wieder nach der Gleichung:
CH.CO.C-CHgCeHj + 2K0H = CeH5.CH,.CHc:SJ?V-f-CH..COoK
\ ppi p TT ^^^ ^^UjÄ.
w .V iu 1* : ^ • l*v Methylbenzylessigsaures -hC^Hc-OH
Methylbenzylacetessigäther (p-Phenyl-isobuttersau^s) Kalium. ^'^>"» ^"^
(Conrad, Ber. 1878, pag. 1056), so dass sich die Reaction auch zur Gewinnung
aromatischer Säuren mit verzweigter Scitenkette benutzen lässt.
Umwandlungen. Derivate.
Die näheren Derivate der aromatischen Säuren können sich von diesen durch
Veränderungen im Benzolkern oder durch Veränderungen in den
Seitenketten ableiten.
I. In ersterer Beziehung können im Allgemeinen die Wasserstoffatome des
Aromatische Säuren. 21
Benzolrestes durch dieselben Atome und Atomgruppen ersetzt werden, wie in
dem Benzol und seinen Homologen.
Es existiren also Chlor-, Brom-, Jod-, Nitroderivate, die zu den entsprechend
substituirten Kohlenwasserstoffen in derselben Beziehung stehen, wie die nicht
substituirten Säuren zu den Kohlenwasserstoffen:
CeHj.CH, Toluol, CßHj.COjH Benzoesäure.
-- Cl Cl
Ci;H4,^PTT Monochlortoluol, CßH^ CT^q tt Monochlorbenzoesäure.
Dem entsprechend entstehen sie durch Oxydation der substituirten Kohlen-
wasserstoffe, wie die nicht substituirten Säuren aus den Kohlenwasserstoffen.
Einen zweiten Weg zu ihrer Gewinnung bietet die direkte Einwirkung der
Halogene resp. der Salpetersäure auf die fertigen aromatischen Säuren.
Chlor und Brom wirken übrigens viel weniger energisch auf die Säuren ein,
als auf die entsprechenden Kohlenwasserstoffe oder führen unter gleichen Be-
dingungen zu weniger hoch substituirten Produkten. Jodsubstitutionsprodukte
erhält man überhaupt nicht auf direktem Wege. Die Nitrirung findet durch
fauchende Salpetersäure in der Kälte oder durch gewöhnliche Salpetersäure in
der Hitze meistens sehr leicht statt.
Die Substitutionsprodukte, welche man auf dem zweiten Wege erreicht, sind
nicht immer identisch, sondern häufig nur isomer mit den nach der ersten
Methode dargestellten, d. h. die Halogene und die Nitrogruppe treten bei direkter
Sabstituirung oft in eine andere Stellung zu dem Carboxyl, als bei Substituirung
in die Kohlenwasserstoffe zu der betreffenden Seitenkette. Während z. B. bei
der substituirenden Einwirkung auf Kohlenwasserstoffe mit einer Seitenkette vor-
wiegend Paraderivate und nebenher Orthoderivate entstehen, gelangen Chlor,
Brom und die Nitrogruppe beim Eintritt in die fertige Benzoesäure wesentlich in
die MetaStellung zum Carboxyl. Enthält indess die aromatische Säure ausser der
Carboxylgruppe noch Alkyl-Seitenketten, so kann, wie z. B. bei der Metatoluyl-
säure, die Stellung der eintretenden Substituenten auch durch diese Alkylgruppen,
anstatt durch die Carboxylgruppe bestimmt werden.
Beim Nitriren einer aromatischen Säure, die eine längere saure Seitenkette
enthält, tritt die Nitrogruppe in die Para- und Orthostellung zu dieser, doch kann
auch hier das Vorhandensein anderweitiger Seitenketten das Resultat abändern.
Durch Einwirkung von nascirendem Wasserstoff* werden aus den halogen-
substituirten Säuren die Säuren selbst regenerirt, aus den Nitrosäuren die betr.
Amidosäuren gebildet:
^6^4 C cOjH "^ ^^» ^ ^«^* -^ COjH "*■ 2^2^
NitrobeDzoesäure Amidobenzoesäure.
Die letztere Reaction entspricht der UeberfÜhrung der nitrirten Benzolkohlen-
wasserstoffe in die Aniline. Wie aus diesen Anilinen werden auch aus den
amidirten Säuren durch salpetrige Säure Diazoverbindungen resp. Diazoamido-
verbindungen erzeugt:
^NHj.NOjH ^N:N.NO, ^
Salpeters. AmidobenzoSsäure Salpeters. DiazobenzoSsäure.
*C.H.C 2?^ + NO.H _ C.H. C^Ö^Ä'"''^*"' ■*'°'" + »H.0
Amidobenzoesäure Diazoamidobenzogsäure.
Die Analogie erstreckt sich auch auf die Bildung von Azoxy-, Azo- und
22 Handwörterbuch der Chemie.
Hydrazosäuren, sowie auf die weiteren Umsetzungen dieser Derivate. Beim
Kochen der Diazoamidosäuren mit Halogenwasserstoflfsäuren entstehen halogen-
substituirte Säuren und die Amidosäuren:
Diazoamidobcnzögsäure
^6^4 -. CO2H "^ ^«^* --^ CO3H "^ ^a
Brombenzoesäure Bromwasserstofisaure
AmidobenzoSsäure.
Beim Kochen mit Wasser liefern die Diazoderivate hydroxylirte Säuren
(Phenolsäuren):
CeH, C CO^H^^' + H,0 = CeH, C c?,H + NO,H 4- N,
Salpetersaure Oxybenzoesäure.
Diazobenzoesäure
Mit Schwefelsäure bilden die aromatischen Säuren Sulfosäuren:
CeH,:;;^*^8 4.SO4H, «CeHj^CH, -f-HjO
UUjH \ COgH
Toluylsäure Sulfotoluylsäure.
Auch dieses Eintreten des Schwefelsäurerestes findet weniger leicht statt,
als bei den Kohlenwasserstoffen, so dass gewöhnlich entweder die Anwendung
von Schwefelsäureanhydrid oder längeres Erhitzen mit rauchender Schwefelsäure
erforderlich ist. Die SOgH-Gruppe scheint hierbei unter allen Umständen, auch
beim Vorhandensein von Alkyl-Seitenketten, wesentlich in die Metastellung zum
Carboxyl zu treten, wenn diese Stellung nicht anderweitig besetzt ist.
Die Sulfosäuren der Benzolkohlenwasserstoife liefern bei der Oxydation eben-
falls Sulfoderivate der aromatischen Säuren, und zwar häufig Isomere der direkt
dargestellten.
In der Kalischmelze geben die Sulfosäuren (und ebenso die halogen-
substituirten Säuren) Phenolsäuren:
CeH^ C co' K -^ 2K0H = CgH^ C cO K "^ SOjK^ 4- H,0 •
SulfobenzoSsaures Kaliumsalz der
Kalium Oxybenzoesäure.
Durch Addition von Wasserstoff" an den Benzolrest können aus aromatischen
Säuren beim Behandeln mit Natriumamalgam sogen. Hydro säuren entstehen,
welche sich von den di-, tetra- oder hexahydrirten Benzolkohlenwasserstoffen
ableiten. Die Wasserstoffaddition findet nur schwierig statt bei den einbasischen
Säuren (Bildung von Hydrobenzoesäure aus der Benzoesäure), leicht bei manchen
mehrbasischen (wie Phtalsäure, Pyromellithsäure, Mellithsäure).
IL Eine zweite Klasse von Umwandlungen der aromatischen Säuren besteht
in Veränderungen der Seitenketten. Diese können eintreten: 1. in den
Carboxyigruppen selber, 2. in dem übrigen Theil längerer, carboxylhaltiger Seiten-
ketten, 3. in Kohlenwasserstoffseitenketten, die ausser jenen carboxylhaltigen am
Benzolring vorhanden sind. Mit Ausnahme der letzten Art stimmen solche Ver-
änderungen natürlich durchaus mit denjenigen tiberein, die man auch an nicht
aromatischen Säuren beobachtet
1. Zu den Veränderungen der ersten Art gehören ausser denjenigen, bei
welchen nur der Wasserstoff* der Carboxyigruppen ersetzt wird (Salz- und Aether-
bildung) solche, welche sich auch auf den Sauerstoff dieser Gruppen erstrecken,
wie die Bildung der Aldehyde, der Säurechloride, Amide, Nitrile, Thiosäuren etc.
Aromatische Säuren. 23
Die Anhydride entstehen, ganz wie diejenigen der Fettsäuren, bei Einwirkung
der Säurechloride auf die Salze der Säure:
CeHj-COCl -f- CeHj.COjK = c^JJ^CO^^ "*" ^^^
Benzoylchlorid Benzoes. Kalium Benzoesäureanhydrid.
Mehrbasische aromatische Säuren bilden, falls nicht in der Hitze Kohlen-
säure abgespalten wird, beim Erhitzen für sich oder mit wasserentziehenden
Mitteln (Schwefelsäure. Acetylchlorid) Anhydride, indess nur so weit sie die Car-
boxylgruppen in Orthostellung zu einander enthalten:
C6H4 d CO^H = ^6^* ^ CO ^^ ^ ^2^
Phtalsäure Phtalsäureanhydrid.
^CO,H .COjH
CeHj ^ CO,H = CßHj ^ CO ^^ -f- H,0
Trimellitbsäure Trimellithsäureanbydrid.
In Aldehyde können die aromatischen Säuren durch Destillation ihrer
Calciumsalze mit ameisensaurem Calcium übergeführt werden:
(C6H5.COj)aCa -h (CUO^)^Csl = 2CeH5.CHO H- 2C0jCa
BenzoSs. Calcium Benzaldehyd.
Mit den Salzen der höheren Fettsäuren entstehen in gleicher Weise die
gemischten Ketone, in welchen die CO-Gruppe eine Alkylgruppe mit dem
Benzolrest verknüpft:
(CeH^.COOaCa 4- (CH3.C0,),Ca = 2C6H5.CO.CHj -h 2C03Ca
Benzoes. Calcium Essigs. Calcium Methylphenylketon
(Acetophenon).
(C6H-CH3.COj),Ca4-(CH8.COj)5Ca = 2C6H5.CH^.CO.CH, -h 2C03Ca
Phenjiessigs. Calcium Essigs. Calcium Methylbenzylketon.
Für sich oder zu mehreren destillirt liefern die Calciumsalze der aromatischen
Säuren neben den Benzolkohlenwasserstoffen Ketone mit zwei gleichartigen oder
ungleichartigen aromatischen Resten:
2(C^U^'C0^)^Cb, = 2C6H5.CO.CeH5 4- 2C0aCa
Benzoesaures Calcium Diphenylketon
(Benzophenon).
(C6H5.C02),Ca 4- (C6H^.CH3.C02),Ca =^ 2C6H,.CO.C6H4.CH, -h 2C03Ca
Benzoes. Calcium Toluylsaures Calcium Phenyltolylketon.
Derartige Ketone geben die aromatischen Säuren (oder ihre Anhydride) auch,
wenn man sie mit Benzolkohlenwasserstoffen und Phosphorsäureanhydrid auf 200^
erhitzt (KoLLARrrs u. Merz, Ber. 1873, pag. 446, 536):
CgHg.COjH -4- CgHg -4- P^Os = CgH^.CO.CgHj ^ 2PO3H
Benzoesäure Benzol DiphenylketoiL
Indirekt durch Wasserstoffaddition zu den Aldehyden, theilweise auch direkt
durch Einwirkung von nascirendem Wasserstoff auf die Säuren selbst können
diese in die entsprechenden aromatischen Alkohole übergeführt werden:
CgHj.CHO -h Hj = CßHßCHjOH
Benzaldehyd Benzylalkohol.
CgHs-COsH -f- 2Hj = CgHg.CHjOH -h H^O
Benzoesäure Benzylalkohol.
Die Addition von Wasserstoff zu den Ketonen führt zu den secundären
Alkoholen:
CßHj.CO.CHs 4- Hj = C6H5.CH(OH).CH3
Acetophenon Secund. Phenyläthylalkohol.
Werden aromatische Säuren mit Phosphorpentachlorid oder ihre Salze mit
Phosphoroxychlorid erhitzt, so entstehen die Säurechloride:
24 Handwörterbuch der Chemie.
CeHj.COjH -f- PClß = CeHs-COCl -4-HCl 4- POCl,,
2C6Hr.CO,K -f- POCla == SCgHß.COCl -H PO3K -h KCl
Benzoes. Kalium Benzoylchlorid.
Die Ueberftihrung der aromatischen Säuren in ihre Amide geschieht meistens
durch Behandlung ihrer Chloride oder Bromide mit Ammoniak oder kohlensaurem
Ammoniak, oder durch Erhitzen ihrer Aether mit Ammoniak:
CeH,.COCl -h 2NHj = C^HgCCNHj 4- NH^Cl
Benxoylchlorid Benzamid.
CgHB.COj.CjHj 4- NHa = CeHj.CO.NHj 4- CaH^-OH
Benzols. Aethyläther Benzamid.
Aus den Amiden und aus den Ammoniaksalzen der aromatischen Säuren
entstehen beim Erhitzen derselben für sich oder mit wasserentziehenden Mitteln
(Phosphorsäureanhydrid, Phosphorpentasulfid, Zinkchlorid) die Nitrile:
CßHj.CONH, = C^H^CN 4- HjO
Benzamid Benzonitril.
Sie können als Cyanderivate der um ein Kohlenstoifatom ärmeren Benzol-
kohlenwasserstoffe angesehen werden und dienen, aus diesen dargestellt, vielfach
zur Synthese aromatischer Säuren.
Die Säurechloride geben mit Kaliumsulfid Thiosänren:
CeH^.COCl 4- K,S = CeHß.COSK 4- KCl
Benzoylchlorid Thiobenzoes. Kalium.
2. Wenn die Carboxylgruppe sich in den aromatischen Säuren nicht unmittel-
bar am Benzolrest, sondern am Ende einer längeren Seitenkette befindet, so ist
bei Einwirkung von Chlor oder Brom ausser einer Substitution im Benzolrest
auch eine solche in dieser Seitenkette möglich:
CeH5.CHj.COjH CßH^BrCHj.COjH C^HR.CHBr.COjH
Phenylessigsäure Bromphenylessigsäure Phenylbromessigsäure.
Die Substitution findet vorzugsweise im Benzolrest statt, wenn die Halogene
in der Kälte, dagegen in der Seitenkette, wenn dieselben in der Hitze auf die
Säuren einwirken.
Die in die Seitenkette eingetretenen Halogenatome sind in gleicher Weise
der Ersetzung durch einwerthige Atomgruppen fähig, wie in den chlorirten Säuren
der Essigsäurereihe. Durch Einwirkung von Alkalien auf derartig monosubstituirte
aromatische Säuren entstehen also aromatische Alkoholsäuren, durch Ein-
wirkung von Ammoniak phenylirte Amidosäuren:
CgH8.CH(0H).C0jH = Phenylglycolsäure (Mandelsäure),
C6H5.CH(NH),.COjH = Phenylamidoessigsäure.
Durch Oxydation der Alkoholsäuren mittelst Salpetersäure können Keton-
säuren entstehen, wie z. B. aus der Mandelsäure die Benzoylameisensäure,
CeHj.COCOjH.
Wenn die saure Seitenkette eine CH-Gruppe enthält, so kann durch Oxyda-
tion mittelst Kaliumpermanganats direkt Hydroxyl an die Stelle des tertiären
Wasserstoffatoms gebracht werden. Es gelingt so z. B. die UeberfÜhrung der
Hydratropasäure, CßH^-CH C] qq'h »n Atrolactinsäure, CgHsCOHC; ^q»j^.
Bei Seitenketten von mehr als zwei Kohlenstoffatomen existiren ausser den
gesättigten Säuren wasserstoffärmere, die durch nascirenden Wa.sserstoflf
(Natriumamalgam) in jene gesättigten Säuren, durch Halogenwasserstoffsäuren in
deren Monosubstitutionsprodukte tibergeführt werden können:
CeHa.CHiCHCOgH 4- HBr = CßHftCHj.CHBrCOjH
Zimmtsäure (Phenylacrylsäure) a-Bromhydrozimmtsäure.
Aromatische Säuren. 25
Die letzteren geben beim Erhitzen, resp. beim Erhitzen mit Alkalien wieder
die wasserstof!anneren Säuren:
CeHsCH^CHBrCOjH = CeHsCHiCH.COjH -h HBr
oc-Bromhydrozimmtsäure Zimmtsäure.
In gleicher Weise können die Monosubstitutionsprodukte dieser wasserstofi-
ärmeren Säuren noch wasserstoflärmere liefern:
CgHjCHrCBrCOjH = CßHj.C-CCOjH -f- HBr
Bromzimmtsäare PheDylpropiolsäure.
Die Einführung weiterer aromatischer Kohlenwasserstoflfreste in längere,
saure Seitenketten aromatischer Säuren gelingt durch Erhitzen der in diesen
Seitenketten bromsubstituirten Säuren mit Benzolkohlenwasserstofifen und Zinkstaub
(ZiNCRE u. Symons, Ber. 1873, pag. 1188):
CeHsCHBrCOjH -f- C^Hß = CgH.CHC ctfk "^ ^^^
Phenylbromessigsäure Benzol Diphenylessigsäure.
CeHj.CHBrCOjH H- CeHj-CHa = CßHj.CHC; ccTh^^* '^ ^^'
Phenylbromessigsäure Toluol Tolylphenylessigäüire.
3. Sind ausser den carboxylhaltigen Seitenketten noch KohlenwasserstofT-
ketten vorhanden, so lassen sich diese, wie in den entsprechenden aromatischen
Kohlenwasserstoffen selber, oxydiren, wodurch die sie enthaltenden aromatischen
Säuren in mehrbasische tibergeführt werden:
C,H3 ^ CH, CeHa ^ CO^H C«H, ^ CO,H
^CO,H ^COjH ^COjH
Mesitylensäure Uvitinsäure Trimesinsäure.
in. Von tiefer greifenden Veränderungen der aromatischen Säuren
haben diejenigen ein allgemeineres Interesse, bei welchen ohne Zerstörung des
Benzolkems eine Abspaltung oder ein Hinzutreten von Carboxylgruppen stattfindet
Aus allen aromatischen Säuren werden die Carboxylgruppen abgespalten,
wenn man die Salze der Säuren mit Alkalien, alkalischen Erden, oder besser
mit Natronkalk stark erhitzt Es entstehen kohlensaure Salze und aromatische
Kohlenwasserstoffe, deren Bildung auf diesem Wege ganz der Entstehung des
Methans aus essigsauren Salzen entspricht:
CeHr,.COaK -h KOH = COjKa -h CgH«
Benzol. Kalium Benzol.
/CH3
CeH,-COaK -h 2K0H = 2CO8K2 H- CeHj-CH,
"^COjjK
Uvitins. Kalium ToluoL
CrCCOsK)^ -h 6KOH = eCOjKj H- CgH«
Melliths. Kalium BenzoL
CeHj.CHj.COjK -h KOH= CO3K, H- CgHs-CH,
Phenylessigs. Kalium Toluol.
CeHj.CHrCHCOgK -h KOH = COjK, -h CgHs^CHiCH,
Zimmtsaures Kalium Styrol.
Bei Säuren, welche mehrere Carboxylgruppen enthalten, kann diese Reaction
durch Einhalten bestimmter Bedingungen mitunter so geleitet werden, dass nicht
alle jene Gruppen abgespalten,^ dass also nicht Kohlenwasserstoffe, sondern aro-
matische Säuren geringerer Basicität gebildet werden:
^ Cd ^
SCgH^C co'^ ^* "*- Ca(C>H)8 = (C6H5.COs),Ca -h SCOjCa
Phtalsaures Calcium BenzolSs. Calcium.
36 Handwörterbuch der Chemie.
CH
2C,H,^CO*- Ca + Ca(OH), = (CgH.CcO*) ^* "^ 2C0,Ca
Uvitins. Calcium Metatoluyls. Calcium.
Nur sehr schwierig und anscheinend keineswegs in allen Fällen lässt sich
durch Ueberhitzen mit concentrirter Salzsäure (bei 250—300'') Kohlensäure aus
den aromatischen Säuren abspalten.
Jenem Abbau der aromatischen Säuren bis zu den Kohlenwasserstoffen steht
ihr Aufbau aus den letzteren nach den unter 3—7 angegebenen Methoden gegen-
über. Auf grössere Schwierigkeiten stösst diejenige Synthese, welche dem Abbau
höherer aromatischer Säuren zu solchen von geringerer Basicität entgegengesetzt
ist Es gelingt z. B. nicht, die unter 3, 5, 7 verzeichneten sjmthetischen Methoden
dadurch für die Gewinnung zweibasischer aromatischer Säuren aus einbasischen
zu verwerthen, dass man anstatt von den betreffenden Substitutionsprodukten
der Kohlenwasserstoffe von den entsprechenden Derivaten einbasischer Säuren
ausgeht. Nur die Reaction von V. Meyer mit ameisensaurem Natrium hat sich,
wenigstens in einigen Fällen, für diesen Zweck als anwendbar erwiesen (V. Meyer,
Ber. 1870, pag. 114; 187 1, pag. 260):
C«H4 C so/nJ + CHO,Na = SO,NaH + C,H, C cojS
Metasttlfobenzoes. Natrium Isophtalsaures Natrium,
CgH^ C B?''^* -t- CHOjNa = NaBr + CgH, ^ Co'h*
MetabrombenxoSs. Natrium Isophtalsaures Natrium.
In gleicher Weise soll aus Parasulfobenzoesäure Terephtalsäure entstehen
(Remsen, Ber. 1872, pag. 379).
Aus aromatischen Säuren mit längerer, saurer Seitenkette wird durch Oxydation
(z. B. mittelst Chromsäure) diese Seitenkette soweit abgespalten, dass die neue
Carboxylgruppe sich unmittelbar am Benzolring befindet. Es entstehen also
niedere Homologe der ursprünglichen Säuren, von gleicher Basicität wie diese:
CfiH5.CHj.COjH 4- 30 = CeHß.COjH 4- COj, 4- HjO
PheDylessigsäure Benzoesäure,
CfiH,.CHa.CHa.COaH 4- 20 == CßH^.COjH -t- CHaCOjH
Hydrozimmtsäure Benzoesäure.
Die umgekehrte Reaction, die Verlängerung saurer Seitenketten, lässt sich
dadurch herbeiführen, dass die Cyanide der Säureradieale durch concentrirte
Salzsäure in die Ketonsäuren (als deren Nitrile sie zu betrachten sind) verwandelt,
und diese Ketonsäuren durch Erhitzen mit Jodwasserstoff reducirt werden:
C^Hj.CO.CN 4- 2U^O 4- HCl = CgHj.CO.COjH 4- NH^Cl
Benzoylcyanid Benzoylameisensäure,
CeHj.COCOjH 4- 4HJ = CeHj.CHjj.COaH 4- H,0 4- 2J,
Benzoylameisensäure Phenylessigsäure.
Allgemeine Eigenschaften. Die aromatischen Säuren sind meistens
feste, krystallisirbare Verbindungen, die sich, mit Ausnahme gewisser mehrbasischer
Säuren, bei denen in der Hitze Anhydridbildung oder Kohlensäureabspaltung
stattfindet, unverändert destilliren oder sublimiren lassen. Die einbasischen sind
auch schon mit Wasserdämpfen mehr oder weniger leicht flüchtig und lassen sich
mit Benutzung dieser Eigenschaft von allen mehrbasischen vollständig trennen.
In Wasser sind von den aromatischen Säuren nur einige mehrbasische oder mehr-
atomige, wie Trimellithsäure, Prehnitsäure, Mellithsäure, Tropasäure, Mandel-
säure etc. leicht löslich, die übrigen werden wenigstens in der Kälte nur wenig
Aromatische Säuren. 27
gelöst, so dass sie sich aus den Lösungen ihrer Salze durch Mineralsäuren fallen
lassen. Mit den Alkalimetallen bilden die aromatischen Säuren meistens sehr
leicht lösliche, mit den Schwermetallen grösstentheils sehr schwer lösliche oder
unlösliche Salze. Besonders gut krystallisirbar pflegen, wenigstens bei den ein-
basischen Säuren, die Calciumsalze zu sein.
Von einzelnen aromatischen Säuren sollen an dieser Stelle diejenigen be-
sprochen werden, welche nur einen Benzolrest enthalten und nicht in besonderen
Artikeln dieses Handwörterbuchs, oder unter allgemeineren Rubriken (wie
Phenolsäuren, Ketonsäuren etc.) oder endlich bei den Kohlenwasserstoffen, von
denen sie sich ableiten, Erwähnung finden:
Aethylbenzoesäuren, CgH^C^Q^Jj.
Bekannt sind die Para- und die Orthosäure. Die Para-Aethylbenzo^-
säure wurde erhalten durch Oxydation des Para-Diäthylbenzols mittelst ver-
dünnter Salpetersäure (Fittig und König, Ann. 144, pag. 290) und aus Para-
bromäthylbenzol durch Einwirkung von Natrium und Kohlensäure (Thorpe und
£ekul£, Ben 1869, P^S- 421)-
Wenig in kaltem, reichlicher in siedendem Wasser, leicht in Alkohol und
Aether löslich. Aus heissem Wasser in Blättchen, aus Alkohol in kleinen Prismen
krystallisirend. Schmp. 110 — 111°. Die Säure schmilzt auch unter siedendem
Wasser, sublimirt schon unter ihrem Schmelzpunkt und ist mit Wasserdämpfen
leicht destillirbar. Bei weiterer Oxydation liefert sie Terephtalsäure.
Ihr BariumsaU, (C9H90,),Ba + 2H,0, bildet leicht lösliche, dUnne Blättchen, die
schon Ober Schwefelsäure verwittern. Das Kupfersalz wird als hellblauer, amorpher Nieder-
schlag, das Silbersalz als weisser, aus heissem Wasser in Nadeln krystallisirender Niederschlag
erhalten.
Die Ortho-Aethylbenzoesäure entsteht durch Reduction der Acetophenon-
PO PH PO
carbonsäure, CeH^CTco' H ' sowie der Phtalylessigsäure, C6H4C;^q;;:;CH.CO,H,
mittelst Jodwasserstoff und rothem Phosphor bei 180° (Gabriel und Michael,
Ber. 1877, pag. 2206). Der Benzoesäure ähnliche Blättchen oder Schüppchen.
Schmp. 62*".
Das Silbersalz krystallisirt aus warmer Lösung in langen, feinen Nadeln.
CH
Toluylessigsäuren. (Alphaxylylsäuren), C6H4Clr;H^-CO H ^^^ diesen
der Phenylessigsäure homologen Säuren wurde zuerst die Metatoluylessigsäure
von VoLLRATH (Ann. 144, pag. 265), aus Xylylchlorid durch Kochen mit Cyan-
kalium und Zersetzung des Nitrils mit Natronlauge gewonnen. Radziszewski u.
WisPEK (Ber. 1882, pag. 1743), gingen später von den aus den reinen Xylolen
gewonnenen Xylylbromiden aus, um auf analoge Weise alle drei Toluylessigsäuren
darzustellen:
Orthotoluylessigsäure. Lange, seideglänzende Nadeln, in kaltem Wasser
schwer, in heissem leicht löslich. Schmp. 85,5 — 86°.
Calciumsalz. (C9HjOj)jCa -j- 4H3O. Sternförmig vereinigte, seideglänzende Nadeln.
Silbersais. Weisser Niederschlag, aus heissem Wasser in Blättchen krystallisirend. Blei-,
Kupfer- und Eisenoxydsalz sind denen der isomeren beiden Säuren durchaus ähnlich.
Metatoluylessigsäure. Atlasglänzende Nadeln, in heissem Wasser leicht,
in kaltem schwer löslich. Schmp. 53— 54^
Ihr Calciumsalz, {Cgll^O^)^^^'^ ZH^O, krystallisirt aus concentrirter wässriger Lösung
l8 Handwörterbuch der Chemie.
in warzenförmigen Aggregaten seideglänzender Nadehi. Das Blei salz bildet einen weissen,
käsigen, das Kupferss^lz einen hellgrünen, das Eisenoxydsa^z einen röthlich gelben Nieder-
schlag. Das Silbersalz wird käsig gefällt; es krystallisirt aus hetssem Wasser in Nadeln.
Paratoluylessigsäure. In kaltem Wasser wenig, in heissem leicht löslich.
In Nadeln, oder aus concentrirter, heisser, wässriger Lösung ähnlich der Phenyl-
essigsäure in glänzenden Blättchen kiystallisirend. Schmp. 89°.
Das Calciumsalz, (C9HjO,),Ca -j- 3HjO, scheidet sich beim freiwilligen Verdunsten
aus seiner concentrirten Lösung in sternförmig vereinigten, seideglänzenden Nadeln ab. Blei-,
Rupf er- und Eisenoxydsalz gleichen den betreffenden Salzen der Metasäure. Das Silber-
salz ist ein in heissem Wasser leicht löslicher und beim Erkalten in glänzenden, dünnen Nadeln
Icrystallisirender Niederschlag.
CH
Hydratropasäure*) (a-Phenylpropionsäure), CgHj'CHC^QQ'jj.
Produkt der Einwirkung von Natriumamalgam und Wasser auf Atropasäure
(i, 2). Die Säure ist ölartig, erstarrt noch nicht bei — 20°, siedet bei 264—265°
und verflüchtigt sich mit Wasserdämpfen leichter als die Atropasäure.
Ihr Calci um salz ist leicht löslich, krystallisirt beim Erkalten seiner Lösung in undurch-
sichtigen Nadeln mit 2H2O, beim Verdunsten der kalten Lösung in langen, durchsichtigen
Nadeln mit SH^O. Das Silbersalz krystallisirt aus siedendem Wasser in kleinen Schuppen.
Substitutionsprodukte der Hydratropasäure entstehen u. A. durch Addition
von Halogenen oder Halogenwasserstoflfsäuren zur Atropasäure (2, 3).
CH
a-Chlorhydratropasäure, CgHj-CClCl qq^H' ^^^ durch Einwirkung
rauchender Salzsäure auf Atrolacdnsäure erhalten (3). Sie ist aus Ligroin kr3rstalli-
sirbar. Schmp. 73—74°. Bei 110° zersetzt sie sich. Beim Kochen mit kohlen-
sauren Alkalien giebt sie wieder Atrolacdnsäure, wobei kein Styrol entsteht
p-Chlorhydratropasäure, CgHj-CHC^^Qjj, entsteht beim Behandeln
der Tropasäure mit Phosphorpentachlorid (4), beim Erhitzen von Acetophenon-
cyanhydrin mit concentrirter Salzsäure auf 130° (s, 6) und beim Erhitzen von
Atropasäure mit Salzsäure (3). Leicht löslich in Alkohol, Aether, Benzol und
heissem Chloroform, schwerer in Ligroin und in heissem Wasser. Aus letzterem
wird die Säure zunächst ölig ausgeschieden, worauf sie zu Nadeln erstarrt. Beim
Erkalten ihrer Lösung in Schwefelkohlenstoflf krystallisirt sie in anscheinend recht-
winkligen Täfelchen, aus der Chloroformlösung auf Zusatz von Ligroin in glänzen-
den Prismen. Schmp. 88—89°. Erst bei etwa 170° tritt Zersetzung ein. Beim
Erhitzen mit kohlensauren Alkalien entsteht Tropasäure neben Styrol (5, 3), beim
Kochen mit Natronlauge Atropasäure.
a-Bromhydratropasäure (2, 3, 7), CgHs-CBr^QQ^jj, entsteht neben
der isomeren ß-Säure bei Einwirkung gesättigter BromwasserstofFsäure auf Atropa-
säure bei gewöhnlicher Temperatur. Rein erhält man sie aus einer Lösung von
Atrolacdnsäure in kalter Brom wasserstoffsäure (7, 3), aus welcher Lösung sie sich
nach kurzer Zeit in kleinen Krystallen abscheidet. Ihre Lösung in Schwefel-
kohlenstoff giebt beim Ueberschichten mit Ligroin grosse, durchsichtige Tafeln.
Schmp. 93—94°. In wenig höherer Temperatur tritt Zersetzung ein. Mit kohlen-
♦) 1) Kraut, Ann. 148, pag. 242. 2) FrrriG u. Wurster, Ann. 195, pag. 145. 3) Mer-
LiNG, Ann. 209, pag. i. 4) Ladenburg, Ber. 1879, pag. 948. 5) Spiegel, Ber. 1881, pag. 236.
6) RÜGHBIMER, Ber. 1881, pag. 449. 7) Frrrio u. Kast, Ann. 206, pag. 28. 8) Tiemann u.
KÖHLB&, Ber. 1881, pag. 198 1.
Aiomadsche Säureiu 29
sauren Alkalien giebt die Säure Atrolactinsäure. Styrol entsteht dabei nicht
Ganz ebenso wirkt Ammoniak, ohne dass dabei eine Amidosäure gebildet würde.
ß-Bromhydratropasäure, CßHj-CHC^PQ^jj, entsteht fast ausschliesslich
bei der Einwirkung kalt gesättigter Bromwassersto£fsäure auf Atropasäure bei 100^
(3). Sie krystallisirt aus heissem Schwefelkohlenstoflf sehr leicht in kleinen, eben-
falls bei 93 — 94^ schmelzenden Prismen, die erst bei etwa 150^ Zersetzung erleiden.
Mit kohlensauren Alkalien entsteht Tropasäure, mit Ammoniak die entsprechende
Amidosäure.
Dibromhydratropasäure, C9HgBr20}, bildet sich leicht bei Einwirkung
Yon Brom auf Atropasäure in Schwefelkohlenstoffiösung. Sie krystallisirt aus
dieser Lösung in langen, seideglänzenden Nadeln, die bei 115 — 116^ schmelzen.
Bei längerem Erhitzen mit wenig Wasser giebt sie u. A. Monobromatropasäure;
beim Kochen mit viel Wasser oder beim Erwärmen mit Sodalösung zerfällt sie
in Acetophenon, Kohlensäure und 6romwassersto£f (2).
Tribromhydratropasäure, CjHjBrjOj, durch Addition von Brom zur
Monobromatropasäure entstehend, krystallisirt aus Ligroin in kleinen, glänzenden,
bei 150° schmelzenden Nadeln (2).
CH
a-Amidohydratropasäure (8), CgHs'CNH^dro'H' ^^ Nitril dieser
Säure erhält man als gelbbraunes Oel beim Erhitzen von Acetophenoncyanhydrin
mit alkoholischem Ammoniak auf 60—80°. Durch Verseifung des Nitrils mit
Salzsäure entsteht die in Nadeln krystallisirende Salzsäureverbindung der Amido-
säure. Durch wiederholtes Aufnehmen in absolutem Alkohol lässt sie sich vom
Salmiak trennen. Aus ihrer Lösung in absolutem Alkohol wird durch vorsichtigen
Zusatz von Ammoniak die freie Amidosäure gefällt. Diese ist sehr leicht löslich
in Wasser, last unlöslich in absolutem Alkohol und Aether. Durch Verdunsten
der wässrigen Lösung erhält man sie in weissen, atlasglänzenden, federartig ver-
zweigten Nadeln, die um 260° sublimiren, ohne zu schmelzen. Durch Erhitzen
ihrer Salzsäureverbindung mit der berechneten Menge salpetrigsauren Natriums
in wässriger Lösung wird die a-Amidosäure glatt in Atrolactinsäure übergeftihrt
CH »NH
ß-Amidohydratropasäure, C^Hj-CHC^^q^jj *, entsteht durch Ein-
wirkung von Ammoniak auf ß-Bromhydratropasäure (3). Schwer löslich in kaltem,
sehr leicht in heissem Wasser, woraus sie in glänzenden Blättern krystallisirt
Schmp. 169—170°.
Atropasäure, CßH^-CC^Tro^H' ^^^"^^^ ^^^ der Zimmtsäure, wurde zuerst
neben Tropin als Spaltungsprodukt des Atropins erhalten, beim Kochen des
letzteren mit heiss gesättigtem Barytwasser, oder unreiner beim Erhitzen desselben
mit concentrirter Salzsäure (Kraut, Ann. 128, pag. 280). Sie ist das Produkt der
Wasserabspaltung aus der hierbei zunächst entstehenden Tropasäure, C^Hs*
CH "OH
CHC^QQ^TT , aus welcher sie am leichtesten durch mehrstündiges Erhitzen
mit gesättigter Barytlösung auf 130° rein erhalten wird (Lossen, Ann. 138, pag. 230).
CH
Sie entsteht auch aus der Atrolactinsäure, CeH5-C(OH)C![co*H' ^^™ Kochen
mit massig verdünnter Salzsäure (Ladenburg u. Rügheibcer, Ber. 1880, pag. 376).
Die Säure löst sich in 700—800 Thln. Wasser von gewöhnlicher Temperatur,
leicht in Alkohol. Aus ersterem krystallisirt sie in Nadeln, aus letzterem in
30 Handwörterbuch der Cheinie.
monoklinen Tafeln. Sie schmilzt bei 106,5°, ist bei 75 Millim. Druck (Siede-
punkt 202—204*^) unter nur geringer Zersetzung destillirbar, mit Wasserdämpfen
schwer flüchtig.
Das Kaliumsalz bildet glänzende, in Weingeist lösliche BiSttchen. Das Silbersalz
krystallisirt aus heissem Wasser in Warzen, das Calci umsalz mit 2H3O in Nadeln.
Beim Erhitzen mit Chromsäure giebt die Atropasäure Kohlensäure und
Benzoesäure, beim Schmelzen mit Kaliumhydroxyd Ameisensäure und Phenyl-
essigsäure. Bei der Behandlung mit Natriumamalgam und Wasser geht sie durch
Aufnahme von zwei Wasserstoffatomen in Hydratropasäure über. Ebenso ver-
einigt sie sich direkt mit Brom, mit Chlor- oder Bromwasserstoff, sowie mit
unterchloriger Säure zu den entsprechenden gesättigten Verbindungen.
Monobromatropasäure, CßHj-CC^pQ rj. Bildet sich bei längerem Er-
hitzen der Dibromhydratropasäure mit wenig Wasser auf 100°. Sehr wenig lös-
lich in kaltem Wasser, leichter in heissem, woraus sie in feinen Nadeln krystalli-
sirt Schmp. 130°. Die Säure wird auch in alkalischer Lösung durch Kochen
nicht zersetzt
Isatropasäuren, CigH^gO^, Lossen (Ann. 138, pag. 230) beobachtete, dass
bei der Einwirkung von Salzsäure auf Tropasäure ausser der Atropasäure eine
viel höher schmelzende Säure von gleicher Zusammensetzung entstehe, die er
Isatropasäure nannte. Sie ist das Produkt einer Polymerisirung der Atropasäure,
welche auch schon bei längerem Erhitzen der letzteren über ihren Schmelzpunkt
(auf 140 — 160°) oder bei anhaltendem Kochen mit Wasser eintritt (Frmo,
Ann. 19S, pag. 148). Die so erhaltene Säure ist übrigens ein Gemenge von zwei
Isomeren (Fittio, Ann. 206, pag. 34), welche Fittig als a- und ß-Isatropasäure
unterscheidet In weit tiberwiegender Menge entsteht immer die a-Säure. Bei
möglichst schwachem, aber andauerndem Erhitzen der trocknen Atropasäure bildet
sie sich fast ausschliesslich, während ihr, wenn die Umwandlung durch Kochen
mit Wasser erfolgte, relativ grössere Mengen der ß-Säure beigemengt sind. Die
Trennung der beiden Säuren geschieht durch Krystallisaticn aus etwas verdünnter
Essigsäure, woraus sich die a-Säure zuerst abscheidet
a-Isatropasäure. Krusten, oder warzige Aggregate sehr kleiner Krjrstalle.
Schmp. 237°, sehr schwer löslich in Wasser, leichter in Alkohol und Eisessig.
Ihr Calciumsals, C^^H^^O^CtL + ^H^O^ scheidet sich auf Zusatz von Chlorcalcium zur
Amxnoniaksalzlösung allmählich, heim Erhitzen sofort, als undeutlich krystallinischer, fast unlös-
licher Niederschlag ah, der erst bei 200^ langsam sein Krystallwasser verliert.
Das Bari ums alz (^^H^O) ist nicht durch solche Fällung zu gewinnen; beim Verdampfen
seiner Lösung scheidet es sich in Krusten ab, die dann auch in siedendem Wasser sehr schwer
löslich sind.
Der Aethyläther krystallisirt aus absolutem Alkohol in kleinen, weissen Krystallen, die
bei 180—181^ schmelzen.
ß-Isatropasäure. In Eisessig, wie auch in siedendem Wasser und Alkohol
leichter löslich, als die a-Säure. Aus Eisessig krystallisirt bildet die Säure ent-
weder schön ausgebildete, an der Lufl klar bleibende, dicke, vierseitige Tafeln,
die sich von gleichzeitig vorhandener a-Säure mechanisch trennen lassen, oder
grosse Drusen von glänzenden, anscheinend octaedrischen Krystallen, die 1 Mol.
Essigsäure enthalten und dieses an der Luft allmählich verlieren. Aus heissem
Wasser krystallisirt sie wasserfrei in kleinen, quadratischen Tafeln. Schmp. 206^.
Längere Zeit auf 220—225° erhitzt wird die Säure unter Braunfärbung fest, indem
sie sich in die a-Säure verwandelt
Aromatische Säuren. 31
Aus dem Ammoniaksalz erhält man durch Chlorcalcium das Calciums alz (3H,0) nach
längerem Stehen in sternförmig gruppirten, kurzen, dicken Prismen, durch Chlorbarium das
Bariumsalz erst beim Kochen als schweren, aus kleinen Prismen bestehenden Niederschlag.
Der Aethyläther konnte nicht zum Krystallisiren gebracht werden.
Bei allen bisher beobachteten Zersetzungen geben die beiden Isatropasäuren
durchaus dieselben Produkte. Bei der Oxydation durch Chromsäure liefern sie
keine Benzoesäure; sondern Orthobenzoylbenzoesäure und Anthrachinon.
Wird a-Isatropasäure über ihren Schmelzpunkt erhitzt, so tritt lebhafte Gas-
entwicklung ein, und es destillirt eine dicke Flüssigkeit, die aus einem Kohlen-
wasserstoff (dem Atronol, C^eHi^), aus Atronsäure, aus a- und ß-Isatropa-
säure und einer nicht isolirten Säure besteht.
Die Atronsäure, C^yKj^Oj, ist einbasisch. Sie bildet, aus ihren Salz-
lösungen gefallt, ein weisses, amorphes Pulver, aus Alkohol oder Essigsäure
krystallisirt schöne, wasserklare, dicke Prismen. Schmp. 164°.
Ihr Calciurosalz, (CjfHj,02)jCa + SHjO, krystallisirt aus heissem Wasser, worin es
sehr schwer löslich ist, in glänzenden Nadeln; das Barium salz (4HjO) ist weniger schwer löslich.
Eine mit der Atronsäure isomere Säure entsteht durch Einwirkung conc.
Schwefelsäure auf a- oder ß-Isatropasäure bei höchstens 50°. Giesst man nach
Beendigung der Kohlenoxydentwicklung die Flüssigkeit in Wasser und dampft
em, so scheidet sich, anscheinend durch Zersetzung ihrer zunächst entstandenen
Sulfosäure entstanden, die Isatronsäure in unlöslichen Krusten ab. In Alkohol,
Aether und Essigsäure ist diese sehr leicht löslich. Aus heissem verdünntem
Weingeist scheidet sie sich in perlmutterglänzenden Blättchen aus. Schmp. 156
bis 157 ^
Ihr Calciumsalz wird als voluminöser, fast unlöslicher Niederschlag, ihr Bariumsalz
(6H,0) als amorpher, anfangs gallertartiger Niederschlag erhalten, der aus siedendem Wasser
in kleinen, dicken Prismen krystallisirt.
Lässt man bei der Einwirkung der Schwefelsäure auf Isatropasäure die Tem-
peratur schliesslich langsam bis auf 90^ steigen, so findet von Neuem Entwickelung
von Kohlenoxyd statt. Nach Beendigung derselben giebt die Flüssigkeit beim
Eingiessen in Wasser einen weissen Niederschlag von Atronylensulfo säure,
CjgHu'SOgH. Diese kann in Sodalösung gelöst, rasch wieder durch Salzsäure
gefällt und aus 50proc. Essigsäure krystallisirt werden. Sie bildet dann grosse,
wasserklare Prismen, die unter Zersetzung bei ca. 258 ° schmelzen. Ihre Lösung
m Baiytwasser oder kohlensaurem Natrium hält sich im Dunkeln unverändert,
scheidet aber am Licht sehr schnell einen weissen, amorphen Niederschlag von
Atroninsulfon, CigHjoSOj ab, welches aus Alkohol in kleinen, bei 193®
schmelzenden Nadeln krystallisirt erhalten werden kann.
Polyporsäure, C9H7O, (?). Von Stahlschmidt (Ann. 187, pag. 177; 195,
pag. 365) in einer auf kranken Eichenstämmen wachsenden Fofyforus-Axt (zu 43,5 J^
vom trocknen Pilz) aufgefunden und daraus durch Ausziehen mit Ammoniak und
Fällen der dunkelvioletten Lösung mit Salzsäure als ockerfarbener Niederschlag
gewonnen. Unlöslich in Wasser, Aether, Benzol, Schwefelkohlenstoflf, sehr wenig
löslich in Chloroform und in heissem Alkohol, woraus die Säure in kleinen,
schellackfarbenen, rhombischen Tafeln mit lebhaftem Bronzeglanz krystallisirt
Sie schmilzt nahe über 300° und sublimirt unter theilweiser Zersetzung in mikros-
kopischen Blättchen.
Von den Salzen sind nur diejenigen der Alkalimetalle, und zwar mit purpuirodier Farbe,
in Wasser löslich. Durch überschüssige Kalilauge werden sie gefWt. Der aus dem Silbersak
gewonnene Methyl ät her, C^H^O^'CH,, krystallisirt beim Verdunsten seiner alkoholischen
32 Handwörterbuch der Chemie.
Lösung in schönen, morgenrothen, monoklinen Krystallen mit purpurviolettem Reflex. Schmelz-
punkt 187°. Der Aethyläther bildet orangerothe, bei 134® schmekende Prismen.
Mit Salpetersäure liefert die Polyporsänre neben Benzoesäure eine bei 230**
schmelzende Nitropolyporsäure. Beim Erhitzen des polyporsauren Kaliums
mit Zinkstaub entsteht Benzol. Bei anhaltendem Kochen mit Kalilauge bildet
die Polyporsäure ohne Kohlensäureabspaltung eine bei 156° schmelzende unlös-
liche Säure von der Formel CjoHjO und die in heissem Wasser leicht lösliche
Hydropolyporsäure, C^H^O^, welche bei 162° schmelzende, farblose Nadeln
bildet. Von letzterer wurden verschiedene Salze und Aether dargestellt.
Durylsäure, C€H,.(CH3)j.C0jH (i, 2, 4, 5) (Cumylsäure). Erstes Produkt
der Oxydation des Durols durch verdünnte Salpetersäure (Jannasch, Zeitschr. f.
Chem. 1870, pag. 449). Die Säure entsteht auch beim Schmelzen von pseudocumol-
schwefelsaurem Kalium mit ameisensaurem Natrium (Reuter, Ber. 1878, pag. 31).
Fast unlöslich in kaltem, sehr schwer löslich in heissem Wasser, ziemlich leicht
in Benzol, sehr leicht in Alkohol und Aether. Aus Benzol in langen, harten
Nadeln, aus Alkohol in compacteren Prismen krystallisirend. Schmp. 149 — 150**.
In langen, sehr feinen Nadeln sublimirbar; mit Wasserdämpfen flüchtig.
Das Bari um salz, (Ci^HnO,),Ba4-7H30, bildet klare, über Schwefelsäure verwitternde,
tafelförmig Prismen, das Calciumsalz (2H,0) kleine, zu Warzen vereinigte Krystalle.
Isodurylsäuren, C6H2-(CH3)3«C03H. Durch Oxydation des Isodurols
mittelst Salpetersäure entstehende einbasische Säuren. Von ihnen stellte Biele-
feld (Ann. 198, pag. 380) die a-Isodurylsäure und ausserdem ein bei 120 — 130**
schmelzendes, als ß-Isodurylsäure bezeichnetes Gemenge dar. Jacobsen (Ber. 1882,
pag. 1853) zeigte, dass bei jener Oxydation alle drei möglichen Isodurylsäuren ent-
stehen. Aus dem mit Wasserdämpfen destillirten Gemenge derselben isolirt man
die a-Isodurylsäure durch Krystallisation ihres Bariumsalzes. Die aus der un-
krystallisirbaren Mutterlauge jenes Bariumsalzes gefällten beiden anderen Säuren
lassen sich durch fractionirtes Krystallisiren aus Petroleumäther trennen, worin
die ß-Isodurylsäure schwerer löslich ist.
a-Isodurylsäure, C6Ha.CH8-CH8-CH3-CÖ2H, die Säure krystallisirt aus
siedendem Wasser, worin sie nur sehr wenig löshch ist, in mikroskopischen
Nadeln, aus Alkohol in compacten Prismen, beim Verdunsten ihrer ätherischen
Lösung in grossen, durchsichtigen, monoklinen Krystallen. Sie sublimirt in
schönen, langen Nadeln. Schmp. 215—216°. Bei der Destillation mit Kalk
entsteht Hemellithol.
BariumsaU, (CjDHjiO,),Ba + 4H,0. Die ziemlich concentrirte Lösung erstarrt beim
Erkalten zu einer voluminösen, welchen Krystallmasse, die aus langen, feinen, bttschelförmig
vereinigten Nadeln besteht
Strontiumsalz (ÖH,0). Lange, feine, seideglänzende NadelbUschd.
Calciumsalz (5H,0). Aus feinen Nadeln bestehende Grappen.
p-Isodurylsäure, CioHijOj: CßHjCHsCHj.CH^CÖjH, kiystallisirt
beim Verdunsten ihrer Lösung in Petroleumäther in kleinen, harten, durch-
sichtigen, glänzenden Prismen. Schmp. 151**. Bei der Destillation mit Kalk
liefert sie Mesitylen.
IhrCalciumsalz ist in der Hitze kaum löslicher, als in der Kälte. Es scheidet sich beim
Verdampfen seiner Lösung plötzlich als krümlig krystallinische Masse ab, die aus sehr kleinen
Naddn besteht und 2 MoL Krystallwasser enthält.
7.Isodurylsäure, CioHi,0,:C«Hj.c'H,.CH,.ckj.c6jH. Die Säure
wird aus kalten Salzlösungen durch Salzsäure in krystallinischen Flocken, aus
Aromatische Säuren. 2%
massig wannen Lösungen zunächst ölig, aus kalter weingeistiger Lösung durch
Wasser in deutlichen Nadeln gefallt. Sie wird von heissem Wasser ziemlich reich-
lich gelöst. Schmp. 84 — 85°. Bei der Destillation mit Kalk liefert sie Pseudocumol.
Ihr Calci umsalz scheidet sich beim Verdampfen seiner Lösung an der Oberfläche in
schneeweissen, dichten Krusten ab, die aus mikroskopischen Nadeln bestehen und 2 Mol. Krystall-
wasser enthalten. Das Bariumsalz ist nicht krystallisirbar. Die concentrirte Lösung des
Kaliumsalzes erstarrt in der Kälte gallertartig.
x^C H
Propylbenzoesäuren, CjoHigO^iCgH^ q^ U. Bekannt sind: Para^
Isopropylbenzoesäure (Cuminsäure) (s. unter Cumol), Para-Propylbenzoesäure und
Ortho-Propylbenzoesäure. Die Para-Propylbenzoesäure ist durch Oxydation des
Propylisopropylbenzols (Paterno und Spica, Ber. 1877, pag. 1746) und des Para-
dipropylbenzols (Körner, Ber. 1878, pag. 1866), mittelst verdünnter Salpetersäure
erhalten worden. Sie ist schwer löslich selbst in siedendem Wasser, leicht löslich
in den andern gewöhnlichen Lösungsmitteln. Aus heissem Wasser krystallisirt
sie in glänzenden Blättchen, aus Alkohol etc. in compacteren Krystallen des
monoklinen Systems. Sie schmilzt bei 140^ und sublimirt in langen, flachen
Nadeln, ist auch mit Wasserdämpfen leicht flüchtig.
Das Bariumsalz, (2H,0), bildet einigermaassen schwer lösliche, grosse, atlasglänzende
Blätter, das Calciumsalz, (dH^O), leichter lösliche, feine Nadehi. Das Ammoniaksalz ist
kiystallinisch, auch in Alkohol und Aether löslich. Schwermetallsalze werden durch seine Lösung
gefiUt.
Ortho-Propylbenzoesäure entsteht durch Reduction der Phtalylpropion-
säure mittelst Jodwasserstoff und amorphem Phosphor bei 200° (Gabriel und
Michael, Ber. 1878, pag. 10 14). Sie krystallisirt aus verdünntem Alkohol in
feinen Blättchen. Schmp. 58°.
Methylbenzylessigsäure, C^QH^oO/.C^UyCH^'CH^^^^^^, Durch
Verseifung des Methylbenzylacetessigäthers mit höchst conc. Kalilauge erhalten
(Conrad, Ber. 1878, pag. 1057). In kaltem Wasser schwer lösliche Krystallmasse.
Schmp. 34°. Siedep. 275°.
Die Lösung des Natriumsalzes f^t Barium- und Calciumsalze nicht, wohl aber Zink-,
Kupfer- und Silbersalze.
Der Benzyläther der Säure ist eine bei 332° siedende, angenehm aromatisch riechende
Flassigkeit
Phenylisobuttersäure, CioHi302:C6H5«CH2-CH qq^j^, wurde durch
nascirenden Wasserstoff (Natriumamalgam) aus der Phenylcrotonsäure dargestellt
(Conrad u. Hodgkinson, Ann. 193, pag. 317). Farbloses Oel.
Das Bariumsalz ist leicht löslich. Zink-, Kupfer- und Silbersalz sind als Nieder-
schläge zu erhalten.
^ CO H
Propenylbenzoesäure, CioHi^OjiCgH^^^ j| , (R. Meyer, Ber. 1878,
pag.1791, 2173; Ber. 1879, pag. 107 5) entstehtbeim Kochen der Oxypropylbenzoesäure,
C«H- ^ rvrktn/CH,, mit sehr verdünnter Salzsäure. Wenig löslich in heissem,
4\C(OH)^^jj»
fast gar nicht in kaltem Wasser. Schmp. 160°.
Von Salzen wurden untersucht: das Ammoniaksalz: durchsichtige, wasserfreie Tafeln,
das Bariumsalz, (1H,0), weisse, glänzende Blättchen, das Silber salz: wasserfreier Nieder-
schlag, und das Kupfersalz, (7H,0).
Der Methyläther bildet sich nach den gewöhnlichen Methoden direkt aus der Oxypropyl-
benzo€sfture, anstatt des Aethers dieser Säure. Er schmilzt bei 53° und siedet bei 254°.
Laobmbuko, Chemie. 11. 3
34 Handwörterbuch der Chemie.
Natriumamalgam führt die Propenylbenzoesäure in Cuminsäure über.
Durch längeres Kochen mit conc. Salzsäure entsteht aus der Ox)rpropylbenzoe-
säure oder der Propenylbenzoesäure eine mit der letzteren isomere (oder poly-
mere?) Säure. Diese ist in Wasser und Alkohol noch viel schwerer löslich, als
die Propenylbenzoesäure. Sie entfärbt Brom nur sehr langsam und wird durch
Natriumamalgam nicht verändert.
Ihr Silber und Bariumsalz entsprechen in der Zusammensetzung ganz den Salzen der
Propenylbenzoesäure. Ihr Methyläther schmilzt bei 83^ und ist sehr schwer flüchtig.
Phenylcrotonsäure, CioHioOjiCgHj'CHiC pq^xj, ist durch Kochen
von Benzaldehyd mit Propionsäureanhydrid und propionsaurem Natrium (Perkin,
Chem. soc. J. 1877 !•» P^g- 3^8)» sowie durch Einwirkung von Natrium auf Propion-
säure Benzyläther oder Benzylpropionsäure-Benzyläther gewonnen worden (Conrad
u. HoDGKiNSON, Ann. 193, pag. 315). Leicht löslich in Alkohol, Aether, sowie in
siedendem Wasser, woraus sie in feinen Nadeln krystallisirt. Schmp. 82°.
Ihr Bariumsalz bildet in kaltem Wasser schwer lösliche Blättchen, welche Krystallwasser
enthalten. Das Kalium saU krystallisirt in Prismen. Seine Lösung giebt mit Calcium-, Zink-
und Silbersaken krystallinische Niederschläge.
Mit Brom bildet die Säure ein bei 135° schmelzendes Additionsprodukt, eine
Phenyldibrombuttersäure.
Isophenylcrotonsäure nennt Perkin eine mit der vorigen isomere Säure,
CeHj-CHrCH-CHj-COjH, welche er beim Erhitzen von Benzaldehyd mit
Bemsteinsäureanhydrid und bernsteinsaurem Natrium erhielt (Chem. soc. J. 1877
I» pag- 388). Sie krystallisirt aus heissem Wasser in farblosen, bei 83 — 84**
schmelzenden Nadeln. Ihr Silbersalz ist ein voluminöser Niederschlag. Wird
die Säure einige Minuten zum Sieden erhitzt, so entsteht unter Wasserabspaltung
a-Naphtol (Firne, Ben 16, pag. 43).
Cymolcarbonsäure, CnHi^OjZCeHj.CjH^.CHa.cdjH. Bei der Destil-
lation von cymolschwefelsaurem Kalium mit Cyankalium entsteht das Nitril und
hieraus durch Kochen mit alkoholischer Kalilauge das bei 138 — 139° schmelzende
Amid dieser Säure. (Paterno u. Fileti, Gazz. chim. 1875, P^g» 3^)- ^^s dem
Amid wurde durch Erhitzen mit Salzsäure auf 180° die in feinen Nadeln krystalli-
sirende, bei 63° schmelzende Säure dargestellt (Paterno u. Spica, Gazz. chim. 1879,
pag. 400).
/C H
Homocuminsäure, CnHi^OjiCgH^ q|t Iqq tt, (Para-Isopropylphenyl-
essigsäure) ist aus ihrem Nitril, und dieses aus Cuminalkohol durch Ueberfiihrung
in sein Chlorid und Umsetzung mit Cyankalium dargestellt worden (Rossi, Ann.
Suppl. I, pag. 139). Kleine Nadeln, leicht löslich in Alkohol, Aether und siedendem
Wasser. Schmp. 52°. Unzersetzt destillirbar.
Das Kaliumsalz ist zcrfliesslich; das Barium- und das CalciumsaU kiystallisirt in
Nadeln, das Magnesium salz in perlmutterglänzenden Schuppen.
Phenylvaleriansäuren, CnHi^OjiCgHR-C^HaCOjH.
1. Normale Phenylvaleriansäure,C6H5*(CHj)4'COjH, erhält man durch
Erhitzen der Hydrocinnamenylacrylsäure mit Jodwasserstoff in Eisessiglösung auf
160" (Baeyer u. Jackson, Ber. 1880, pag. 122). Schwer löslich in heissem
Wasser, daraus in rhombischen Blättern krystallisirend, die bei 58—59° schmelzen.
Bariumsalz schwer löslich, Silbersalz unlöslich.
/C H
2. Phenyläthylpropionsäure, C^Hj'CH^'CH^^^ ^, entsteht aus der
Aromatische Säuren. 35
Phenylangelikasäure durch Natriumamalgam (Baeyer und Jackson, Ber. 1880,
pag. 118). Farbloses Oel, auch in Kältemischung nur dickflüssig werdend, bei
272° (uncorrig.) siedend.
Bariumsalz leicht löslich, nicht krystallisirbar; Silbersalz fast unlöslich.
Mit rauchender Salpetersäure bildet die Säure Nitroderivate, die nur zum
Theil fest werden. Von diesen liefert die Orthonitrosäure bei der Reduction das
demOxindol homologe Aethylhydrocarbostyril, C^H^^^^'^j^^j^^^^'
als eine bei 87—88** schmelzende, in Alkohol, Aether und Benzol leicht, in
Ligrom und in heissem Wasser schwer lösliche Krystallmasse. Durch Phosphor-
pentachlorid wird daraus Aethylchlorchinolin gebildet.
Cinnamenylacrylsäure, CeHjCHiCHCHiCHCOjH. Durch Erhitzen
von Zimmtaldehyd mit Essigsäureanhydrid erhalten (Perkin, Chem. soc. J. 1877 I.,
pag. 388). Schmp. 165—166°. Krystallisirt aus Alkohol in dünnen Tafeln. Schwer
löslich in Petroleumäther.
Das Natriumsalz ist amorph, nur massig leichtlöslich. Seine Lösung giebt mit Calcium-,
Barium- und Magnesiumsalzen krystallinische Niederschläge, föllt Kupfersalze hellgrün, Eisen-
cUorid hellbraun, Blei- und Silbersalze weiss.
Bei der Behandlung mit Natriumamalgam nimmt die Säure nur zwei Wasser-
stoffatome auf und bildet damit die
Hydrocinnamenylacrylsäure, CeHjCHiCHCHj-CHjCOjH, (Baeyer
u. Jackson, Ber. 1880, pag. 122), welche in einer Kältemischung zu grossen,
farblosen, in reinem Zustande bei 28—29° schmelzenden Blättern erstarrt. Die
Säure gestattet die direkte Addition von Brom und von Bromwassersto£f.
Das Dibromid, CnH^jBrjOj, lässt sich aus einem Gemenge von Petroleum-
äther mit wenig Chloroform in Prismen krystallisiren, die bei 108 — 109° schmelzen.
Die weitere Addition von Wasserstoff lässt sich nicht mittelst Natriumamal-
gam, sondern nur durch Jodwasserstoff bewirken.
Phenylangelikasäure, CgHj'CH'.C^Q^ |j, entsteht beim Erhitzen von
Benzaldehyd mit (Normal-)Butyrylchlorid (Fittig u. Bieber, Ann. 153, pag. 358),
sowie durch Einwirkung von Natrium auf Buttersäure-Benzyläther (Conrad und
HoDGKiNSON, Ann. 193, pag. 319). Aus heissem Wasser in langen Nadeln
krystallisirbar, mit Wasserdämpfen flüchtig. Schmp. 82°.
Ihr Barium- und Calciumsalz sind in kaltem Wasser ziemlich schwer löslich.
Perkin (Chem. soc. J. 1877 L, pag. 388), giebt für die aus Benzaldehyd
durch Erhitzen mit Buttersäureanhydrid und buttersaurem Natrium dargestellte
Phenylangelikasäure den Schmelzpunkt 104° an. Das aus dem öligen Chlorid
dieser Säure gewonnene Amid schmolz bei 128°.
Benzylisobuttersäure. Von dieser Säure ist nur der Benzyläther,
CgH5-CH,'C(CH,)jC02-CHjC6H5, dargestellt, und zwar durch Einwirkung
von Natrium auf erwärmten Isobuttersäurebenzyläther (Hodgkinson, Ann. 201,
pag. 166). Der Benzyläther ist ein bei ungefähr 285° siedendes Oel, welches
sich nur sehr schwierig verseifen lässt und dabei nur Benzoesäure und Isobutter-
säure liefert
v^C H
Cumenylacrylsäure, CgH4 p|j.^qjj.qq jj. Aus Cuminaldehyd und
Essigsäureanhydrid erhalten (Perkin, Chem. soc. J. 1877 !•» pag. 388). Weisse
Nadeln, wenig löslich in Wasser, leicht in Alkohol und in heissem Eisessig.
36 Handwörterbuch der Chemie.
Schmp. 157—158°. Zum Sieden erhitzt zerfallt die Säure in Kohlensäure und
Isopropylvinylbenzol, (C^ ^Hj 4).
Das Ammoniaksalz bildet asbestähnliche Krystalle, das Natriumsalz eine undeutlich
kiystallinische Masse; beide sind nur massig leicht löslich. Das schwer lösliche Calciumsalz
krystallisirt in wasserfreien Nadeln. Bei 100^ nimmt es schnell Sauerstoff aus der Luft auf;
Salzsäure fallt dann aus seiner Lösung eine neue, leicht zersetzliche Säure. Barium- und
Strontiumsalz, (2H2O), erhält man als schwer lösliche Niederschläge. Die Schwermetallsalze
sind meistens unlöslich.
Das Chlorid der Säure bildet eine kristallinische, bei ca. 25° schmelzende Masse; das
Amid krystallisirt aus Alkohol in glänzenden Tafeln, die bei 185 — 186** schmelzen.
Mit Natriumamalgam und Wasser liefert die Säure die
^C H
Cumenylpropionsäure, CßH4^Q|j IcK 'CO H' <i*c ^^s ihrer Eisessig-
lösung durch Wasser in glänzenden, bei 70° schmelzenden Schuppen gefallt wird.
Ihr Barium-, Calcium-, Kupfer- und Silbersalz können durch Fällung erhalten werden.
^P TT
Cumenylcrotonsäure, CßH^^ J^lT^^^/CHj , entsteht beim Erhitzen
von Cuminaldehyd mit Propionsäureanhydrid (Perkin, Chem. soc. J. 1877 L,
pag. 388). Leicht löslich in Alkohol und heissem Petroleumäther, aus letzterem
in schiefen Prismen krystallisirend. Schmp. 90 — 91°.
Cinnamenylangelikasäure, CeHj.CHiCH.CHrC:;^^^!^. Aus Zimmt-
aldehyd und Buttersäureanhydrid gewonnen (Perkin, 1. c). Schmp. 125 — 127**.
Cumenylangelikasäure, C6H4 zijz^' ^CjHg . Aus Cuminaldehyd und
Buttersäureanhydrid dargestellt. Krystallisirt aus heissem Alkohol in farblosen,
bei 123° schmelzenden Nadeln (Perkin, L c).
Vulpinsäure, Cj^gHi^Oj. Bestandtheil der Wolfsflechte (Cetraria vulpina),
woraus sie zuerst von Bäbert abgeschieden wurde (Jouni. de Pharm. 17, pag. 696)
und der gelben Wandflechte (Farmelia parietina) (Stein, Journ. pr. Ch. 91, pag. 100;
93, pag. 366) (BoLLEV, Journ. pr. Ch. 93, pag. 354). Von Möller und Strecker
(Ann. 113, pag. 56) näher untersucht.
Man gewinnt sie aus der Wolfsflechte durch Ausziehen mit sehr verdünnter
Kalkmilch, Fällen des Filtrats durch Salzsäure und Krystallisiren des Niederschlags
aus Aether oder heissem Alkohol. Aus der ätherischen Lösung krystallisirt sie
beim Abkühlen in gelben Nadeln, beim Verdunsten in gut ausgebildeten schwefel-
gelben Krystallen des monoklinen Systems. Unlöslich in Wasser, schwer löslich
in Alkohol, leichter in Aether, sehr leicht in Chloroform. Schmp. 148° (Spiegel).
In höherer Temperatur sublimirt die Säure in Blättchen. Sie schmeckt bitter.
Alkalien lösen die Vulpinsäure mit goldgelber, an der Luft sich nicht ver-
ändernder Farbe. Die Säure ist einbasisch.
Das Ammoniaksalz (2H2O), Kaliumsalz (IH3O) und Bariumsalz (7 H^O) krystalli-
siren in gelben Nadeln; das Silbersalz bildet einen wasserfreien, gelben Niederschlag.
Beim Kochen mit heiss gesättigter Barytlösung zerfällt die Vulpinsäure in
Phenylessigsäure, Methylalkohol und Oxalsäure, beim Kochen mit Kalilauge
(spec. Gew. 1,05—1,15) bildet sie Methylalkohol, Kohlensäure und Oxatolylsäure
(Dibenzylglycolsäure). Von Spiegel (Ber. 1880, pag. 1629) ist die Vulpinsäure als
der saure Methyläther der zweibasischen Pulvinsäure erkannt worden (s. d.).
1.2 4
Piperinsäure, C6Hj.(q^CH2)-CH:CH.CH:CH.COjH. Das Kalium-
Aromatische Säuren. 37
salz dieser Säure scheidet sich in gelblichen Blättchen aus, wenn Piperin mit
alkoholischer Kalilauge anhaltend gekocht (v. Babo u. Keller, Joum. pr. Chem. 72,
pag. 53) und dadurch unter Wasseraufnahme in Piperinsäure und Piperidin ge-
spalten wird: Ci^HijNOj-H H3O = C^ jHiq04 -f- CsKj^N (Strecker, Ann. 105,
pag. 317). Die durch Salzsäure aus der verdünnten Kaliumsalzlösung ausge-
schiedene Säure bildet einen gelben, gallertartigen, aus mikroskopischen Nadeln
bestehenden Niederschlag, nach dem Umkrystallisiren aus Alkohol gelblich
weisse, lange, feine Nadeln, welche bei 216 — 217°, nachdem sie aber einmal
geschmolzen sind, constant schon bei 212 — 213° schmelzen (Fittig u. Mielck).
Nahe über dem Schmelzpunkt sublimirt die Säure unter theilweiser Zersetzung.
Sie ist fast unlöslich in kaltem Wasser, leicht löslich in heissem Alkohol, schwer
löslich in kaltem, noch schwerer in Aether, Benzol und Schwefelkohlenstoff.
Die Salze sind fast alle schwer löslich oder unlöslich. Kaliumsalz: rhombische Blätter,
Natriums alz: schwer lösliches Krystallpulver, Ammoniak salz: atlasglänzende Blätter, Barium-
salz: mikroskopische, erst in 5000 Thln. kaltem Wasser lösliche Nadeln, deren Lösung durch
Kohlensäure vollständig zersetzt wird. Calciumsalz ähnlich, etwas leichter löslich. Die
Schwermetallsalze werden als Niederschläge erhalten.
Durch concentrirte Schwefelsäure wird die Piperinsäure blutroth gefärbt.
Mit nascirendem Wasserstoff giebt sie Hydropiperinsäure, C^jH^O^, mit Kalium-
permanganat Piperonal, CßHjl^Q^CHjj-CHO, während Chromsäure sie voll-
ständig verbrennt. Beim Schmelzen mit Kaliumhydroxyd zerfällt sie in Essigsäure,
Oxalsäure und Protocatechusäure. Mit Brom bildet die in kalt gehaltenem
Schwefelkohlenstoff suspendirte Säure das Tetrabromid, Ci2HioBr^04 (Tetra-
brompiperhydronsäure), ein weisses Pulver, welches bei 160 — 165° unter lebhafter
Zersetzung schmilzt Dasselbe giebt mit verdünnter Natronlauge oder heisser
Sodalösung Bromnatrium und Piperonal, mit kalter Sodalösung oder beim Kochen
mit Wasser das Dibrompiperinid, ein aus Weingeist in glänzenden Prismen
kiystallisirendes, bei 136^ schmelzendes lactidartiges Anhydrid von der Formel
Ci,HgBr,0,.
Durch Einwirkung einer ätherischen Bromlösung auf Piperinsäure und Schütteln
mit Sodalösung entsteht ein in perlmutterglänzenden Blättchen sich ausscheidendes
Natriumsalz, CigH^Br^NaOs -H l^HjO. Salzsäure fällt aus seiner kalten Lösung
die Tetrabromoxypiperhydronsäure, CijHjQBr^Oj, als flockigen, bald
krystallinisch werdenden Niederschlag, aus Weingeist krystallisirbar, bei 155°
unter lebhafter Zersetzung schmelzend, mit Sodalösung in der Kälte wieder das
schwer lösliche Natriumsalz, beim Kochen aber Monobrompiperonal gebend
(FiTTio, Ann. 152, pag. 25; 159, pag. 129; 172, pag. 134).
Hydropiperinsäure, CeH3(Q^CH,)cH,CH8CH:CHCO,H. Produkt
der Einwirkung von Natriumamalgam und Wasser auf Piperinsäure (Foster,
Ann. 124, pag. 115). Wenig löslich in kaltem, reichlicher in heissem AVasser,
sehr leicht in Alkohol und Aether. Aus Alkohol oder heissem Wasser in langen,
seideglänzenden Nadeln krystallisirend. Schmp. 71° (Fittig).
Das Ammoniaksalz krystallisirt leicht in glänzenden Schuppen. Calcium- und Barium-
salz sind in kaltem Wasser schwer löslich. Das Silbersalz ist ein fast unlöslicher, krystalli-
nischer Niederschlag. Es existirt ein tibersaures Kaliumsalz, Ci,Hj ^KO^ + C^^Hj^O^,
sowie ein entsprechendes Ammoniaksalz, welche durch Wasser zersetzt werden. Der Aethyläther
ist eine schwere, ölige Fltissigkeit
Mit concentrirter Schwefelsäure oder rauchender Salpetersäure giebt die
38 Handwörterbuch der Chemie.
Hydropiperinsäure eine blutrothe Lösung. Mit verdünnter Salpetersäure entsteht
neben viel Oxalsäure eine halbflüssige Nitrosäure.
Kaliumpermanganat oxydirt die Säure wesentlich zu Piperonal; Chromsäure
verbrennt sie vollständig. In der Kalischmelze entsteht Protocatechusäure und
Essigsäure.
Durch Natriumamalgam lässt sich kein weiterer Wasserstoff in die Hydro-
piperinsäure einführen; mit Brom aber addirt sich diese zu Dibrompiperhydron-
säure, C^^H^^Bt^O^, Diese ist unlöslich in Wasser, leicht löslich in Aether,
woraus sie in Drusen kleiner, bei 135 — 136° schmelzender Krystalle erhalten
wird. Beim Erwärmen mit Natronlauge giebt sie kein Piperonal, sondern piperin-
saures Natrium (Fittig, Ann. 152, pag. 56; 172, pag. 158).
Piperonylsäure, C6Hj(Q];^CH2)'CO^H(Methylenprotocatechusäure). Die
Säure wird erhalten durch Oxydation der Piperinsäure oder des daraus zunächst
entstehenden Piperonals mittelst Kaliumpermanganat, sowie beim Kochen des
Piperonals, ihres Aldehyds, mit alkoholischer Kalilauge (Fittig u. Mielck, Ann. 152,
pag. 40). Synthetisch wurde sie durch Erhitzen von Protocatechusäure mit Methylen-
jodid und Kaliumhydroxyd dargestellt (Fittig u. Remsen, Ann. 168, pag. 93).
Sie ist fertig enthalten in der Cotorinde (Jobbt u. Hesse, Ber. 1878, pag. 103 1).
Aus den Lösungen ihrer Salze wird die Piperonylsäure als weisses, kaum krystalli-
nisches Pulver gefällt. Sie ist auch in heissem Wasser, sowie in kaltem Alkohol
und Aether nur wenig, in heissem Alkohol leichter löslich. Aus letzterem scheidet
sie sich in nadeiförmigen Krystallen aus. Durch Sublimation erhält man sie in
grossen, derben, anscheinend monoklinen Prismen. Schmp. 228°.
Das Kaliumsalz (IH^O), Natriumsalz (IH,0) und Ammoniaksalz bilden leicht
lösliche kleine Prismen. Das Calciumsalz, (C8H504)jCa -{- 3H3O, kiystaUisirt in seide-
glänzenden Nadehi oder Blättchen, die sich bei 15° erst in 161 Thln. Wasser lösen, das
Barium salz (IH^O) aus heissem Wasser in harten, glänzenden Prismen, das in kaltem Wasser
schwer lösliche Zinks alz in grossen Spiessen. Das Silber salz ist ein krystallinischer Nieder-
schlag, aus heissem Wasser in schmalen Blättchen krystallisirend. Das Kupfersalz (IH,0)
wird als lebhaft grUne, krystallinische, das Blei salz (IH^O) als weisse, krystallinische, das
Eisenoxydsalz als hellbraune, amorphe Fällung erhalten.
Der Aethyläther ist eine leicht bewegliche Flüssigkeit von fruchtätherartigem Geruch.
Beim Erhitzen mit verdünnter Salzsäure auf 170° spaltet sich die Piperonyl-
säure in Protocatechusäure und Kohlenstoff. Wird nur Wasser angewandt, so ist
eine Temperatur von über 200° erforderlich, und statt der Protocatechusäure
treten deren Spaltungsprodukte: Brenzcatechin und Kohlensäure auf (Fittig u.
Remsen, Ann. 168, pag. 96).
Durch Chromsäure wird die Piperonylsäure verbrannt, auch beim Kochen
mit verdünnter Salpetersäure unter Entwicklung von Kohlensäure und Bildung
von etwas Oxalsäure zerstört. Wenn aber heisse concentrirte Salpetersäure nur
sehr kurze Zeit einwirkt, so entstehen hauptsächlich Nitropiperonylsäure und
Methylenmononitrobrenzcatechin. Beim Eintragen der Säure in eiskalte rauchende
Salpetersäure wird Methylendinitrobrenzcatechin gebildet.
Nitropiperonylsäure, CßH3(N02)(Q]!!IlCH2)-C02H, krystallisirt in glän-
zenden, gelben Blättchen, die in Wasser, namentlich in siedendem, ziemlich leicht
löslich sind und bei 172° schmelzen. Ihre Lösung in Alkalilauge ist gelb und
wird beim Kochen blutroth.
Aromatische Verbindungen. 39
Die Salze sind z. Th. gut krystallisirbar. Das Silbersalz ist wasserfrei, Kalium- und
Bleisalz enthalten 1 Mol., das Kupfersalz 4 Mol. Krystallwasser.
Mit Zinn und Salzsäure entsteht ein Amidoderivat, dessen wässrige Lösung
durch Eisenchlorid blauviolett gefärbt wird. Seine salzsaure Verbindung krystalli-
sirt gut, ist aber äusserst leicht veränderlich (Jobst u. Hesse, Ber. 1878, pag. 1031).
Brompiperonylsäure» durch Oxydation des Monobrompiperonals mit
Kaliumpermanganat erhalten, bildet bei 204 — 205° schmelzende, unzersetzt subli-
mirbare Krystalle (Fittig u. Mielck, Ann. 172, pag. 158).
Amarsäure, C4 6H4 20g, neben Desoxybenzoin beim Kochen von Benz-
amaron mit weingeistiger Kalilauge entstehend (Zinin, Chem. Centralbl. 1871,
pag. 211; Ber. 1877, pag. 1735) krystallisirt aus Weingeist in dünnen, vierseitigen
Prismen mit 2 Mol. Krystallwasser, die bei 100° entweichen.
Kaliumsalz, C^gH^^KgO^. Leicht löslich in Wasser und Alkohol. Es wird aus
wässriger Lösung durch ätzende oder kohlensaure Alkalien als Oel ausgeschieden. Aus Aether
kann es in Tafeln krystallisirt erhalten werden. Das Natriumsalz (4H2O) krystallisirt aus
Aether in mikroskopischen Nadeln oder in ziemlich dicken, rhombischen Tafeln, die selbst in
trocknem Zustande leicht in jene Nadeln Übergehen. Das Bariumsalz krystallisirt aus heissem,
verdünnten Weingeist in Drusen rhombischer Tafeln, die an der Luft undurchsichtig werden
und dann noch 2 Mol. Krystallwasser enthalten. Calciumsalz, C^gH^^GaOg + 2H2O, und
Silbersalz sind amorphe Niederschläge.
Ein Anhydrid C4gHj804 entsteht aus der Amarsäure durch Erhitzen auf
140 — 150°. Die anfangs harzartige Masse wird durch Uebergiessen mit Alkohol
in Nadeln krystallisirt erhalten. Schmp. 140,5**.
Zu Homologen der Amarsäure gelangt man, wenn man das Alkali in
Methyl-, Isobutyl- oder Amylalkohol gelöst auf das Benzamaron einwirken lässt
Genauer untersucht ist nur die Isobutylamarsäure, CgoHgoOg. Sie ist in
Wasser fast unlöslich, aus Alkohol in rhombischen Tafeln krystallisirbar. Bei
175—179° schmilzt sie unter Bildung eines anfangs harzartigen Anhydrids
C50H46O4, welches durch Uebergiessen mit Aether in eine hierin schwerer lös-
liche, krystallinische Form übergeführt wird und aus Alkohol in vierseitigen, bei
137° schmelzenden Prismen krystallisirt.
C H
Pyroamarsäure, CigHjgOj (= Benzyläthylbenzoesäure : C^H, CIq^jj^'
COjH?) bildet sich neben Benzoesäure bei vorsichtigem Schmelzen der Amar-
säure oder ihres Anhydrids mit Kaliumhydroxyd (Zinin, Ber. 1877, pag. 1735)-
Sehr schwer löslich in Wasser, leicht in Aether; daraus beim Verdunsten in dicken,
rhombischen Platten oder Prismen krystallisirend. Schmp. 94°.
Die Alkalisalze krystallisiren schlecht. Das AmmoniaksaU zersetzt sich beim Ein-
dampfen seiner Lösmig. O. Jacobsen.
Aromatische Verbindungen.*) Schon seit etwa 30 Jahren unterscheidet
man neben der Gruppe der Fettkörper, d. h. derjenigen Verbindungen, welche
mit den Fetten in näherer Beziehung stehen, die sogen, aromatischen Ver-
bindungen, welche einen verhältnissmässig höheren Kohlenstoffgehalt besitzen
und sich von aromatisch riechenden Oelen ableiten lassen. Im Jahre 1865 hat
K£KUl£ die Ansicht aufgestellt, dass alle diese Körper, die damals schon in
grosser Zahl bekannt waren, als Derivate des Benzols aufzufassen seien (i).
*) l) Bulletin Soc. chim. ÜL, pag. 98. Ann. Chem. 137, pag. 129. 2) Ann. Chem. 172,
pag. 331 ; Ber. Ges. 8, pag. 535 u. 853 3) Ladenburg, Theorie d. aromatischen Verbindungen,
Braunschweig 1876. 4) Ber. 2, pag. 140 u. 272 vergl. Kekul^ Ann. 162, pag. 77 u. Ladenburg,
Bei. 5, pag. 322. 5) Thomson, Ber. 13, pag. 2166 u. Barth, Monatsh. I., pag. 869.
40
Handwörterbuch der Chemie.
1/K
(Gh. 38.)
»/
Heute ist dies wohl allgemein anerkannt und dadurch hat die Constitution des
Benzols eine hervorragende Bedeutung gewonnen.
lieber diese hat schon Kekul^ sehr eingehende Betrachtungen angestellt und
ist dabei zu der Hypothese gelangt, dass die 6 Kohlenstoffatome des Benzols
eine geschlossene Kette bilden, deren einzelne Glieder
abwechselnd durch 1 oder 2 Valenzen gebunden sind.
Die nebenstehende Fig. 33 stellt diese Anschauung
^Ifs graphisch dar, und es hat wohl keine Formel eine
solche Anwendung oder Verbreitung gefunden wie diese,
welche gewöhnlich unter dem Namen Benzolsechseck
bezeichnet wird.
KEKLT.fi hat aus dieser Formel zwei Sätze er-
schlossen, welche fllr die Constitution der aromatischen
Verbindungen von grösster Wichtigkeit sind. Diese
lauten :
1. Die 6 Wasserstoffatome des Benzols sind gleich-
werthig, d. h. von allen Mono- und Pentasubstitutionsprodukten des Benzols ist
nur eine Form möglich.
2. Für alle Bisubstitutionsprodukte existiren 3 isomere Formen.
Mit diesen Sätzen stimmten zur Zeit ihrer Aufstellung die Thatsachen im
Allgemeinen überein, doch waren auch widersprechende Versuche bekannt.
Ladenburg (2) zeigte nun zunächst, dass diese entgegenstehenden Behaupt-
ungen auf Irrthümem beruhen. Es gelang ihm weiter, aus Thatsachen, die er
z. Th. selbst auffand, z. Th, Anderen entlehnte, die obigen beiden Sätze zu be-
weisen (3). Schon früher hatte derselbe gezeigt, dass die von Kekul£ aufgestellte
Sechseckformel des Benzols (Fig. 33) mit diesen Sätzen nicht in vollständiger
Uebereinsdmmung stehe (4), während er andererseits darthun
konnte, dass ein anderes Schema, jetzt unter dem Namen der
Prismenformel des Benzols (Fig. 34) bekannt, diesen beiden
Bedingungen vollständig Rechnung trägt. Freilich hat trotz-
dem, und obgleich auch andere Gründe zu Gunsten der
Prismenformel vorgebracht wurden (5), die letztere keine
grosse Verbreitung gefunden, und dies wohl hauptsächlich
deshalb, weil sie weniger anschaulich ist als die Sechseck-
formel und weil sie nicht so elegant und einfach wie diese,
die condensirten aromatischen Verbindungen wie Naphtalin,
Anthracen, Phenantren etc. zu formuliren gestattet.
Nomenclatur und Schreibweise aromatischer Verbindungen. Schon
oben wurde darauf hingewiesen, dass die aromatischen Verbindungen sich vom
Benzol ableiten und zwar dürfen die meisten als Substitutionsprodukte desselben
angesehen werden. Man trägt dieser Thatsache bei der Formulirung vielfach
Rechnung, indem man die Verbindungen so schreibt, dass sie als substituirte
Benzole erscheinen, z. B. Benzoesäure CgHjfCOjH), Phtalsäure C6H4(CO,H)„
Anilin CgH5(NH2) etc. Da nun aber schon bei den zweifach substituirten
Benzolen und um so mehr bei den höher substituirten Isomerien vorkommen,
so handelt es sich auch um ein Auseinanderhalten dieser Isomeren bei der
Formulirung. Deshalb muss hier das Wesentlichste über die Isomerie bei
aromatischen Verbindungen hervorgehoben werden, während für diejenigen, welche
diesen Gegenstand eingehend studiren wollen, auf die Literatur verwiesen wird (3),
(Gh. 84.)
Arsen. 41
Schon oben sind zwei Sätze als für die Constitution des Benzols fundamental
hervorgehoben. Daraus lassen sich ohne Schwierigkeit die Anzahl der Isomerien
bei den verschiedenen Substitutionsprodukten des Benzols ableiten.
I. Bei den einfach substituirten Benzolen giebt es keine Isomerie.
n. Alle vom Benzol durch Vertretung zweier Wasserstoffatome entstehenden
Verbindungen treten in 3 isomeren Formen auf. Man nennt diese je Ortho (o-)-,
Meta(m.)- und Para(p.)- Verbin düngen und bezeichnet sie beim Schreiben
der Formeln derart, dass man neben die substituirenden Atome oder Atomgruppen
Zahlen setzt, welche ihre relative Stellung (oder besser Beziehung) zu einander
andeuten. Theoretische Betrachtungen, welche durch Thatsachen gestützt sind,
haben dahin geführt (3) mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen zu können, dass
den Orthoverbindungen die Bezeichnung (1.2) oder (1.6) zukommt, wobei die
Zahlen dieselbe Bedeutung wie in den obigen Benzolformeln haben. Die Be-
zeichnung 1.2 sagt also aus, dass diejenigen Wasserstoffatome, welche bei den
obigen Benzolformeln mit diesen Zahlen bezeichnet sind, durch die substituirenden
Gruppen vertreten wurden.
Ebenso ist nachgewiesen, dass den Metaverbindungen die Bezeichnung (1.3) oder
(1.5) zukommt, während die Paraverbindungen durch (1.4) dargestellt werden müssen.
ni. Bei den Trisubstitutionsprodukten des Benzols hat man 3 Fälle zu
unterscheiden:
a) Die 3 eintretenden Gruppen sind einander gleich. Dann hat man 3 Isomere,
welche folgendermaassen bezeichnet werden:
1. (1.2.3) == (4.5.6) = (5.6.1) = etc.
2. (1.2.4) = (1.2.5) = etc.
3. (1.3.5)=: 2.4.6.
b) Von den 3 eintretenden Atomgruppen sind zwei einander gleich und von
der dritten verschieden, dann sind 6 Isomere möglich. Bei der gebräuchlichen
Bezeichnungsweise ist unter 1 stets die zuerst geschriebene Atomgruppe zu ver-
stehen, während die zweite Zahl sich auf die ihr gleiche Atomgruppe beziehen
soll. Man hat dann:
1. 1.2.3= 1.6.5= etc.
2. 1.2.4= 1.6.4= etc.
3. 1.3.2= 1.5.6= etc.
4. 1.3.4= 1.5.4= etc.
5. 1.3.5= 1.5.3= etc.
6. 1.4.2= 1.4.3= etc.
c) Die 3 eintretenden Atomgruppen sind untereinander verschieden. Dann
sind 10 Isomere möglich, deren Bezeichnung in ähnlicher Weise möglich ist.
rv. Bei Tetrasubstitutionsprodukten sind bei gleichen Substituenten 3 Isomere
möglich, während unter derselben Voraussetzung sowohl von Penta- wie von
Hexasubstitutionsprodukten nur je eine Form möglich ist. Ladenburg.
Arsen.*) As = 74,9. Molekulargewicht AS4 = 300, Dampfdichte = 10,6,
wenn Luft= 1 oder 150, wenn Wasserstoff = 1 gesetzt wird.
•) i) Gmelin-Kraut's Handb. 2) V. Meyer, Ber. 12, pag. 11 17. 3) A. Buchner, N. Rep.
Pharm. 22, pag. 265. 4) E. Reichardt, Arch. Phann. [3] 17, i, pag. 291. 5) J. Ogier, C. r. 87,
pag. 210. 6) Janovsky, Ber. 6, pag. 216. 7) Wiederhold, Pogg. 118, pag. 615. 8) Conechy,
Chem. N. 41, pag. 189. 9) F. Selmi, Monit. scient. [3] 8, pag. 1012. O. Johnson, Chem. N. 38,
pag. 301). 10) DE Clkrmont u. Frommei.. 11) £. Fischer, Ber. 13, pag. 1778. 12) Fresenius,
Qoalitatiye u. quantitative Analyse.
42 Handwörterbuch der Chemie.
Schwefelarsen und das gewöhnlich >Arsenik«: genannte Anhydrid der arsenigen
Säure, welche als Naturprodukte vorkommen, waren schon im Alterthum bekannt
und den Namen Arsenicon erwähnt bereits Dioskorides. Das Element Arsen
wurde jedoch erst von Schröder im Jahre 1694 und später (1733) von Brandes
durch Reduction des Arseniks erhalten.
Das Arsen ist ein sehr weit verbreitetes Element und findet sich z. B. in sehr
vielen Mineralquellen, im Meerwasser, in den Steinkohlen u. s. w. in nicht ganz
unerheblichen Mengen- Verarbeitungswtirdig für die Gewinnung des Arsens ist
jedoch nur der aus gediegenem Arsen bestehende Scherbenkobalt oder Fliegen-
stein aus dem Erzgebirge und manche Erze, in welchen das Arsen an Kobalt,
Nickel, Kupfer, Eisen oder Schwefel gebunden ist.
Die wichtigsten Arsenerze sind: Arsenikkies FeAsS und Fe j As Sgl Speis-
kobalt Co As j; Glanzkobalt Co As S; Kupfemickel NiAs; femer die kupferhaltigen
Fahlerze, das Realgar As^Ss und das Auripigment oder Operment AS2S3. Arsenig-
säure-Anhydrid bildet oft als ein secundäres Produkt Ausbltihungen auf den Erzen ;
auch Salze der Arsensäure finden sich in der Natur.
Das rohe, metallische Arsen, welches Handelsgegenstand ist, besteht entweder
aus gediegenem Arsen, dem Scherbenkobalt, oder dem Destillationsprodukt der
Arsenkiese, welche am besten unter Zusatz von Eisen erhitzt werden. Letzteres
zerlegt die Dämpfe des Schwefelarsens, indem es sich mit dem Schwefel verbindet.
Die Destillation wird in thönemen Röhren vorgenommen, welche sich in einem
Galeerenofen befinden und mit als Vorlagen dienenden Röhren aus Eisenblech
versehen sind. Zur Reinigung unterwirft man das durch Waschen mit Chlorwasser
vom Arsenik befreite Rohprodukt der Sublimation in Tiegeln oder Glasretorten.
Auf frischer Bruchfläche besitzt das Arsen Farbe und Metallglanz des Eisens,
an feuchter Luft tiberzieht es sich jedoch bald mit einer schwärzlichen Haut.
Es krystallisirt in rhomboedrischer Form und ist mit Antimon und Tellur isomorph.
Wird Arsen in einem indifferenten Gasstrom sublimirt, so erscheint bei 450°
ausser einem aus Kryställchen gebildeten Sublimat, noch ein schwarzes amorphes
und ein graues, aus kleinen Kügelchen gebildetes Pulver. Diese auch bei der
Zersetzung des Arsenwasserstoffs durch Glühhitze sich bildenden Modificationen
gehen beim stärkeren Erhitzen in krystallisirtes Arsen über (Conechv) (8). —
Das elementare Arsen oxydirt sich beim Aufbewahren unter lufthaltigem Wasser
und giebt an dasselbe arsenige Säure ab. An der Luft stark erhitzt, verbrennt
das Arsen mit weisser Flamme unter Ausstossung eines knoblauchartig riechenden,
weissen Rauches, welcher aus Arsenik besteht
Beim Erhitzen mit conc. Salpetersäure oder Königswasser, sowie beim
Schmelzen mit Nitraten oder Chloraten wird das Arsen leicht zu Arsensäure
oxydirt, dagegen greifen es verdünnte Säuren oder Alkalilaugen nicht an. Mit
Kalium, Natrium, Magnesium, Kupfer und Nickel vereinigt sich das Arsen beim
Schmelzen zu Arsenmetallen, von welchen diejenigen der Alkalien und alkalischen
Erdmetalle durch Wasser unter Entwicklung von ArsenwasserstofF zersetzt werden.
Arsenigsäure-Anhydrid, As40e, auch Arsentrioxyd genannt, ist das ge-
wöhnlich mit der Bezeichnung Arsenik oder weisser Arsenik belegte furcht-
bare Gift. Es bildet sich beim Erhitzen des Arsens oder arsenhaltiger Erze an
der Luft und wird deshalb beim Rösten der Arsenkiese in den Hüttenwerken
gewonnen. Die zu diesem Prozess verwendeten Oefen sind gewöhnlich mufTel-
förmig gebaut, so dass die Feuergase unter der Sohle und über der Wölbung
des Ofens hinstreichen und so ihre Wärme abgeben, ohne sich selbst den Arsenik-
Arsen. 43
dämpfen beizumischen, da letztere sonst theilweise zu Arsen reductrt werden würden.
Durch Oeflfnungen, welche an der Vorderseite des Ofens angebracht sind, tritt
Luft ein, oxydirt die Erze und geht mit Arsenikdampf beladen durch einen Kanal
am hinteren Ende des Ofens in die »Gift fange« genannten gemauerten Kammern,
welche meist übereinander in einem thurmartigen Gebäude angeordnet sind. In
diesen ^Giftthürmen verdichtet sich das Arsenik in Form eines weissen Pulvers,
des sogen. Giftmehls.
Durch Sublimation wird Letzteres gereinigt und dabei, wenn die Vorlage
warm genug gehalten wird, zum grossen Theil als eine fast farblose, völlig
amorphe, glasartige Masse erhalten. Allmählich trübt sich jedoch dieses Glas
von Aussen nach Innen und wird porzellanartig weiss; eine Umwandlung, welche
auf dem Uebergang des amorphen Arseniks in die krystallinische Modification
beruht Bei langsamer Sublimation des Arseniks besteht das Sublimat aus kleinen,
glänzenden Reguläroctaedem, was zum Nachweis benutzt werden kann, doch kann
die Verbindung aus wässriger Lösung auch in rhombischen Prismen krystallisirt
erhalten werden und ist also ebenso wie das Antimonoxyd SbjOj dimorph. Nach
F. Sel^u (9) verflüchtigt sich das Arsenik schon bei 100 — 125° ziemlich merklich.
Die Dampfdichte des Arseniks ist nach Mitscherlich bei 571° und nach neueren
Untersuchungen von V. Meyer (2) selbst bei 1560° eine der Formel As^Og ent-
sprechende, weshalb die früher angenommene Formel AsgOj verworfen werden muss.
Wasser löst das Arsenik nur schwierig; 1 Th. amorphes Arsenik wird nach
A. Buchner (3) bei eintägiger Berührung von etwa 108 Thln. Wasser von 15°
gelöst, während die krystallinische Modification 355 Thle. erfordert. 1 Th.
krystallinisches Arsenik bleibt jedoch in 46 Thln. Wasser von 15° gelöst, wenn
die Lösung zuvor in der Siedhitze vorgenommen wurde. Bei gleichem Verfahren
bleibt 1 Th. amorphes Arsenik in etwa 30 Thln. Wasser gelöst. Die Löslichkeits-
verhältnisse konnten nicht schärfer beobachtet werden, da die beiden Modifica-
tionen in einander übergehen. Die wässrige Lösung schmeckt schwach süsslich,
röthet blaues Lakmuspapier und enthält wahrscheinlidh die eigentliche arsenige
Säure, As(OH)g, beim Verdunsten bleibt jedoch das Anhydrid, As40ß, zurück.
Salzsäure löst den Arsenik viel leichter und reichlicher als Wasser. Die
glasige Modification wird dabei besonders reich aufgenommen und aus einer
solchen heiss bereiteten Lösung scheiden sich beim Erkalten Krystalle aus, deren
Bildung von einem im Dunkeln sichtbaren Funkensprühen begleitet ist. Da eine
Lösung des krystallisiiten Anhydrids diese Lichterscheinung nicht zeigt, so steht
ihr Auftreten wohl mit dem Uebergang der amorphen Modification des Arseniks
in die kiystallisirte in Beziehung.
Die giftigen Wirkungen der arsenigen Säure sind bekannt; sie erstrecken
sich auch auf die Pflanzen. Im thierischen Organismus wirkt der Arsenik am
raschesten, wenn es unmittelbar in das Blut gebracht wird und erzeugt dabei
eigenthümliche Nervenzufalle. Im Magen veranlasst das Gift lokale Entzündungen
und Magenbrennen, femer Erbrechen und Kolik, wobei schreckliches Angstgefühl,
Irrereden, convulsivische Bewegungen, bis schliesslich nach einigen Stunden oder
Tagen der Tod eintritt. Doch sind Fälle bekannt, bei welchen in Folge des
Genusses einer sehr grossen Dosis Arsenik, alles Gift durch das sofort erfolgte
heftige Erbrechen entfernt wurde und Genesung eintrat, während eine geringere
Dosis sicher den Tod bewirkt haben würde. Als Gegenmittel dient ein frisch
bereitetes Gemenge von Eisenchloridlösung mit überschüssiger Magnesia, dessen
44 Handwörterbuch der Chemie.
Wirksamkeit auf der Vereinigung der arsenigen Säure mit dem Eisenhydroxyd
und der Magnesia zu unlöslichen Verbindungen beruht (Bunsen).
In alkalischen Laugen löst sich das Arsenigsäure-Anhydrid leicht, indem sich
Salze der arsenigen Säure bilden. In Ammoniak ist es gleichfalls löslich, doch
liinterbleibt beim Abdampfen der Lösung wiederum nur das Anhydrid, während
Ammoniak entweicht.
Die wässrige Lösung der arsenigen Säure wird durch Schwefelwasserstoff nur
gelb gefärbt, nicht gefallt; erst auf Zusatz einer Säure, z. B. von Salzsäure scheidet
sich das Arsen als Arsentrisulfid aus, ein gelber Niederschlag, der durch seine Lös-
lichkeit in Ammoniak, Ammoniumsulfid und Ammoniumcarbonat charakterisirt ist.
Die Salze der arsenigen Säure, Arsenite genannt, sind ausser den
Alkalisalzen unlöslich oder schwer löslich in Wasser. Solche Salze entstehen
durch Fällung der betreffenden Metalllösungen durch arsenigsaure Alkalien und
werden von Salzsäure unter Zersetzung gelöst. Beim Glühen zerfallen die meisten
Arsenite, wobei entweder arsenige Säure oder Arsen verdampft. In letzterem Fall
hinterbleibt ein arsensaures Salz.
Die Lösungen der arsenigsauren Alkalien liefern mit Silbemitrat einen gelben
Niederschlag von arsenigsaurem Silber, mit Kupfersulfat eine gelbgrüne Fällung
von Kupferarsenit; die Salzlösungen der alkalischen Erdmetalle, sowie die Blei-
salze werden weiss gefällt. Wird eine stark alkalische Arseniklösung mit etwas
Kupfersulfat versetzt, so findet keine Ausscheidung von Kupferhydroxyd statt,
beim Erhitzen fällt aber aus der klaren blauen Lösung Kupferoxydul als rother
Niederschlag aus, während die arsenige Säure in Arsensäure übergeht. — Eine
mit viel Salzsäure vermischte Arsenitlösung erleidet beim Erhitzen mit blankem
Kupfer eine Reduction zu metallischem Arsen, welches auf dem Kupfer einen
aus Arsenkupfer bestehenden grauen Ueberzug erzeugt. Diese Reaction ist ihrer
Empfindlichkeit wegen zum Nachweis geringer Arsenmengen anwendbar.
Die Reduction des Arseniks zu elementarem Arsen geschieht äusserst
leicht auf trocknem Weg, wenn man die Arsenikdämpfe über glühende Kohle
streichen lässt. Zur Erkennung des Arsenigsäure-Anhydrids, wenn es als solches
vorliegt, eignet sich ein solcher Reductionsversuch besonders. Die zu prüfende
Substanz wird in die geschlossene Spitze
a eines Glasröhrchens Fig. 35 gebracht,
b ^^#^- .^^ii0^^^ ein Holzkohlensplitter etwas weiter vom
in den ausgezogenen Theil der Röhre
gelegt und diese nun zunächst an der
Stelle erhitzt, an welcher die Kohle liegt.
Sobald letztere glüht, wird auch die
Substanz erhitzt, so dass die Arsenik-
dämpfe gezwungen sind, über die glü-
hende Kohle zu streichen. Oberhalb der-
(Cii. 35.) selben bei c verdichtet sich das metal-
lische Arsen zu einem braunschwarzen,
metallglänzenden Sublimat, dem sogen. Arsenspiegel. Arsenite, sowie Schwefel-
arsen lassen sich ebenfalls reduciren, wenn man sie mit einem trocknen Gemisch
von gleichen Theilen Natriumcarbonat und Cyankalium in einem Glasröhrchen,
welches unten zu einer kleinen Kugel aufgeblasen ist, zusammenschmilzt Es ist
selbstverständlich, dass die zu prüfende Substanz keine organischen Stoffe ent-
halten darf, welche beim Erhitzen theerige Produkte abgeben. Sollte beim Beginn
Arsen.
45
des Erwärmens noch etwas Feuchtigkeit entweichen, so sind die weiter oben
condensirten Wassertröpfchen durch Fliesspapier wegzunehmen. Bei starkem
Erhitzen, am besten mit Hilfe des Löthrohrs bildet sich im kälteren Theil der
Röhre ein Arsenspiegel. — Diese Methode, welche sich zur Nachweisung des
Arsens besonders eignet, da Antimonverbindungen bei gleicher Behandlung
keinen Spiegel liefern, wird empfindlicher, wenn die Reduction in einem lang-
samen Kohlensäurestrom ausgeführt wird, weil in diesem Fall das Verbrennen
des Arsens zu Arsenik ausgeschlossen ist.
Zur Ausführung dieser Prüfung dient der von Fresenius und von Babo an-
gegebene Apparat (Fig. 36).
(Ch. 36.)
Das in einem constant wirkenden Kohlensäure- Apparat ab (welcher auch
durch eine andere Vorrichtung ersetzt werden kann, insofern sie nur einen regulir-
baren Gasstrom liefert) erzeugte Gas wird zunächst durcii Wasser gewaschen und
dann in einer Chlorcalciumröhre d getrocknet, worauf es in die leere Reductions-
röhre e gelangt. Letztere wird nun, während der Gasstrom sie durchfliesst, eine
Viertelstunde lang zum Glühen erhitzt. Zeigt sich dann gegen das äussere
Röhrenende hin kein dunkler Spiegel, so sind die angewandten Materialien rein.
Nun wird die wohlgetrocknete, aus Substanz, Cyankalium und Natriumcarbonat
bestehende Mischung mit Hilfe einer Rinne aus Kartenpapier in die Mitte der
Röhre gebracht, zunächst zur Austreibung der etwa noch vorhandenen Feuchtig-
keit schwach erwärmt, worauf dann mit einer Flamme die mit e bezeichnete
Stelle und erst dann gleichzeitig mit einer zweiten Flamme das etwas weiter
stromauf befindliche Gemenge zum starken Glühen erhitzt wird, während ein
sehr langsamer Gasstrom den Apparat durchstreicht
Von noch grösserer Empfindlichkeit ist die Nachweisung des Arsens mit
46
Handwörterbuch der Chemie.
Hülfe nascirenden Wasserstoffs und die Erzeugung von Arsenflecken durch Er-
hitzen oder unvollständige Verbrennung des entstandenen Arsenwasserstoffs.
Diese von Marsh angegebene und nach ihm benannte Methode erfordert jedoch
das Arsen in Form von arsenig- oder arsensauren Salzen, da andere Arsen-
verbindungen durch nascirenden Wasserstoff nicht völlig in Arsenwasserstoff über-
geführt werden. Beim Gang der analytischen oder gerichtlichen Untersuchung
wird aber meist das Arsen als SulfÜr erhalten, dessen Identität festzustellen ist.
Dieses Sulflir, resp. der auf Arsen zu prüfende durch Schwefelwasserstoff er-
haltene Niederschlag wird durch Abdampfen mit rauclfender Salpetersäure voll-
ständig oxydirt und dann die Säure durch Abdampfen zum grössten Theil ent-
fernt. Hierauf neutralisirt man mit Natronlauge, fügt gepulvertes Natriumcarbonat
und -nitrat zu und erhitzt das Gemisch langsam im Porzellantiegel bis die Masse
zu einer klaren und farblosen Flüssigkeit geschmolzen ist. Nach dem Erkalten
wird mit Wasser ausgelaugt, wobei etwa vorhandenes Antimon als unlösliches,
antimonsaures Natrium zurückbleibt. Die das Arsen als Arseniat enthaltende
Lösung wird vorsichtig mit überschüssiger verdünnter Schwefelsäure soweit ein-
gedampft, dass schwere, weisse Dämpfe von Schwefelsäure entweichen, ein Zeichen,
dass alle Salpetersäure, welche den Reductionsprocess stören würde, entfernt ist.
Den Inhalt des Schälchens löst man in etwas Wasser und bringt diese Lösung
in den bereits vorgerichteten MARSH'schen Apparat. Derselbe besteht aus einer
sehr kleinen Wasserstoffentwicklungsflasche, Fig. 37, aus welcher das Gas durch
eine mit Chlorcalcium ge-
füllte Trockenröhre in eine
an mehreren Stellen ver-
engte Glasröhre aus schwer
schmelzbaremGlase strömt.
Dass zur Beschickung des
Apparats nur völlig arsen-
freie Materialien angewandt
werden dürfen ist selbst-
verständlich, ebenso dass
man vor dem Zusatz der
auf Arsen zu prüfenden
Flüssigkeit sich von der
■' Reinheit derselben und des
Apparates überzeugt. Die
Gasentwicklung ist bei An-
wendung chemisch reinen Zinks äusserst langsam, lässt sich aber durch Einwerfen
einiger Platindrähte (oder durch Zusatz einiger Tropfen Platinchloridlösung)
sehr beschleunigen. Die Prüfung des Apparates geschieht dadurch, dass man
nach Austreibung der Luft durch das Wasserstoffgas letzteres entzündet und
weisse Porzellanschälchen in die Flamme hält, so dass diese breit gedrückt wird :
es darf sich keine Spur eines dunklen Fleckes zeigen. Hierauf erhitzt man eine
Stelle der schwer schmelzbaren Röhre mit der Gasflamme während einer halben
Stunde zum Glühen und lässt das sich entwickelnde Gas durchstreichen. Auch
hier darf kein dunkler Beschlag im Inneren der Röhre erscheinen. Zur Aus-
führung des eigentlichen Versuchs erneuert man den Inhalt des Apparates und
event. der Chlorcalciumröhre mit denselben Materialien, prüft nochmals in der
angegebenen Weise die Flamme und durch Erhitzen der Röhre während kürzerer
(Ch. 87.)
Arsen. 47
Zeit und giesst dann die auf Arsen zu prüfende Flüssigkeit langsam durch die
Trichterröhre in den Wasserstoffapparat. Sogleich oder nach einigen Minuten
bildet sich bei Anwesenheit von Arsen hinter der erhitzten Stelle der Röhre ein
braunschwarzer Arsenspiegel. Lässt man hierauf die Röhre erkalten, so zeigt
das entweichende Gas den charakteristischen Knoblauchgeruch und liefert beim
Anzünden eine fahle bläulichweisse Flamme, welche an hineingehaltene Porzellan-
schälchen schwarzbraune, glänzende Arsenflecken absetzt —
Um annähernd sämmtliches in Form von Arsenwasserstoff auftretendes Arsen
zu gewinnen, kann man schliesslich das Gas in Silbernitratlösung einleiten. Es
tritt hierbei Abscheidung von metallischem Silber ein, während arsenige Säure
in Lösung geht und nach der Entfernung des in Lösung gebliebenen Silbers
durch Salzsäure mittelst Schwefelwasserstoffs gefallt werden kann.
Als sehr sichere Methode zur Erkennung und Bestimmung des Arsens
empfahl E. Reichardt (4), das Arsen- resp. Antimonwasserstoff enthaltende Gas
in stark salpetersaure Silbemitratlösung zu leiten, dann durch direkten Zusatz
von Bromwasser die arsenige Säure zu oxydiren und nach der Entfernung des
Bromsilbers die Arsensäure durch Ammoniak und Magnesiamischung zu fallen,
wobei etwa vorhandene Antimonsäure in Lösung bleibt.
Bei gerichtlichen Untersuchungen müssen alle Operationen mit grosser Ge-
wissenhaftigkeit und Sorgfalt ausgeführt werden und unter Anwendung vieler
Vorsichtsmaassregeln, welche einerseits die Empfindlichkeit der Reaction sichern
und andererseits jeden Irrthum absolut ausschliessen ; insbesondere müssen die
erhaltenen Arsenspiegel und -flecken noch hinsichtlich ihrer Identität geprüft werden.
Die den Arsenspiegeln ähnlichen Antimonspiegel unterscheiden sich von jenen
durch ihre schwärzere Farbe, geringere Flüchtigkeit und durch ihre Unlöslichkeit
in kein freies Chlor enthaltender Chlorkalk- oder Chlornatronlösung, welche die
Arsenflecken sogleich auflöst.
Arsensäure-Anhydrid oder Arsenpentoxyd AsjOg.
Wird Arsensäure bis zur beginnenden Rothgluth erhitzt, so entweicht Wasser
und Arsenpentoxyd bleibt als weisse Masse zurück, welche bei stärkerem Erhitzen
in Arsenigsäure-Anhydrid und Sauerstoff zerfallt.
In Wasser löst sich das Pentoxyd langsam zu Arsensäure, AsO^Hg, giebt
aber mit Chlorwasserstoff kein dem Pentoxyd entsprechendes Pentachlorid, sondern
unter Chlorentwicklung nur Arsentrichlorid.
Arsensäure. Arseniksäure.
Arsensäure, ASO4H,, bildet sich beim Auflösen des Anhydrids in Wasser,
sowie bei Einwirkung von Salpetersäure auf Arsenigsäure-Anhydrid. Beim Ein-
dampfen der Lösung scheiden sich nadeiförmige Kryställchen der Arsensäure,
AsO^Hj, ab. Dampft man jedoch die syrupdicke Lösung der Arsensäure bei
140 — 180^ ein, so bestehen die nun gebildeten Krystalle aus Pyroarsensäure,
ASjO^H^, und wird längere Zeit auf 200° und darüber erhitzt, so tritt abermals
Wasserdampf aus und die beim Erkalten erstarrende Masse besitzt nun die
Zusammensetzung einer Metaarsensäure, AsOj^OH. Pyro- und Metasäure
lösen sich in Wasser auf, gehen aber dabei in die dreibasische Orthoarsen-
säure, AsO^Hj, über.
Arsensäure ist für den thierischen Organismus ein heftiges Gift, steht aber
in dieser Beziehung dem Arsenik nach. — Zu Reagentien verhält sie sich
folgendermaassen : Ihre Lösung wird durch schweflige Säure und auch durch
48 Handwörterbuch der Chemie.
Schwefelwasserstoff zu arseniger Säure reducirt; Schwefelwasserstoff fällt bei
längerer Digestion oder in der Wärme Arsentrisulfid, welches mit Schwefel ge-
mischt ist. Ammoniumsulfid bewirkt in Arsensäurelösung keinen Niederschlag.
Nascirender Wasserstoff, z. B. mit Zink und verdünnter Schwefelsäure entwickelt,
reducirt die Arsensäure und bildet Arsenwasserstoff
Die Arsensäure bildet wie die Orthophosphorsäure drei Reihen von Salzen,
neutrale, einfach saure und zweifach saure. Die einfach sauren Salze liefern
beim Glühen pyroarsensaure Salze, die zweifach sauren dagegen metaarsensaure
Salze. — Die Orthoarseniate der Alkalien sind in Wasser löslich, unlöslich sind
dagegen die neutralen Salze der alkalischen Erden, der Erden und die Schwer-
metallsalze; Mineralsäuren lösen auch diese Verbindungen. Chlorcalcium und
Bleiacetat fallen die Lösung eines Alkaliarseniats weiss, der mit Silbemitrat er-
zeugte Niederschlag ist rothbraun, derjenige der Kupfersalze blau. Eisenoxydsalze
fallen bräunlich weisses arsensaures Eisenoxyd und auch gefälltes Eisenhydroxyd
vermag die Arsensäure aus ihren Lösungen niederzuschlagen.
In der Technik findet die Arsensäure zur Gewinnung des Fuchsins Anwendung.
Aus den arsenige Säure enthaltenden Fabrikationsrückständen kann das Arsen
durch einen Sublimationsprozess bei Luftzutritt als weisser Arsenik wiedergewonnen
werden.
Arsen Wasserstoff.
Zwei Verbindungen des Arsens mit Wasserstoff sind bekannt, eine gasförmige
und eine feste.
Arsenwasserstoffgas, AsHj.
Dieses dem Ammoniak und Phosphorwasserstoff analog zusammengesetzte
Gas bildet sich wie erwähnt, wenn eine Sauerstoffverbindung des Arsens mit
nascirendem Wasserstoff zusammentrifft. Wenn arsenige Säure oder Arsensäure
oder ein Salz dieser Säuren zu Zink gebracht wird, welches mit verdünnter
Schwefelsäure, oder zu Aluminium, welches mit Kalilauge Übergossen ist, so
mischt sich sofort Arsen Wasserstoff dem entweichenden Wasserstoff bei.*) In
reinem Zustand wird das Gas jedoch durch Auflösen von Arsenmetallen in ver-
dünnter Schwefelsäure erhalten. Arsenzink, Zn^Asj, eine durch Zusammen-
schmelzen der Bestandtheile darstellbare Legirung kann zu jenem Zweck Ver-
wendung finden. Arsennatrium, welches durch Erhitzen von Natrium in dem vom
MARSH^schen Apparat gelieferten, arsenhaltigen Gase gewonnen wird, giebt schon
beim Behandeln mit Wasser oder sehr verdünnter Salzsäure reines Arsenwasserstoff.
Das Gas ist äusserst giftig und das Einathmen kleinster Mengen insbesondere
des aus Arsenmetallen dargestellten reinen Gases kann den Tod herbeiführen.
Aehnlich dem Ammoniak und Phosphorwasserstoff ist auch der ArsenwasserstofT
durch einen charakteristischen Geruch ausgezeichnet, der im höchsten Grade
widerlich genannt zu werden verdient. Das Gas zeigt nach Dumas das spec.
Gew. 2,695 und wird bei — 40° zu einer Flüssigkeit verdichtet. Die Bildungs-
wärme ist nach Ogier (5) — 11700 Cal., also negativ, woraus sich das leichte
Zerfallen des Gases in seine Bestandtheile erklärt, wenn dasselbe wie beim
MARSH'schen Versuch eine glühende Röhre passirt. Das Entstehen eines Arsen-
spiegels beweist die Anwesenheit von ArsenwasserstofT mit grösster Schärfe.
Leitet man das Arsenwasserstoffgas über erhitztes Natrium oder Zinn, so ent-
stehen Arsenmetalle unter Abscheidung von Wasserstoff. — An der Lufl lässt
*) AntiinonverbinduDgen geben mit Aluminium und Kalilauge keinen AntimonwasserstofT
(O. Johnson) (10).
Arsen. 49
sich das Arsenwasserstoff entzünden und verbrennt mit bläulichweisser Flamme
und imter Ausstossung eines weissen Rauches von Arsenigsäure-Anhydrid. Führt
man einen kalten Gegenstand, z. B. eine Porzellanplatte in die Flamme, so con-
densirt sich auf derselben der Arsendampf zu einem schwarzbraunen Fleck —
eine Erscheinung, welche ebenfalls zur Erkennung des Arsenwasserstoffs im
MARSH'schen Apparat dient. Das Gas fällt viele Metalle aus ihren Lösungen
entweder als solche oder als Arsenide; so schlägt es aus Silbemitratlösung
schwarzes metallisches Silber nieder, während gleichzeitig ein Theil des Arsens
als arsenige Säure in Lösung geht. Bei Antimonwasserstoff wird das Antimon
völlig abgeschieden, so dass die über dem Niederschlag von Antimonsilber be-
findliche Flüssigkeit ganz frei von Antimon ist. Kupferlösung absorbirt reinen
Arsenwasserstoff vollständig unter Bildung von Kupferarsenür, CujAs^; Queck-
silber- und Goldchlorid werden gleichfalls gefällt — Eine Lösung von über-
mangansaurem Kalium oxydirt das Arsenwasserstoffgas und die Haloide zersetzen
es, indem sie sich sowohl mit dem Wasserstoff wie mit dem Arsen vereinigen.
Fester Arsenwasserstoff.
Die Existenz eines solchen Körpers scheint sicher zu stehen, nicht aber
seine Zusammensetzung. Janovsky (6) erhielt beim Zusammentreffen von Natrium-
arsenid, NajAs, mit Wasser ausser gasformigem Arsenwasserstoff auch einen
braunen, pulvrigen Körper, welcher die Zusammensetzung As^H, besass. Wieder-
hold (7) gab an, beim Auflösen einer Arsenzinklegirung aus 1 Th. Arsen und
5 Thln. Zink in verdünnter Schwefelsäure ein rothbraunes Pulver erhalten zu
haben, welches der Formel As^H, entsprechend zusammengesetzt war, doch
hatte Janovsky bei diesem Verfahren nur metallisches Arsen erhalten können.
Die quantitative Bestimmung
des Arsens kann auf volumetrischem und gewichtsanalytischem Weg erfolgen (i 2).
Arsenige Säure resp. lösliche Arsenite lassen sich nach Mohr in schwach
alkalischer Lösung mit Jodlösung titriren, wobei die arsenige Säure zu Arsensäure
oxydirt wird; Zusatz von Stärkekleister iässt das Vorhandensein überschüssigen
Jods erkeimen. Die arsenhaltige Lösung muss mit Natriumcarbonat resp. Salz-
säure zuvor neutralisirt und dann mit reinem Natriumbicarbonat versetzt werden,
worauf man ein wenig Stärkekleister zufügt und dann die titrirte Jodlösung, bis
eben die blaue Farbe eintritt. Je acht Atome Jod, welche zur Oxydation ver-
braucht wurden, weisen die Anwesenheit von einem Molekül Arsenigsäure-
Anhydrid nach.
Nach Bunskn's Methode kocht man eine abgewogene Menge Kaliumbichromat
unter Zusatz der die arsenige Säure enthaltenden Flüssigkeit mit Salzsäure, fangt
das entweichende Chlor in Jodkaliumlösung auf und bestimmt die ausgeschiedene
Jodmenge durch Titrirung mit schwefliger Säure oder unterschwefligsaurem
Natrium. Da die arsenige Säure resp. das gebildete Arsentrichlorid zu Penta-
chlorid umgewandelt wird, so gelangt eine entsprechende Menge Chlor in das
Jodkalium weniger, als das Kaliumbichromat sonst geliefert haben würde.
Neuerdings hat E. Fischer (ii) eine zweckmässige Modiücation des von
Schneider u. Tyfe angegebenen Verfahrens empfohlen, bei welchem die arsenige
Säure enthaltende Flüssigkeit mit Eisenchlorür und Salzsäure destillirt wird. Das
ins Destillat übergehende Arsentrichlorid wird dann mit Jod titrirt.
Auf gewichtsanalytischem Weg wird das Arsen entweder als Arsentri-
sulfid, As^S), oder als arsensaures Salz bestimmt.
Ladkkbubc, Chemie. IT. 4
50 Handwörterbuch der Chemie.
Ist der durch SchwefelwasserstofT erhaltene SulfÜmiederschlag frei von fremden
Metallen und von Schwefel, so kann man ihn nach dem Trocknen bei 100^
direkt wiegen. Andernfalls ist der Niederschlag mit stark rauchender Salpeter-
säure zu oxydiren und das Arsen als Arsensäure zu bestimmen. Diese Bestimmung
geschieht häufig analog der Phosphorsäurebestimmung durch Fällen der mit
Ammoniak im Ueberschuss versetzten kalten Lösung durch eine mit viel Chlor-
ammonium vermischte Magnesiumsulfatlösung , wobei ein weisser Niederschlag
von arsensaurem Ammonium-Magnesium entsteht, welcher nach zwölfstündigem
Stehen unter der Flüssigkeit abfiltrirt und nach dem Trocknen bei 105 — 110°
gewogen wird. Auch durch Fällung der ammoniakalisch gemachten Arsensäure-
lösung mit Uranacetat erhält man einen constant zusammengesetzten Niederschlag,
welcher 28,71 f Arsenpentoxyd, As^Og, enthält, und aus dessen Gewicht das
vorhandene Arsen zu berechnen ist
Die Trennung des Arsens von sonstigen mit ihm gemeinschaftlich vor-
kommenden Elementen geschieht bei der quantitativen Analyse auf sehr ver-
schiedene Weise, je nach der Natur der begleitenden Stofie, meist erhält man
bei diesen Scheidungen schliesshch das Arsen gemischt mit dem ihm sehr ähn-
lichen Antimon und es gilt insbesondere diese beiden Elemente von einander zu
trennen. Entweder oxydirt man die Sulfide mit Salzsäure und Kaliumchlorat
oder mit Königswasser, fügt Weinsäure zu und fällt das Arsen als Ammonium-
Magnesiumarseniat, wobei das Antimon in Lösung bleibt — oder man dampft
nach BuNSEN die durch Oxydation mit Kaliumchlorat und Salzsäure erhaltene
Lösung zur Zerstörung des Kaliumchlorats wiederholt mit verdünnter Salzsäure
ein, verdünnt, fällt mit Schwefelwasserstoflf\vasser das Antimon und vertreibt durch
einen stürmischen Luftstrom den überschüssigen Schwefelwasserstoff, worauf der
aus Antimonpentasulfid bestehende Niederschlag abfiltrirt, mit Wasser, Alkohol
und zuletzt mit Schwefelkohlenstoff ausgewaschen und schliesslich nach dem
Trocknen bei 110° gewogen wird; die im Filtrat enthaltene Arsensäure wird
nach einer der angegebenen Methoden bestimmt
DE Clermont und Frommel (ig) haben neuerdings beobachtet, dass Arsen-
sulfür durch Kochen mit Wasser Schwefelwasserstoff entwickelt, während arsenige
Säure in Lösung geht. Durch längeres Kochen der mit Schwefelarsen ge-
mischten Sulfide anderer Metalle mit Wasser unter Einleitung eines Luftstroms
zur Entfernung des Schwefelwasserstofts gelingt es, das Arsen aliein in Lösung
zu bringen, während die anderen Metallsulfide zurückbleiben. Diese Methode
soll sich besonders zur Trennung des Arsens von Antimon und Zinn eignen.
Die oben erwähnte Bestimmungsmethode des Arsen nach der FiscHER^schen
Modification giebt auch bei Gegenwart von Antimon, Zinn und anderen Metallen
genaue Resultate. — Heumann.
Asche.*) Asche nennt man den nichtflüchtigen, unverbrennlichen Rückstand,
welchen pflanzliche oder thierische Substanzen bei ihrer Verbrennung hinterlassen.
Abgesehen von einzelnen Kohletheilchen, welche gewöhnlich in der Asche ent-
halten sind, aber durch längeres Glühen derselben an der Luft völlig verbrannt
werden können, besteht die Asche nur aus mineralischen Stoffen, welche in der
verbrannten Substanz theils in fester, theils in gelöster Form enthalten waren,
doch enthält die Asche niemals sämmtliche unverbrennliche Bestandtheile der
*) S. Fresenius, Quantitative Analyse. Grandeau, AgricultuFchemische Analyse. Bunsen,
Aschen analyse in Annalen der Oenologie. Heidelberg 1869 und Z. anal. Ch. 9, 283.
Asche. 5 1
ursprünglichen Substanz, da in Folge der höheren Temperatur Theile der Asche
verflüchtigt oder durch die austretenden Gase mechanisch fortgerissen werden
und auch unter den Mineralbestandtheiien selbst oft Reactionen eintreten, welche
die Austreibung eines oder des anderen Beslandtheils zur Folge haben. Anderer-
seits werden durch den Verbrennungsprocess selbst mancherlei Produkte erzeugt,
welche in der Asche zurückbleiben. So werden die Salze der organischen Säuren
und die Nitrate in Carbonate verwandelt, Sulfate durch die Wirkung der glühen-
den Kohle zu Sulfiden reducirt, sowie Cyanide und Cyanate in Folge der Ein-
wirkung der Alkalicarbonate auf stickstoffhaltige Kohle gebildet.
Die gewöhnlichen Bestandtheile der Aschen thierischer und pflanzlicher Stolle
sind die Carbonate, Chloride, Sulfate, Sulfide, Phosphate und Silicate der Alkali-
metalle, des Calciums, Magnesiums, Eisens und Mangans. Häufig kommen auch
Bromide, Jodide und Fluoride vor, sowie die Metalle Aluminium, Kupfer und Zink.
Für die Kenntniss der Ernährung der Thiere und Pflanzen ist es von grösster
Wichtigkeit die in dem betreffenden organisirten Körper oder in einzelnen seiner
Theile enthaltenen anorganischen Stoffe zu ermitteln, aber es ist aus dem oben
Gesagten klar, dass die bei der Verbrennung hinterbleibende Asche uns nur ein
sehr unvollkommenes Bild von der Qualität und Quantität der mineralischen
Stoffe bietet, und dass wir nur mit grosser Vorsicht aus der Analyse einer Asche
auf die Natiur der in der organisirten Substanz vorhanden gewesenen Mineralstoffe
schliessen dürfen. Darum wurden viele Versuche ausgeführt, welche die Trennung
der anorganischen Bestandtheile von den organischen durch eine weniger tief-
greifende Reaction als den Verbrennungsprocess zum Ziele hatten. So gelingt
es die organischen Stoffe ziemlich vollständig dadurch zu zerstören, dass man die
Substanz in siedende Salzsäure einträgt und chlorsaures Kalium in kleinen
Mengen zufügt. Das sich entwickelnde Chlor und Chlordioxyd bewirkt eine
durchgreifende Oxydation der organischen Stoffe, so dass in vielen Fällen eine
klare Lösung erhalten wird. Auch durch Behandlung von Pflanzentheilen mit
verdünnter Salpetersäure können fast alle Mineral bestandtheile in Lösung ge-
bracht und dann durch Filtration von der Zellsubstanz getrennt werden, aber
während bei diesen Methoden zwar eine Verflüchtigung von Mineralbestandtheiien
weit eher vermieden wird, als bei der Verbrennung durch Feuer, bewirken die
zugefügten Reagentien wiederum andere tiefgreifende Veränderungen in der
Bindungsweise der Mineralbestandtheile, so dass auch aus diesen Methoden Schlüsse
über die Art der Bindung der Mineralstofie in der organisirten Substanz kaum
zu ziehen sind.
Während viele anorganische Stoffe eine wichtige Rolle im thierischen oder
pflanzlichen Organismus spielen, und dann in den Aschen stets zu finden sind,
begegnen wir häufig nicht unbedeutenden Mengen anderer Mineralbestandtheile in
den Pflanzen, welche als zufällige, von der Natur des Standorts herrührende an-
zusehen sind.
Alkalisalze finden sich stets in allen Pflanzen, doch herrscht in den See-
und Strandpflanzen das Natrium, in den Binnenlandpflanzen das Kalium vor;
geringe Mengen von Lithium und Rubidium konnten mit Hülfe der Spectral-
aoalyse ebenfalls in vielen Aschen gefunden werden. In den Aschen thierischer
Substanzen treffen wir stets Chloride und Schwefelverbindungen, denn die thieri-
schen Säfte sind reich an Kochsalz, und der Schwefel bildet einen wesentlichen
Bestandtheil der Eiweisskörper; auch phosphorsaure Salze sind gewöhnlich in
den Aschen thierischer Stoffe reichlich enthalten.
4*
52 Handwörterbuch der Chemie.
Kieselsäure findet sich regelmässig in den Pflanzen, zuweilen z. B. in Equi-
setuMf in den Gramineen etc. in sehr bedeutender Menge. So enthält die Asche
des Schachtelhalm's bis 97 J Kieselsäure, diejenige des Stroh's bis TOJ^.
Zur Herstellung einer Asche, aus deren Analyse bestimmte Schlüsse
auf die Mineralbestandtheile der betreifenden Substanz gezogen werden sollen,
muss das Object zunächst von Staub und Sand gereinigt sein, dann muss vor
Allem verhütet werden, dass fremde Stoffe z. B. Flugasche des verwendeten
Brennmaterials das Object verunreinigen. Die zu den Analysen nöthige Aschen-
menge beträgt 5 bis 6 Grm., zu deren Erlangung in der Regel mehrere hundert
Grm. der Substanz — je nach deren Gehalt an Mineralstoffen — verbrannt
werden müssen. Um die Verbrennung zu beschleunigen, setzt man oft Ammonium-
nitrat, Quecksilberoxyd oder Platinschwamm zu; um das Entweichen des Schwefels
zu vermeiden, wird Baryt oder Natriumcarbonat beigemischt.
Die gewöhnlichste Art der Einäscherung ist die Verbrennung in einer
thönemen Muffel, welche in einem Kohlen- oder Gasofen zur beginnenden
Rothgluth erhitzt wird, während ein langsamer Luftzug durch die unteren Löcher
des die vordere Oefihung schliessenden Thondeckels eintritt, und entweder durch
eine besondere Abzugsöffnung in der Muffel oder durch die oberen Löcher des
vorgesetzten Deckels ins Freie tritt. Die zuvor getrocknete Substanz wird in
einer Platin- oder Porzellanschale in die Muffel gestellt und diese, solange noch
Dämpfe entweichen, schwach erhitzt, später aber stärker um die Kohle weg-
zubrennen. F. Schulze empfahl, die Einäscherung in einer Platinschale über der
Gasflamme auszuführen und zur Erzeugung eines ruhigen Luftzugs einen Glas-
cylinder auf ein über die Schale gelegtes Drahtdreieck aus Platin zu stellen.
Es liesse sich wohl erwarten, dass die Asche ein und derselben Substanz
eine constante Zusammensetzung zeigt, doch ist es im Gegentheil ziemlich schwierig,
identisch zusammengesetzte Aschen von demselben Körper zu erhalten, da je
nach der Höhe der Temperatur und der Art des Erhitzens verschiedene Verluste
entstehen, welche bald den einen bald den anderen Bestandtheil treften. Bunsen
schlug vor, um wenigstens die zum Theil entwichene Kohlensäure der Carbonate
wieder gleichmässig zu ergänzen, die Asche in Wasser zu suspendiren, Kohlen-
säure einzuleiten und die Flüssigkeit hierauf zur Trockne zu verdampfen, wobei
etwa entstandene Bicarbonate in normale Carbonate verwandelt werden.
Die Analyse selbst wird nach Bunsen in der Art ausgeführt, dass man die
in Wasser löslichen und die darin unlöslichen Aschenbestandtheile für sich
analysirt. Der wässrige Auszug wird in fünf Theile getheilt, von welchen je ein
Theil zur Bestimmung der Schwefelsäure, des Chlors, der Alkalien und der
Kohlensäure dient, während im letzten Antheil Calcium, Magnesium und Phos-
phorsäure bestimmt werden. Der in Wasser unlösliche Theil wird in zwei An-
theile geschieden. Den einen Theil schliesst man durch rauchende Salpetersäure
auf und bestimmt nach Beseitigung der Kieselsäure die Phosphorsäure; im Filtrat
ist dann noch durch Fällung mit Ammoniak Aluminium und Eisen, durch Ammonium-
sulfid das Mangan auszufällen und endlich noch Magnesium und Calcium zu be-
stimmen. Der Rest der in Wasser unlöslichen Substanz wird zur Bestimmung
der Kohlensäure, der Schwefelsäure und der Kieselsäure mit Salzsäure behandelt
Fresenius und Will, Mitscherlich, Wittstein, Knop, Reichardt und noch
viele andere Chemiker haben Vorschriften zur Aschenanalyse gegeben, doch mag
das skizzirte Verfahren hier genügen.
Zur Berechnung der analytischen Ergebnisse ist man bestrebt die
Asphalt. 53
Elemente in der Art zu binden, wie sie in Wirklichkeit in der Asche vorhanden
sind. Sand und Kohle werden daher zunächst in Abzug gebracht, da sie nicht
zu den Bestandtheilen einer reinen Asche gehören; das Chlor ist mit der
Döthigen Menge Natrium resp. Kalium zu vereinigen und das Mangan als Mangan-
ozyduloxyd MnjO^ in Rechnung zu ziehen. Soll das Resultat für die Asche als
solche charakteristisch sein, so ist die Kohlensäure nach Fresenius als wesent-
licher Bestandtheil mit anzuführen/ dagegen wird sie als unwesentlich gleichzeitig
mit Kohle und Sand in Abzug gebracht, wenn das Resultat als Ausdruck der
anorganischen Bestandtheile dienen soll, welche der verbrannte organische Gegen-
stand enthielt. Es ist daher zweckmässig die analytisc)ien Ergebnisse in dieser
doppelten Weise berechnet zusammenzustellen. — Heumann.
Asphalt«*) Unter dem Namen Asphalt versteht man einerseits eine Anzahl
von Repräsentanten aus der Gruppe der natürlichen Erdharze, andererseits be-
zeichnet man mit demselben Worte auch wohl die, bei der Destillation des
Steinkohlentheers in den Retorten zurückbleibenden zähflüssigen, beim Erkalten
starr werdenden Massen.
Natürlicher Asphalt. Von den seitens der Mineralogen zu der Gruppe
der »Erdharze« gezählten Körpern steht das Erdöl (Petroleum, Bergöl, Steinöl,
Naphta) in naher genetischer Beziehung zu dem eigentlichen Asphalt, wie
auch zu dem in Europa häufigeren Eiaterit, dem elastischen Erdpech, denn nach
der Ansicht der Geologen sollen diese durch Oxydation des Erdöls entstanden
sein. In der That sind auch die Uebergänge vom flüssigen Erdöl bis zum festen
Asphalt mit allen möglichen Zwischenstadien (Theer, Pech etc.) schon vielfach
beobachtet worden. — Der eigentliche Asphalt flndet sich namentlich am
todten Meer, im Theersee auf Trinidad und bei Coxitambo in Peru. Das an
diesen Orten in Klumpen gewonnene Material ist fast reiner Asphalt und kann
direkt in den Handel gebracht werden. — In Europa wird hauptsächlich das
zweite, dem Asphalt sehr nahe stehende Erdharz, der Eiaterit oder Bergtheer
gewonnen, imd zwar kommt er vor als bituminöser Kalk und Schiefer, femer als
Asphaltstein, ein Gemisch von Erdharz mit Dolomit oder Kalkstein, und endlich
•) I. Natürlicher Asphalt. Monographien: i) R. Kayser, Unters, über nat. Asphalte
Nttmberg 1879 hei Fr. Korn. 2) L. Meyn: der Asphalt u. seine Bedeutung f. d. Strassenbau
grosser Städte, Halle 1872, Waisenhausbuchhandlung. 3) F. F. Freiherr v. Dücker: Petroleum
o. Asphalt in Deutschland. 2. Aufl. Minden 1881. J. CC. Bruns. Abhandlungen: BoussiN-
GAüLT, J.-B. Compt Rend. HI. 1836, pag. 375 oder Liebig, Ann. XXin., pag. 261; Ann. de
Chun. et Phys. LXXII,.pag. 442 oder Liebig's Ann. XXXV, pag. 354. Ebelmen: Ann. des
Miaes XV 1839, pag. 523. Regnault: Ann. de Chim. LXVI, pag. 337 oder Liebig's Ann. XXV,
pag. 246. Völckel: Liebig, Ann. 87, pag. 139; Wien, Acad. Ber. 55, 2, pag. 564 oder Liebig,
Ann. 143, pag. 267; Joum. f. pr. Chem. 103, pag. 201. Karmarsch: Mitthlg. d. Gew.-Ver. f.
Hannov. 1844. Wktherill: Sill. Ann. Jour. [2] 17, pag. 130. Kersten: Joum. f. pr. Chem. 35,
pag. 271. Stromeyer: N. Jahrb. d. Min. 1862, pag. 883. S. P. Peckham: Americ. Chemist.
«873 IV, pag. 6. L. Videky: Zeitschr. d. österr. Ingenieur- u. Archit.-Ver. 1872, pag. 426 oder
Dwgl. polyt. Joum. CCVII, pag. 240. 328. Jaloüreau: Wagner, J.-B. 1873, P^- 77*- ^' Prince:
Ber. d. deutsch, chem. Ges. 1874, pag. 1297.
^. Ktinstlicher Asphalt: Wright, BerL Ber. 1871, pag. 893. Bresson: Berl. Ber. 1872,
pa^ 442. W. R. Lake: Berl. Ber. 1872, pag. 442. J. Roger u. G. M. Soares, Berl. Ber. 1872,
pag. 443. Pender u. Rae, Berl. Ber. 1872, pag. 736. C. HAussermann: WUrtemb. Gew.-Bl. 1878
oder Indust-BL f. 1878, pag. 338. Dagezan: Dingl., polyt. Joum. 232, pag. 547. A. M. Gobin:
Chemik.-Ztg. 1879, pag. 210. BOUTIGNY: Revue industr. 1879, pag- 54 o<i« Chem. Ztg. 1879,
pag. 206. Green: BerL Ber. 1877, pag. 894a. Bbnnett u. Watt, 1874, pag. 195.
54 Handwörterbuch der Chemie.
in Gängen oder Spalten in mehr oder minder zähflüssigem Zustande. Fundorte
für den Elaterit sind: Pechelbronn, Hatten und Lobsann im Elsass, femer Limmer,
Ahlem, Velber und andere Orte der Provinz Hannover, sowie mehrere Stellen
des nordwestlichen Deutschlands. Die bei Weitem bedeutendsten Fundstätten
sind Val de Travers im Canton Neuenburg und Seyssel im Departement de TAin.
Der reine Asphalt ist dunkelbraun bis schwarz gefärbt, er zeigt einen
muscheligen, glänzenden Bruch, hat die Härte = 2 und das spec. Gew. = 1,1 — 1,2.
Bei 100° C. schmilzt er und verbrennt bei höherer Temperatur an der Luft mit
stark Hissender Flamme. In Wasser und verd. Säuren ist er absolut unlöslich,
etwas löslich in Alkali, Aether und Alkohol, leicht und vollkommen löslich aber
in Terpentinöl.
Das Erdpech ist bald zähflüssig oder schmierig, bald fest und spröde, von
harzartigem Aussehen und muscheligem Bruch. Das reine Produkt ist etwas
leichter als Wasser, in natürlichem Zustande, d. h. mit feinen Gesteinsmassen
durchsetzt, kann sein spec. Gew. jedoch bis auf 1,6 steigen. Gegen Wärme und
Lösungsmittel verhält es sich analog dem reinen Asphalt.
Die Zusammensetzung der Erdharze ist, wie aus nachfolgender Zusammenstdlung hervorgeht,
eine sehr verschiedene; durchweg enthalten sie Kohlenstoff, Wasserstoff, etwas Sauerstoff und
einige enthalten Stickstoff. In nachstehender Analyse I finden sich die Zahlen für das Pechel-
bronner zähe Erdharz, n ist • Jungfemharz « desselben Fundortes, beide von Boussingault
untersucht, No. IQ giebt die Zusammensetzung von Cuba-Asphalt nach Regnault, No. IV Erd-
harz von Bastennes, No. V ein Harz von Pont Navey, beide nach Ebelmen:
l
n
m
IV
V
Kohlenstoff
880
880
81-5
85-7
65-9
Wasserstoff
120
110
9-6
9-6
7-3
Sauerstoff
0
0
9-0
2-9
25-4
Stickstoff
0
1-6
90
1-8
1-3.
Die näheren Bestanddieile des Asphalts sind bislang noch wenig erforscht. Boussingault
hat durch Destillation aus Pechelbronner Erdpech «Petrolen«, C^^H,,, spec Gew. 0.891, Siede-
punkt etwa 280**) und das «Asphalten«, C20H33O3, eine feste, schwarze, asphaltartige Masse,
Beginn des Schmelzens bei 300° dargestellt, doch müssen diese schon als Zersetzungsprodukte
der ursprünglichen Asphaltbestandtheile aufgefasst werden. Als letztere sind vielmehr verschiedene
harzige und bituminöse Stoffe anzusehen.
Der Asphalt kann je nach der Beschaffenheit seines Rohmaterials in verschiedener Weise
rein gewonnen werden. Es geschieht das entweder durch Aussaigern in besonderen Oefen, wie
auf der Insel Brazza bei Venedig, oder man bringt den Asphaltstein in zerkleinertem Zustande
in heisses Wasser und schöpft, nachdem Steine und Sand sich zu Boden gesenkt haben, das
geschmolzene Erdpech oben ab, trocknet es durch weiteres Erhitzen und bringt es schliesslich
in die bekannte Brodform ,* diese Methode ist die in Seyssel und Pechelbronn gebräuchliche.
Der bei Lobsann gewonnene bituminöse Schiefer lässt, in heisses Wasser gebracht, den Asphalt
als schwammige, nicht geschmolzene Masse an die Oberfläche treten. Man nimmt es ab> erhitzt
bis zum Schmehen und formt das getrocknete Harz.
Künstlicher Asphalt. Bei Destillation des Steinkohlentheers bleibt in den Blasen ein
Rückstand, welcher ähnliche Eigenschaften wie der natürliche Asphalt besitzt, und den man des-
halb künstlichen Asphalt genannt hat. Er wird auch häufig anstatt dieses verwendet, noch
häufiger mit demselben gemischt verarbeitet. Je nachdem man die Destillation in den Theer-
blasen mehr oder weniger weit treibt, resultirt das Material in mehr oder weniger festem Zustande.
Zur Gewinnung eines weichen Asphalts wird der Blasenrückstand, aus welchem man die sehr
werthvollen zuletzt übergehenden Anthracenöle möglichst vollsülndig auszubeuten strebt, vor
seinem Ablassen noch mit etwas billigen, schweren Oelen gemischt. Der Theer liefert dabei
ca. i — 1^ seines Gewichtes an Asphalt. Auch den Rückstand des Braunkohlentheers kann man
auf Asphalt verarbeiten.
Aspirator. 55
Die Verwendung des natttrlichen wie des künstlichen Asphaltes ist eine sehr vielfache.
Er wird benfitzt zum Belegen von Strassen, Trottoirs etc., zur Herstellung von Dächern und
Isolirschichten zum Schutz gegen Mauerfeuchtigkeit, als Anstrich von Schiffen, Wasserleitungs-
röhren und Brückenpfählen, zur Anfertigung von Dachpappen, zum Tränken von Tuchen, zum
undurchlässig machen von Back- und Sandsteinen, wie auch zur Leuchtgasbereitung etc. Der
kfinstüche Asphalt wird insbesondere auch als Bindemittel bei der Briquette-Fabrikation verwendet
Asphalt-Kitt oder -Mastix. Man pflegt den Asphalt in Rücksicht auf seine Haltbarkeit
nicht rein, sondern gemischt mit Sand, Kies, Kalkstein etc. als sogen. Asphaltkitt anzuwenden.
Die einfachste Art der Herstellung desselben ist die, dass man in Kesseln den Asphalt mit mehr
oder weniger, je nach Art der Verwendung, von gröblich gemahlenem bituminösen Kalkstein,
Kreide oder Sand zusammenschmilzt und mischt, und dann in Brode oder Platten formt
Im Canton Neuenburg wird Mastix durch Zusammenschmelzen von pulverisirtem Asphaltstein
mit 3 Thln. reinem Mineraltheer (Goudron mineral) von Dax gewonnen.
Soll Mastix aus künstlichem Asphalt hergestellt werden, so lässt man das Pech aus den
Destillirblasen noch warm in angeheizte gusseiseme Kessel fliessen, in denen es mit gröblich
gemahlener, scharf getrockneter und noch heisser Kreide oder mit ebenso vorbereitetem bitumi-
nösen Kalk oder Jurakalk gemischt wird. Um eine möglichst innige Mischung der Materialien
zu eizielen, bedient man sich mit Vortheil des BABONCAU'schen Kessels mit Rlihrvorrichtung.
Bei der Herstellung von Asphaltpflaster verwendet man jetzt den Asphalt in 3 Formen,
1. als Asphaltkitt, 2. als comprimirten oder gewalzten Asphalt, 3. als Asphaltbeton. —
1. Der an Ort und Stelle aus reinem Asphalt erst hergestellte oder der fertige zerkleinerte
Asphaltkitt wird in einen Kessel gebracht, in dem vorher 3 Thle. reines Erdpech geschmolzen
smd, mit diesem gut gemischt, nochmals 1 Th. Erdharz zugesetzt und nun eine »Füllung« von
Kies, Flusssand, Kalkstein etc. in Stückchen von 5 — 10 Millim. Durchmesser mit dem Asphalt
▼enührt Das heisse Material wird auf einer vorher sorglich geglätteten und getrockneten Unter-
lage mit Hokschabem ausgebreitet und auf der Oberfläche entweder mit Sand (taloche) oder
mit feinem Kies (granite) glatt verrieben.
2. Comprimirter oder gewalzter Asphalt Der Asphalt hat die Eigenschaft, in der
Hitze, ehe er schmilzt, zu einem trocknen Pulver zu zerfallen und dieses kann durch genügenden
Drack bei niederer Temperatur in eine zusammenklebende, feste Masse verwandelt werden. Man
edutct einen S Meter hohen, 1 Meter im Lichten messenden cylindrischen Ofen, der im Innern
eine stehende Schnecke und radiale Rührer hat, auf 300^, versetzt Rubrer und Schnecke in
ziemlich starke Drehung und giebt nun von oben Asphalt in Stücken von etwa 8 Centim. Durch-
messer in den Ofen; am andern Ende verlassen sie denselben als zerfallenes etwa 140^ heisses
Pulver. Das Pulver wird in besonderen Transportkästen zur Arbeitsstelle gebracht und wird
noch heiss auf der glatten trocknen Unterlage mit heissen Schaufeln rasch ausgebreitet, von den
Bändern ans zunächst mit Handstampfen fest gestampft und endlich mit Walzen comprimirt,
wobei ein Schwinden der Schicht um 20— 25j ihrer Höhe eintritt Das Pflaster ist nach
5—6 Stunden begehbar. Am geeignetsten ftlr diese Art der Pflasterung ist der Asphalt von
Val de Travers.
3. Asphalt -Beton ist eine Mischung von zerkleinerten möglichst scharfkantigen Steinen
mit Bfastix, die namentlich zur Fundamentirung an feuchten Orten, sowie bei Wasserbauten
Verwendung findet Man mischt hierzu 95 Thle. Mastix mit 5 Thln. Erdharz und 150 Thln.
FflSnng ans scharfkantigem Kies oder Steinen. EngleR.
Aspirator.*) Mit diesem Namen wird eine Vorrichtung belegt, welche dazu
dient, mit Hülfe einer bewegten Flüssigkeitsmasse einen luftverdünnten Raum
*) 1} BuNSEN, Ann. 148, pag. 267. S. auch Tollens, Ber. 9, pag. 1539. Hagsnbeck,
Graham-Otto-Michaelis» Anorg. Ch. I, pag. 244. 2) Arzbbrger u. Zulkowsky, Ann. 176,
P^* 3^7* 3) LiNMEMANN, Ann. 177, pag. 295. Himly, Ber. 6, pag. 1401. Schober, Z. anal.
Ch. 1878, pag. 177. Christiansen, Pogg. 146, pag. 155 u. Dingl., PoL J. 205, pag. 190.
FtocHSR, BiNGL., PoL J. 221, pag. 136 u. Ber. 9, pag. 747. Jagn., Ber. 5, pag. 328 u. Ann. 166,
pag. 208. FooTE, SiU. Amer. J. [3] 360, Ann. 4, pag. 253. Bach, J. pr. Ch. [2] 11, pag. 479
und Dingl., Pol. J. 217, pag. 504. Swan, Ch. News 36, pag. 95. £. Rbnnard, Russ. Z. für
56
Handwörterbuch der Chemie.
zu erzeugen. Als einfachste Form eines Aspirators erscheint ein oben und unten
tubulirtes und mit Wasser gefülltes Gefass, aus dessen unterer Oefihung das
Wasser ausfliesst und hierdurch ein Einsaugen von Luft durch die obere Oefihung
bewirkt. Verbindet man letztere luftdicht mit einem Gefass oder einem System
von Gefässen, Röhren etc. so wird der Druck in diesem ebenfalls vermindert. —
Um aus einem solchen Aspirator das Wasser möglichst vollständig zum Ausfluss
zu bringen, gibt man dem Behälter einen nach unten trichterförmig zulaufenden
Boden. Die Saugkraft eines derartigen Apparates ist gleich dem Gewicht der
hängenden Wassersäule von der Oberfläche des Wassers bis zu seiner Austritts-
stelle gerechnet; da aber während des Abfliessens das Niveau fortwährend sinkt,
so vermindert sich die Saugkraft in gleichem Maass. Jeder gewöhnliche
Laboratoriumgasometer kann als Aspirator benutzt werden, indem man unten
Wasser abfliessen lässt und die zu evacuirenden Gefasse mit der oberen Seiten-
öflhung verbindet. —
Um die öftere Erneuerung des Wassers in solchen Aspiratoren zu umgehen,
wurden verschiedene Apparate construirt, welche wesentlich darauf begründet
sind, dass das abfliessende Wasser in einem zweiten
Gefass gesammelt wird, welches nach seiner Füllung
in eine höhere Stellung gebracht wird und nun selbst
als Aspirator dient, während das zuerst benutzte
entleerte Gefass jetzt das Aufnahmereservoir bildet.
Zur Beseitigung des Uebelstandes, dass mit
dem Sinken des Wasserspiegels die Saugkraft ab-
nimmt, ist die Umgestaltung des Gefasses nach
Art der sogen. MARioTTE'schen Flasche zu empfeh-
len, wobei die einzusaugende Luft durch eine
Röhre von oben bis unter die Wasseroberfläche
geleitet wird. Die Saugkraft ist dann constant
aber freilich geringer, denn hier kommt nur die-
jenige Wassersäule zur Geltung, welche sich zwischen
der unteren Oefihung jener Röhre (durch welche
die Luft eintritt) und der unteren Oefftiung, durch
welche das Wasser ins Freie gelangt, befindet.
Eine zweite Art von Aspiratoren, bei welchen
die Erneuerung des Wassers selbstthätig geschieht,
ist die von Bunsen (i); nach Art der Sprengel* sehen
Quecksilberluftpumpe construirte Wasser-
luftpumpe, welche besonders in den Laboratorien
vielfach verwandt wird, um mittelst des durch sie
erzeugten luftverdünnten Raumes das Filtriren von
Flüssigkeiten zu erleichtem, welche mit grosser
Kraft durch das Filter hindurchgesaugt werden.
^^Die SpRENGEL'sche Pumpe besteht in ihrer ein-
'fachsten Form aus einer unten umgebogenen
(Cii.88.) Barometerröhre (Fig. 38), an deren oberem Ende
Phann. i6, pag. 673. O. Knoblauch, Z. anal. Ch. 1875, pag. 168. Casamajor, Am. Chemist. 4,
pag. 361; 5, pag. 438; 6, pag. 122. Chem. N. 32, pag. 33, 45, 183. Bück, Am. Chemist. 6,
pag« 371« Jesse Lowett, Chem. N. 29, pag. 203. Richards, Chem. N. 22, pag. 7. Bulk,
Ber. 9, pag. 1871. de Koninck, Ber. 3, pag. 286. 5) Drafer, Phil. Mag. [4] 39, pag. 335.
Aspirator.
57
ein Trichter luftdicht befestigt ist. Einige Centimeter tiefer zweigt sich ein
Seitenrohr ab, welches mit dem zu evacuirenden Gefäss verbunden wird. Giesst
man Quecksilber in den Trichter und öffnet den Quetschhahn, so fliesst das Metall
in der Barometerröhre herab, erzeugt durch sein Gewicht, welches von der
Atmosphäre nur zum Theil getragen wird, im oberen Theil der Röhre ein
Vacuum und bewirkt so ein Evacuiren des mit dem Zweigrohr verbundenen
Gefässes. Bunsen ersetzte das Quecksilber durch Wasser, musste aber deshalb
der Fallröhre eine Länge von ungefähr 12 Meter geben, um eine Barometerleere
zu erzeugen. Statt des Trichters führt eine mit der Wasserleitung verbundene
Bleiröhre fortwährend
neues Wasser in die
Fallröhre, Der in Fig. 39
abgebildete Apparat er-
zielt also eine continuir-
lichc Wirkung. Durch
die Röhre IV und einen
durch Quetschhähne be-
liebig zu verengernden
Kautschukschlauch
fliesst das Wasser der
Leitung in das Glas-
geiass c und von hier
in die bleierne Fallröhre
dt durch welche es in
die Tiefe event. in eine
Senkgrube geleitet wird.
Der obere Theil des
Gefässes c, durch wel-
ches die Luft eingesaugt
wird, steht mit einem
Manometer und dem
zu evacuirenden Gefäss
in Verbindung.
Steht eine Hoch-
druckwasserleitung
zur Verfügung, so fin-
det zweckmässiger eine ^^^' ^^-^
andere Aspiratorconstruction Anwendung, bei welcher die saugende Wirkung
dadurch hervorgerufen wird, dass ein kräftiger Wasserstrahl aus einer engen
Röhre in eine weitere einströmt und dabei gleichzeitig, die Luft seiner Um-
gebung mit in die weite Röhre hineinreisst. Auch mit Hülfe eines einzigen
konischen Rohres, an dessen engerer Oeffnung das Wasser eintritt, kann eine
saugende Wirkung hervorgebracht werden; die Saugröhre ist dann nahe am
engeren Röhrenende abzuzweigen und giebt eine um so kräftigere Wirkung,
wenn der eingesaugte Luftstrom nicht unter einem rechten Winkel gegen die
fliessende Wassermasse stösst, sondern sich möglichst parallel mit dem Wasser
bewegt
2^ahb'eiche Constructionen sehr wirksamer Aspiratoren sind auf dieses Princip
gegründet worden und führen den Namen Wasserstrahlpumpen (9). Sie
5»
Handwörterbuch der Chemie.
unterscheiden sich wesentlich nur in der Wahl des Materials und der Anordnung
der Apparattheile. Eine ganz aus Glas gefertigte,
sehr billige Vorrichtung ist die GmssLER'sche,
welche in Fig. 40 in etwa J der natürlichen Grösse
abgebildet ist. Die Röhre a wird mit der Wasser-
leitung, die Röhre b mit dem zu evacuirenden
Gefäss verbunden.
Weniger zerbrechlich ist der Apparat von
Arzberger und Zulkowsky (2) Fig. 41 . Bei C tritt
das Wasser ein, welches durch die Röhre B ab-
fliesst und dabei aus der Röhre D Luft herbei-
saugt Mit g wird ein Manometer und mit / das
zu evacuirende Gefass verbunden. — Linnemann's
(3) Vorrichtung besteht nur aus einem mit Seiten-
kanal versehenen, konisch gebohrten Hahn.
Diese Hinweise mögen zur Charakterisirung
I derartiger Apparate genügen; bezüglich der übrigen
sehr zahlreichen Constructionen muss auf die
Literatur (4) verwiesen werden. Die Wirkung
dieser Aspiratoren ist eine sehr kräftige und hängt
wesentlich vom disponiblen Wasserdruck ab. So
evacuirt z. B. die ARzBERGER*sche Pumpe in
48 Secunden ein Liter fassendes Gefäss bis zu
der durch die Tension des Wasserdampfe gesteckten
Grenze. Nach Beendigung des Evacuirens, dessen
Fortgang am Manometer beobachtet wird, muss
immer zuerst der zu dem ausgepumpten Gefkss
fuhrende Hahn geschlossen werden und erst dann
der Wasserleitungshahn, da sonst das Wasser
in das evacuirte Gefass übersteigt.
Auf gleichem Princip beruhende Aspiratoren, welche einen kräftigen Dampf-
strahl statt des Wassers benutzen (5), haben unter dem Namen »Dampfstrahl-
exhaustorenc in die Technik vielfach Eingang gefunden, z. B. bei der Leucht-
gasfabrikation etc.
Die aus den Wasserstrahlaspiratoren unten gemeinsam mit dem Wasser aus-
tretende Luft kann auch zur Speisung von Gebläsen verwendet werden, in-
dem man wie bei Wassertrommelgebläsen Wasser und Luft in ein grösseres ge-
schlossenes Gewiss leitet, in welchem sie sich von einander trennen. Durch eine
Oefihung im Boden des Behälters fliesst das Wasser ab, wahrend eine die Decke
des Gefässes durchbrechende Röhre die gepresste Luft ihrem Bestimmungsort
zuftihrt.
Pulsirpumpen nennt man eine dritte Art von Aspiratoren, welche zuerst
von Jagn construirt wurden. Das Wasser einer Hochdruckleitung wird durch
einen schief aufwärts gezogenen weichen Kautschukschlauch in eine etwa 90 Centim.
lange, 8 Centim. weite Glasröhre abgeleitet, Fig. 42, deren obere Oeffnung durch
die auf dieselbe sich legende Schlauch wandung geschlossen, aber durch den
Wasserdruck in rascher Folge vorübergehend frei gemacht wird. Hierdurch
findet an dieser Stelle ein continuirliches, von schnurrendem Geräusch begleitetes
Pulsiren des Schlauches statt. In Folge dieser momentanen Unterbrechungen des
(Cb.40.)
(CiL. -II )
Assimilation.
^9
Wasser2uflusses entsteht in der Röhre
ad eine saugende Wirkung, welche da-
durch nutzbar gemacht wird, dass man
das zu evacuirende Gefäss mit der seit-
lichen Röhre er in Verbindung bringt.
Damit jedoch die eingesaugte Luft nicht
während der nächsten Pulsation wieder
zurücktreten kann, ist in der Seiten-
röhre ein Ventil angebracht, welches
sich nur gegen die Wasserröhre hin
öfl&ict Das Ventil, in Fig. 43 beson-
ders gezeichnet, besteht aus einer einer-
seits zugeschmolzenen Glasröhre, welche
bei ^ eine ^ Millim. weite Durchbohnmg
besitzt und in einen ohne Spannung
leicht darüber zu schiebenden Kautschuk-
schlauch geführt ist. Letzterer besitzt
an einer Seite einen 5 Millim. langen
Längsschnitt Die innere Röhre wird
nun so gedreht, dass die Oeffhung g
etwa um eine Vierteldrehung von dem
Schnitt im Kautschukschlauch entfernt
ist, worauf man den Schlauch bei Ai
mit Draht festbindet. Diese Ventih-öhre
wird so bei / eingesetzt, dass die Luft
der zu evacuirenden Gefässe mit der
inneren Röhre communicirt und bei Ver-
minderung des äusseren Druckes durch
die Oefifoung ^ unter dem sich lüftenden
Schlauch zur Schnittöfihung mm und
somit zur Wasserröhre gelangen kann.
Hört in Letzterer die saugende Wirkung
auf, so legt sich der Schlauch des
Ventils fest an die Glasröhre und ver-
hindert das Zurückströmen der Lufl.
Diese Pumpe erlaubt nur ein Vacuum von ungefähr 720 Millim. zu erhalten,
da ausser der Tension des Wasserdampfs noch der Widerstand des Ventils einer
weiteren Evacuirung entgegensteht. Linnemann hat einen etwas solideren Apparat
construirt, dessen Wirkung auf das gleiche Princip zurückzuführen ist.
Heumann.
Assimilation. Jede Thätigkeit irgend eines lebenden Organismus, mag die-
selbe psychischer (Empfinden, Vorstellen, Denken) oder physischer (mechanische
Bewegung, Entwicklung von Wärme, Licht oder Electricität) Natur sein, ist mit
einem Verbrauche von Leibessubstanz unzertrennlich verknüpft, so dass, wenn
letztere nicht wieder ersetzt würde, der Organismus nothwendig in kürzester Frist
an Erschöpfung zu Grunde gehen würde. Um diesem Schicksale zu entgehen
oder doch um dasselbe möglichst weit hinausschieben zu können, ist jeder Or-
ganismus mit Apparaten oder Organen ausgerüstet, welche unter Benutzung des
von der Aussenwelt dargebotenen Materials diesen Ersatz bewirken; wiegt der-
(Ob. 48.)
6o Handwörterbuch der Chemie.
selbe gerade den Abgang auf, so beobachten wir keine Veränderung, ist er da-
gegen grösser oder kleiner, so bemerken wir ein Wachsthum oder ein Hinschwinden
des Organismus. Die Umwandlung der von aussen aufgenommenen Ersatzstoffe,
der Nahrung, in Leibessubstanz kann nur auf chemischem Wege erfolgen, und
ebenso die Zerstörung der Leibessubstanz unter Bildung von Auswurfsstoflfen. Die
Gesammtheit aller dieser chemischen Prozesse fasst man unter der Bezeichnung
»Stoffwechsel« zusammen, und unterscheidet noch die erhaltenden als »Assimila-
tion« von den zerstörenden, dem »regressiven Stoffwechsel.« Ueber den Verlauf
und die Natur dieser Prozesse wissen wir noch so gut wie gar nichts; dieselben
müssen aber sehr mannigfaltig und bei Thieren und Pflanzen verschieden sein,
da ihre Produkte sowohl wie auch das Ausgangsmaterial für dieselben ebenfalls
sehr mannigfaltig sind. Die Pflanzen benutzen als letzteres unorganische Ver-
bindungen wie Kohlensäure, Wasser, Salpetersäure, Salze u. s. w. und scheiden
während der Assimilation freien Sauerstoff aus, also müssen Reduktionsprozesse
vor sich gehen; die Thiere dagegen sind auf die Produkte der pflanzlichen
Assimilation als Nahrung angewiesen, welche sie anscheinend ohne tiefgreifende
Veränderungen in eigene Leibessubstanz umwandeln (s. auch Art Chlorophyll).
£. Drechsel.
Athmung.*) Mit »Athmung« bezeichnet man die Summe derjenigen Vor-
gänge, welche dazu dienen, den Körper des lebenden Thieres mit Sauerstoff aus
der umgebenden Luft zu versorgen und ihn von der durch die Stoffwechselvor-
gänge gebildeten Kohlensäure zu befreien. Das Bedürfhiss nach Sauerstoff geht
in letzter Instanz von dem lebenden Zellprotoplasma aus, resp. bei den höheren
Thieren von den aus zelligen Elementen zusammengesetzten Körpergeweben:
Diese sind es, welche Sauerstoff aufnehmen und Kohlensäure bilden. Nur bei
den niedersten Thieren geschieht indessen die Sauerstoffaufnahme und Kohlen-
säureabgabe direkt an der Oberfläche des Leibes, bei den höher organisirten tritt
die Luft entweder in baumformig verästelte Röhren ein, welche sich in den Ge-
weben des Körpers aufs Feinste verzweigen (so die Tracheen bei den Insekten)»
•) i) Valentin u. Brünner, Arch. f. physiol. Heil. II, pag. 273. 2) Speck, Arch. L exp,
Path. n., pag. 405; Centralbl. f. d. med. W. 1876, No. 17. 3) Finklbr u. Obrtmann, PflÜorr's
Arch. XIV., pag. 38. 4) Valentin u. Brunner, L c. und Vierordt, Physiologie des Atfamens,
Karlsruhe 1845. 5) Valentin u. Brunner 1. c. 6) Leo, Pflüger's Arch. XXVI., pag. 218.
7) Reiset, Compt rend. 1868, Tom L, pag. 172. — Seegen u. Nowak, Pflüger*s Anh. XIX.,
psLg. 307. 8) LossEN, Zeitschr. f. Biol. L, pag. 207. 9) Regnault u. Reiset, Ann. d. Ch. u.
Pharm. LXXIII., pag. 92 u. 129. 10) Pettenkofer u. Voit, Sitzungsb. d. bair. Akad. d. W. 1866.
11) Pflüger, Pflüger's Arch. I., pag. 661; VI., pag. 43 u. 190. 12) Speck, Arch. f. wiss.
Heilk. in., pag. 317. — Vierordt 1. c. 13) Andral u. Gavaret, Ann. de Ch. et de Phys. VUI.,
pag. 129. 14) Speck, Arch. f. exp. Path. II., pag. 405. 15) Scharling, Ann. d. Ch. und
Ph. XLV., pag. 214 u. LVn., pag. i. 16) Pettenkofer u. Voit 1. c. 17) Molbschott,
Moleschott's Unters, t. Naturl. n., pag. 315. -— H. Schultz, PflIJger's Anh. XIV., pag. 78. —
AUBERT, Pflüger's Arch. XXVI., pag. 295. 18) Bütschli, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1874,
pag- 348. 19) Colasanti, Pflüger's Arch. XIV., pag. 92. — Carl Theodor Herzog in Baiem,
Zeitschr. f. Biol. XIV., pag. 51. 20) Velten, Pflüger's Arch. XXL, pag. 361. 21) Speck,
Centralbl. f. d. med. Wiss. 1880, No. 45. 22) Moleschott u. Fubini, Molesch. Unters, rur
Naturl. XII., pag. 266. 23) Platen, Pflüger's Arch. XI., pag. 263. 24) Speck, Arch. f. exp,
Path. Xn., pag. 1. 25) Pott, Habilitationsschr. Jena 1875. «6) Pflüger, Pflüger's Arch. X.,
pag. 315. 27) AuBERT, Pflüger's Arch. XXV., pag. 295. 28) W. Müller, Ann. d. Ch. u.
Pharm. CVIII., pag. 257. 29) FriedlXnder u. Herter, Zeitschr. f. phys. Chem. HI., pag. 19.
30) Kaufmann u. Rosenthal, Arch. f. Anat u. Physiol. 1865, pag. 659. 31) E. Krhss, Pflügbr's
Arch. XX VL, pag. 420.
Athmung. 6i
oder es tritt noch ein Zwischenglied zur Vermittlung des Gasaustausches zwischen
den Zellen und der Atmosphäre auf: das Blut, so bei allen Wirbelthieren.
Der Austausch der Gase des Blutes mit denen der Atmosphäre wird befördert
durch mechanische Einrichtungen, welche das Gemeinsame an sich tragen, dass
durch sie die Oberfläche, an welcher der Contact mit der Luft stattfindet, enorm
vergrössertwird: die Lungen bei den Säugethieren, Vögeln, Reptilien, Amphibien,
die Riemen bei den Fischen.
Man nennt den Gasaustausch an diesen Endapparaten, welche in unmittelbarer Berührung
mit der Luft resp. dem im Wasser gelösten Sauerstoff stehen, auch wohl «Lungenathmung«
oder »äussere Athmungc im Gegensatz zur «inneren Athmung,« die in den Zellen stattfindet.
Ein sehr geringft^ger Gasaustausch erfolgt auch durch die Haut.
Zu einer näheren Kenntniss des Athmungsvorganges führt, dem oben Er-
örterten entsprechend, einerseits die Untersuchung der aus den Lungen ausge-
atbmeten Luft »Exspirationsluftt«, im Vergleich zur eingeathmeten, andererseits
die Untersucliung der Gase des Blutes.
Die eingeathmete Luft enthält durchschnitdich 20,8 Vol.} Sauerstoff und
0,03 Vol.^ Kohlensäure, die ausgeathmete im Mittel bei ruhigem Athem 16,03}
Sauerstoff und 4,38} Kohlensäure (i). Nicht sämmtlicher aufgenommene Sauer-
stoff erscheint als Kohlensäure wieder, sondern nur ein namentlich von der
Qualität der Nahrung beeinflusster Bruchtheil, der beim Menschen zwischen
0,864 und 0,994 schwankt (2) (je nach dem Reichthum der Nahrung an Kohlen-
stoff), bei Pflanzenfressern noch niedriger sein kann (3).
Neben diesen fundamentalen Aenderungen zeigt die ausgeathmete Luft noch
einige weniger wesentliche: sie ist in Folge der Berührung mit der durchfeuchteten
Oberfläche der Mundhöhle u. s. w. ganz oder nahezu mit Wasserdampf ge-
sättigt (4) und wärmer wie die Umgebung; durchschnittlich beträgt ihre Tempe-
ratur 36,3° C, kommt also der Körpertemperatur nahe (5). Das Volumen der
ausgeathmeten Luft ist in Folge der Temperaturerhöhung und der Tension des
Wasserdampfes grösser wie das der eingeathmeten, bei Berechnung auf 0° und
trockene Luft zeigt sich jedoch das Volumen um ^\ bis -^q geringer, entsprechend
dem Verschwinden von Sauerstoff. Der Stickstoff verhält sich bei der Athmung
indifferent: er nimmt bei sorgfältiger Ausschliessung aller Fehlerquellen nicht
zu (6), doch wird von manchen Autoren eine Zunahme des Stickstoffs ange-
geben (7). Wiederholt sind Spuren von Ammoniak beobachtet (8), bei Pflanzen-
fressern Wasserstoff und Grubengas (9).
Die Menge der ausgeathmeten Kohlensäure beträgt beim Erwachsenen in
24 Stunden rund 1000 Grm., die des aufgenommenen Sauerstoffs 900 Grm. Die
Schwankungen sind flir die Kohlensäure 686 — 1285 Grm., für den Sauerstoff 594 und
1072 Grm. (10). Das bedingende Moment für die Grösse der Sauerstoffaufnahme
ist ausschliesslich das Bedürfniss der Zellen (11). Willkürliche Aenderung der
Zahl oder Tiefe der Athemzüge, stärkere Ventilation steigert die Kohlensäureaus-
scheidung nur vorübergehend (12). Von grösstem Einfluss sind natürlich Alter
und Körpergewicht; bezogen auf gleiches Körpergewicht ist die Kohlensäureaus-
scheidung bei Kindern grösser als bei Erwachsenen, bei diesen grösser als im
Greisenalter, beim männlichen Geschlecht grösser als beim weiblichen (13).
Auch bei einem und demselben Individuum wird die Grösse der Kohlen-
säureausscheidung durch eine grosse Reihe von Momenten beeinflusst: sie wird
gesteigert durch reichliche Nahrungsaufnahme (14) — um etwa ein Viertel — durch
Muskelarbeit (15); sie ist im wachen Zustand grösser wie im Schlaf. Sehr ver-
62 Handwörterbuch der Chemie.
schiedenartig wirkt die Steigerung der Temperatur der Umgebung. Bei den Kalt-
blütern bewirkt ein Ansteigen der Temperatur in jedem Fall eine ansehnliche
Vermehrung der Kohlensäure, bis auf das Zehnfache der bei niedriger Tempe-
ratur ausgeathmeten Menge (17). Dasselbe ist beobachtet an Schaben (18). Bei
den Warmblütern bewirkt umgekehrt das Sinken der Lufttemperatur eine Ver-
mehrung der Kohlensäureausscheidung (19), in Folge der stärkeren Anregung des
Stoffwechsels zur Erhaltung der Körpertemperatur. Ist die Abkühlung aber so
stark, dass die Körpertemperatur sinkt, dann sinkt auch die Kohlensäureaus-
scheidung, ebenso wie bei den Kaltblütern (20). Beim Menschen ist Abkühlung
mit geringem Sinken der Körpertemperatur ohne Einfluss (21). In hellem Licht
ist die Kohlensäureausscheidung bei Kaltblütern grösser wie im Dunkeln (22),
auch bei Kaninchen ist ein solcher Einfluss zu constatiren (23), beim Menschen
dagegen nicht (24). Im gelben Licht ist die Kohlensäureausscheidung bei ver-
schiedenen Thieren grösser als im gemischten und blauen (25).
Der Transport des Sauerstoffes aus den Lungen nach den Zellen der Gewebe
erfolgt durch Vermittlung des Blutes: der Farbstoff desselben verbindet sich mit
dem Sauerstoff zu einer lockeren chemischen Verbindung, dem Oxyhaemoglobin,
welche sich schon bei starker Erniedrigung des Sauerstoffdruckes dissociirt und
den Sauerstoff in Berührung mit den lebenden Geweben abgiebt. Das des Sauer-
stoffs grösstentheils beraubte und kohlensäurereiche Blut kehrt in die Lungen
zurück, um sich aufs Neue mit Sauerstoü zu sättigen und Kohlensäure abzugeben.
Die Bildung der Kohlensäure erfolgt ganz überwiegend in den Geweben,
nicht, wie Lavoisier glaubte, in den Lungen; ein kleiner Theil bildet sich allerdings
in diesen und auch im Blut — Die Bildung der Kohlensäure ist bis zu einem
gewissen Grade unabhängig von der Aufnahme von Sauerstoff: Frösche leben bei
starker Abkühlung bis gegen 0° noch Tage lang in einer vollkommen sauerstofT-
freien Atmosphäre und fahren fort, Kohlensäure zu bilden (26). Die gebildeten
Kohlensäuremengen sind sogar nicht viel geringer, wie beim normalen Thier bei
derselben Temperatur (27). Der Sauerstoff muss also vorübergehend in Form
einer sauerstoffreichen Verbindung im Körper aufgespeichert sein, welche all-
mählich unter Kohlensäurebildung zerfällt, wenigstens bei Fröschen.
Der Prozess der Abgabe der Kohlensäure in den Lungen ist keineswegs völlig aufgeklärt.
Das Blut reagirt alkalisch, es ist im Stande, noch weit mehr Kohlensäure beim Schütteln damit
aufzunehmen, als es im Leben enthält, es handelt sich also im Blut nicht um freie Kohlensäure,
sondern um kohlensaure Salze ; vermuthlich spielt das Oxyhaemoglobin die Rolle einer schwachen
Säure.
Der völlige Mangel an Sauerstoff in der Athemluft hat bei Warmblütern
schnellen Tod durch Erstickung zur Folge. Dem Tode geht ein sehr kurzes
Stadium des Scheintodes voraus, in dem eine Rückkehr zum Leben bei Her-
stellung der normalen Bedingungen noch möglich ist. Dieses Stadium kann
bei Kaltblütern, wenn dieselben bis auf einen dem Nullpunkt nahen Grad abge-
kühlt sind, tagelang dauern (26, 27).
Der Sauerstoff kann durch kein anderes Gas ersetzt werden, auch nicht durch Stickoxydul,
welches im Gemisch mit Sauerstoff eingeathmet einen rauschartigen Zustand verursacht. In reinem
Sauerstoff ist die Athmung völlig normal, es wird nicht mehr Sauerstoff anfgenommen, wie aus
atmosphärischer Luft, die Verbrennungsprozesse des Organismus werden also nicht, wie die ausser-
halb des Körpers ablaufenden, durch Sauerstoff gesteigert
Verminderung des Sauerstoffes in der Athemluft wird von Thieren bis zu
14,8# ohne Störung vertragen, bei 7^ werden die Versuchsthiere schwerathmig,
bei 4,5 >^ tritt hochgradige Athemnoth ein, bei 3^ ziemlich rasche Erstickung (28).
Atmosphäre. 63
Die Anhäufung von Kohlensäure in der Athemluft wird bis zu hohen Graden ver-
tragen, sofern nur der Sauerstoffgehalt der Luft nicht sinkt (29).
Fremdartige Gase wirken beim Einathmen sehr verschieden: einige sind
ebenso indifferent wie der Stickstoff, so Wasserstoff und Grubengas, andere sind
inrespirabel, indem sie bei dem Versuch der Einathmung Krampf der Stimmritze
erzeugen. Dahin gehören: schweflige Säure, salpetrige Säure, Chlor, Ammoniak,
Ozon, noch andere werden ins Blut aufgenommen und wirken giftig, so Schwefel-
wasserstoff- und Kohlenoxydgas, ersteres indem es auf Kosten des Oxyhaemoglobins
zu Schwefel und Wasser oxydirt wird und andererseits verändernd auf den Blut-
farbstoff einwirkt (30), letzteres, indem es den Sauerstoff im Oxyhaemoglobin ver-
drängt und dasselbe unfähig macht, seine Rolle bezüglich des Transportes des
Sauerstoffes von den Lungen nach den Geweben zu spielen, jedoch werden kleine
Mengen Kohlenoxyd im Blut allmählich zu Kohlensäure oxydirt (31).
E. Salkowski.
Atmosphäre.*^ 1. Bestandtheile der Atmosphäre. Die Erdkugel ist von
einer gasförmigen Hülle umgeben, welche man Atmosphäre (dtfAJc Dampf; o^oTpa
*) i) Ed, Schmidt, Mathematische Geographie, Bd. IL Göttingen 1836, pag. 252. 2) G. G.
Schmidt, Gtlb. Ann. Phys. 62, pag. 309. 3) Lasch, Pogg. Ann., Ergänzungsbd. HL, pag. 322.
4) V^l* ^uich Kohlrausch, Pogg. Ann. 98, pag. 178. 5) Magens, Pogg. Ann. 54, pag. 601 ;
55, pag. I. Regnault, Mem. de l'Acad. des Sciences, XXI, pag. 158. 6) Cailletbt, Compt
rend. 86, pag. 97. 7) Tyndall, Proc. Roy. Soc 30, pag. 10. 8) Violla, Compt. rend. 82,
pag. 662, 729, 896. 9) Lkcher u. Pernter, Wien. Akad. Ber. 82, n., pag. 265. 10) Cornu,
Compt. rend. 88, pag. 1285; 89, pag. 808. 11) Ketteler, Pogg. Ann. 124, pag. 401.
12) HuGGiNS, PhiL Transact. 154, pag. 139; Pogg. Ann. 123, pag. 275. 13) AngstrÖm, Pogg.
'^'^ 94» P^* 141* 14) Grandeau, Chem. News 9, pag. 66. 15) Kundt, Pogg. Ann. 135,
pag. 315. 16) Thal^r, Nova acta Soc. sc. UpsaL [3] 9. 17) Goldstein, Wiener Akad. Ber. 80,
pag. 693. 18) Vogel, Spectralanalyse irdischer Stoffe. Nördlingen 1877, pag. 254. 19) RoscoE,
Spectialanalyse, pag. 164. Braunschweig 1879; Phil. Trans. 1860, pag. 150. Compt. rend. 93,
pag. 788. 20) Egoroff, Compt. rend. 95, pag. 985. 21) Chappuis, Compt. rend. 91, pag. 985.
22) W. N. Hartley, Chem. News 42, pag. 208. 23) H. W. Vogel, Ber. d. ehem. Ges. 1874,
pag. 88. 24) BiOT, Traite de phys., t IL, pag. 458. 25) Lamont, Pogg. Ann. 85, pag. 50;
vdgL auch £. E. Schbcid, Meteorologie, Leipzig 1860, pag. 789. 26) O. Lindemann, Zeitschr.
analyt. Chem. 1879, Bd. 18, pag. 158. 27) Bunsen, Gasometr. Methoden. 11. Aufl. Braunschw.
1877. 28) Cl. Winkler, Chemische Untersuch, der Industriegase , Freiberg 1877, pag. 258.
29) Boussingault, Compt. rend. 57, pag. 885. 30) Clocz, Compt. rend. 57, pag. 870 u. 875.
31) PoLKCK, Zeitschr. analyt. Chem. 1869, pag. 451. 32) Dumas u. Boussingault, Ann. chim.
phys. [3] 3, pag. 257. 33) JOLLY, Ann. Phys. Chem. N. F. 6, pag. 538. 34) F. Fischer, Ber.
d. chem. Ges. 1879, pag. 1696. 35) Regnault, Ann. Chim. Phys. [3] 36, pag. 385. 36) Angus
Smith, Joum. Chem. Soc. 13, pag. 22. 37) Jolly, Ann. Chem. Phys. N. F. 61, pag. 520.
38) Edw. H. Morley, Americ. Journal of Science, Ser. 3, Vol. XXn., pag. 417 u. 429. 89) An-
drews, Ann. Chem. Pharm. SuppL 6, pag. 125. 40) BÖttger, Chem. Centralbl. 1880, pag. 719.
41) Zenger, Wien. Akad. Ber. 24, pag. 78. 42) L^WY, Annuaire de l'observatoire de Montsouris,
1878. 43) E. Schöne, Ber. d. ehem. Ges. 13, pag. 1503. 44) Ders., Ber. d. chem. Ges. 11,
dag. 482, 561, 874, 1028. 45) M. VON Pettenkofer, Abhandlungen der naturwiss. technisch.
Commission d. bayr. Akad. d. Wiss. 2, pag. i; vergL auch Pettenkofer, Ann. chem. Pharm.,
SnppL 2, pag. I. 46) W. Hesse, Vierteljahresschr. f. gerichü. Medicin u. öffentl. Sanitätswesen,
N. F. 31, pag. 2; auch Cl. Winkler, a. a. O., pag. 375. 47) G. Lunge, Dingl., pol. J. 231,
pag- 331; Auch Cl. Winkler, a. a. O., pag. 122. 48) Cl. Winkler, a. a. O., pag. 385.
49) J. Reiset, Compt rend. 90, pag. 1 144. 50) Müntz u. Aubis, Compt rend. 92, pag. 247.
51) Saussure, Pogg., Ann. 19, pag. 391. 52) Verver, Berzelius' Jahresber. 22, pag. 45.
53) Lewy, Compt rend. 31, pag. 725; 33, pag. 345. 54) J. Reiset, Compt rend. 90, pag. 1144
64 Handwörterbuch der Chemie.
Kugel) nennt. Diese Hülle nimmt alle Sfoffe aul, welche auf der Erdoberfläche
sich verflüchtigen und von derselben sich loslösen. Sie ist im Wesentlichen ein
Gemenge verschiedener Gase und Dämpfe. Der Hauptbestandtheil derselben ist
ein Gemisch zweier Gase, des Stickstoffs und des Sauerstofis, welches wir Luft
nennen ♦). Gewöhnlich macht man keinen Unterschied zwischen den Bezeichnungen
Atmosphäre und Luft Das Verhältniss, in welchem die Luftbestandtheile gemischt
sind, ist ein ziemlich constantes, annähernd kommen auf 79 Raumtheile (77 Gewichts-
theile) Stickstoff, 21 Raumtheile (23 Gewth.) Sauerstoff.
"• ^457- 55) Marie-D AVY, Compt rend. 90, pag. 1287. 56) Armstrong, Proceed of the Roy.
Soc. 30, pag. 343. 57) MÜNTZ u. AUBIN, Compt. rend. 92, pag. 1230; 93, pag. 797. 58) Boüssin-
GAULT, Ann. ehem. phys. [3] 10, pag. 470. 59) Th. Scm.OESiNG, Compt rend. 90, pag. 1410.
60) J. B.Laves, Phil. Mag. [5] 11, pag. 206; Chem. Centralbl. 1881, pag. 444. 61) Wolpb&t,
Carl's Repert. 1873. 62) Piche, Zeitschr. f. Meteorolog. 1873, pag. 270. 63) Biedermann, Her.
Üb. d. Ausstellung wissensch. Apparate in London, 1876, pag. 728. 64) Hoeper, Histoire de la
Physique et de la Chimie, Paris 1872, pag. 65. 65) Biedermann, Ber. etc., pag. 415. 66) Ludwig,
Ann. Chem. Pharm. 162, pag. 53. 67) Vogel, Ber. chem. Ges. 1877, pag. 794« 68) A u. G.
DE Nbgri, Zeitschr. anal. Chem. 16, pag. 461. 69) Frankland u. Armstrong, Chem. News 17,
pag. 247. 70) Annuaire de Montsouris 1878; Flügge, Lehrbuch der hygien. Untersachungs-
methoden, Leipzig. 1881, pag. 156. 71) Th. Schloesing, Compt. rend. 80, pag. 265. 72) Bous-
singault, Compt. rend. 44, pag. 1034. 73) Horspord, Ann. Chem. Pharm. 74, pag. 243.
74) L^VY, Compt. rend. 91, pag. 94. 75) Chatin, Compt. rend. 32, pag. 1083. 76) van An-
KUM, Joum. prakt Chem. 63, pag. 257. 77) Müntz, Compt. rend. 92, pag. 499. 78) Pasteür,
Compt. rend. 50, pag. 302; 85, pag. 178. 79) Tyndall, Roy. Inst. Proc. 1870; vergl. auch:
»On dust and diseasec in »Fragments of Science«, London 1876, pag. 151. 80) Miquel,
Compt. rend. 86, pag. 1552. 81) Cohn, Beiträge zur Biologie d. Pflanzen L, pag. 148. 82) Ros-
COE u. Schorlemer, Lehrbuch der Chem. Bd. I., pag. 380. 83) Tissandier, Compt. rend. 1880,
91, pag. 522. 84) V. Lasaulx, Mineralog. u. petrograph. Mitth. N. F. 3, pag. 517; Naturforscher
1881, pag. 225; Encykl. d. Naturwiss. IL Abth. Mineralogie, pag. 75. 85) Phipson, Chem.
News 1880, 45, pag. 28. 86) Neues Handwörterb. d. Chem. Bd. I., pag. 869. ScHLAGiNTWErr,
Pogg. Ann. 80, pag. 177. 87) Boussingault, Ann. chem. phys. [3] pag. 5; Joum. prakt Chem. 58,
pag. 341. 88) Vergl. Senft, Geognosie, Hannover 1876, pag. 10; Naumann, Geognosie, Leip-
zig 1850, pag. 756 u. a. 89) L. Meyer, Zeitschr. f. rationelle Med. N. F. Bd. VÜI. 90) Gorup-
Besanez, Physiol. Chemie, 3. Aufl., pag. 56. 91) Regnault u. Reiset, Compt. rend. 26, pag. 17.
92) Pettenkofer u. Voit, Ann. Chem. Pharm. 141, pag. 299. 93) Essai de statique chim.
des etres organises, par Dumas et Boussingault. 3. edit., pag. 18. 94) Baeyer, Ber. d. chem.
Ges. 3, pag. 66. 95) JOH. Ranke, Physiologie. 3. Aufl. Leipzig. 1875. P*g- 59« 9^) St. Hust,
Chem. News 1882, pag. 83. 97) St. Meunier, Ann. agronomiques 5, pag. 204; Biederhann's
Centralbl. für Agricultur-Chem. 1880, pag. 63. 98) Liebig, Chemie in Anwendung auf Agricultur
u. Physiologie. 9. Aufl. pag. 36 u. Einleitung, pag. 10. 99) Vergl. Hofmann's Bericht üb. die
Londoner Ausstellung wiss. App. Biedermann, Die Agriculturchemie, pag. 682. 100) Vergl.
König, Ventilation in Eülenberg's Handbuch d. öffentl. Gesundheitswesens, Berlin 1882, Bd. 11.,
pag. 1028.
*) Die Etymologie des Wortes «Luft« ist nicht ganz klar. Nach Bezzenberger (Beiträge
zur Kunde der indogermanischen Sprachen, Bd. IV. pag, 334) ist »Luft« verwandt mit griecK.:
Xo^oc (Htigcl) und altslavisch »hiln** (Schädel), und der gemeinsame Grundbegriff dieser Wörter
ist der der Höhe, wie denn auch im Mittelniederdeutschen »buhim nicht allein Luft, sondern
auch oberes Stockwerkeines Hauses bedeutet; im Englischen »lofty luftig und hoch. R. Pischel
hält dafür, dass die auf die Höhe sich beziehenden Bedeutungen erst abgeleitet seien, nachdem
sich «Luft« in einzelnen Dialekten zu »obere Luft« gleich Himmel specialisirt hatte. Nach ihm
weist das niederdeutsche »lucht« auf leicht, althochdeutsch »liht«, Sanskrit »la^hAs*^ latein.
»ÄfwV« u. 8. w., welcher Wortstamm auch in unserem »(die Anker) lichten« und im Englischen
»to UfU enthalten ist.
Nach einer freundlichen brieflichen Mittheilung des Herrn Prof. R. Pischel in Kiel.
Atmosphäre. 65
Nie fehlende Bestandtheile der Atmosphäre sind Kohlensäure und Wasser-
dampf, deren Mengen aber grösseren Schwankungen unterworfen sind, als die
des Sauerstoffs und Stickstoffs, indess im Vergleich mit diesen sehr gering sind.
Durchschnittlich sind in iOO Raumtheilen Luft 084 Volumina Wasserdampf und
0-03 Kohlensäure enthalten.
In noch geringerer Menge sind in der Atmosphäre gewisse Ammoniumver-
bindungen (Carbonat, Nitrit, Nitrat) vorhanden, femer Kochsalz, sowie Staub,
welcher stets thierische und pflanzliche Samen oder Sporen enthält, femer zufällig-
hineingekommene Gase, wie Schwefelwasserstoff, schweflige Säure u. s. w.
2. Masse der Atmosphäre, Höhe derselben. Es ist nicht wohl mög-
lich, die Höhe der Atmosphäre zu bestimmen, weil ihre Dichtigkeit allmählich
abnimmt Die letzte Grenze muss offenbar da sein, wo die Centrifugalkraft der
mit der Erde rotirenden Luft gleich der Anziehungskraft der Erde ist. Infolge
der Centrifugalkraft muss die Atmosphäre, wie die Erde selbst, an den Polen
abgeplattet sein und unter dem Aequator eine erhabene Gestalt besitzen.
Diese Abplattung kann in Folge der Bewegliclikeit der Lufttheilchen sehr bedeutend sein;
sie hat aber wegen der Centrifugalkraft ihre Grenzen. Nach der Berechnung von Laplace verhält
sich bei grösstmöglicher Abplattung die kleine Achse des Luftsphäroids zur grossen wie 2 zu 3.
Nach dem Gesetze von Mariotte ist die Dichtigkeit der Luft dem Druck derselben,
welcher durch die Barometerhöhen angegeben wird, direkt proportional. Wenn die Temperatur
der Luft ein und dieselbe wäre, so würde aus diesem Gesetze folgen, dass die Dichtigkeit der
Luft, also auch die Barometerhöhen, in einer sogen, geometrischen Progression abnimmt,
wenn die Differenzen der Höhen tlber der Erde in einer arithmetischen Progression wachsen.
Danach würde die Luft sich in immer dünneren Schichten ohne Grenzen in den unendlichen
Weltraum verlieren. Allein mit wachsender Höhe der Atmosphäre nimmt die Temperatur der-
selben ab; die niedrigere Temperatur der oberen Luftschichten muss ihre Dichtigkeit vermehren
und so der Atmosphäre eine Grenze setzen. Wie es sich auch mit dieser Grenze verhalten mag,
aus den Beobachtungen über die Abnahme der Dichtigkeit ergiebt sich, dass die Luft in einer
Höhe gleich dem hundertsten Theil des Erddurchmessers nicht mehr wahrnehmbar ist. Aus den
Erscheinungen der Strahlenbrechung lässt sich das Vorhandensein von Luft in einer Höhe von
etwa 10 geograph. Meilen nachweisen. £0. Schmidt (i) bestimmt die Höhe über dem Aequator zu
7*7 , über den Polen zu 5*8 Meilen ,* G. G. Schmidt (2) dagegen findet ihre Aequatorialhöhe gleich
27-5 Meilen, ihre Polarhöhe gleich 27* 1 Meilen. Gewöhnlich wird die mittlere Höhe zu 16 Meil.
= 7 Myriameter gesetzt. Wenn wir uns die Erde als eine Kugel von 10 Meter Durchmesser
vorstellen, so würde unter dieser Annahme die umgebende Gashülle 38 Millim. dick sein.
3. Druck der Atmosphäre. Der Druck, welchen die Luft auf die Erdober-
fläche ausübt, wird durch die Höhe einer Quecksilbersäule gemessen, welche der
Luftsäule das Gleichgewicht hält Dieser Druck nimmt von dem Aequator nach
den Polen hin erst wenig, dann rascher zu, so, dass er zwischen dem 30. und 40.
Breitengrade sein Maximum erreicht. Im Mittel ist das Gewicht einer Luftsäule
am Meeresspiegel gleich dem Gewicht einer Quecksilbersäule von 760 Millim.
Höhe. Das Gesammtgewicht der Luft kommt also dem einer Quecksilberschicht
gleich, welche bei einer Temperatur von 0° die Erdoberfläche in einer Schicht
von 760 Millim. Höhe bedecken würde. Das macht, wenn man für die Erde
die Kugelgestalt annimmt, und den Radius derselben zu 6370284 Meter setzt,
ein Gewicht aus von 5 262 396 000 000 000 000 Kg.
An diesem Gewicht nehmen die Hauptbestandtheile der Atmosphäre in
folgender Weise theil:
Stickstoff: 4 041 200 000 000 000 000 Kgrm.
Sauerstoff: 1 2 1 8 040 000 000 000 000 Kgrm.
Kohlensäure: 3 156 000 OüÜ 000 000 Kgrm.
Laobnbiikc, Chemie. IL 5
66 Handwörterbuch der Chemie.
Nach Lasch (3) wiegt 1 Cbmeter trockner Luft von 0° Temperatur und
760 Millim. Druck zu Berlin: 1-293635 Kgrm., nach Regnault unter denselben
Bedingungen zu Paris: 1-293 187 Kgrm (4). Das Volumen von 1 Grm. Luft in
unseren Breiten kann zu 773 Cbcentim. angenommen werden.
Barometer. Das gewöhnliche Mittel, den Luftdruck zu messen, ist das
Quecksilber-Barometer. In seiner einfachsten Form besteht dies Instrument
aus einem Glasrohre von etwa 790 Millim. Länge, welches oben geschlossen,
unten offen ist, und luftfreies Quecksilber enthält. Wenn es mit dem unteren
Ende in ein Geftiss mit Quecksilber getaucht ist, so wird durch den Druck der
Luft auf das Niveau des letzteren, also auf das Quecksilber am offenen Ende
der Röhre, eine Quecksilbersäule von einer gewissen Länge schwebend erhalten.
Die Thatsache, dass Wasser in der Röhre einer Saugpumpe nicht über eine gewisse Höhe
hinaussteige» soll ein Pumpenmacher in Florenz im Jahre 1643 beobachtet haben. Diese That-
sache entsprach nicht der Theorie des Horror vacui der Natur, mit welcher man damals noch
häufig die saugende Wirkung der Pumpe erklärte. Gaulei gab keine recht befriedigende Er-
klärung der Erscheinung an der Wasserpumpe, obgleich er bereits ausgesprochen hatte, dass die
Luft Gewicht habe. In seinem Dialog Über den Widerstand fester Körper sagt er auch, dass
das Wasser in Saugröhren nicht Über 18 Ellen steige, und dass darüber ein leerer Raum sei.
Sein Schuler Evangkusta Torricelli kam 1643 auf die Idee, Wasser durch eine Flüssigkeit
von grösserem spedfischem Gewicht, z. B. Quecksilber, zu ersetzen, um das Vacuum in einer
kürzeren Röhre zu erzeugen. Er beschrieb genau, wie er verfahren wollte, und nach diesen An-
gaben stellte sein Freund Viviani in der oben angegebenen Weise das erste Quecksilberbarometer
her. Beide Gelehrte fanden bestätigt, dass es wirklich der Druck der Luft sei, welcher der
Quecksilbersäule in der Röhre das Gleichgewicht halte. Torricelli sprach sich in einem Briefe
an Angeld Ricci dahin aus, er könne mittelst seines Instrumentes erkennen, ob die Luft leicht
oder schwer werde, und dass sie am schwersten an der Meeresfläche, und leichter und reiner
sei, wenn man auf die Höhen der Berge steige. Carlo Beriguardi sagt in seinem 1644
gedruckten »Ctrcolo Phano*^ dass das Vacuum in der Quecksilberröhre grösser auf Thurmspitzen
und Bergesgipfeln sei, als am Fusse derselben. Weitere Bestätigung brachte im Jahre 1647
Blaise Pascal der durch Versuche nachwies, dass, wenn die Höhe der umgebenden Luftschicht
vermindert würde, dadurch dass man die ToRRiCEixi'sche Röhre auf einen hohen Ort bringe,
auch das Gewicht Quecksilber verringert werde, welches von der Luft getragen wird. Pascal
selber stellte Versuche an dem (noch erhaltenen) Thurm St. Jacques in Paris an, und auf seine
Veranlassung bestieg sein Schwager Perrier den Puy de Ddme in der Auvergne und beobachtete
die Quecksilberhöhe am Fusse und auf dem Gipfel des Berges. Er fand eine Abnahme von
3 Zoll, was ihn »zu Bewunderung und Erstaunen hinriss«*).
Diese Versuche veranlassten zahlreiche Forscher, sich mit der Construction des Barometers
zu beschäftigen. Der Name »Barometer«, von ßflEpoc, schwer, und (jirpov, Maass, wurde zuerst
1664 von BoYLE (New Experiments on Cold) gebraucht.
Man pflegt drei Formen des Barometers zu unterscheiden: das Gefässbaro-
meter, das Heberbarometer, das Kugelbarometer. Bei allen dreien dient der
lothrechte Abstand des oberen von dem unteren Quecksilberspiegel als Maass
des Luftdrucks.
Die einfachste Art des Gefässbaroraeters ist das ToRRiCELLi'sche Instrument, eine mit
Quecksilber geftülte, genügend lange, an einem Ende geschlossene Glasröhre, deren offenes Ende
unter dem Niveau des in einem beliebigen Gefässe befindlichen Quecksilbers sich befindet. Jetzt
*) An der Entdeckung des Barometers hat auch Descartes Antheil. In einem Briefe aus
dem Jahre 1631 erklärt er das Verweilen des Quecksilbers in einer oben geschlossenen Röhre
durch den Druck der bis zu den Wolken reichenden Luft. Montücla sagt (Hist. des
Mathematiques, IL pag. 205): »Nous avons des preuves, que ce phUosopke (Descartes) reconmU
avant Torricelu h pesanttur de fair,* Auch giebt Descartes in einem Briefe an Carcavi
vom Juni 1649 an, er habe Pascal das oben erwähnte Experiment angerathen.
Atmosphäre.
67
wird dies Geföss mit dem Barometerrohr in dauernde Verbindung gebracht, entweder dadurch,
dass beide Theile an einem gemeinsamen Stativ befestigt sind, oder, was häufiger ist, ein ru-
sammenhängendes Stück bilden (Kugelbarometer). Die Scala, an welcher die Höhe der Queck-
silbersäule abgelesen wird, befindet sich bei diesen
Instrumenten nur an dem oberen Theile (Fig. 44.)
Allein der Spiegel des Quecksilbers in dem Gefäss
ist nicht unveränderlich, der Nullpunkt der Theilung
ist also nicht immer derselbe. Die Höhenschwan-
kungen im Gefäss sind nmal geringer, als die in
der Röhre, wenn der Querschnitt des Gefässes
IT mal grösser ist, als der der Röhre. Man giebt
deshalb dem Quecksilberspiegel in dem GefUsse eine
verhältnissmässig grosse Ausdehnung.
Für genaue Bestimmungen ist es erforderlich,
einen festen Nullpunkt zu haben. Dies wird durch
die Vorrichtung erreicht, welche Jean Fortin*)
ani Barometer angebracht hat. Hier ist der Boden
des Gefässes verschiebbar gemacht, indem derselbe
aus einem Lederbeutel / (Fig. 45) besteht, gegen
welchen der runde Kopf der Schraube s drückt.
Durch entsprechendes Drehen der Schraube kann
man den Quecksilberspiegel heben oder senken.
Man regulirt diesen nun so, dass die Spitxe des
Elfenbeinstiftes r, welcher an dem Deckel des
Geftsses befestigt ist, die Oberfläche des Queck-
silbers eben berührt. Man erkennt dies leicht,
indem man das Spiegelbild des Stiftes auf der
Quecksilberoberfläche beobachtet. Das Barometer-
rohr ist von einer Messinghülse umgeben. Diese
trägt eine Scala, deren Nullpunkt die Spitze des
erwähnten Stiftes ist. Die Hülse hat über dem
Räume, in welchem sich die Quecksilberkuppe j hH
bewegen kann, zwei einander gegenüberstehende Schlitze. Ueber
dieser Hülse ist eine zweite ebenfalls mit Schlitzen versehene ver-
schiebbar. Die oberen Ränder der Schieberschlitze werden bei
einer Beobachtung genau in die Höhe der Quecksilberkuppe ge-
bracht. Die eine Seite des vorderen Schieberschlitzes ist mit einem
Nonius versehen.
Leichter und transportabler als das Gefässbarometer
bei gleicher Genauigkeit das Heberbarometer.
ist
(Ch.45)
Dasselbe ist aus einem, an einem Ende geschlossenen, heberförmig gebogenen Glasröhre ange-
feitigt, welches wenigstens an den Stellen der oberen und unteren Quecksilberkuppe gleichen
Durchmesser haben muss. Bei wechselndem Luftdruck ändert sich in beiden Schenkeln gleich-
massig die Höhe der Quecksilbersäule. Bei den Heberbarometem ist entweder das Rohr und
die Scala fest, oder die Scala ist fest und das Rohr in vertikaler Richtung verschiebbar, oder
das Rohr ist fest und die Scala verschiebbar. Bei Beobachtungen mit Instrumenten der beiden
letzteren Klassen stellt man erst die (untere) Kuppe des offenen Schenkels auf den Nullpunkt
ein und beobachtet dann die Kuppe im geschlossenen Schenkel. Im ersten Falle ist die Scala
am besten auf das Glas geätzt. Man muss dann auch ablesen, wie weit die untere Kuppe von
dem Nullpunkt entfernt ist Am besten erfolgen die Ablesungen aus einer Entfernung von
2—3 Meter mittelst eines Femrohres, welches sich an einem verticalen Stab auf- und abschieben lässt.
Die Genauigkeit der Barometermessungen wird von der Weite des Rohres beeinflusst. In
•) Richtiger Fotin, geb. 17 19 in Paris, gest. 1796 als Professor in Brest.
68 Handwörterbuch der Chemie.
sehr engen Röhren btlsst das Quecksilber an Beweglichkeit ein. Bei einem Durchmesser des
Rohres von mindestens 13*5 Millim. wird der £influss der CapiUarität unmerklich. Man kann
die Grösse dieses Fehlers nicht mit Sicherheit aus der Röhrenweite ableiten; näherungsweise
4.5
addirt man wegen der Capillardepression des Quecksilbers die Grösse — j- Millim., wo d den
d
inneren Durchmesser der Röhre bedeutet. Am besten ist es, ein Barometer mit engem Rohr
mit einem solchen, bei dem der Fehler der CapiUarität ausgeschlossen ist, zu vergleichen.
Die Correktionen, welche wegen der infolge des Temperaturwechsels hervorgerufenen
Aenderungen der Scala und des Quecksilbers angebracht werden müssen, können mit Sicherheit
durch Rechnung ausgeführt werden. Man reducirt die Beobachtungen auf 0*^ und hat dabei der
folgenden Formel sich zu bedienen:
Hier ist h = corrigirte Barometerhöhe,
H== beobachtete Höhe,
/ = Temperatur zur Zeit der Beobachtung,
K = linearer Ausdehnungscoefficient der Scala,
y,Vff = Ausdehnung des Quecksilbers für l® innerhalb 0** und lOO*^.
Wenn man das Barometer anstatt mit Quecksilber mit einer Flüssigkeit von geringerem
specifischen Gewicht füllt, so werden die Schwankungen der Flüssigkeitssäule grösser, das In-
strument wird also empfindlicher, freilich seine Länge auch grösser. Wasser eignet sich nicht
gut, weil wegen seines niedrigen Siedepunktes im Vacuum des Barometers Dämpfe von
beträchtlicher Spannung sich bilden, die auf die Flüssigkeitskuppe drücken. Glycerin dagegen
siedet so hoch (290^t dass dieser Gegendruck nicht in Betracht kommt. Da sein spec. Gew.
etwa gleich i^^^ von dem des Quecksilbers ist, so sind die Höhenschwankungen 10 mal grösser
als beim Quecksilberbarometer, und das Rohr muss etwa 8 Meter lang sein*).
Eine ganz andere Art Barometer bilden die Aneroid- oder Holosterik-Barometer.
Dieselben bestehen aus einer MetallbUchse mit wellig gebogenen dünnen Wänden, welche luftleer
gemacht ist Die Veränderungen des Luftdrucks rufen Bewegungen der Oberfläche hervor, welche
durch Winkelhebel auf einen um seine Axe drehbaren Zeiger übertragen werden, der dieselben
auf einer durch Vergleich mit einem Quecksilberbarometer hergestellten Scala anzeigt. Derartige,
in den mannigfachsten Formen hergestellte Instrumente eignen sich nicht besonders zu wissen-
schaftlichen Beobachtungen, da sie mit der 2^it an Genauigkeit abnehmen.
4. Verhalten der Atmosphäre zur Wärme. Die specifische Wärme der
trockenen Luft bei constantem Druck ist 0*23741 von der des Wassers (Regnault).
Der Ausdehnungscoefficient für je 1 ° zwischen — 30 und -h 200° ist ^tJt o<i«r
0'00366ö (Magnus, Regnault) (5). Bei einer durch flüssiges Stickoxydul hervor-
gebrachten niedrigen Temperatur wurde Luft unter einem Druck von 200 Atmo-
sphären verflüssigt (Cailletet) (6).
Die Schwächung, welche die Sonnenwärme beim Durchgang durch die Atmo-
sphäre erleidet, scheint besonders die am wenigsten brechbaren ultrarothen Wärme-
strahlen des Spectrums zu treffen. Der grösste Theil der Sonnenwärme wird
nicht absorbirt. Die Angabe von Bupf, dass eine etwa 45 Millim. dicke Schicht trockener
Luft beinahe die Hälfte der Wärmestrahlen absorbire, welche von einer auf 100^ erhitzten Wärme-
quelle ausgehen, ist von TTyndall (7) vriderlegt worden. Nach Tyndall soll eine 1 Meter
lange Luftschicht 0*088 ^ Wärme absorbiren. Violle (8) hat indessen durch genaue Messungen
der Intensität der Sonnenstrahlung am Gipfel und am Fusse des Montblanc die Absorption für
1 Meter Luft su 0*0070 J gefunden. Für letztere von ihnen berechnete Zahl sprechen sich auch
Lecher und Pernter aus (9). Das Hauptahsorbens ist wahrscheinlich der Wasserdampf. In-
dessen werden auch die Kohlensäure und die in der Atmosphäre schwebenden Organismen nicht
ohne Einfluss sein.
•) Ueber ein Glycerinbaromcter, vergl. Bericht tiber die Ausstellung wissenschaftlicher
Apparate in London, von R. Biedermann, London 1877, P^* 696.
Atmosphäre. 69
Die Erwärmung der Atmosphäre geschieht also vorzüglich von der Erdober-
fläche aus. Die Temperatur ist daher in den untersten Schichten am höchsten,
sie nimmt hier für ungefalir 195 Meter um 1° ab. In grösseren Entfernungen soll
die Temperaturabnahme in geringerem Verhältniss vor sich gehen.
Die Abnahme der Temperatur bei der Erhebung in die Atmosphäre hat auch
darin ihren Grund, dass die am Boden erwärmte Luft beim Aufsteigen in Folge
der Ausdehnung sich abkühlt. Der durch die Erwärmung der Erdoberfläche
gebildete Wasserdampf steigt mit der erwärmten Luft auf und wird dann durch
Abkühlung in den höheren Luftschichten condensirt Das als Thau unmittelbar
am Boden verdichtete Wasser wird in Folge der Abkühlung der untersten Luft-
schicht durch den Boden niedergeschlagen.
DovE giebt folgende Gesammtmittelwerthe flir die Temperatur der unteren
Luftschichten an:
Januar
Juli
Mittel
Nördliche Hemisphäre
9-4°
21-6°
15-5 "
Südliche Hemisphäre
IS^"
12°
13-6°
Erde
12-3°
16-8°
Üb"
5. Verhalten zum Licht. — Die Luft ist nicht völlig durchsichtig. Die
Theilchen derselben reflectiren das auf sie gefallene Licht, und dieses zerstreute
Licht ist intensiv genug, um das Sternenlicht zu übertönen.
Vor den schwarzen Grund des Weltraumes zieht sich dieser leuchtende Vor-
hang und wir sehen, zumal da die blauen Lichtstrahlen stärker zerstreut werden,
als die übrigen, den Himmel in blauer Farbe.*) In höheren Luftschichten, wo
in Folge der grösseren Verdünnung der Luft die Reflexion des Lichtes geringer
wird, wo der leuchtende Vorhang dünner wird, erscheint der Himmel dunkler
und dunkler. Dass die blaue Farbe des Himmels wie das weisse Licht der
Wolken vom reflectirten Licht herrührt, hat Brewster nachgewiesen, indem er
zeigte, dass dieses Licht polarisirt ist.
Feste Stoffe organischer und anorganischer Natur, Staub, Rauch u. s. w.
beeinträchtigen die Durchsichtigkeit der Luft. Ebenso flüssige Körper, also
Wasser in Form von Nebelbläschen und Wolken. Nach Wild (ig) ist der
DurcbsichtigkeitscoefBcient einer Luftschicht von 1 Meter Länge bei
Staubfreier trockener Luft 0-99718
Trockener staubhaltiger Zimmeriuft 0*99520
Staubfreier, mit Wasserdampf gesättigter Luft 0-99328
Danach vermindert Wasserdampf die Durchsichtigkeit der Luft. Dies wider-
spricht scheinbar der Erfahrung, denn wenn kurz vor oder nach dem Regen viel
Wasserdampf in der Atmosphäre enthalten ist, so erscheint die Landschaft be-
sonders klar. Es ist dies indessen die Folge davon, dass durch die Feuchtigkeit
die Menge des in der Luft suspendirten Staubes und der umherfliegenden Keime
vermindert wird. Beim Verdichten des Wasserdampfes zu flüssigem Wasser passiren
denselben besonders die gelben und rothen Lichtstrahlen, und hierauf beruht die
Erscheinung der Morgen- und Abendröthe. Cornu hat nachgewiesen, dass die
Luft ultraviolette Strahlen absorbirt (10).
Wenn der Lichtstrahl auf seinem Wege aus dem Weltraum in die immer
dichter werdenden Schichten der Atmosphäre gelangt, so wird er von seinem
♦) »Wird die Finsterniss des unendlichen Raumes durch atmosphärische, vom Tageslicht er-
leuchtete Dttnste hindurch angesehen, so erscheint die blaue Farbe.« Goethe's Farbenlehre.
I. Abtheilung. Propos. 155.
70 Handwörterbuch der Chemie.
geraden Wege abgelenkt, er wird gebrochen. Infolge dessen scheinen die Sterne dem
Zcnith näher zu stehen, als es in Wirklichkeit der Fall ist, und wir sehen die Sonne Abends
noch ganz über dem Horizonte, wenn ihr unterer Rand in Wahrheit schon um 33' unter dem-
selben steht ; der wahrnehmbare Sonnenuntergang erfolgt um zwei Zeitminuten später, der Sonnen-
aufgang um zwei Minuten früher, als der wahre. Wenn höhere Luftschichten zeitweilig dichter
sind als die der Erdoberfläche näheren, oder wenn zwischen dem Beobachter und dem sicht-
baren Gegenstand Luftschichten von verschiedener Dichtigkeit sich befinden, so kann die Er-
scheinung der Luftspiegelung, der Fata Morgana, des Seegespenstes u. s. w. eintreten.
Die Brechungsexponenten der trockenen Luft bei 0° und 760 Millim. Baro-
meterstand für die FRAUNHOFER'schen Linien A, B, C, D, E, F, G, H sind nach
Ketteler (ii)
fiA = 100029286 nE = 100029584
nB = 100029345 nF = 1-00029685
«C = 100029383 nG = 100029873
nD^ 100029470 nH^ 1 00030026
Wenn ein elektrischer Funke zwischen Metallelektroden überspringt, so zeigt
das Spectrum nicht nur die Metalllinien, sondern auch die von der glühenden
Luft zwischen den Elektroden herrührenden Linien. Das Emissionspectrum
der Luft tritt am besten auf, wenn die Elektroden möglichst weit von einander
entfernt sind. Um aus den zahlreichen Luftlinien die Metalllinien zu eliminiren,
wendet man Elektroden verschiedener Metalle an; die Linien, welche gemein-
schaftlich in den Spectren vorhanden sind, wenn der Funke zwischen Platinpolen,
und wenn er zwischen Goldpolen übergeht, gehören dem Luftspectrum an. Huggins
(12), Angström (13) und Lecoq de Boisbaudran haben diese Linien genau ver-
zeichnet. Gkandeau (14) und KuNDT (15) haben in dem Spectrum des Blitzes ausser den eigent-
lichen Luftlinien auch die Linien des Wasserstoffs und des Natriums wahrgenommen. Kundt
sowohl wie Wüllner haben beobachtet, dass Zickzackblitze ein Linienspectrum, Flächenblitzc ein
Bandenspectrum (Spectrum erster Ordnung, Verbindungsspectrum) gaben. Das Bandenspectrum des
positiven Pols besteht nach Thalen (16) aus zwei Serien von Banden, die einen von der rothen
und die andern von der violetten Seite, und rührt von Stickoxyd, N O, her. Die Banden variiren
unter Umständen. Der blaue Mantel am positiven Pol zeigt immer dasselbe Spectnun. Die Ver-
schiedenheit des letzteren von dem Spectrum des Lichtes am positiven Pol hat neuerdings Gold-
stein (17) wiederum nachgewiesen. Wenn das Kathodenlicht durch stärkere Verdünnung statt der
gewöhnlichen blauen Färbung eine lila Nuance angenommen hat, so verblasst nach G. ein grüner
Streif, während sonst die Unterschiede mit dem Spectrum des positiven Lichtes bleiben. Dies
letztere aber wird dem des lilablauen Kathodenlichtes völlig gleich, wenn man die Versuchsröhre
mit dem positiven Licht möglichst evacuirt.
Das Absorptionsspectrum der Luft zeigt eine Menge Linien, die man
nur dann wahrnimmt, wenn die durchstrahlte Schicht mehrere Meilen lang ist.
Zanitdeschi fand zuerst, dass, wenn die Sonne sich dem Horizont nähert, neue
Linien sichtbar werden und bereits vorhandene sich verbreitem, was seinen Grund
darin hat, dass das laicht dann einen weit längeren Weg in der Atmosphäre zu-
rückzulegen hat als am Mittag. Namentlich im Orange und Gelb treten Streifen
auf (18). Bei feuchtem Wetter erscheinen die Streifen bei spectroskopischer Be-
trachtung nicht nur des Horizonts, sondern auch der oberen Regionen des Himmels.
Auf hohen Bergen dagegen, wo die Schicht der Atmosphäre dünn ist, sieht man
im Spectrum ultraviolette Theile, deren Wahrnehmbarkeit unter gewöhnlichen
Umständen nicht möglich ist, wie Janssen im Himalaya, Cornu in den Alpen
beobachtet hat. Brewster und Gladstone haben die atmosphärische Absorptions-
linie zuerst aufgezeichnet (19).
Egoroff (20) hat bei Betrachtung des Spectrums eines elektrischen Lichtes auf dem Mont
Atmosphäre. 71
Valerien von der Pariser Sternwarte aus zwei breite Banden und vier schmale Streifen entdeckt, von
welchen bisher nur einer bekannt war, und welche Streifen des Emissionsspectrums nach Ang-
STRÖM und Thal^ entsprechen.
Das Absorptionsspectrum ist neuerdings auch von Chappuis (21) studirt worden. Dasselbe
zeigt 1 1 dunkle Banden, von denen einige mit Linien zusammenfallen, die Angström verzeichnet
hat Chappuis schliesst aus dem Spectrum, dass das Ozon eine Ursache der blauen Farbe des
Hnnmels ist. Dieselbe Ansicht haben auch CoRNU uud W. N. Hartley (22) geäussert
Bei sehr starker Dispersion lösen sich die Absorptionsbanden in feine
Streifen auf. Die Absorption der Atmosphäre erstreckt sich nicht nur auf den
rothen Theil des Spectrums, sondern auch auf den violetten und ultravioletten,
welche Theile gegen Sonnenuntergang fast völlig ausgelöscht werden. Dies ist
leichter mit Hülfe photographischer Platten als durch Okularbeobachtung zu er-
kennen (23).
6. Verhalten zum Magnetismus. Die Luft ist in Folge ihres SauerstofT-
gehaltes eine magnetische Substanz. Man hat die täglichen Variationen der De-
clinationsnadel auf die Aenderungen des magnetischen Verhaltens der Atmosphäre
in Folge der Temperaturschwankungen zurückzuführen versucht
7. Atmosphärische Elektricität Die atmosphärische Elektricität macht
sich besonders in den Gewitterwolken bemerkbar. Zur Nachweisung der elektrischen
Spannung in diesen wendete Benj. Franklin 1749 eine oben zugespitzte, isolirte,
vertikal aufgestellte Metallstange an. Dieselbe wird durch Vertheilung elektrisch;
indem am oberen Ende die der Gewitterwolke ungleichnamige Elektricität durch
die Spitze ausströmt, nimmt man am unteren Ende der Stange die gleichnamige
wahr. Franklin's Apparat ist die Grundlage aller Elektroskopen und Elektro-
meter für atmosphärische Spannungserscheinungen geworden.
Die Elektricität der Gewitterwolken wechselt nach Zeichen und Spannung ungemein häufig.
Saussure fand während eines Gewitters nicht die Zeit, diesen Wechsel aufzuzeichnen. Ein
ähnlich rascher Wechsel findet auch in den Wolken statt, wenn sie sich zu Regen verdichten.
Nebel sind stets positiv elektrisch. Der ganz wolkenlose Himmel übt stets einen positiv elek-
trischen Einfluss aus. Vor Sonnenaufgang |und am Nachmittag zeigen sich zwei Minima, am
Vormittag und in den ersten Nachtstunden zwei Maxima; jährlich tritt ein Maximum im Januar,
ein Minimum im Mai auf.
Während Biot (24) jedes Theilchen der Atmosphäre für elektrisch annimmt,
so zwar, dass mit Entfernung der Luftschichten von der Erdoberfläche die
Dichtigkeit der Elektricität zunimmt, ist nach Lamont die reine atmosphärische
Luft gar nicht elektrisch, sondern die Erde besitzt eine gewisse Menge negativer
Elektricität, welche durch die Erhöhungen der Erdoberfläche und durch die in
der Atmosphäre schwebenden Nebelbläschen modiflcirt wird (25).
8. Quantitative Zusammensetzung der Luft. Erst verhältnissmässig
spät hat man sich mit der chemischen Beschaffenheit der I^uft beschäftigt. Die
Mehrzahl der mechanischen Eigenschaften der Luft waren bereits bekannt, als man
von ihrer wirklichen Zusammensetzung noch nichts wusste. Im 9. Jahrh. hatte der
arabische Chemiker Geber erkannt, dass Blei und Zinn bei ihrer Calcination an der Luft an
Gewicht zunehmen, und er hatte dies ganz richtig der Aufnahme gewisser Lufttheilchen zuge-
schrieben. Eck V. SuLZBACH (1489), Paracelsus und Agricola im 16. Jahrh., Caesalpinüs
(um 1602), Jean Ray (1630), Robert Boyle (1661), sie alle haben die Gewichtszunahme der
in der Luft erhitzten Metalle beobachtet, aber Versuche, um zu erfahren, ob ein Theil oder die
Gesammtheit eines Luftquantums absorbirt würde, wurden nicht angestellt Boyle erklärte die
Gewichtszunahme der Metalle beim Verkalken dadurch, dass er sagte, dieselben nähmen »Feuer-
materie« auf. Hocke erkannte 1665, dass der Salpeter die Verbrennung ähnlich befördere wie
die Lnft und schloss daraus, dass in der Luft und im Salpeter derselbe die Verbrennung unter-
72 Handwörterbuch der Chemie.
haltende Bestandtheil enthalten sei. Mayow, ein Schüler Boyle's, verfolgte diese Thatsache
weiter (1669). Nach ihm verbindet sich das calcinirte Metall mit dem in der Luft enthaltenen
»Spiritus nitroaereus«. Er zeigte auch, dass wenn ein Körper in über Wasser abgesperrter
Luft verbrannt wird, das Volumen der letzteren abnimmt» dass dasselbe bei der Respiration statt-
findet, und er entdeckte somit die Analogie zwischen Verbrennung und Athmung.
Diese richtigen Anschauungen Mayow's über die Zusammensetzung der Luft fanden nicht die
gebührende Beachtung und wurden von seinen Nachfolgern bald vergessen. Die SxAHL'sche Phlo-
gistontheorie kam auf und gewann die Alleinherrschaft in der Chemie. Nicht Theilc der Luft
oder der Innenmaterie verbinden sich mit dem brennenden Körper, sondern das in jedem brenn-
baren Stoffe enthaltene Phlogiston entweiche bei der Verbrennung; der Sauerstoff war dephlo-
gistisirte Luft.
Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts wufde die Untersuchung der Luft wieder aufgenommen.
Es war die Epoche der pneumatischen Chemie, der Untersuchung' der verschiedenen Luftarten.
RuTHfeRFORD zeigte 1772, dass die Luft einen Bestandtheil enthalte, welcher den Athmungs- and
Verbrennungsprozess nicht zu unterhalten vermöge. Priestley und unabhängig von ihm Scheele
lehrten bald darauf (1774) den anderen die Verbrennung und das Athmen unterhaltenden Be-
standtheil darstellen. Dass jener als mephitische oder phlogistisirte Luft bezeichneter Stoff ein
einfacher Körper ist, wurde von Lavoisier erkannt, der ihm den Namen Azote gab, während
Chaftal den Namen Nitrogenium einftihrte und im Deutschen das Gas als Stickstoff .bezeichnet
wurde. Der andere, die Verbrennung unterhaltende Bestandtheil der Luft wurde von LAVOISlElt
Oxygene, im Deutschen Sauerstoff genannt.
Bei der Bestimmung der Zusammensetzung der Luft, die nach der Entdeckung des Sauer-
stoffs und Stickstoffs von vielen Seiten in Angriff genommen wurde, kam man in Folge mangd-
hafter Methoden zu verschiedenen Resultaten. Man schloss daraus, dass die Zusammensetsung
der Luft an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten eine andere sei, dass die Luft um
so besser sei, je mehr Sauerstoff darin enthalten sei. Der Apparat, der zur Luftanalyse diente,
sollte die Güte der Luft messen: er wurde deshalb Eudiometer (von e6Wa, heiteres Wetter
und fA^Tpov, Maass) genannt, ein Name, der für das analytische Gasmessrohr Bürgerrecht ge-
wonnen hat
Cavendish Stellte im J. 1881 durch sehr zahlreiche Untersuchungen fest,
dass die Luft stets dieselbe Zusammensetzung habe. Auch Lavoisier und andere
Chemiker fanden, dass die unter verschiedenen Verhältnissen gesammelte Luft,
die über dem Meeresspiegel, die auf hohen Bergen, die im Binnenlande ent-
nommene Luft; Stickstoff und Sauerstoff stets in demselben Verhältniss enthielt.
In Folge dessen lag die Annahme nahe, dass die Luft eine chemische Ver-
bindung sei. In der That glaubten Prout, Döbereiner, Thomson u. A., dass
sie aus 4 Raumtheilen Stickstoff und 1 Raumtheil Sauerstoff chemisch zusammen-
gesetzt sei.
Gegen diese Ansicht lassen sich verschiedene Gründe geltend machen.
Eine aus 4 Atomen Stickstoff und 1 Atom Sauerstoff bestehende Verbindung
^vürde in 72 Gewichtstheilen 4 x 14 = 56 Gewichtstheile Stickstoff und 16 Ge-
wichtstheile Sauerstoff oder in 100 Thln. 77-8 N und 22*2 O enthalten. Die
Analyse ergiebt aber, dass 100 Gewichtstheile von Kohlensäure und Wasser be-
freiter Luft aus 77 Gewichtstheilen Stickstoff und 23 Gewichtstheilen Sauerstoff
bestehen. Die Differenzen mit der für N4O berechneten Zusammensetzung sind
aber zu gross, um sie als Fehler der analytischen Methoden ansehen zu können. —
Femer gewinnt man durch Mischen von 21 Raumtheilen Sauerstoff und 79 Raum-
theilen Stickstofl ein Produkt, welches in seinen Eigenschaften vollständig mit der
Lufl übereinstimmt. Bei dieser Mischung ist aber keine Temperaturverändenmg
wahrzunehmen, was der Fall sein müsste, wenn eine chemische Verbindung ein-
getreten wäre; es tritt auch keine Verdichtung ein, was im letzteren Falle wahr-
Atmo!(phäre. 73
schemlich stattfinden müsste. — Weiter ist die Löslichkeit des atmosphärischen
SauerstofTs in Wasser grösser als die des atmosphärischen Stickstoffs. Das
letztere Gas ditfundirt durch einen porösen Körper in einen luftleeren Raum in
grösserer Menge als der Sauerstoff. Beides würde nicht stattfinden, wenn die
Luft ein chemisches Individuum wäre.
Gegen eine solche Annahme erklärte sich besonders Dalton. Weil der
Sauerstoff schwerer ist als der Stickstoff, so müsse, meinte er, in den unteren
Schichten des Gemenges dieser Gase mehr Sauerstofli enthalten sein als in den
oberen. Diese Ansicht ist indessen durch zahlreiche Versuche widerlegt worden,
unter welchen wir besonders die Analysen von Gay-Lussac, der im Luftballon
Luft aus einer Höhe von 7000 Metern gesammelt hatte und von Brunner, welcher
die Luft auf dem Faulliom und anderen alpinen Gipfeln untersucht hat, er-
wähnen wollen. Neuere Analysen der Luft haben freilich eine sehr geringe Ab-
nahme des Sauerstofls in grösseren Höhen und überhaupt Schwankungen im
Sauerstoffgehalt ergeben.
a) Bestimmung des Sauerstoffs. Um die Analyse der Luft auszu-
führen, suchte man von jeher einem bestimmten Volumen derselben im kohlen-
säurefreien Zustand den Sauerstoff zu entziehen, um alsdann das zurückbleibende
Stickstoff- Volumen zu messen, event auch die Gewichtszunahme des den Sauer-
stoff absorbirenden Stoffes zu bestimmen.
Unter der grossen Menge leicht oxydirbarer Körper hat man zu dem ge-
nannten Zwecke die verschiedenartigsten angewendet. Ohne auf die Geschichte
dieser analytischen Untersuchungen näher einzugehen, wollen wir nur die Methoden
kurz erwähnen, welche genaue Resultate zu geben vermögen.
In der Kälte schon wird einem Luftvolumen der Sauerstoff durch Phosphor
entzogen, welcher Körper zu diesem Zwecke zuerst von Berthollet angewendet
worden ist
In die in einer graduirten Röhre über Qaecksilber befindliche Luft bringt man ein an einem
Platin- oder Kupferdraht befestigtes Stückchen Phosphor und lässt denselben so lange dort, bis
das Gasvolumen nicht mehr abnimmt. Die Absorption wird erleichtert, wenn Feuchtigkeit zu-
gegen ist Nach O. Lindemann (26) wird die Luft aus einer Messröhre, wie bei dem ORSAT'schen
Gasuntersuchungsapparat, in die Absorptionsröhre geschafft, welche mit Wasser und dünnen
PhotphoTStangen geftlUt ist. Nach Verdrängung des Wassers tritt die Oxydation sofort ein, nach
deren raschen Vollendung man das Gas wieder in die Messröhre zurücktreten lässt und hier
dessen Volnmenabnahme ermittelt.
Bei der Absorptionsanalyse mit Phosphor darf die Temperatur nicht zu niedrig sein. Bei
20^ verlftuft die Oxydation in befriedigend rascher Weise, i>ei 7^ hört sie gänzlich auf.
Eine andere volumetrische Methode der Luflanalyse beruht auf der Ver-
bindung des Sauerstoffs mit chemisch reinem Wasserstoff zu Wasser. Das im
Eudiometer befindliche Luftvolumen wird mit einer bestimmten hinreichenden
Menge Wasserstoffgas gemischt, und dies Gemisch wird durch den elektrischen
Funken zur Explosion gebracht, wobei sich 2 Volumina Wasserstoff mit 1 Volumen
Sauerstoff zu Wasser verbinden. Aus der Volumenverminderung des Gasgemisches
nach der Verpuffung und Abkühlung» lässt sich demnach die in Wasser überge-
geführte Menge Sauerstoff leicht berechnen ; sie ist = ^ derselben.
Dies Verfahren, welches zuerst von Volta angewendet worden ist, hat durch R. Bunsen
eine ausserordentliche Schärfe erlangt. Die BuNSEN'schen Verpuffungsröhren sind 800 bis
lOOD Millim. lang, 20 bis 22 Millim. weit, ihre Glasdicke braucht nur etwa 2 Millim. zu be-
tragen. Die Platindrähte, zwischen welchen der elektrische Funke überschlägt, sind am oberen
geschlossenen Ende eingeschmolzen. Die Röhren erhalten mittelst der Theilmaschine eine ge-
74
Handwörterbuch der Chemie.
naue Millimetereintheilung, und die den Graden derselben entsprechende Capacität wird aufs
genaueste ermittelt (27).
Döbereiner benutzte eine verplatinirte Thonkugel, um die Vereiniguni? des
Sauerstoffs mit dem Wasserstoff allmählich und ohne Explosion herbeizuführen;
allein die gasabsorbirende Kraft der porösen Platinthonkugel beeinträchtigt die
Genauigkeit der Resultate.
Dagegen gestattet die Verbrennung des explosiven Gasgemisches mit Hülfe
von Palladium-Asbest oder einem elektrisch glühenden Palladiumdraht nach
Gl. Winkler (28) genaue und gefahrlose Bestimmungen.
Man lässt das Gasgemisch aus einem Messrohr in langsamem Strome durch ein CapUlar-
rohr treten, welches von einem mit Palladium Überzogenen Asbestfaden angefüllt und von einer
Flamme gelinde erhitzt ist. Die Gase gelangen in eine Pipette, aus welcher man dieselben
wieder in die Messröhre zurücktreten lässt. Statt dessen kann man ein CapiUarrohr benutzen, in
welches Platindrähte eingeschmolzen sind, die durch einen ganz dünnen Palladiumdraht verbunden
sind, und man kann diesen durch den elektrischen Strom ins Glühen bringen.
Regnault und Reiset, femer Frankland und Ward haben Apparate zur Bestimmung des
SauerstofTgchalts der Luft construirt, mittelst welcher die Fehlergrenzen bis auf ^j^p herab-
gedrückt sind.
Einem Luflvolumen kann der Sauerstoff rasch durch eine alkalische Lösung
von pyrogallussaurem Alkali entzogen werde. Dies Verfahren ist bereits
1820 von Chevreul eingeführt, später von J. v. Liebig genauer ausgearbeitet
worden.
Man bringt mittelst einer Pipette mit gekrümmter Spitze Kalilauge und dann Pyrogallus-
säurelösung in das Eudiometer, oder man fUhrt die letztere ein, indem man eine an einem
Platindraht befestigte Kugel von Papiermache mit pyrogallussaurem Kali tränkt und in die Röhre
bringt. Die Saucrstoffabsorption erfolgt rasch, indem sich die Flüssigkeit infolge Bildung humus-
artiger Substanzen tiefbraun färbt. Nach Untersuchungen von Boussingault (29), sowie von
Calvfrt und Ci,oez (30), bildet sich dabei eine geringe Menge Kohlenoxyd, was die Genauig-
keit der Bestimmung natürlich beeinträchtigen muss. Das Kohlenoxyd scheint übrigens nur bei
energischer Oxydation aufzutreten, weniger, wenn man mit verdünntem Sauerstoff und wenig
concentrirtem Absorptionsmittel arbeitet. Poleck (31) hat bei Luftanalysen mit Pyrogallussäure
das Auftreten von Kohlenoxyd nicht bemerkt.
Gewichtsanalytisch wurde die Zusammensetzung der Luft zuerst von Dumas
und Boussingault (32) im Jahre 1841 ermittelt Bei dieser Methode dient der
folgende Apparat
(Fig. 46).
Ein Ballon V vob
15 bis 20 Liter Raum-
inhalt ist mit einer
Armatur aus Kupfer
verschen, welche den
Hahn // besitzt und
auf die Luftpumpe ge-
schraubt werden kann.
Der Ballon wird durch
die Hahnröhre r in
Verbindung mit der
Röhre ab aus schwer
(Ch. 46.) schmelxbarem Glase
gebracht, welche mit metallischem Kupfer angefüllt ist. Ballon und Röhre sind luftleer gemacht,
und ihr Gewicht ist mit Sorgfalt ermittelt. Die Röhre, welche in einem Verbrennungsofen liegt,
wird an ihrem Ende ^*durch Vermittlung der Hahnröhre r mit einer Anzahl von Absorption»-
Atmosphäre.
75
röhren C, B^ A, verbunden. A ist ein LiEBiG'scher Kugelapparat, der zum Zweck der Absorption
von Kohlensäure mit Kalilauge geftillt ist; die U-Röhren enthalten mit Schwefelsäure imprägnirtc
Bimsteinstttckchen, um das Wasser der zu untersuchenden Luft zurückzuhalten. Sicherer ist es,
die Anzahl dieser Absorptionsapparate zu vermehren. Man erhitzt nun bei geöffneten Hähnen
r die mit Kupfer gefüllte Röhre zum Glühen. Wird dann der Hahn u des Ballons geöffnet,
so fliesst Luft, deren Geschwindigkeit man durch Beobachtung der den Kaliapparat passirenden
Blasen ermessen kann, durch diesen, wo sie ihre Kohlensäure verliert, durch die Wasser ab-
sorbirenden U-Röhren in die glühende Röhre, wo sich der Sauerstoff vollständig mit dem Kupfer
verbindet, so dass reiner Stickstoff in den Ballon dringt. Sobald hier das Gleichgewicht mit dem
Luftdruck hergestellt ist, schliesst man den Hahn u, lässt die Röhre ab erkalten und wägt beide
Theile. Die Gewichtszunahme des Ballons giebt die Menge des eingetretenen Stickstoffs an, die
Gewichtszunahme der Röhre die Menge Sauerstoff, welche sich mit dem Kupfer verbunden hat,
phis der Menge Stickstoff, welche die Röhre anfüllt. Das Gewicht der letzteren wird bestimmt,
indem man die Röhre lufdeer macht und ein drittes Mal wägt. Wenn man dasselbe zu dem
Gewicht des im Ballon enthaltenen Stickstoffs hinzufügt, so hat man das Gewichtsverhältniss,
in welchem Sauerstoff und Stickstoff in der kohlensäurefrcien und trocknen Luft enthalten sind.
Ein von Ph. v. Jolly (33), angegebener Apparat gestattet, die Bestimmung
des SauerstofTgehalts der Luft in kurzer Zeit mit grosser Genauigkeit auszuführen.
Mittelst desselben wird der Sauerstoff ebenfalls durch glühendes Kupfer entfernt,
das Kupferoxyd aber nicht gewogen.
Das Glasgefäss A von etwa 100 Cbcentim. Inhalt wird mit der zu untersuchenden Lufit
gef)Ult, indem bei passender Stellung des Dreiweg-
halin b das sich hier anschliessende Glasrohrende
mit der Luftpumpe verbunden wird. Durch Um-
hüllung des Gefässes A mit dem Blechcylinder B
der mit gestossenem Eis angefitUt ist, wird die
Luft auf die Temperatur 0° gebracht. Die Messung
des Druckes wird mittelst; der beiden durch Gummi-
scblauch mit einander verbundenen Glasröhren d
und g ausgeführt. Die Röhre g ist in der Hülse
f verschiebbar. Die Höhe des Quecksilbers in g
wird auf der am Stativ befindlichen Millimeterscala
abgelesen. Durch den Dreiweghahn b können
das Gefäss A und die Röhre d zugleich mit der
Atmosphäre in Verbindung gesetzt werden. Es
wird dann g so lange verschoben, bis das Queck-
silber die Spitze bei m gerade berührt. Der Drei-
weghahn wird nun so gedreht, dass A nur noch
mit d communicirt. Der abgelesene Barometerstand
giebt dann den Druck der Füllung bei 0° an.
Nun wird die in A befindliche Kupferspirale durch
den elektrischen Strom ins Glühen gebracht
(Oh. 47.)
Das
Kupfer verbindet sich mit dem Sauerstoff. Nach ^^■
wiederholtem Glühen ist keine Druckabnahme mehr
bemerklich. Der mit schmelzendem Eis gefüllte Blechcylinder wird wiederum um das Gefäss
A gebracht, und die Röhre g wird derart verschoben, dass das Quecksilber in d wieder
gerade die Spitze m berührt. Die Dnickabnahme wird an der Scala abgelesen; sie giebt den
Druck des zurückgebliebenen Stickgases an. Sei z. B. der Druck der Luft vor Erhitzung
des SauerstofEi gleich 708*50 Millim., nachher gleich 562*23 Millim., so ist das Volumen 1 auf
562*23
das Volumen = 0*79355 zurückgegangen. In 100 Raumtheilen sind also 79*355 Stick-
stoff nnd 20*645 Sauerstoff.
F. Fischer hat den Joixv'schen Apparat vereinfacht (34), indem er das KUhlgefäss B bQ-
76 Handwörterbuch der Chemie.
seitigt hat. Infolge dessen sitzt das Gefass A auf dem einen Schenkel des Manometers gd^ dessen
anderer Schenkel verschiebbar ist.
Cavendish fand als Mittel aus 400 Versuchen, dass 100 Thle. I.uft 20*83 Thle.
dephlogistisirte Luft oder Sauerstoff enthalten. Schefxe fand nach vielen Analysen
27 Vol. J Sauerstoff, Lavoisier 27 bis 28. Genauere Untersuchungen wurden im
Jahre 1804 von Gay-Lussac und Humboldt mittelst des VoLTA*schen Eudiometers
angestellt. Sie fanden im Mittel 21 Vol. Sauerstoff in 100 Vol. Luft Aehnliche
Resultate erhielten Davy und andere englische Chemiker.
Dumas und Boussingault fanden im April 1841 nach ihrer gewichtsanaljrtischen
Methode in Paris 23'01 Gew.J Sauerstoff. Nach derselben Methode fand Lew
in Kopenhagen im November und December 1841 im Mittel 22*998 , an der
Küste 23-01, Stas in Brüssel 23*04 bis 23*08, in zwei Versuchen 23-11 und 23*14,
Marignac in Genf, 1842, erhielt 23-01, 23 und 22*97 Gew.J-, Brunner in Bern
23, 22-89 und 22*97, Verver in Groningen 22*998 Sauerstoff.
Die genauen eudiometrischen Methoden von Bunsen, sowie von Regnault
und Reiset haben noch zuverlässigere Resultate ergeben. Ersterer fand in
Heidelberg den Sauerstoffgehalt zu 2096 Vol.J oder 23-17 Gew.J als Mittel aus
einer grossen Zahl von Analysen. Regnault hat sehr viele Analysen von Luft
verschiedener Orte der Erdoberfläche ausgeführt. Einige seiner Resultate sind
die folgenden (35).
Anzahl der Lokalität
Analysen
100 Paris
9 Lyon
30 Berlin
10 Madrid
23 Genf und Chamounix
17 Hafen von Toulon
5 Atlantischer Ocean
2 Ecuador
2 Gipfel des Pichincha
2 Südpolarsee
1 Meerbusen von Bengalen 20*46 —
1 Ganges bei Calcutta 20*39 —
Obgleich die gefundenen Unterschiede nur gering sind, so sind sie doch zu
gross für die bei Regnault's genauer Methode gestatteten Beobachtungsfehler.
Es geht daraus hervor, dass in den tropischen Zonen der Sauerstoffgehalt der Luft
etwas geringer ist, als in den gemässigten.
Aehnliche Verschiedenheiten zwischen Land- und Stadtluft hat Angus SBnTH
gefunden (36). Nach ihm enthält die Lufl der Haiden und Berge des schottischen
Hochlandes gewöhnlich 21 Vol.^ Sauerstoff, in der Lufl grösserer Städte sinkt
der Sauerstoffgehalt auf 20*81, in Bergwerken auf 20*26 J.
JOLLY hat nach seiner oben beschriebenen genauen Methode in den Monaten
Juni, Juli, October und November 1877 in München mehrere Versuchsreihen aus-
geführt (37), aus welchen hervorgeht, dass der Sauerstoffgehalt von 21 Ol bis 20*53jt^
schwankt, wobei die Jahreszeit und besonders die Windrichtung auf die Zusammen-
setzung der Lufl sich von Einfluss gezeigt hat. Während des Aequatorialstroms der
Atmosphäre wurde der geringste, während des Polarstroms der grösste Sauerstoff-
gehalt beobachtet. Es scheint also, dass in den Tropen die Sauerstoffabsorption
Gehalt an
Sauentoff
Minimum Maximum
20-913
20-999
20-918
20-966
20-908
20-998
20-916
20-982
20-909
20-993
20-912
20-982
20-918
20-965
20-960
—
20-949
20-988
20-860
20-940
Atmosphäre. 77
eine reichlichere ist, als in der Nähe der Pole, und dass dort der Sauerstoff-
verbrauch bei der Oxydation bedeutend grösser ist, als die Sauerstoffentwicklung
durch die Vegetation. Es ist sehr wünschenswerth, dass die meteorologischen
Stationen in Stand gesetzt würden, täglich Sauerstoff-Bestimmungen auszuführen, um
die Ursachen der Schwankungen im Gehalt der Luft aus denselben festzustellen.
Frankland hat bei Untersuchung der Luft auf hohen Schweizer Bergen eine
geringe Verminderung des Sauerstoffgehalts in grösseren Höhen constatirt.
Hieran schliesst sich eine Annahme von Morley (38), welcher aus ver-
gleichenden Beobachtungen des Luftdrucks, der Luftströmungen und der
Schwankungen im Sauerstoffgehalt der Luft folgert, dass die Luft, die weniger
Sauerstoff enthält, durch einen absteigenden Strom aus der Höhe der Atmosphäre
herbeigeführt werden, und dass dort der Sauerstoffmangel die Folge davon sei,
dass in einer verticalen Säule eines Gemisches zweier Gase von verschiedener
Dichtigkeit das specifisch schwerere sich unten, das leichtere oben sich anhäufe.
b) Ozon. Die active Modification des Sauerstoffs, das Ozon, wird in der
Atmosphäre stets, aber nur in geringer Menge angetroffen. Das Ozon bildet sich
dort durch mannigfache Processe: durch die Entladung elektrischer Schläge
aus dem Sauerstoff, auch aus dem Wasser in der Luft; femer bei den Ver-
brennungen, bei der Verdunstung von Wasser, endlich durch Aneinanderreihen
der Lufttheilchen, wodurch deren elektrischer Zustand vermehrt wird. Das Vor-
handensein des Ozons ist stets mit der Gegenwart von Wasserstoffsuperoxyd und
Ammoniumnitrit verbunden, welche letzteren beiden Stoffe ihre Bildung dem
Activwerden des Sauerstoffs, der Einwirkung des Ozons auf das Wasser und das
atmosphärische Ammoniak verdanken. Vielleicht aber ist Ozon bisher stets mit
Wasserstoffsuperoxyd verwechselt worden. Der fortwährenden Erzeugung von
Ozon steht ein fortwährender Verbrauch desselben entgegen; besonders die
organischen Verunreinigungen der Luft werden durch das Ozon zerstört.
Das starke Oxydationsvermögen des Ozons giebt Mittel zur Erkennung desselben an die
Han«L Papier, welches mit jodkaliumhaltigem Stärkekleister getränkt ist, wird durch Einwirkung
Yon Ozon infolge des Freiwerdens von Jod gebläut. Freilich wird diese Reaction auc!i durch
Chlor und die höheren Oxyde des Stickstoffs hervorgebracht. Ozonhaltige Luft verliert aber,
wie zaerst Andrews (39) gezeigt hat, diese Eigenschaft, wenn sie durch glühende Röhren geleitet
wird, während bei Gegenwart von Chlor oder den höheren Stickstoffoxyden unter gleichen Um-
ständen die Reaction nicht ausbleibt. Mit Mangansulfatlösung getränktes Papier wird durch Ein-
wirkung von Ozon infolge Bildung von Mangansuperoxyd gebräunt, von Chlor und Brom nicht;
desgl. wird Papier mit Thalliumoxydlösung durch Bildung von Thalliumtrioxyd braun, während
salpetrige Säure darauf ohne Einwirkung ist und Wasserstoffsuperoxyd das gebräunte Thallium-
papier bleicht. Ozon (auch Chlor) entfärbt Indigolösung sofort, Wasserstoffeuperoxyd thut dies
erst nach Zusatz von Eisenvitriol. Nach R. Böitger (40) ist ein gutes Reagens auf Ozon eine
vollkommen säurefreie Lösung von Goldchlorid. Papier, welches ganz schwach mit einer solchen
Lösung getränkt ist, färbt sich durch Einwirkung von Ozon erst schwach, später intensiv dunkel-
violett Salpetrige und Salpetersäure ändern das Papier nicht.
Die Menge des in der Luft enthaltenen Ozons bestimmt man gewöhnlich
colorimetrisch, meist mit Hülfe des von Schönbein zuerst empfohlenen Jod-
kaliumstärkepapiers.
Filtrirpapier wird mit einer Lösung von 15 Thln. Stärke, 200 Thb. Wasser und 1 Thl.
Jodkalinm getränkt und im Dunkeln getrocknet. Nach der Einwirkung des Ozons tritt auf Be-
feuchten des Papiers die blaue Farbe der Jodstärke deutlich hervor. Die Farbennuance wird mit
einer Farbenscala verglichen. Dies Verfahren ist aber sehr ungenau, da andere Stoffe, wie z. B.
salpetrige Säure, ja das Sonnenlicht ebenfalls Blauf^bung hervorrufen, da gewisse Agentien, wie
Schwefelwasserstoff oder schweflige Säure, die blaue Farbe zerstören, da diese auch durch blosse
78 Handwörterbuch der Chemie.
Verflüchtigung des Jods verschwinden kann, da die Beschaffenheit des Papiers von Einfluss ist,
und da endlich der Grad der Färbung nicht der Zeitdauer der Exposition des Papiers pro-
portional ist
HouzEAU benutzt deshalb die Bläuung, welche das aus dem Jodkalium durch Ozoneinwirkung
entstehende Kali auf Lakmus hervorbringt. Streifen aus weinrothem Lakmuspapier werden zur
Hälfte mit Jodkaliumlösung getränkt. Dieser Theil wird dann durch Ozon gebläut; eine Röthung
der andern Hälfte wUrde auf freie salpetrige oder eine andere Säure deuten. Auch dies Verfahren
eignet sich wegen der Schwierigkeit, ein empfindliches Lakmuspapier herzustellen und die Farben-
nuancen zu erkennen, nur zum qualitativen Nachweis.
Papier, das mit einer Lösung eines Thallosalzes getränkt ist, kann wegen der entstehenden
Bräunung ebenfalls zur Ozonoskopie benutzt werden. Das Oxyd btlsst aber durch Kohlensäure-
anziehung an Empfindlichkeit ein.
Um einigermaassen genaue Resultate zu erhalten, muss man gemessene Luftmengen durch
Röhren streichen lassen, welche das Reagenspapier enthalten, oder durch Metallsalzlösungen,
welche durch Ozon dauernd verändert werden. Z£NG£R (41) fand nach dem Passiren von 100 Liter
Luft durch eine verdünnte Lösung von Jodwasserstoff, dass das frei gewordene Jod 0*001 bis
0*002 MiUigrm. Ozon entsprach. Im Observatorium zu Montsouris bei Paris leitet man die Luft
durch eine Lösung von arsenigsaurem Kalium und Jodkalium. Das freiwerdende Jod oxydirt die
arsenige Säure zu Arsensäure. Täglich wird die durchgeleitete Luftmenge notirt, und die Flüssigkeit
mit einigen Tropfen Ammoniumcarbonatlösung und einprocentigem Stärkekleister versetzt. Dann
lässt man aus einer Bürette Jodlösung (1:1000) zutropfcn, bis bleibende Bläuung eintritt. Ein
Parallelversuch wird angestellt, indem man ebenso viel destillirtes Wasser, arsenigsaures Kalium,
Jodkalium, kohlensaures Ammoniak und Stärke nimmt und die Lösung mit derselben Jodlösung
titrirt. Die Differenz ergiebt die Menge des oxydirten arsenigsauren Kaliums, woraus der Ozon-
gehalt der angewendeten Luftmenge zu berechnen ist (42).
c) Wasserstoffsuperoxyd. Nach Em. Schöne sind alle Mittel, welche man
angewendet hat, um das Vorhandensein von Ozon in der Atmosphäre zu be-
gründen, nicht stichhaltig, und der Ozongehalt derselben sei noch unbewiesen.
Dagegen hat Schöne, wie auch früher schon Schönbein u. a., nachgewiesen, dass
Wasserstoffsuperoxyd ein normaler Bestandtheil der Atmosphäre ist.
Dieser Körper giebt mit Jodkalium und Thalliumoxydul dieselben Reactionen wie Ozon.
Eine Bräunung des Mangansulfat-Papiers findet durch Wasserstoffsuperoxyd allein allerdings nicht
statt; wohl aber, wenn eine Spur von Ammoniumcarbonat zugegen ist, welches in der Luft stets
vorhanden ist.
Ein Mittel, welches mit Sicherheit das Vorkommen von Oron in der Atmosphäre beweisen
könnte, ist das metallische Silber. Nur einmal unter vielen Versuchen bemerkte Schöne nach
längerer Frist die Bräunung einer im Freien aufgehängten Silberplatte, von der er indess ver-
muthet, sie sei durch Schwefelwasserstoff hervorgebracht.
Schöne (43) hält es nicht für nötliig, ausser dem Wasserstoffsuperoxyd noch
ein anderes oxydirendes Agens, wie Ozon, in der Luft anzunehmen.
Derselbe (44) hat vom i. Juli 1874 bis 30. Juni 1875 ^Ic atmosphärischen
Niederschläge in Moskau auf Wasserstoffsuperoxyd geprüft. Er schliesst aus
seinen Beobachtungen, dass ein Minimum an Wasserstoffsuperoxyd in den Winter-
monaten, ein Maximum im Juli vorhanden ist. In Bezug auf die Tageszeit soll
ein Maximum in den Nachmittagsstunden (4 Uhr) eintreten, ein Minimum nach
Mitternacht Bei Südwinden enthalten die atmosphärischen Niederschläge mehr
Wasserstoffsuperoxyd als bei Nordwinden, und Schöne glaubt, dass der Gehak
der Atmosphäre an demselben in dem Maasse wächst, als man sich dem Aequator
nähert.
Die Gesammtmenge Wasserstoffsuperoxyd, welche während eines Jahres mit
den atmosphärischen Niederschlägen zum Erdboden gelangt, ist nach Schöne
nur gering; sie beträgt nur 109*4 MiUigrm. auf 1 Q Meter (in 599*9 Liter Wasser)
Atmosphäre. 79
oder 1'094 Kgnn. auf 1 Hektar. In der Atmosphäre selbst ist die Menge dieses
Körpers noch geringer. Das von Schöne beobachtete Maximum beträgt
1*4 Cbcentim. Superoxyddampf in 1000 Cbcentim. Luft, das Mittel nur 0*38 Cubik-
centim. Trotzdem sind diese geringen Mengen nicht ohne Bedeutung für den
Haushalt der Natur; sind sie ja doch nur der Rest derjenigen Menge, welche
zur Oxydation von Ammoniak, organischen Fäulnissprodukten u. s. w. verwendet
worden ist.
d) Kohlensäure. Ein im Vergleich zum Sauerstoff und Stickstoff in nur sehr
geringer Menge vorhandener, aber doch sehr wichtiger Bestandtheil der Atmosphäre
ist die Kohlensäure.
Man kann die Bestimmung der Kohlensäure zugleich mit der des Wasser-
gehalts der Luft nach einem von Regnault, Brunner, Saussure u. a. ange-
wendeten Verfahren ausführen. Dasselbe besteht darin, dass man durch Aus-
fliessen von Wasser aus einem Aspirator ein bestimmtes Volumen Luft durch ein
System von U förmigen Röhren strömen lässt, in welchen geeignete Absorptions-
mittel die Kohlensäure und den Wasserdampf zurückhalten.
Die Luft muss zueist zwei Röhren passiren, welche mit Schwefelsäure getränkten Bimstcin
oder damit benetzte GlasstUcke enthalten. Hier wird die Feuchtigkeit und etwa vorhandenes
Ammoniak zurückgehalten. Zwei folgende Röhren sind mit feuchtem Aetzkalk oder Aetzkali
gefüllt, um die Kohlensäure zu absorbiren. Dann folgen zwei Röhren, die wieder mit Wasser
absorbirenden Mitteln gefUUt sind, um die von der Luft aus den beiden mittleren Röhren mit-
gerissene Feuchtigkeit zurtlckzuhalten. Die Gewichtszunahme der beiden ersten Röhren giebt den
Wassergehalt, die der drei folgenden den Kohlensäuregehalt an. Die letzte mit dem Aspirator
in unmittelbarer Verbindung stehende Röhre soll verhindern, dass aus dem Aspirator Wasserdampf
in die folgende gewogene Röhre gelange.
Das Volumen des aus dem Aspirator geflossenen Wassers ist nicht genau gleich dem
Volumen der eingetretenen Luft, sondern etwas grösser, da die in den Aspirator kommende
ganz trockne Luft sich dort mit Feuchtigkeit sättigt, d. h. sich um das Volumen Wasserdampf
ftusdehnt, welches bei der Versuchstemperatur sich bilden kann. Um diese zu erkennen, ist der
Aspirator mit einem Thermometer versehen. Man muss also das gefundene Volumen feuchter
Luft unter Berücksichtigung der Tension des Wasserdampfs bei der Versuchstemperatur auf
trockne Luft von 0° C. und 760 Millim. Barometerstand reduciren. Das Volumen der in den
Aspirator gedrungenen Luft findet man durch Messung oder Wägung des ausgeflossenen Wassers,
oder, nachdem der Rauminhalt des Aspirators genau bestimmt worden ist, durch gänzliches
Entleeren desselben. Wenn man die gefundene und corrigirte Anzahl Cubikcentimeter Luft mit
0*0012932 (dem Gewicht von 1 Cbcentim. Luft bei 0° und 7G0 Millim. Druck in Grammen)
multiplicirt, so hat man das Gewicht der Luft und kann nun berechnen, wie viel Wasser in 100
oder 1000 oder 10000 Gewichtstheilen Luft enthalten ist.
£in anderes bequemeres Verfahren zur Bestimmung des Kohlensäuregehaltes
der Luft ist von Pettenkofer angegeben (45).
Dasselbe beruht darauf, dass man einem bekannten Volumen Luft eine ge-
messene Menge titrirtes Barytwasser zusetzt. Die Kohlensäure wird von diesem
absorbirt; man lässt das ausgeschiedene Bariumcarbonat sich absetzen und titrirt
einen Theil der klaren Flüssigkeit von neuem mit Oxalsäurelösung. Die Titer-
difTerenz entspricht der Menge der absorbirten Kohlensäure.
Die Luft wird in einer 6 Liter-Flasche abgemessen. Die Capacität derselben bestimmt man
durch Wägen der Flasche, wenn sie trocken und leer und andererseits, wenn sie mit Wasser
gefiült ist Die sorgfältig getrocknete Flasche wird nun mit der zu untersuchenden Luft gefüllt,
indem man einen gewöhnlichen Blasebalg, an dessen Spitze ein bis auf den Boden der Flasche
leichendes Glasrohr befestigt ist, wirken lässt. Man bläst etwa das fünffache Volumen def
Flasche hindurch, um die in der Flasche befindliche Luft sicher zu verdrängen. Es ist daher
So Handwörterbuch der Cliemie.
gut, das von dem Blasebalg bei jedem Hube gelieferte Luftvolumen zu kennen. Nach der
Füllung lässt man mittelst einer Pipette 50 Cbcentim. einer titrirten Barytlösung auf den Boden
der Flasche laufen, verschliesst dann mit einer Kautschukkappe und notirt Temperatur und
Barometerstand. Wenn man wiederholt umschUttelt, ist nach einer halben Stunde alle Kohlen-
säure absorbirt. Man giesst dann den Inhalt der Flasche rasch in ein kleines, trocknes Fläsch-
chen, welches davon nahezu gefüllt wird, und verschliesst dieses sofort. Nach Absetzen des
Bariumcarbonats hebt man mittelst der Pipette einen Theil Flüssigkeit (20 Cbcentim.) heraus und
titrirt diesen mit -^ Normal-Oxalsäure. Wendet man eine Oxalsäurelösung mit 2*8636 Grm. im
Liter an, so entspricht l Cbcentim. derselben O'OOI Grm. CO'.
Aus der erhaltenen Menge Kohlensäure ergiebt sich leicht die von den zugesetzten
50 Cbcentm. Barytlösung absorbirte. Diese Menge war in dem bekannten Luftvolumen minus
50 Cbcentim. (welches Volumen Luft von dem zugesetzten Barytwasser verdrängt worden war) ent-
halten. Man muss noch Correcturen wegen der Temperatur- und Druckschwankungen anbringen,
d. h. das Volumen der analysirten Luft und das der gefundenen Kohlensäure auf 0° und
760 Millim. Barometerstand reduciren.
Um den mittleren Kohlensäuregehalt der Luft während einer längeren Zeit-
periode anzugeben, leitet man mittelst eines Aspirators ein durch dessen Gewichts-
differenz vor und nach dem Versuche zu bestimmendes Luftvolumen durch Baryt-
wasser von bestimmtem Gehalt, welches sich in einer nach dem Lufteintritt zu
geneigten langen Glasröhre befindet. Man lässt die durchstreichenden Luftblasen
in massiger Geschwindigkeit auf einander folgen, so dass man sie einzeln beob-
achten kann. Schliesslich lässt man den Inhalt der Absorptionsröhren in eine
kleine Flasche fliessen und titrirt das Barytwasser wie oben beschrieben. Diese
Methode ist namentlich da anwendbar, wo die Luft eines unzugänglichen Ortes
untersucht werden soll, welche man nur durch Hinftihrung einer Röhrenleitung
erreichen kann.
W. Hesse hat die PEXTENKOFER'sche Methode erheblich vereinfacht (46), in-
sofern als nach seinem Verfahren kleinere Luftvolumina beansprucht werden und
die Titrirung des Barytwassers vor völligem Absetzen des Bariumcarbonats vor-
genommen werden kann.
Mehrere kleine sogen. ERLENMEYER'sche Flaschen (von | bis ] Liter Inhalt) werden an
dem Untersuchungsorte mit Luft gefüllt, indem man daselbst die mit Wasser gefüllten Flaschen
ausleert. Man steckt dann einen doppelt durchbohrten Pfropfen auf die Flasche. In der einen
Dtirchbohrung befindet sich eine mit titrirtem und durch Rosolsäurelösung gefiirbtem Barytwasser
gefüllte 10 Cbccntim.-Pipette, deren Inhalt man in die Flasche fliessen lässt; die verdrängte
Luft kann durch die zweite Durchbohrung entweichen. Hierauf werden beide Oefihungen durch
Glasstäbe verschlossen. Nach einiger Zeit, während welcher wiederholt umgeschUttelt wurde,
bringt man in die eine Ocflnung des Pfropfens eine mit Oxalsäurelösung gefüllte Pipette, deren
Spitze möglichst tief in das Innere der Flasche reicht. Aus dieser lässt man soviel zufliessen,
bis die völlige Entfärbung die Vollendung der Neutralisation anzeigt. Bei Berechnung der
Analysen müssen Temperatur und Druck wie gewöhnlich berücksichtigt werden. Es ist zu be-
merken, dass bei dieser Methode in Folge der geringeren Luftvolumina, die im Vergleich zu der
Pkttknkofer' sehen in Anwendung kommen, die Fehler, z. B. die aus der unvermeidlichen Be-
rührung des Barytwassers mit der umgebenden Luft resultirenden, grösser werden; auch ist beim
Titriren des durch das Carbonat getrübten Barytwassers die Endreaction nur schwer zu erkennen.
Da, wo es auf grosse Genauigkeit nicht ankommt, sondern wo nur grosse
Differenzen constatirt werden sollen, kann man sich des leicht und rasch auszu-
führenden minimetrischen Verfahrens zur Bestimmung der Kohlensäure in
der Luft bedienen, welches von A. Smith herrührt und von G. Lunge verbessert
und in Deutschland bekannt gemacht ist. Nach dieser Methode wird nicht, wie
bei den bisher beschriebenen, ein bestimmtes Luftvolumen mit wechselnden
Atmosphäre. 8i
Mengen Barytlösung behandelt, sondern eine stets gleiche Menge Barytwasser
wird so lange mit der zu untersuchenden Luft behandelt, bis die erste sichtbare
Trübung des Barytwassers eintritt (47).
Ein Fläschchen (sogen. Opodeldok-Glas) von etwa 50 Cbcentim. Inhalt ist mit einem doppelt
durchbohrten Kork verschlossen. In der einen Bohrung steckt ein grades bis zum Boden der
Flasche fahrendes Glasrohr, welches am andern Ende ein Stück Kautschukschlauch trägt; durch
die andere Bohrung geht ein dicht unter dem Kork endigendes Glasrohr, das aussen rechtwinklig
gebogen, durch einen Kautschukschlauch mit einem Gummiballon von etwn 25 Cbcentim. Inhalt
verbunden ist An letzterem Kautschukrohr ist nahe am Fläschchen ein Längseinschnitt an-
gebracht, welcher wohl den Austritt, aber nicht das Eindringen von Luft beim Spiel des Ballons
gestattet Ein zweites Ventil befindet sich am Ende des graden Glasrohres. Dies wird zweck-
mässig so hergestellt, dass man in dem Kautschukschlauch auf einem Ringe eine gestielte Glas-
kugel derart befestigt, dass die Luft von oben her passiren kann, während die Flaschenluft von
unten her das Glaskügelchen an den Ventilsitz presst Man bringt nun in das Fläschchen
10 Cbcentim. Barytwasser (6 Grm. BaO in 1 Liter), verkorkt, schüttelt, und presst dann den
Kautschukballon zusammen. Die Luft desselben entweicht durch das an dem langen Ballon-
schlauch befindliche VentiL Beim Loslassen des Ballons füllt derselbe sich wieder mit Luft, die
aber nur durch das Ventil an der graden Glasröhre eintreten kann und somit das Barytwasser
passiren muss, wo sie ihre Kohlensäure abgiebt Man wiederholt diese Ballonfüllungen so lange,
bis der Inhalt des Fläschens so trübe geworden ist, dass eine Marke an demselben nicht mehr
deutlich erkannt werden kann. Diese Marke besteht in einem schwarzen Strich auf einem weissen
Papier, welches, mit dem Strich nach innen, an der Flaschenwand befestigt ist Die Anzahl der
Ballonfüllungen plus dem Inhalt des Fläschens giebt das Luftvolumen, welches bis zum Eintreten
der Trübung erforderlich war. Diese Luftmengen variiren nach dem Vorhandensein von
Kohlensäure.
Dies Verfahren ist zwar sehr einfach, ist aber mit vielen Fehlem behaftet Volumen des
Fläschens und des Ballons, Durchmesser des ersteren, Dicke und Farbe des Glases, Undeutlich-
keit des Index sind von grossem Einfluss und werden selten bei zwei Apparaten völlig überein-
stimmen. Auch sollte ein jeder Apparat geaicht werden, d. h. es sollte nach der Pettenkofer'
sehen Methode bestimmt werden, welcher Kohlensäuregehalt der Luft der verschiedenen Zahl von
Ballonfüllungen entspricht Lunge hat zwar eine Tabelle dafür entworfen ; allein abgesehen von
der Schwierigkeit, dem Ballon stets genau dieselben Dimensionen zu geben, ist es nicht leicht,
die Luft vollständig aus dem Ballon zu pressen oder dies in sich stets gleichbleibender Weise
zu thun. Man kann von den hieraus sich ergebenden Fehlem dadurch unabhängig werden, dass
man an Stelle des Kautschukballons einen graduirten Aspirator anbringt, aus dem man das
Wasser bis zum Eintritt der Trübung ausfltessen lässt.
Ein Verfahren, die Kohlensäure der Luft direkt auf gasvolumetrischem V^ege
zu bestimmen, ist von Cl. V^inkler mitgetheilt worden (48).
Ein cylindrisches Glasgefäss von etwa 5 Liter Inhalt, welches an beiden Enden in Rohr-
ansätze ausläuft, ist von einem Blechmantel a umgeben. Der Zwischenraum wird zur Abhaltung
von Temperaturschwankungen durch Hahn h mit Wasser geftült Auf dem Glasgefäss sitzt ein
cylindrischer Trichter ^, der durch einen mit Quetschhahn c versehenen Kautschukschlauch mit
jenem verbunden ist Der untere Rohransatz ist mit einer Marke m versehen, bis zu welcher
der Inhalt des Glasgefässes bestimmt ist. An diesem Rohransatz sitzt ein durch einen Quetsch-
hahn e abschliessbarer Kautschukschlauch, welcher ein Stück Glasrohr trägt Dieses kann durch
Sdüauchverbindung mit einer Kautschukpumpe p oder mit einer Bürette ä in Anschluss ge-
bracht werden. Das cylindrische Blechgeftlss ruht mit zwei in der Höhe seines Schwerpunkts
angebrachten Zapfen in den Lagern eines Stativs und kann durch einen einfachen Mechanismus
um diese Achse gedreht werden. Mit Hülfe der Kautschukpumpe ftült man nun das Glasgeftlss
mit der zu untersuchenden Luft, stellt dann die Verbindung mit der mit Wasser geftlllten Bürette
dmch den an dieser befestigten, ebenfalls mit Wasser geftlllten Schlauch / her und lässt nun
aas der Bürette so viel Wasser zufliessen, dass dasselbe bis an die Marke des Rohransatzes
reicht. Man schliesst die Quetschhähne e und c und dreht das GefUss a mehrere Male. Die
Ladsmuikc, Chemie. U. 6
82
Handwörterbuch der Chemie.
Luft hat sich nun mit Feuchtigkeit gesättigt Nachdem man das Gefäss wieder vertikal ge-
stellt hat, öfihet man momentan
den Hahn c, um 'einen Ueber-
druck zu beseitigen, und man
hat nun ein genau abgemessenes,
mit Feuchtigkeit gesättigtes Luft-
volumen im Apparat Durch Ab-
saugen entfernt man die geringe,
unter Marke m befindliche Wasser-
menge, und führt durch Trichter
b und Oeffhen des Quetschhahns
c etwas concentrirte Kalilauge in
den Apparat Man wäscht mehr-
mals mit Wasser nach. Dann
dreht man den Apparat. Nach
rasch erfolgter Absorption der
Kohlensäure stellt man den Ap-
parat vertikal, füllt den Trichter b
mit Wasser, öffnet den unteren
Quetschhahn e und lässt die
Kalilauge abfliessen. Durch Oeff-
nen von c lässt man etwas Wasser
eintreten und durch Oeffhen von
^ wieder ausfiiessen. Nach wenigen
Wiederholungen ist die Kalilauge
völlig ausgewaschen.
Durch die Absorption der
Kohlensäure hat das Luftvolumen
(Ch. 48.) ^^ ^ gjjjg Verminderung erfahren,
welche folgendermaassen bestimmt wird. Man bringt das Wassemiveau wieder bis auf die
Marke m. Dann setzt man in den Hals des Trichters b mittelst eines Gummistopfens ein
mit gefUrbtem Wasser gefülltes U-förmiges Manometer ein. Hierauf verbindet man den mit
Wasser gefüllten BUrettenschlauch / mit dem ebenfalls mit Wasser gefüllten Schlauchende ^,
öffnet den Quetschhahn c und lässt nun solange Wasser aus der Bürette in das Luftgefäss ein-
fliessen, bis die Flüssigkeit in beiden Manometerschenkeln zeigt, dass der Druck im Innern des
Gefässes mit dem äusseren sich ins Gleichgewicht gestellt hat Das Volumen des eingetretenen
Wassers entspricht dem Volumen der in dem verwendeten Luftquantum vorhanden gewesenen
Kohlensäure. Das Resultat wird auf Normaldruck und Normaltemperatur reducirt. Wenn bei
dem Versuche sorgfältig Temperaturänderungen vermieden werden, so giebt der Apparat in kurzer
Zeit zuverlässige Resultate.
Zu sehr genauen Bestimmungen der atmosphärischen Kohlensäure bedient
sich J. Reiset (49) des folgenden Apparates, in welchem die Kohlensäure durch
Baryt absorbirt wird.
In dem Glascylindcr 7" sind drei dünnwandige, leicht konische Platinschalen C, C\ C" durch
Reibung festgehalten. Der Boden dieser 40 Millim. im Durchmesser weiten Schalen ist mit
120 Löchern von 0*5 Millim. durchbohrt. Das Rohr T von 0*6 Meter Höhe wird mittelst der
Kautschukkappe ^ in der doppelt tubulirten Flasche F befestigt. In die Flasche kommen
300 Cbcentim. Barytwasser. Das Rohr A ist in Verbindung mit dem Aspirator. Die zu ana-
lysirende Luft tritt durch Rohr A welches in der Tubulur /' steckt. Wenn der Apparat im Gange
ist, bleibt da^ Barytwasser in den drei Abtheilungen B, B\ B" suspendirt, und die durch die
Lücken der Platinschalen fein zertheUte Luft kommt in häufige Berührung mit dem Absorptions-
mittel. Nach Beendigung des Versuchs enthält die Flüssigkeit in B sehr viel Bariumcarbonat,
die in B' ist milchig, die in ^" ist klar. In der U-Röhre /, welche mit Schwefelsäure ge*
Atmosphäre.
83
tränkten Bimstein enthält, wird die atmosphärische Feuchtigkeit zurückgehalten. Dieselbe ist vor
dem Versuch gewogen. In der kleinen Erweiterung an der Krümmung der U-Röhre kann sich
die herabfliessende verdünnte Schwefelsäure sammeln. Auf diese Weise kann durch das An-
sammeln derselben keine Druckvermehrung sich der durchstreichenden Luft entgegenstellen. Die
ebenfalls gewogene Absorptionsröhre // giebt die Anzahl Cbcentim. Wasser, welche dem Baryt-
wasser hinzugesetzt werden müssen, um das durch die trockene Luft in diesem zum Verdampfen
gebrachte Wasser zu ersetzen. Die Wände des Rohres T werden mit 100 Cbcentim. Wasser ab-
gewaschen, welches man durch die Mündung O einführt Mit Hülfe einer kleinen Pumpe, welche
entkohlensäuerte Luft liefert, wird die Flüssigkeit in F und T vollkommen gemischt Nach der
Mischung wird eine Probe des Barytwassers genommen, welche nach Abscheidung des Barium-
carbonats titrirt wird Dies geschieht, indem der eine Schenkel eines Hebers durch t' bis auf
den Boden der Flasche F gebracht wird und durch die an A angeschlossene Pumpe eine gewisse
Menge in ein kleineres Flaschen gedrückt wird. Für jede Bestimmung werden durch den leicht
zu handhabenden Apparat 600 Liter Luft gesaugt.
Von A. MüNTZ und E. Aubin (50) wird die Bestimmung der Luft-Kohlensäure
in der Weise ausgeführt, dass diese durch einen absorbirenden Körper fixirt, als-
dann in Freiheit gesetzt und dem Volumen nach bestimmt wird.
Eine an beiden Seiten ausgezogene Röhre ist mit Bimsteinstückchen gefüllt, die mit Kali-
lauge imprägnirt sind. Die Lauge wird vorher mit Barythydrat geschüttelt, um sie von Kohlen-
säure zu befreien. Für eine Spur Kohlensäure, die dennoch zurückbleibt, muss eine Correction
angebracht werden. Die Röhren erhalten eine bestimmte Menge Lauge, werden dann zuge-
schmolzen und erst unmittelbar vor Beginn des Versuchs wieder geöffnet. Nach dem Versuch
werden sie wieder zugeschmolzen und können dann zu späterer Zeit im Laboratorium untersucht
werden. Ftir jede Bestimmung werden 200 Liter Luft mittelst eines Aspirators durch eine Kali-
röhre gesaugt. Soll die in dieser fixirte Kohlensäure bestimmt werden, so wird ein Ende ge-
ö&et und die Röhre mittelst der Quecksilberluftpumpe evacuirt. Dann lässt man vom anderen
Ende her verdünnte Schwefelsäure zufliessen, und führt die entwickelte Kohlensäure in eine gra-
duirte Röhre über, wo sie durch Absorption mittelst Kalihydrat bestimmt wird.
Die Schwankungen im Kohlensäuregehalt der Luft erfolgen innerhalb enger
Grenzen und sind von localen Ursachen abhängig.
Th. V. Saussure (51) hat zuerst, 1827, genaue Bestimmungen der Kohlen-
säure (durch Absorption in Barytwasser, Umwandlung des Carbonats in Sulfat und
Wägung des letzteren) ausgeführt. Er fand als höchste Zahl 5*74 Vol., als
niedrigste 3-15, im Mittel 4-1 Kohlensäure in 10000 Vol. Luft. Verver (52) hat
6»
84 Handwörterbuch der Chemie.
im Mittel von 90 Versuchen 4*18 Vol. gefunden, Lewy (53) im J. 1847 ^^^ ^^4^
in Neu-Granada im Mittel 4*01 Vol., Gilm in Innsbruck von 3*8 bis 4*6 Vol.
Nach diesen ziemlich übereinstimmenden Versuchen enthalten 10000 Vol.
Luft im Mittel 4*1 Vol. und dem Gewichte nach 6*2 Thle. Kohlensäure.
Neuere Untersuchungen zeigen indess, dass diese 2^hlen zu hoch sind.
Seit einigen Jahren führt J. Reiset (54) auf einer frei liegenden Feldstation,
8 Kilometer von Dieppe entfernt, Kohlensäurebestimmungen mittelst des oben
beschriebenen Apparates aus. Als Mittel aus einer Reihe von 91 Versuchen von
Juni 1879 bis zum ersten Frost ergaben sich 2*978 Vol. Kohlensäure auf
10000 Vol. Luft Eine frühere Versuchsreihe vom 9. Sept. 1872 bis zum
20. Aug. 1873 hatte 2'842 Vol. ergeben. Die Uebereinstimmung ist also nahezu
vollkommen.
Zu derselben Zeit hat Marii^-Davy (55), im Observatorium vom Montsouris
Bestimmungen vorgenommen, welche Schwankungen des Kohlensäuregehalts der
Luft von 2-2 bis 36 Vol. pro 10000 aufweisen.
Aehnliche Zahlen wie Reiset, hat G. F. Armstrong (56) in Grasmere, West-
moreland, gefunden, nämlich als Mittel zur Tageszeit 2*9603 Vol., zur Nachtzeit
3-2999 Vol. pro 10000.
MüNTZ und AuBiN haben mit Hülfe ihres beschriebenen Apparates Be-
stimmungen der Kohlensäure von Luft aus der Ebene (Stadt Paris und Ebene
von Gravelle) und auf hohen Bergen (Pic du Midi in den Pyrenäen, 2877 Meter)
ausgeführt und im Mittel ftir erstere 2-85, ftir letztere 2*86 Vol. auf 10000 ge-
funden (57). Auch diese Zahlen bestätigen die von Reiset erlangten Resultate.
Früher schon haben Boussingault und Lewy bei ihren gleichzeitigen Ver-
suchen in Paris 3*19, auf dem Lande zu Andilly 2*99 Vol. Kohlensäure ge-
funden (58).
Nach den Beobachtungen von Saussure zeigt sich ein gewisser Wechsel in
dem Gehalt an Kohlensäure nach Tages- und Jahreszeiten. Nachts ist danach
die Luft in der Nähe der Erdoberfläche kohlensäurereicher, als am Ende des
Tages, zu welcher Zeit ein Minimum vorhanden ist. Reiset giebt ftir die Nacht-
zeit den Kohlensäuregehalt zu 3*084 Vol. an, während derselbe am Tage 2*891
beträgt. Am kohlensäurereichsten ist die Luft bei nebligem Wetter, im Mittel
von 12 Beobachtungen 3*166 Vol.
Die Abweichungen, welche Mariä-Davy erhalten hat (s. oben) und welche er für eine
Folge der grossen Windströmungen und deren Verschiedenheit von Reiset's Zahlen als bedingt
durch die Lage der Versuchsorte erklärt, sind nach Reiset die Folge mangelhafter Versuchsan-
ordnung. Letzterer betont die Constanz im Kohlensäuregehalte der Atmosphäre und erklärt die-
selbe durch die Beweglichkeit und Difiundirbarkcit der Luft.
Th. Schloesing (59) schreibt nicht allein diesen Ursachen den Ausgleich im Kohlensäure-
gehalt zu, sondern nennt das Meer den wichtigsten Regulator. Nach seinen Versuchen sind im
Wasser des Canals im Liter 98*3 Milligrm. Kohlensäure und eine Menge von Carbonaten ent-
halten, welche 99*3 Milligrm. Schwefelsäure aequivalent ist. Das Aequivalentverhältniss der
Kohlensäure zu den Basen ist demnach 4*47:2*48, woraus folgt, dass die Kohlensäure zum
grössten Theil in Form von Bicarbonaten vorhanden ist. Wasser, welches gleichzeitig mit einem
Erdcarbonat und einer kohlensäurehaltigen Atmosphäre in Berührung ist, nimmt eine geringe
Menge Bicarbonat auf, welche mit der Spannung der Kohlensäure in dieser Atmosphäre zunimmt
Dieser Vorgang findet beim Meer seit undenklichen Zeiten statt. In Folge der Bewegungen
des Meeres und der Luft findet ein beständiger Wechsel statt; einmal giebt das Meer Kohlen-
säure ab unter Bildung von neutralem Carbonat; dann wieder nimmt es Kohlensäure auf unter
Bildung von Bicarbonat Man nimmt an, dass das Meer, Über die ganze ErdobeHUlche ausge-
Atmosphäre. 85
breitet, eine Tief« von 1000 Metern haben würde. In einem Wasserprisma von dieser Höhe und
1 Q Meter Bodenfläche sind 98*3 Kilogrm. Kohlensäure enthalten. Die Hälfte dieser als Bicar-
bonate vorhandenen Menge, 49 Kilogrm., ist disponibel, um die regulirende Wirkung auszuüben.
Wenn man für die Atmosphäre eine gleichmässige Zusammensetzung und xt^ttv ^^^' Kohlen-
säure annimmt, so würde ein Luftprisma von 1 Q Meter Basis nur 4'7 Kgrm. Kohlensäure ent>
halten, also 10 mal weniger als das im Meer vorhandene Quantum disponibler Kohlensäure,
welches in Bezug auf die Schwankungen des Kohlensäuregehalts der Luft natürlich noch weit
grösser ist.
Auch J. B. Lawes kommt durch einen anderen Gedankengange zu dem Schluss, dass das
Meer das Gleichgewicht der Kohlensäure in der Atmosphäre herstellt. Nach genauer Kritik der
einschlagenden Verhältnisse giebt Lawes (60) an, dass der Boden Grossbritanniens mehr Kohlen-
stoff ausgiebt, als von der lebenden Vegetation gebunden wird, so dass man dort bald zu
Grande gehen würde, wenn man nur von der über Grossbritannien lagernden Atmosphäre ab-
hängig wäre. Das Gleichgewicht wird aber durch den Ocean hergestellt. Nach den Analysen
Frankland's ist das Meer, selbst in grossen Tiefen, reich an organischem Kohlenstoff und Stick-
stoff. Die Menge Kohlenstoff bis zu einer Tiefe von 700 bis 800 Faden im Meer ist 3 mal so
gross als die Menge Kohlenstoff, welche in Form von Kohlensäure in der Atmosphäre Über einer
Reichen Oberfläche ruht. Die Prozesse des thierischen und pflanzlichen Lebens im Ocean müssen
daher auf unsere Atmosphäre einen grossen Einfluss ausüben.
Vorübergehend kann der Kohlensäuregehalt durch besondere Ursachen, wie
z. B« vulkanische Thätigkeit, eine örtliche Zunahme erfahren.
e) Wasser. Das Wasser kommt in der Atmosphäre in dampfförmigem, in
flüssigem als Dunstbläschen und Regen, und in festem Zustande als Schnee und
Hagel vor.
Die Mengen des in der Luft vorhandenen Wasserdampfes sind sehr wechselnd.
Der Grad der Verdunstung des Wassers ist proportional der Temperatur, infolge
dessen auch der Druck (die Spannung, Tension) des Wasserdampfes. Ein be-
stimmter Raum kann für eine gewisse Temperatur nur eine bestimmte Menge
Wasserdampf aufnehmen.
1 Cbmeter mit Wasserdampf gesättigter Luft enthält:
bei — 10° 2-284 Grm. bei 4- 25° 22-843 Grm.
30° 30-095 „
35° 39-252 „
40° 50-700 „
100° 588-730 „
Diesen Mengen entspricht eine bestimmte Dntckgrösse; über dies Spannungs-
maximum hinaus kann sich kein Dampf mehr bilden. Für die obigen Temperalur-
grade ist die Tension / in Millim. Quecksilber ausgedrückt:
— 10° 2-093
0° 4-600
4- 5° 6-534
10° 9-165
15° 12-699
20° 17-391
Die Tension des Wasserdampfs lässt sich bestimmen, indem man einen Tropfen Wasser in
die BarometeTleere bringt und dann das Instrument der gewünschten Temperatur aussetzt und
die Höhe der Quecksilbersäule bestimmt, welche der Spannkraft das Gleichgewicht hält (statische
Methode) ; oder indem man die Temperatur ennittelt, bei welcher die Spannkraft den Atmosphären-
drack eben tiberwindet, d. h. Sieden eintritt (dynamische Methode). Aus den Angaben des Drucks
0"
4-871
5»
6-795
10°
9-362
15°
12-746
20°
17-157
/
•25°
23-550
30°
31-548
35°
41-827
40°
54-906
100°
760
86 Handwörterbuch der Chemie.
kann man, wenn die Temperatur bekannt ist, Gewicht und Volumen des Wasserdampfs berechnen.
Man braucht nur das Lufitgewicht festzusteUen, welches einem bestimmten Druck und einer be-
stimmten Temperatur entspricht, und dasselbe mit der Volumgewichtszahl des Wasserdampfs (auf
Luft bezogen) zu multipliciren, um die Gewichtsmenge des Wasserdampfs zu erhalten, welche
jenem Druck entspricht. Das Gewicht der Luft findet man nach der Formel:
c =- 129^ . - . ^
1 + 000367.^ 760'
worin 1293 das Gewicht von 1 Liter Luft bei 0^ und 760 Millimeter Barometerstand in Müligrm.
bezeichnet, 0*00367 den Ausdehnungscoefficienten der Luft für l**, / die Temperatur, / den
Barometerstand bedeutet. Diese Zahl ist mit 0*623, dem Volumgewicht des Wasserdampfs, zu
multipliciren.
Als Mittel kann man annehmen, dass für 1 Millim. Zunahme der Spannung das Gewicht
von 1 Cbmeter Wasserdampf um 1 Grm. (von 1 Liter um 1 Milligrm.) steigt, wie das auch ans
obigen Tabellen ersichtlich ist.
Aus dem Gewicht kann man das Volumen des in einem bestimmten Räume enthaltenen
Wasserdampfs berechnen, indem man das gefundene Gewicht des Wasserdampfs in 1 Cbmeter
Raum durch das Gewicht dividirt, welches 1 Cbmeter Wasserdampf bei dem Druck der
Atmosphäre hat Dieses findet man, indem man das Gewicht der unter gleichen Verhältnissen
befindlichen Luft mit der Volumgewichtszahl des Wasserdampfs 0*623 multiplicirt.
Hygrometer. Gewöhnlich ermittelt man den Feuchtigkeitsgehalt der Luft
vermittelst des Hygrometer's. Man bezeichnet als »absohite Feuchtigkeit« das
Gewicht des Wasserdampfes, wejches in 1 Cbmeter Luft enthalten ist. Das Ver-
hältniss zwischen dem Gewichte der in einem Luftquantum wirklich vorhandenen
Dampfmenge nnd der bei derselben Temperatur in gesättigtem Zustande mög-
lichen Dampfmenge ist die »relative Feuchtigkeit.« Die letztere Zahl ist daher
stets ein echter Bruch. Man pflegt sie gewöhnlich in Procenten der Maximal-
feuchtigkeit anzugeben und nennt diese Procentzahl den »Feuchtigkeitsgrad.«
Man kann die relative Feuchtigkeit dadurch bestimmen, dass man die Luft
soweit abkühlt, bis die vorhandene Feuchtigkeit für diese Temperatur (Thaupunkt)
das Sättigungsmaximum darstellt und sich zu condensiren beginnt. Auf diesem
Princip beruht das DANiELL'sche Hygrometer.
Es besteht aus zwei durch eine Röhre mit einander verbundenen Glaskugeln, deren eine
geschwärzt oder vergoldet ist und ein Thermometer enthält; die andere ist mit Musselin um-
hüllt. Vor dem Zuschmelzen ist etwas Aether in das Instrument gebracht worden. Man führt
die Beobachtung nun so aus, dass man etwas Aether auf den Musselin träufelt. Durch die Ver-
dampfung desselben wird die Kugel abgekühlt, und der im Innern des Instruments befindliche
Aether verdichtet sich in derselben. Diese Verdampfung veranlasst eine Temperaturemiedrigung
in der geschwärzten Kugel, und man beobachtet nun den Augenblick, in dem sich aus der
äussern Luft Thau darauf niederschlägt, und liest an dem eingeschlossenen Thermometer die
entsprechende Temperatur ab.
Das REGNAULT'sche Hygrometer ist zweckmässiger. Hier ist das Thermometer in eine
Glasröhre eingeschlossen, an welche sich unten ein kleines Gefäss aus polirtem Silber schliesst
Dieses ist mit Aether gefüllt. In dem Stopfen, welcher das Glasrohr verschliesst, stecken ein
Thermometer, eine Glasröhre, welche bis in den Aether taucht, und eine zweite unter dem
Stopfen endigende, welche mit einem Aspirator oder einer Luftpumpe in Verbindung gebracht
werden kann. Beim Durchströmen der Luft durch den Aether verdunstet dieser, und man beob-
achtet nun aus der Feme mittelst eines Teleskopes den Eintritt des Thaus auf dem Silber und
den entsprechenden Temperaturgrad. Lässt man den Aether weniger stark verdimsten, so er-
höht sich die Temperatur wieder und man kann in gleicher Weise das Verschwinden des Thau-
punkts beobachten. Gewöhnlich ist an demselben Stativ noch ein zweites dem ersten ganz ähn-
liches Gefäss angebracht, welches aber keinen Aether und nur ein Thermometer enthält. Die
Unterschiede an den Silberspiegeln lassen sich dann scharf wahrnehmen.
Atmosphäre. 87
Auf einem andern Princip beruht das sehr verbreitete AuGUST'sche Psychrometer. Es
besteht aus zwei genau übereinstimmenden in 2^hntel-Grade getheilten Thermometern, welche an
einem Stativ befestigt sind. Das Gefäss des einen ist mit einem Leinwandläppchen umgeben,
welches durch einen in Wasser tauchenden Docht feucht gehalten wird. Das hier verdunstende
Wasser bewirkt Temperaturemiedrigung, die um so grösser sein muss, je trockner die Luft ist,
je mehr Wasser also verdunsten kann. Aus der Difierens der Angaben beider Thermometer
kann der Feuchtigkeitsgehalt der Luft abgeleitet werden. Da die Luftfeuchtigkeit nicht einfach
dieser Differenz proportional ist, so hat man zur Berechnung derselben eine complicirte Formel
nööiig, oder man bedient sich empirisch, z. B. mit Hülfe des REGNAULT'schen Hygrometers, her-
gestellter Tabellen.
Eine andere Klasse von Hygrometern misst die Feuchtigkeit durch die Längenveränderung
hygroskopischer Fäden, namentlich von Haaren. Das SAUSSURE'sche Haarhygrometer ist so
construirt, dass ein entfettetes Frauenhaar oben an einem Stativ befestigt, unten mehrere Male
um eine kleine Rolle geschlungen und am unteren Ende durch ein kleines Gewicht beschwert
ist Die Achse der Rolle trägt einen Zeiger, der über einem Gradbogen hin und her geht, wenn
die Rolle durch Verlängerung oder Verkürzung des Haares gedreht wird. Durch Absorption
Ton Wasserdampf wird das Haar verlängert. Der Nullpunkt der Scala wird dadurch bestimmt,
dass man das Instrument in völlig trockne Luft bringt. Der Punkt, auf welchen der Seiger in
mit Feuchtigkeit gesättigter Luft zeigt, wird mit 100 bezeichnet Zwischen diesen beiden End-
punkten ist aber die Längenveränderung des Haares infolge der Wasseraufnahme nicht pro-
portional dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft; man muss möglichst viele Hygrometergrade empirisch
ermitteln und kann dann erst interpoliren.
Ein sehr genaues und empfindliches Instrument ist das von Klinksrfues angegebene
Haarhygrometer mit biiUarer Aufhängung. Ein Stäbchen ist an zwei Haaren bifilar aufgehängt,
gleichzeitig aber durch zwei andere hygroskopische Fäden verhindert, g^nz der Torsion der ersten
Faden nachzugeben. Die Ruhelagen, nach welchen die sich entgegenwirkenden Torsionen
streben, sind senkrecht zu einander. Der Zeiger giebt die relative Feuchtigkeit auf einer Scala,
die von 0 bis 100® lautet, direkt in Procenten an. Dem Instrument ist noch ein Thermometer
und eine Reductionsscheibe beigegeben, durch welch letztere der Thaupunkt gefunden wird.
Dieser kleine Apparat, dessen Theorie nur mit Hülfe höherer Rechnungen verständlich zu
machen ist, hat für die Meteorologie und die zahlreichen Gewerbe, bei denen die grössere oder
geringere Trockenheit der Luft von Wichtigkeit ist, eine grosse Bedeutung erlangt.
Auf der meteorologischen Station zu Montsouris bei Paris wird ein Haarhygjometer ge-
braucht, bei dem die Verlängerung des Haares nicht auf einen Zeiger übertragen, sondern direkt
durch ein Mikroskop und Mikrometer beobachtet und gemessen wird.
Aehnlich wie Haar kann man auch Pflanzenfasern verwenden, die aus einer hygroskopischen
und einer nicht hygroskopischen Schicht bestehen und sich daher je nach der Feuchtigkeit der
Luft mehr oder weniger krümmen; so hat Wolpert (61) ein Hygrometer mit Hülfe von Fäden
aus zartem Stroh construirt.
Ein anderes Verfehren zur Bestimmung der Luftfeuchtigkeit besteht in der Messung der
Wassermenge; welche in einer bestimmten Zeit von einer bekannten Fläche verdunstet wird.
Das Atmometer von Piche (62) besteht in einer an einem Ende geschlossenen graduirten
Glasröhre, welche mit Wasser gefüllt wird. Das offene Ende wird durch ein Stück Kupfer-
stecherpapier von bestimmter Grösse bedeckt, welches durch eine Klammer festgehalten wird.
Die Röhre kann daim umgekehrt werden. Das Sinken des Niveaus in der Röhre hängt von
der Schnelligkeit der Verdunstung an den Papierflächen ab.
Das Atmometer von Morgenstern (63) gründet sich auf das Princip der MARiOTTE'schen
Flasche und der Capiflarität Das Verdunstungsgefäss von 1 QDecimeter Oberfläche ist mit
Sand gefüllt Das hier verdunstende Wasser wird aus einer Bürette, welche eine MARiOTTE'sche
Flasche bildet, ersetzt Ein Quecksilberverschluss sperrt dieselbe oben gegen die äussere Luft ab.
Die Luft tritt unten in dem Maasse ein, als Wasser durch Verdunstung verloren geht.
Es sind noch manche andere mehr oder weniger zuverlässige Constructionen von Atmometern
und Evaporimetem vorhanden, welche die Verdunstungsgrösse des Wassers erkennen lassen.
Man kann die Luftfeuchtigkeit durch hygroskopische Substanzen absorbiren lassen und diese
88 Handwörterbuch der Chemie.
beobachten. Eine ungefähre Schätzung erreicht man mittelst der sogen. Wetterblumen. Dies
sind Gegenstände aus Papier oder Zeug, die mit einer Lösung von KobaltchlorUr oder einem
andern löslichen Kobaltsalze getränkt und getrocknet sind. Die wasserfreie Verbindung CoCl,
ist blau, die wasserhaltige CoCl, + GH,0 rosa. Die erstere nimmt an der Luft Feuchtigkeit
auf, und dadurch entstehen Farbentöne zwischen Blau und Rosa.
Genau wird der Wassergehalt der Luft durch Wägung bestimmt, indem man
ein gemessenes Luftvolumen über eine hygroskopische Substanz streichen lässt
(vergl. oben pag. 78). Als absorbirende Mittel benutzt man Chlorcalcium oder
concentrirte Schwefelsäure oder am sichersten Phosphorsäureanhydrid.
Man saugt mittelst eines Aspirators Luft durch zwei bis drei U-Röhren, welche mit Schwefel-
säure getränkten Bimstein enthalten. Dieselben werden vor und nach dem Versuch genau ge-
wogen. Ausser der Ermittelung des Volumens des aus dem Aspirator geflossenen Wassers durch
Messung oder Wägung muss man auch die Temperatur im Aspirator bestimmen, da ja das
Volumen der Luft hier bei einer andern Temperatur ein anderes sein wird als ausserhalb des
Aspirators und diese Grösse wegen des hohen Ausdehnungscoefficienten der Luft (j^j des
Volumens ftlr 1^ eine nicht unbeträchtliche ist. Gewöhnlich combinirt man die Wasserbestimmung
nach diesem Verfahren mit der Ermittelung des Kohlensäuregehalts der Luft
Da diese Methode der Wägung des Wasserdampfes ziemlich umständlich ist, so zieht man
derselben trotz ihrer Genauigkeit meistens die Beobachtung an einem Hygrometer vor.
Die Wichtigkeit, den Grehalt der Luft an Wasserdampf zu kennen oder zu schätzen, wurde
schon seit mehr als 300 Jahren erkannt. Libri sagt in seiner Histoire des mathlmatiques
en Italie, t. m., dass Leonardo da Vinci das Hygrometer erfunden habe. Gewiss ist, dass
Cardan (gest. 1576) aus der Contraction dünner Membrane auf die Feuchtigkeit oder Trocken-
heit der Luft schloss. Der Pater Mersenne (gest 1648) construirte ein »Notiometer« (v^oc
feucht) aus einer Violinsaite, die, mit dem Bogen angestrichen, einen mehr oder minder hohen
Ton gab, je nachdem sie durch die Feuchtigkeit oder Trockenheit der Luft verlängert oder ver-
kürzt wurde (64).
In Florenz sind jetzt noch zwei Hygrometer zu sehen, von denen eines, die M^stra fwtidana,
von FoLLi da Poppi im Jahre 1664, das andere wenig später vom Grossherzog Ferdinand II.
Medici erfunden worden ist. Jenes besteht aus einem Streifen Papier, das an den Enden be-
festigt und in der Mitte durch ein Gewicht beschwert ist Durch Verlängerung oder Verkünung
des Papiers in Folge der Feuchtigkeit senkt oder hebt sich das Gewicht und überträgt mittelst
einer Schnur und Rolle seine Bewegung auf einen Zeiger, der über einem Quadranten spielt.
Die Mitglieder derAccademia delCemento ersetzten das Papier durch Pergament, TORRICELLI
wandte (wie neuerdings Wolpert) Haferstroh als hygrometrischen Körper an.
Das Instrument des Grossherzogs ist ein Condensationshygrometer. Unter einem Bleitrichter
ist ein Glaskegel angebracht. Jener wird mit Eis geftlllt. Das Eiswasser tropft in den Glaskegel
und kann aus einer seitlichen Abflussröhre ausfliessen. An dem auf 0^ abgekühlten Glaskegel
schlägt sich Thau nieder, der an der nach unten gerichteten Spitze in ein graduirtes GefUss
tropft. Unter Berücksichtigung der Zeit setzte man die gesammelte Wassermenge der Feuchtig-
keit der Luft proportional (65).
Die Atmosphäre enthält neben den eigentlichen Luftbestandtheilen immer
noch fremde Gase, deren Menge unter Umständen von Bedeutung sein kann,
besonders da sie hauptsächlich infolge von gewerblicher Thätigkeit an von
Menschen bewohnten Orten auftreten Der Nachweis und die Bestimmung der-
selben, ist desshalb von Wichtigkeit. Sehr selten nur sind die fremden Gase in
solcher Menge in der Luft enthalten, dass man zu ihrer Bestimmung die gewöhn-
lichen eudiometrischen Verfahren anwenden könnte.
f) Kohlenoxyd. Kohlenoxyd dringt häufig aus Heizungsanlagen in Folge
unvollkommener Verbrennung in die Luft; es kann in geschlossenen Räumen sehr
gefahrlich wirken.
Man kann das in einem gemessenen grösseren Luftvolumen enthaltene Kohlenoxyd durch
Atmosphäre. 89
Verbrenn CD in einer mit Kupferoxyd gefüllten Röhre und Auf&ngen der entstandeneu Kohlensäure
im LiEKG'schen Kaliapparat bestimmen. Die Luft muss, bevor sie in die Verbrennungsröhre
tritt, ein Kalirohi passiren, imi entkohlensäuert zu werden ; auch darf sie keine anderen Kohlen*
stoflfverbindungen (Kohlenwasserstoffe) enthalten.
Das Kohlenoxyd in einem abgeschlossenen Luftvolumen kann auch durch Chromsäure in
Kohlensäure übergeführt werden, welche man dann durch Kalilauge absorbirt werden lässt. Man
beolittt dazu Gypskugeln, die mit einer concentrirten wässrigen OiiomsäurelÖsung getränkt sind
und die man längere Zeit in dem Luftvolumen verweilen lässt. Kohlenwasserstoffe werden da-
durch nicht oxydirt (66).
Kohlenoxyd reducirt aus Palladiumchlorürlösungen metallisches Palladium. Man leitet
die zu untersuchende Luft durch einen die Lösung enthaltenden LlEBic'schen Kugelapparat.
Ammoniak und Schwefelwasserstoff müssen vorher entfernt werden. Zu berücksichtigen ist auch,
dass Acetylen ebenso wirkt wie Kohlenoxyd.
Femer wird Kohlenoxyd von einer Lösung von Kupferchlortir in Salzsäure absorbirt.
Acetylen wird nur von aromoniakalischer KupferchlorUrlösung absorbirt. Dagegen vermag die
sanre Lösung Kohlensäure und Sauerstoff aufzunehmen; es empfiehlt sich desshalb, diese Stoffe
▼oiher durch alkalische Pyrogallussäure zu beseitigen. Die geringste Menge Kohlenoxyd in der
KupferchlorUrlösung lässt sich auf Zusatz einiger Tropfen Natrium-PalladiumcMorUr durch Bildung
von schwarzem fein vertheiltem Palladium entdecken.
£^ empfindliches Reagens auf Kohlenoxyd ist das Blut. Wenn dieses mit CO-haltiger,
Luft in innige Berührung gebracht wird, so färbt es sich hellroth; im Spectralapparat bemerkt
man zwei Absorptionsstreifen im GelbgrUn, die denen des Sauerstoff- Hämoglobins zwar $ehr
älinlich sind, aber im Gegensatz zu diesen auf Zusatz von Reductionsmitteln (Schwefelammonium
Zinncblorttr etc.) bleiben und sich nicht, wie bei letzteren der Fall ist, zu einem einzigen
Streifen vereinigen. Auf diese Weise lassen sich 2*5 bis 4 pro Mille Kohlenoxyd in einer Luft
noch nachweisen, wenn 100 Cbcentim. derselben mit 3 Cbcentim. einer sehr verdünnten Blut-
lösnng geschüttelt werden (67).
g) Kohlenwasserstoffe. Wenn Kohlenwasserstoffe in der Luft vor-
kommen, so kann man dieselben durch Verbrennung mit Kupferoxyd bestimmen.
In geringster Menge lassen dieselben sich spectroskopisch nachweisen, wenn
man das von Sauersioff, Kohlensäure und Kohlenoxyd befreite Gas in leeren
GEisSLER'schen Röhren sammelt und den elektrischen Funken durchschlagen lässt.
Durch die Spectralanalyse des entstehenden bläulichen Lichtes kann man die
Linien des Kohlenstoffs erkennen (68).
Aethylengas wird im Eudiometer durch eine mit Schwefelsäure getränkte Cokskugel
vollständig absorbirt Acetylen wird von ammoniakalischer KupferchlorUrlösung absorbirt, mit
welcher dasselbe einen rothen Niederschlag von Acetylenkupfer bildet Methan bestimmt man,
nach Absorption der übrigen Kohlenstoffverbindungen, am besten durch Verbrennung mittelst
Saueistofis im Eudiometer oder mittelst Kupferoxyds.
h) Schwefelwasserstoff. Durch Fäulnissprocesse, aus gewissen Quellen und
infolge vulcanischer Thätigkeit kann Schwefelwasserstoff in die Atmosphäre
gelangen. Der Nachweiss desselben gelingt leicht durch Reagenspapiere, welche
mit Bleilösung getränkt sind, oder durch Nitroprussidnatrium.
Im Eudiometer kann man den Schwefelwasserstoff durch eine mit Phosphorsäure getränkte
Braunsteinkugel oder eine Gypskugel, welcher Bleiphosphat beigemengt ist, absorbiren. Auch
indem man die Luft durch gewogene Röhren streichen lässt, welche mit Kupfervitriollösung
getränkten und dann getrockneten Bimstein enthalten, kann man den Schwefelwasserstoff in der-
selben bestimmen. Am besten geschieht dies wohl in der Weise, dass man ein bestimmtes Luft-
volumen durch ein PETTENKOFER'sches (Kohlensäure-) Absorptionsrohr saugt, welches mit einer
titriiten Lösung von Jod in Jodkalium gefüllt ist, und nachher die Menge Jod, welche nach
Entstehung von Jodwasserstoff infolge der Einwirkung des Schwefelwasserstoffes auf jenes noch
geblieben ist, durch Titrircn mit einer Lösung von Natriumthiosulfat bestimmt
90 Handwörterbuch der Chemie.
i) Schweflige Säure. Eine andere schädliche Schwefel Verbindung, welche m
industriereichen Gegenden durch Verbrennung schwefelhaltiger Steinkohlen und in
Röstgasen, sowie aus Vulcanen in die Atmosphäre kommt, ist die schweflige
Säure. Dies Gas lässt sich, ausser durch den Geruch, dadurch nachweisen, dass
man die Luft durch eine Flüssigkeit streichen lässt, in welcher sich Wasserstoff
(aus Zink und Salzsäure) entwickelt. Die schweflige Säure wird dann in Schwefel-
wasserstoff umgewandelt, welcher durch Bleipapier etc. nachgewiesen werden
kann. Ein mit salpetersaurem Quecksilberoxydul getränktes Papier färbt sich in
schweflige Säure enthaltender Luft grau, indem durch Reducdon metallisches
Quecksilber gebildet wird.
Im Eudlometer kann man die schweflige Säure durch Gypskugeln, die mit Bleiphosphat
und Braunstein gemischt sind, absorbiren. Oder man leitet ein gemessenes Luftvolumen durch
eine titrirte Jodlösung, wobei Jodwasserstoff und Schwefelsäure entstehen. Indem man die Luft
durch Chlorwasser oder Bromwasser leitet, kann man die in jener enthaltene schweflige Säure
in Schwefelsäure umwandeln und darauf diese nach Austreiben des Chlors aus der Flüssigkeit
durch Zusatz eines löslichen Bariumsalzes als Bariumsulfat bestimmen.
k) Ammoniak. Stets, wenn auch nur in geringen Spuren, sind in der Luft
Ammoniak und salpetrige Säure enthalten.
Qualitativ lässt sich das Ammoniak durch empfindliches Lakmus- oder
Curcumapapier nachweisen, von dem man einen Theil der Vergleichung halber
durch Einklemmen zwischen Glasplatten vor Berührung mit der Lufl schützt.
Papier, welches mit salpetersaurem Quecksilberoxydul getränkt ist, wird durch
Berührung mit Ammoniak schwarzbraun, indem sich eine Verbindung von
metallischem Quecksilber und Quecksilberoxydul bildet. Beim Betupfen mit
Salzsäure verschwindet der Fleck. Papier, welches mit einem alkoholischen
Blauholzextract (Hämatoxylin) getränkt ist, verändert durch Einwirkung von
Ammoniak, selbst wenn dies nur in Spuren vorhanden ist, seine gelbe Farbe
in violett.
Um das Ammoniak der Menge nach zu bestimmen, lässt man Luft durch
mit Schwefelsäui[e angesäuertes Wasser streichen. Man fügt NESSLER'sches
Reagens (alkalische Lösung von Jodkalium-Quecksilbeijodid) hinzu. Es entsteht
die rothe Verbindung NHgjJ 4- HgO. Die dadurch hervorgebrachte Färbung
kann man zur Bestimmung des Ammoniaks benutzen, indem man eine colori-
metrische Vergleichung mit Lösungen anstellt, welche eine bekannte Menge
Ammoniak enthalten (Frankland und Armstrong) (69). —
Fleck hat ein titrimetrisches Verfahren angegeben, nach welchem die Verbindung NHg^J
zunächst filtrirt wird. Damit das Quecksilberammoniumjodid völlig ausgefällt wird, setzt man
der Ammoniaklösung vorher etwas Magnesiumsulfat zu, die entstehende Fällung reisst die rothe
Verbindung völlig mit nieder. Der Niederschlag wird auf dem Filter mit Natriumthiosulfat-
lösung übergössen, welche die Quecksilberverbindung löst. In der Lösung wird das Quecksilber
durch eine Schwefelnatriumlösung von bekanntem Gehalt als Schwefelquecksilber ausgefHUt; ein
tiberschüssig zugesetzter Tropfen bringt auf Bleipapier eine dunkle Färbung hervor. Diese
Methode verlangt die Behandlung beträchtlicher Mengen von Luft
Auf dem Observatorium in Montsouris verfährt man so, dass man 100 Cbroeter Luft
durch angesäuertes Wasser streichen lässt. Nach dem Eindampfen macht man die Lösung
schwach alkalisch, destillirt und fängt das Destillat in titrirter Schwefelsäure auf (70).
Th. Schloesing (71) hat zur Bestimmung des atmosphärischen Ammoniaks
einen Apparat construirt, welcher in wenig Stunden 30,000 Liter Luft zu unter-
suchen gestattet.
Eine Glasglocke A mit Hals von 3 Liter Rauminhalt ist durch eine Platinscheibe p
Atmosphäre.
91
r 1 n
sf
l
SL
geschlossen, welche mit 300 Oeffhungcn
y^^ -^ MiUim. durchbohrt ist. Diese Glocke
rnht auf drei GlasstUcken in einem etwas
weiteren Gefässe B. Dieses ist durch einen
Tubolus mit der Röhre C verbunden, durch
welche die Luft von aussen eingeführt wird.
Der Raum zwischen Glocke und Gefäss ist
oberhalb des Tubulus durch ein ringförmiges
Kautschukrohr k geschlossen. Letzteres
steht durch ein mit Hahn versehenes kleines
Zweigrohr / mit einem Wasserreservoir in ^
Verbindung. Durch Füllung des Kautschuk-
rohrs mit Wasser wird ein vollkommen
luftdichter Verschluss hergestellt. Die Glocke
wird mit 300Cbcentim. angesäuertem Wasser
beschickt, und der Hals wird mit einem
Aspirator in Verbindung gesetzt. Die durch
C eintretende Luft treibt das Wasser in die
Glocke und dringt durch die Löcher der
Platinscheibe fein vertheilt in dasselbe, einen (^^- ^'^
Schaum damit bildend. Nach Beendigung des Versuchs wird die Flüssigkeit über Magnesia
destillirt und das Anmioniak bestimmt. Nach den Versuchen Schloesing's werden, wenn die
Grenzen des Ammoniakgehalts der Luft zwischen 0'03 und I Milligrm. pro I Q>centim. liegen,
durch diesen Apparat ^ bis -f^j der Gesammtmenge Ammoniak zurückgehalten.
Die in der Luft enthaltene Menge Ammoniak wurde von Bineau in der Weise
abgeschätzt, dass er zwei Schalen an die freie Luft setzte, von welchen die eine
verdünnte Schwefelsäure, die andere verdünnte Natronlauge enthielt. Nach Ab-
lauf eines Monats wurde untersucht, wie viel Ammoniak die Säure, und wie viel
Kohlensäure das Alkali absorbirt hatte. Unter der Annahme, dass die Luft:
0*0006 ihres Gewichtes an Kohlensäure enthalte, wurde das der gefundenen
Ammoniakmenge entsprechende Gewicht Luft berechnet.
ViLLE hat, mit 20 bis 50 Cbm. Luft operirend, sehr wechselnde Mengen
Ammoniak (Ammoniumcarbonat) gefunden. Bineau fand die Luft in Lyon an
Ammoniak reicher, als in der Umgebung der Stadt; Horsford dagegen fand den-
selben Ammoniakgehalt an der Seeküste und in Boston an einem dicht
bevölkerten Platze, beobachtete aber grosse Unterschiede zwischen Sommer und
Winter, indem die Atmosphäre im December nur ^ so viel Ammoniak zeigte
wie im Juli. Nach Regenwetter ist die Luft wegen der grossen Löslichkeit des
Ammoniaks und der Ammoniaksalze arm an Ammoniak; die atmosphärischen
Niederschläge enthalten immer Ammoniak. Barral fand im Sommer 1852 in
1 Million Gewichtstheilen Regenwasser 1 bis 9 Gewth. Ammoniak; Bineau im
Februar 18 bis 30 Gewth., als Mittel für das ganze Jahr 6*8 Gewth.; Boussingault
(72) in 1 Liter Thau (August bis September 1853) auf dem Lande 3 bis 6 Milligrm.
Ammoniak, in 1 Liter Wasser, welches in Paris durch Abkühlung der Luft an
einem mit Eis gefüllten Gefässe condensirt war, 10 Milligrm., in 1 Liter Schnee-
wasser 1-78 Milligrm.; Horsford (73) im Gletschereis 9 ^ ^ ^ q ^ ^ Ammoniak.
A. LfivY (74) hat kürzlich über den Ammoniakgehalt der Luft und der
atmosphärischen Niederschläge Mittheilungen gemacht, nach welchen in den
Niederschlägen in Paris das jährliche Mittel an ammoniakalischem Stickstoff pro
Liter Wasser 1'17 Milligrm. beträgt. Die Ammoniakmenge in den Meteorwässem
nimmt nach der kälteren Jahreszeit hin zu, nach der wärmeren ab; umgekehrt
92 Handwörterbuch der Chemie.
verhält sich der Ammoniakgehalt der Atmosphäre, wie folgende Zahlen zeigen,
welche den in 100 Cbm. Luft gefundenen Ammoniakstickstoff in Milligrm-^Air
die Monate des Jahres 1879 angeben.
Jan. Febr. März April Mai Juni
1-9 20 1-9 2-2 2-1 2-1
Juli Aug. Sept. Oct Nov. Dec.
21 2-3 2-4 2-2 19 1-7
1) Salpetrige Säure und Salpetersäure. Die Menge der salpetrigen
Säure in der Atmosphäre ist so gering, dass sie sich der Bestimmung in der
Regel entzieht. Man weist sie am besten in den atmosphärischen Nieder-
schlägen nach, indem man die in der Wasseranalyse gebräuchlichen Methoden
anwendet.
Da die salpetrige Säure innerhalb der Atmosphäre sich leicht zu Salpeter-
säure oxydirt, so findet man diese in grösserer Menge, wenn man Luft durch
alkalisch gemachtes Wasser streichen lässt; nach Beobachtungen in Montsouris
2 bis 6 Milligr. Salpetersäure in 100 Cbm. Luft.
m) K o c h s a 1 z. Ausser diesen Gasen findet man noch Kochsalz und überhaupt
die im Meerwasser gelösten Salze in der Luft; der feine Wasserstaub, welcher
durch die Bewegung der sich tiberstürzenden Meereswogen in die Atmosphäre
gelangt, hinterlässt beim Verdunsten salzhaltige Sonnenstäubchen. Deshalb ist
im Spectrum einer BuNSEN-Flamme, in welcher Staub irgend welcher Natur zum
Glühen kommt, stets die Natriumlinie sichtbar.
n) Borsäure und Salmiak steigen aus der Umgebung mancher Vulcane in
die Atmosphäre. Zeitweilig gelangen grosse Mengen vulkanischer Asche in
dieselbe.
o) Jod. Das Vorkommen des Jods in der Atmosphäre ist nicht zweifellos
festgestellt. Jedenfalls ist seine Menge nur äusserst gering. Chatin (75) giebt
für eine Million Gewthl. Luft 0*4 Gewthle. Jod an. Zu einer ähnlichen Zahl
kommt Ankum (76). Andere konnten kein Jod nachweisen.
p) Organische Stoffe finden sich besonders in der Luft bewohnter Räume.
Dieselben sind theüs flüchtig, theils als Staub vorhanden. Meistens enthalten sie
Stickstoff nnd gehören wohl allerlei Uebergangsstufen vom Eiweiss bis zum Am-
moniak und zur salpetrigen Säure an. Sie wirken redudrend auf Silbemitrat
oder Kaliumpermanganat und entwickeln beim Erhitzen Ammoniak. Man kann
das Reductionsvermögen bestimmen, indem man eine bestimmte Luflmenge durch
eine titrirte Lösung von Kaliumpermanganat streichen lässt. Leichter ist der
Nachweis und die Bestimmung dieser Stoffe im Regenwasser, welches mit Cha-
mäleonlösung titrirt wird, oder aus welchem durch Kochen mit Natronlauge Am-
moniak entwickelt wird, welches, aus den Eiweissstoflen stammend, von dem in
der Luft enthaltenen Ammoniak natürlich unterschieden werden muss.
A. MüNTZ hat Alkohol in der Atmosphäre und im Erdboden nachgewiesen.
Alkohol, als eines der Zersetzungsprodukte der organischen Substanzen, bilde
sich sowohl auf der Erdoberfläche als auch im Boden und in der Meerestiefe
und verbreite sich von da in die Atmosphäre (77).
q) Atmosphärischer Staub. Die von der Erdoberfläche und den darauf
befindlichen Wesen abgetrennten Partikelchen sind theils unorganischer, theils
organischer Natur. Unter letzteren sind Keime und Sporen der niederen Pflanzen
und Thiere enthalten, welche die Vorgänge der Gährung, Fäulniss, Ven^'esung
erregen können. Sobald man diese Theilchen entfernt, treten diese Processe in
leicht zersetzlichen Substanzen wie Urin, Milch, Fleischbrühe nicht mehr ein.
Atmosphäre. 93
Zur Untersnchung auf diese suspendirten Theilchen sind mehrere Methoden in Anwendung
gekommen.
Pasteur (78) lässt eine grössere Luftmenge durch ein Glasrohr streichen, welches an einem
Ende mit einem Stopfen von CollodiumwoUe verschlossen ist Bei der Auflösung derselben in
Aether-Alkohol bleiben die von ihr zurückgehaltenen Theilchen, für die mikroskopische Analyse
geeignet, zurück.
TvNDALL lässt einen concentrirten Lichtstrahl durch die Luft gehen, deren Staubtheilchen
dann erleuchtet werden. Wird die zu prüfende Luft durch Baumwolle flltrirt oder werden die
organischen Stäubchen durch Verbrennen zerstört, so ist in dieser Luft der Lichtstrahl nicht
wahrzunehmen. Tyndall (79) nennt dieselbe dann optisch leer.
Der atmosphärische Staub wird durch den Regen herabgeftihrt und kann in demselben
duTCli das Mikroskop geprüft werden. Lemaire hat vorgeschlagen, den Wasserdampf der Luft
als Thau an den Wänden von durch Eis gekühlten Gefässen niederzuschlagen und dadurch auch
das Material zur Prüfung auf Staub zu gewinnen. Auch grosse Überrieselte Leinwanddächer hat
man zur Absorption benutzt.
Auf Glasplättchen, die mit Glycerin oder Chlorcalciumlösung überzogen sind, klebt der
Staub an. Durch Corobination solcher Plättchen mit einer Ginsröhre, die mit einem Aspirator
in Verbindung steht, kann man bestimmte Luftmengen mit denselben in Berührung bringen.
Solche Aeroskope werden im Observatorium zu Montsouris benutzt und sind von Miquel (80)
, näher beschrieben worden.
Pasteur hat, um gewisse organisirte Wesen, Spaltpilze u. dergl., aus dem Luftstaub zu
sammeln, grössere Mengen Luft mit den für diese Pilze geeigneten Nährlösungen zusammengebracht.
Dies Verfahren ist von Ferd. Cohn (81) weiter ausgebildet worden. Auch die auf Glycerin-
plattcn fixirten Organismen lassen sich zur Cultur in Nährlösungen weiter verwenden.
Bei den systematischen Beobachtungen zu Montsouris hat man im Winter
weit weniger Sporen als im Frühling und Sommer gefunden, femer hat man
dort constatirt, dass jeder Regen von längerer Dauer ein starkes Anwachsen der
Sporenmenge hervorruft. Im Durchschnitt der warmen Monate fanden sich
28 Sporen in 1 Liter Luft, nach stärkerem Regenfall 95 bis 120.
Angus Smith hat den organischen, in der Luft enthaltenen Stickstoff^ der
wohl zum grössten Theil ein Bestandtheil dieser Keimsporen ist, als Ammoniak
bestimmt und u. a. gefunden, dass 1 Kilogrm. Luft enthält an organischem Stick-
stoff, als Ammoniak gerechnet, in London 0*62 Grm., in Glasgow 024 Grm.;
in der Nähe eines Misthaufens 0*30 Grm. (82).
Zur Bestimmung der Staubmenge der Luft liess G. Tissandier (83) ein be-
stimmtes Volumen Luft durch destillirtes Wasser streichen, dampfte das Wasser
ab und wog den Rückstand. 1 Cbmeter Luft gab in Paris im Mittel 0'0075 Grm.,
nach achttägiger Trockenheit 00230, nach starkem Regen 00060 Grm. Der
Staub enthielt 27 — M^ verbrennliche und 75 — 66^ mineralische Substanzen,
unter diesen Chloride und Sulfate der Alkalien und alkalischen Erden, Eisen-
ozjd, Erdcarbonate, Spuren von Phosphaten etc.
Der atmosphärische unorganische Staub ist nach A. v. Lasaulx (84) nicht
meteorischen, wie bisher allgemein angenommen wurde, sondern irdischen Ur-
sprungs. Staub von den Schneefeldern des skandinavischen Nordens, von Grön-
land, von Catania, von Kiel etc. erwies sich immer als J:errestrischer Detritus.
Der vorherrschende Bestandtheil war Quarz, vereinzelt kamen Feldspath, Horn-
blende, Glimmer vor; metallisches Eisen nur in verschwindenden Spuren.
Kuglige mikroskopische Kieselkömer im atmosphärischen Staube erklärt
T. L. PHn>soN (85) flir fossile Diatomeen und ähnliche Gebilde.
9. In Wasser gelöste Luft. Die Bestandtheile der Atmosphäre lösen sich
in Wasser. Alles Wasser, das mit der Luft in Berührung kommt, das des Meeres,
94 Handwörterbuch der Chemie.
der Flüsse, Seen, das Regenwasser, enthält die Gase derselben in einem der Lös-
lichkeit dieser Gase und ihren relativen Mengen entsprechenden Verhältniss auf-
gelöst.
Durch Kochen wird die in Wasser gelöste Luft vollständig ausgetrieben.
Diese Luft enthält in Folge der grösseren Löslichkeit des Sauerstoffe von diesem
Gase mehr als vom Stickstoff. Humboldt und Gay-Lussac haben in der von
destillirtem Wasser absorbirten Luft 32-8 Vol.J Sauerstoff gefunden. Noch ver-
hältnissmässig stärker wird die Kohlensäure absorbirt. ^ Der Gehalt von in Wasser
gelöst gewesener Luft an derselben beträgt 2 bis 4 Vol.^. . Morren fand in der
von süssem Wasser absorbirten Luft 32 Vol.^ Sauerstoff auf 2 bis 4 Vol.^ Kohlen-
säure; im Meerwasser 33 Vol. Sauerstoff auf 9 bis 10 Vol. Kohlensäure. Lampadius
fand in der Luft des Schneewassers 30 Vol. Sauerstoff, 1 Vol. Kohlensäure und
69 Vol. Stickstoff; Saussure und Boussingault 32 Vol.^ Sauerstoff. Bischof
hat gefunden, dass die aus den Eislöchern der Gletscher sich entwickelnde Luft
nur 10*2 Vol. Sauerstoff enthält; H. v. Schlagintweit hat aus der Luft, welche
sich beim Abfliessen des Wassers aus den Gletschern sogleich entwickelt,
16*4 Sauerstoff auf 83*6 Stickstoff gefunden; die durch Kochen aus Gletscherwasser
ausgetriebene Luft enthielt aber 29 Vol. Sauerstoff und 71 Stickstoff (86).
10. Vom Erdboden absorbirte Luft. Die Menge der von einem porösen *
Körper absorbirten Luft ändert sich nach der Beschaffenheit des absorbirenden
Körpers; unter Umständen findet hierbei auch eine chemische Einwirkung statt.
Letzteres ist im Erdboden der Fall. Nach den Untersuchungen von Boussingault
und Lewy (87) ändert sich die Zusammensetzung der Luft in Ackerboden, der
reich an organischen Bestandtheilen ist, sehr rasch und damit auch die Menge
der absorbirten Luft. Der Sauerstoffgehalt nimmt ab, die Menge der Kohlen-
säure nimmt zu. Letztere hat sich durch Verbrennung und Verwesung der Humus-
Bestandtheile des Bodens auf Kosten des Sauerstoffs der absorbirten Luft gebildet.
11. Einfluss der Atmosphäre auf die anorganische Natur. Die ganze
Entwicklungsgeschichte der Erde wird und ist aufs höchste von der Atmosphäre
beeinflusst worden. Die Einwirkungen derselben sind mechanischer, physikalischer
und chemischer Natur.
In Folge ihres Druckes auf die Wasserhülle des Erdkörpers wird die Ver-
dunstung derselben und damit die Wolkenbildung regulirt. Der Druck auf die
Erdoberfläche wirkt in demselben Sinne wie die Erdanziehung und hält die Theile
des Erdkörpers zusammen.
Durch die Luftströmungen wird der Ocean in beständiger Bewegung er-
halten, und diese Bewegung der Meere wirkt geologisch verändernd, durch Zer-
stören und Absetzen, auf das Festland. Auch die festen Theile des Erdkörpers
werden durch die Luftströme in Bewegung gesetzt und veranlassen die Bildung
von Dünen, Sandbänken, Sandwüsten u. s. w.; die Asche der Vulkane wird
Hunderte von Meilen über Land und Meer getrieben.
Die Löslichkeit der Bestandtheile der Atmosphäre in Wasser ist die Be-
dingung für eine gewaltige Meeresfauna und -flora.
Die chemischen Wirkungen auf die Masse des Erdkörpers sind noch
mannigfaltiger und grösser. Vor Allem ist es der Sauerstoff (Ozon), welcher
durch oxydirende Thätigkeit Mineralien zerstört und neue Bildungen hervorbringt.
Eisen- und Manganoxydul z. B. werden in Oxyde verwandelt; damit verbunden
gewesene Kohlensäure und Kieselsäure können neue Mineralien bilden. Die
zahlreich verbreiteten Schwefelmetalle werden in Sulfate umgewandelt, und da-
Atmosphäre. --95
durch werden neue Umwandlungen hervorgerufen. Die Umwandlungen von kohlen-
saurem Kalk in Gyps, von Feldspath in Alaun etc. beruhen auf der Oxydation
von Schwefelkiesen. Auch die sauren Humuskörper, welche durch die Oxydation
absterbender Organismen sich bilden, bringen mineralogische Umwandlungen
hervor.
Der Stickstoff wird als Ammoniak, salpetrige und Salpetersäure dem Boden
zugeführt Unter dem Einfiuss verwesender Organismen bei Gegenwart von
Alkalien und Erdalkalien werden salpetersaure Salze erzeugt.
Die Kohlensäure im Verein mit Wasser bildet Carbonate, zersetzt Silicate,
besonders kalkhaltige; weniger energisch alkalireiche, noch weniger Magnesia
und Eisenoxydul-haltige Silicate.
Von grösster Wichtigkeit ist es, dass mit Kohlensäure beladenes Wasser
Mineralien aufzulösen vermag, welche in reinem Wasser unlöslich sind, ohne dass
deren chemische Zusammensetzung geändert wird. Dies ist z. B. der Fall mit
den Carbonaten und Phosphaten der alkalischen Erden, dem Fluorcalcium und
der aus Silicaten frei werdenden Kieselsäure. Bei Verdunstung des Lösungs-
mittels setzen diese Mineralstoffe sich dann wieder ab. Der Kaolin und die
zahlreichen verschiedenen Thonarten verdanken ihre Bildung dieser auf Feldspath-
gesteine ausgeübten lösenden Wirkung.
Alle die mechanischen und chemischen Zersetzungen der Gesteinsmassen, die
man als Verwitterung bezeichnet, sind die Resultate der Einwirkung des atmos-
phärischen Sauerstoffs, der Kohlensäure und des Wassers. Die Verwitterungs-
produkte aber, die erdigen Massen, bilden die wesentliche Bedingung alles or-
ganischen Lebens. Nur in ihnen kann das Pflanzenleben und also auch nur
durch sie das Thierleben bestehen. Femer geben sie das Material zur Bildung
neuer geologischer Massen, der Sandsteine, Conglomerate, Schieferthone u. s. w.
Das atmosphärische Wasser ist das Vehikel für den Sauerstoff und die
Kohlensäure, ohne welches diese Agentien nicht die gewaltigen Wirkungen auf
die feste Erdrinde ausüben könnten. Das Wasser lockert femer die Gesteins-
massen auf, besonders in Folge seiner Ausdehnung beim Gefrieren, es wirkt als
Lösungsmittel und als Transportmittel, indem es die mineralischen Zersetzungs-
produkte von ihrem Entstehungsorte wegführt und an anderen Stellen absetzt.
Als Regen wirkt das Wasser mechanisch verändernd auf die Erdoberfläche ein
und veranlasst die Entstehung von Quellen und Flüssen. Der Aufenthalt des
Wassers in der Atmosphäre ist ein Glied in dem das Leben bedingenden Kreis-
lauf desselben (88).
12. Einfluss der Luft auf die organische Natur. Wie die Beschaffenheit
der unorganischen Natur von der Atmosphäre beeinflusst wird, so ist diese auch
für die lebenden Organismen von fundamentaler Wichtigkeit. Ohne die be-
ständige chemische Wechselwirkung zwischen der Atmosphäre einerseits und dem
Pflanzen- und Thierreich andererseits würde kein Leben auf der Erde vor-
handen sein.
Der Sauerstoff der Luft verursacht alle lebhaften und langsamen Ver-
brennungen. Letzterer Klasse von Erscheinungen gehört auch der Respirations-
prozess der Thiere an. Ein Vergleich der atmosphärischen Luft mit der Zusammen-
setzung der vom Menschen ausgeathmeten Luft und der Blutgase zeigt die
Wirkung der Athmung. In der nachstehenden Tabelle ist von dem veränderlichen
Wassergehalt abgesehen.
96
Handwörterbuch der Giemie.
In 100 Volumtheilen.
Atmosphärische
Luft.
Ausathmungs-
Luft.
Blutgase.
Sauerstoff ....
Stickstoff ....
Kohlensäure . . .
20-81
7915
0-04
16-003
79-557
4-380
3808
3-09
58-83
Die ausgeathmete Luft enthält demnach um \ weniger Sauerstoff als die
eingeathmete Luft; der Kohlensäuregehalt ist aber um 100 mal grösser. In den
Blutgasen ist das Verhältniss des Sauerstoffs zur Kohlensäure ein ziemlich ver-
änderliches. Der Wassergehalt der ausgeathmeten Luft ist bedeutender als jener
der eingeathmeten, wohl eine Folge der Temperaturerhöhung, die sie in den
Lungen erfährt. Deshalb erscheint auch das Volumen der Expirationsluft vermehrt.
Der Sauerstoff wird von dem Blute nicht allein einfach absorbirt, sondern zum
grössten Theil chemisch gebunden (89). Schon Berzelius beobachtete, dass
Blutserum sehr wenig Sauerstoff absorbirt, während bei Gegenwart von Blut-
körperchen eine beträchtliche Absorption stattfindet. Es ist das Hämoglobin, der
färbende Bestandtheil der rothen Blutkörperchen, welches mit dem Sauerstoff
eine lockere chemische Verbindung eingeht (Oxyhämoglobin), die denselben
wahrscheinlich in ozonisirtem Zustande für die Oxydationsprozesse wieder abgiebt.
Im Wesentlichen gelangt der Sauerstoff durch die Lungen in den Organismus ;
aber auch von der Haut werden geringe Mengen aufgenommen (Hautrespiration).
Ein grosser Theil des Sauerstoffs wird zur Bildung zahlreicher chemischer
Verbindungen verbraucht, deren sauerstoflfreichste Glieder der regressiven StofF-
metamorphose angehören und deren Endprodukte als Kohlensäure und Wasser
den Körper verlassen. Durch diese langsamen Verbrennungen wird auch die
thierische Wärme, die von der Aussenwelt unabhängige Körpertemperatur, her-
vorgebracht. Die Oxydationsprodukte entstehen im Thierkörper bei einer
Temperatur, welche ausserhalb des Organismus ihre Bildung nicht einzuleiten ver-
mag. Wohl kann dies aber durch Ozon geschehen, und daher ist es wahrschein-
lich, dass der Sauerstoff auch im Organismus ozonisirt ist (90).
Die Sauerstoffaufnahme, ein wesentlich chemischer Vorgang, ist unabhängig vom Drucke.
Deshalb wird der Respirationsprozess nicht beeinträchtigt, wenn der Sauerstoff der eingeathmeten
Luft um das zwei- bis dreifache vermehrt wird (Regnault und Reiset) (91). Auch eine Ver-
minderung des Sauerstoffgehalts der Luft bis zu einer gewissen Grenze ist ohne Einfluss, voraus-
gesetzt, dass der Kohlensäuregehalt der Luft nicht zu bedeutend ist. Die Thatsache, dass der
Sauerstoff nicht durch einfache Absorption in das Blut aufgenommen wird, sondern als chemische
Verbindung darin enthalten ist, ist von grosser physiologischer Bedeutung. Sie erklärt, dass der
Respirationsprozess in grossen Höhen so gut me an der Meeresfläche vor sich geht, dass der
amerikanische Condor seinen Aufenthalt im Hochgebirge der Anden fast plötzlich mit dem an
der Meeresfläche, einen Druck von einer halben mit dem von einer ganzen Atmosphäre zu ver-
tauschen vermag (Gorup-Besanez).
Ein erwachsener Mensch verbraucht zum Athmen in 24 Stunden in der
Ruhe 708'9 Grm. Sauerstoff und producirt 911*5 Grm. Kohlensäure oder 500 Liter
Sauerstoff auf 465 Liter Kohlensäure; beim Arbeiten verbraucht er 954-5 Grm,
Sauerstoff und producirt 1284*2 Grm. Kohlensäure, also nahezu 670 Liter Sauer-
stoff auf 652 Liter Kohlensäure (Pettenkofer u. Voit) (92). Bei Nacht ist die
Sauerstoffaufnahme grösser als bei Tage, und tagsüber die Kohlensäureausscheidung
stärker als Nachts. Verhältnissmässige Mengen Sauerstoff werden durch die
Respiration der Thiere verbraucht, wiederum enorme Mengen dienen zur Ver-
wesung und lebhaften Verbrennung organischer Substanzen. So verzehrt 1 Kgnn.
Atmosphäre. 97
Holz bei der Verbrennung ungefähr 1 Kgrm. oder 700 Liter Sauerstoff und
liefert dafür 700 Liter Kohlensäure; 1 Kgrm. Steinkohle verbraucht etwa 2*4 Kgrm.
Sauerstoff (1650 Liter) und liefert 1400 Liter Kohlensäure; 1 Kgrm. Oel, Talg u. s. w.
3 Kgrm. Sauerstoff (2100 Liter) unter Erzeugung von 1500 Liter Kohlensäure.
Wenn wir dazu noch den Verbrauch an Sauerstoff in der unorganischen Natur
rechnen, so wird die Frage angeregt, ob bei diesem enormen Verbrauch an
Sauerstoff die Atmosphäre an dieser Lebenslufl im Laufe der Zeit so arm werden
kann, dass Menschen und Thiere nicht mehr zu existiren vermögen.
Nun ist freilich die Menge Sauerstoff in der Atmosphäre ungeheuer gross (vergl.
pag. 65). Wenn ein erwachsener Mensch täglich 580 Liter Sauerstoff verbraucht, so
macht dies im Jahre 212 Cbmeter; die gesammte Menschheit, zu 1000 Millionen
veranschlagt, verbraucht also 212000000000 Cbmeter. Es ist dies ssoboo ^^s
Sauerstoffgehalts der Atmosphäre. Rechnen wir für den übrigen Verbrauch an
Sauerstoff das Neunfache von dem, was die Menschen verzehren, so vermindert
sich der Sauerstoffgehalt der Lufl jährlich um ^^-öVöit» ^^ ^^^ Jahren um y|^.
Nun ist Y^ des Sauerstoffvolumens der Luft gleichbedeutend mit ^ des
Volumens der Luft. Erst in 1800 Jahren würde sich also eine Verminderung
des Sauerstoffgehalts der Lufl um 0*1 Vol.^ zeigen. Diese Differenz würde aber
durchaus Iceinen Einfluss auf das Leben der Organismen haben.
Dumas macht diese Verhältnisse sehr anscliaulich (93), wenn er sagt, das Gewicht der
Atmosphäre ist gleich dem Gewicht von 581000 Würfeln aus Kupfer, deren Seiten 1 Kilometer
lang sind. Der Sauerstoff darin wiegt so viel wie 134000 solcher WUrfeL Von dieser Zahl
wird nach seinen Berechnungen im Laufe von 100 Jahren durch Thiere und Verbrennungen eine
Menge, Sauerstoff consumirt, welche 15—16 solcher KupferwUrfel von 1 Kilometer Seiten^ge
ent^richt. Erst nach 10000 Jahren würde die chemische Analyse eine Verminderung des
atmosphärischen Sauerstoffs entdecken können.
Eine Abnahme des Sauerstoffgehalts der Atmosphäre durch Oxydation der
organischen Körper bedingt eine Zunahme des Kohlensäuregehalts. Für jedes
Volumen Sauerstoff, welches zur Oxydation von Kohlenstoff verwendet wird, ge-
langt ein gleiches Volumen Kohlensäure in die Atmosphäre. Femer dringt eine
gewaltige Menge Kohlensäure in vulkanischen Emanationen in die Luft. Da eine
Luft mit hohem Kohlensäuregehalt tödtlich ist, könnte man sich vorstellen, dass
eine Zeit kommen müsste, in welcher das thierische Leben zu Grunde ginge,' nicht
sowohl aus Mangel an Sauerstoff, als wegen der Zunahme der Kohlensäure in
der Atmosphäre.
Die Besorgniss, dass ein solcher Zustand, wenn auch in fernen Zeiten, ein-
mal eintreten könne, wird beseitigt durch das grosse Naturgesetz der Wechsel-
wirkung zwischen Pflanzen und Thierwelt. Wie die letztere des Sauerstoffs
bedarf, um die Oxydationsvorgänge des Lebens auszuführen, so hat die
vegetabilische Natur Kohlensäure nöthig, um die Reductionsprozesse auszu-
führen, welche zum Aufbau des Pflanzenleibes nöthig sind und das pflanzliche
Leben bedingen.
Diese desoxydirende Kraft, welche die starke Verwandtschaft zwischen
Kohlenstoff und Sauerstoff bricht, wird von der grünen Pflanzenzelle ausgeübt
und kommt nur unter dem Einflüsse des Sonnenlichtes zur Wirkung. Die
atmosphärische Kohlensäure wird im Organismus der Pflanze in sauerstofiärmere
Kohlenstoffverbindungen verwandelt, in Cellulose, Stärkemehl, Zucker, Fett, Oel,
Kleber, Albumin, und der abgeschiedene Sauerstoff wird ausgeathmet. Die Be-
standtheile der Pflanze werden zu Bestandtheilen des Thieres, der Kohlenstoff
Ladenburc, Chemie. 11. 7
98 Handwörterbuch der Chemie.
jener geht in das Fleisch und Blut dieser über und wird hier durch den ein-
geathmeten Sauerstoff wieder verbrannt zu Kohlensäure. Während in der Pflanze
ein Aufbau von complicirten aus einfachen Stoffen stattfindet, werden diese
compicirten Verbindungen im Thierkörper wieder in jene einfacheren zurück-
verwandelt. Die Mineralstoffe, welche die Pflanze aus dem Boden aufgenommen
hat, werden nach ihrem Uebergang in den Thierleib von diesem dem Boden
wiedergegeben. So bewirkt dieser Zusammenhang des Thier- und Pflanzenreiches,
dass das organische Leben einen in sich geschlossenen Kreislauf des Stoffes bildet.
Die chlorophyllhaltige Pflanzenzelle gebraucht zu ihren chemischen Synthesen Kräfte, die
sie als Licht und Wärme von der Sonne bezieht, der Thierzelle wird von aussen durch Ver-
mittelung des Hämoglobins Sauerstoff geliefert, und durch die Oxydationen werden die von der
Pflanze in der oiganischen Substanz aufgespeicherten Kräfte wieder frei, die sich vor allem als
mechanische Bewegung und thierische Wärme äussern.
Die Reductionsprodukte der Kohlensäure finden im Leben der Pflanze mannigfache Ver-
wendung; sie dienen zum Aufbau des Leibes und zur Reproduction der Art. Dabei findet
nicht nur eine Bildung höherer organischer Verbindungen statt, sondern auch die RUckver-
wandlung eines Theiles der organischen Substanz zu Kohlensäure. Man unterscheidet deshalb
nach Sachs die Assimilation von dem Stoffwechsel (s. Art. Assimilation).
Die Assimilationsprodukte nun erfahren im pflanzlichen Organismus noch mannigfache
chemische Umwandlungen, die nicht mit einer Abscheidung von Sauerstoff, sondern mit einer
Aufnahme desselben und Abscheidung von Kohlensäure verbunden sind. Diese Vorgänge des
Stoffwechsels sind unabhängig von der Einwirkung des Lichts und dem Vorhandensein des
Chlorophylls. Sie werden durch einen Athmungsprocess bedingt, der wie bei den Thieren in
Sauerstoffaufnahme und Kohlensäureabgabe besteht. Doch ist diese Art Athmung eine nur ge-
ringe und wird von der die Assimilation bedingenden vegetativen Athmung der grünen Pflanzen-
organe im Licht weit Ubertroffen. Die ausgeathmete Kohlensäure ist nicht, wie beim Thier,
nutzlos, sondern dient sofort der Pflanze als Nahrungsmittel, sobald sie vom Licht getroffen wird.
Bei Mangel an Licht, zur Nachtzeit, ist aber die Stoffwechsel-Athmung überwiegend, Kohlen-
säure wird ausgeschieden. Dasselbe findet statt bei den chlorophyllfreien Kiyptogamen, die wie
die thierischen Organismen nicht assimiliren, sondern bereits organisirte Stoffe in sich aufiiehmen
und durch deren Zersetzung Kohlensäure producircn.
Die Haupdebenserscheinung der chlorophyllhaltigen Pflanzenzelle, die Assi-
nnilation, ist an eine Einnahme von Kohlensäure und Ausgabe von Sauerstoff
geknüpft, die Hauptlebenserscheinung der Thierzelle an eine Einnahme von
Sauerstoff und Ausgabe von Kohlensäure. Um die 700 — 1000 Grm. Sauerstoff
der Luft zurückzugeben, welche ein Mensch täglich zur Athmung verbraucht,
muss durch die Pflanzenvegetation 16 — 20 Kgrm. Cellulose aus Kohlensäure und
Wasser gebildet werden (95). In diesen Kreislauf der Kohlensäure werden auch
die verkohlten Organismen längst vergangener Schöpfungsperioden hineingezogen.
Aus den Verbrennungsprodukten der Steinkohle erzeugen die Pflanzen wiederum
neue organische Materie.
Bei diesem Kreislauf des Kohlenstoffs durch Pflanzen- und Thierreich könnte man annehmen,
dass eine gegebene Menge Kohlensäure fUr unendliche Zeit dem Bedttrfhiss der organischen Welt
genüge, besonders, wenn man die auf pag. 84 erwähnten regulirenden Wirkungen der Lutt-
strömungen und vor allem des Meeres in Betracht zieht Es werden aber factisch grosse
Mengen von Kohlensäure dem Kreislauf entzogen, namentlich durch zwei Vorgänge. Beim Ver-
wittern der Gesteine entstehen kohlensaure Salze, deren Säure der Atmosphäre entstammt und
nicht dahin zurückgelangt; ferner erleiden grosse Mengen organischer Stoffe eine Mineralisinmg
in den Torf-, Braunkohlen-, Steinkohlen- und Anthracitlagem. Dazu kommt drittens, dass be-
sonders seitdem der intelligente Mensch die Naturkräfte sich dienstbar gemacht hat, eine fort-
währende Zunahme der Organismen auf der Erde stattfindet Der das Dasein der Pflanzen,
Thiere und Menschen bedingende Kohlenstoff entstammt der Kohlensäure der Atmosphäre. Es
Atmosphäre. 99
jnoss also mit der Vennehrung der Organismen und aus den obigen Gründen die Menge der-
selben allmählich so Teiringert werden, dass sie zur ferneren Entwickelung der Pflanzenwelt nicht
mehr ausreicht. Nun wird zwar der Atmosphäre ein Ersatz gegeben durch Verbrennung der
Stein- und Braunkohlen, deren Kohlenstoff in früheren geologischen Epochen als Kohlensäure
einen Bestandtheil der Atmosphäre ausmachte, und somit werden diese längst begrabenen Vege-
tationen eine Quelle neuen Lebens für Pflanzen, Thiere und Menschen. Die auf diese Weise
durch menschliches Thun in die Atmosphäre gelangten Kohlensäuremengen genügen aber nicht,
die durch die genannten Ursachen bewirkten Verluste zu decken. Welche Kohlensäurequelle
fliesst noch für die Atmosphäre?
Die von Stekry Hunt (96) geäusserte Ansicht, dass unsere Atmosphäre den ganzen Weltraum
crfÜUe und sich um die Anziehungscentren verdichte, und dass durch Diffusion die auf der Erd-
oberfläche verbrauchte Kohlensäure wieder ersetzt werde, ist aus mehreren Gründen haltlos.
Stanislas Meunier (97) schreibt den Ersatz der aus obigen Ursachen der Atmosphäre ent-
nommenen Kohlensäure der vulkanischen Thätigkeit des Planeten zu, insofern als aus Erdspalten
Kohlensäure gasförmig und in Wasser gelöst (in Säuerlingen) fortwährend in die Atmosphäre
entweicht Diese Kohlensäure wird nach Meunier aus dem im Erdinnem in grossen Mengen
enthaltenen kohlereichen Roheisen durch Wasser entwickelt Wie an dem Meteoritenfund von
Ovyfak gezeigt worden ist, entwickelt solches Eisen bei Behandlung mit Säuren, ja mit heissem
Wasser (CLOez), Kohlenwasserstoffe, welche nach ihrer Verbrennung die dem Erdinnem ent-
qiiiUende Kohlensäure liefern.
Nachdem wir gesehen haben, dass die Constanz in den Mengenverhältnissen
des Sauerstoffs und der Kohlensäure in der Atmosphäre, hauptsächlich dank
der sich ergänzenden Thätigkeit des Pflanzen- und Thierreiches gesichert ist,
bleibt noch zu untersuchen, wie sich in dieser Beziehung Stickstoff und
Ammoniak verhalten. Die Bildungen von Ammoniak und Salpetersäure auf
Kosten des atmosphärischen Stickstoffs kommen neben der ungeheuren Menge
dieses Gases gar nicht in Betracht Der Stickstoff im Pflanzen- und Thierreich
ist nun nicht dem atmosphärischen Stickstoff entnommen, sondern entstammt dem
Ammoniak imd der Salpetersäure. Dieser Satz ist zuerst von Liebig (98) aufgestellt
und durch Boussingault, Lawes und Gilbert u. A. bestätigt worden. Das
Ammoniak und die Salpetersäure werden dem Erdboden und damit der Vege-
tation durch die atmosphärischen Niederschläge zugeführt. Nach Bestimmungen
von Lawes und Gilbert in Rothamsted empfängt 1 Hektar Land im Mittel
jährlich 806 Kgrm. Stickstoff und zwar 7*23 Kgrm. als Ammoniak, 0*83 Kgrm.
als Salpetersäure (99). Hiermit stimmen Boussingault's Angaben und die in
Dahme, Regenwalde und andern deutschen Versuchsstationen gemachten Be-
stimmungen ziemlich überein. Wie viel von diesem Stickstoff der Vegetation
nutzbar gemacht wird, ist nicht mit Sicherheit anzugeben. Der Hauptmenge
nach werden Ammoniak und Salpetersäure der Pflanze durch die Wurzeln in
gelöstem Zustande zugeführt und nur in geringem Maasse direkt aus der Luft
Die assimilirende Thätigkeit der Pflanze führt den Stickstoff in complicirte orga-
nische Verbindungen, die Eiweisskörper, über. Diese bilden das wichtigste
Nahrungsmittel für das Thier, in dessen Körper sie diurch die regressive Stofi"-
metamorphose zu einlachen Stoflen, namentlich Hamstofl*, oxydirt werden.
Letzterer wird an der Luft zu kohlensaurem Ammoniak; Ammoniak (und dessen
Oxydationsprodukt Salpetersäure) ist auch das Endglied, in welches die stickstoff-
haltigen Bestandtheile der Organismen durch den Process der Verwesung über-
gehen. Wir sehen also, dass der Stickstoff in der Form von Ammoniak einen
ähnlichen Kreislauf durch Atmosphäre, Pflanzen- und Thierwelt macht, wie er
von dem Sauerstoff und von dem Kohlenstoff* der Kohlensäure durchlaufen wird.
13. Zusammensetzung der Atmosphäre in früheren geologischen
7*
loo Handwörterbuch der Qiemie.
Zeiträumen. Wenn nun auch, wie wir gesehen haben, der Kreislauf des Sauer-
stoffs, Kohlenstoffs und Stickstoffs bedingt, dass die Bestandtheile der Atmosphäre
für absehbare Zeiten in ihrem jetzigen Gleichgewicht sich nicht ändern werden,
so muss die Zusammensetzung der Atmosphäre in früheren geologischen Epochen
doch ein andere gewesen sein wie gegenwärtig.
Da die Menge Stickstoff im Mineralreich und als Bestandtheil der organischen
Körper gegenüber der ungeheuren Menge Stickstoff in der Atmosphäre ver-
schwindend klein ist, so muss der absolute Stickstoffgehalt der letzteren im Laufe
der Zeiten annähernd derselbe geblieben sein. Anders verhält es sich in Bezug
auf Sauerstoff, Wasser und Kohlensäure.
Zu einer Zeit, in der die Erde in gasförmigem und später in feurig flüssigem
Zustande war, konnten die Oxyde des Wasserstoffs, Siliciums, Calciums u. s. w.
nicht existiren. Erst mit fortschreitender Wärmeaustrahlung konnten dieselben
sich bilden und eine feste Erdrinde formen. Die grossen Wasserstoff- und Sauer-
stofißnengen konnten bei sinkender Temperatur sich zu Wasser vereinigen, und
dies musste Erscheinungen hervorrufen, wie wir sie heute als Protuberanzen an
der Oberfläche der Sonne beobachten. Denn diese sind wahrscheinlich durch
die chemische Vereinigung von Wasserstoff und Sauerstoff in solchen Höhen der
Sonnenatmosphäre hervorgerufen, wo niedrigere Hitzegrade herrschen als auf dem
glühenden Sonnenkörper selbst.
Die Kohlensäure der Carbonate des Calciums und Magnesiums, welche ganze
Gebirgsmassen auf der Erde bilden, wird schon bei schwacher Glühhitze ausge-
trieben. Diese Menge, die mindestens das 200 fache der jetzt in der Atmosphäre
vorhandenen betragen hat, und die gleich unermessliche Menge Kohlensäure,
welche den Kohlenstoff für die organische Natur auf der Erde geliefert hat,
musste einstmals einen Bestandtheil der Atmosphäre bilden. Die Kohlensäure
und zugleich das Wassergas mussten auf den Erdkörper einen ungeheuren Druck
ausüben, unter welchem ein Theil der Kohlensäure flüssig ja fest werden musste.
Flüssige Kohlensäure findet man in der That als Einschluss in Krystallen. Als
die Carbonate sich bilden konnten, nahm der Kohlensäuregehalt der Atmosphäre
mehr und mehr ab; eine üppige Vegetation konnte dann entstehen und die Kohlen-
säuremenge durch Umwandlung in organische Kohlenstoffverbindungen noch mehr
reduciren, zugleich der Atmosphäre einen Theil des ihr durch frühere Oxyda-
tionen entzogenen Sauerstoffe wieder zurückgeben, so dass die Atmosphäre zur
Respiration der Thierwelt tauglich wurde und der jetzige Zustand des Gleichge-
wichtes eintreten konnte.
14. Hygienische Bedeutung der Luft, a) Für die Gesundheit des
Menschen ist der Wassergehalt der Luft von grosser Bedeutung, insofern als die
Wasserdampfausscheidtmg des Körpers und zum Theil auch die Wärmeabgabe
davon abhängen.
Eine mit Feuchtigkeit gesättigte und warme Luft nennen wir »schwüle Die
aus der Haut abgeschiedene Feuchtigkeit kann von solcher Luft nicht mehr
dampfförmig aufgenommen werden und scheidet sich flüssig als »Schweiss« ab.
Der Schweiss ist nicht so sehr die Folge der Temperatur, als des Feuchtigkeitszustandes
der Luft. Die Abnahme der wässrigen Sekretion der Haut bedingt eine Zunahme der Körper-
temperatur. Dieser Zustand kann lethal werden, indem er den Hitzschlag oder Sonnenstich et^
zeugt. Heisse und feuehte Luft, die bei vielen Gewerben in den Fabriken aufhitt, muss durch
gute Ventilation beseitigt und durch firische ersetzt werden. Therapeutisch findet heisse und
feuchte Luft in den russischen Dampfbädern Anwendung.
Atmosphäre. loi
Feuchte und kühle Luft findet sich vorzugsweise in Sumpfgegenden.
Trockene und heisse Luft kommt in vielen Industrien vor, in Glashütten, in
metallurgischen Prozessen, in Gasiabriken, in Trockenräumen u. s. w. Im Allge-
meinen ist dieselbe nicht so gefährlich wie feuchte und heisse Luft, da die vermehrte wässrige
Haatausdttnstung der zu starken Steigerung der Körpertemperatur entgegenwirkt. Ein längerer
Aufenthalt in trockener heisser Luft wirkt aber sehr schädlich auf die menschliche Constitution.
Eine trockene warme Luft wird bei der Luftheizung erzeugt. Man sollte zur Schonung der
Gesundheit, und auch zur Schonung der Zimmermöbel, die warme Luft stets über eine Wasser-
fläche streichen lassen, ehe sie ins Zimmer tritt.
Trockene und kalte Luft wird häufig zur Kühlung in Brauereien und
Brennereien, zur Eiserzeugung, zur Abkühlung grosser Räume u. dergl. erzeugt.
Die WiMDHAUSEN'sche Maschine beruht darauf, dass comprimirter Luft die bei der Compression
entwickelte Wärme entzogen wird; bei der dann folgenden Expansion wird dann ein niedriger
Temperatnrgrad hervorgebracht.
Unter Umständen kann die Atmosphäre durch Gase, namentlich durch
schweflige Säure, Ammoniak, Salzsäure, sowie durch Staub organischer und
mineralischer Natur in gesundheitsschädlicher Weise verunreinigt werden. Regen,
besonders Gewitterregen, Schnee und Wind sind die natürlichen Reinigungsmittel
der Atmosphäre. Manche Winde aUerdings können, abgesehen von den mecha-
nischen Wirkungen, in Folge der rapiden Luftbewegung, durch Trockenheit und
Herbeiführung von Miasmen gefährlich werden, wie der Sirocco, Samum, Chamsin,
Monsoon u. s. w.
b) Verminderter Luftdruck. Der Gesammtdruck der Luft, welcher von
allen Seiten her gleichmässig vertheilt auf den menschlichen Körper wirkt,
schwankt zwischen 15000 und 20000 Küogr. Wird dieser Druck erheblich ver-
mindert, auf Bergeshöhen, so tritt ein eigenthümliches Gefühl des Wohlbehagens
ein, welches eine Folge der erleichterten Thätigkeit der Lungen ist. Die Blut-
drculation ist beschleunigt, die verbrauchte Muskelsubstanz wird daher rascher
wieder ersetzt und Ermüdungserscheinungen verschwinden rascher als in der
Ebene. Gegen Alkoholgenuss soll Immunität eintreten, vielleicht in Folge der
beschleunigten Abdunstung des Alkohols. In stärker verdünnter Luft treten andere
Erscheinungen ein. Während Puls und Respiration beschleunigt werden, ermüden
die Muskeln leicht, was in Bezug auf die unteren Gliedmaassen nach £. H. und
W. Weber auch darin seinen Grund hat, dass der Luftdruck weniger als sonst
beiträgt, den Schenkelkopf in der Pfaime zu halten und diese Arbeit mehr oder
weniger ausschliesslich den Muskeln überlässt Femer treten Ohrenschmerzen
und Schwerhörigkeit ein, da der äussere Druck auf das Trommelfell nicht so
stark ist wie der Luftdruck von der Paukenhöhle aus. In sehr bedeutenden
Höhen und bei sehr starker Luftverdünnung treten spontane Blutungen ein und aus
dem Blute entwickeln sich Gase. Dies kann dem Luftschiffer ebenso verhängnissvoll
werden wie der Mangel an Sauerstoff, wie dies in neuerer Zeit das Schicksal der Luftschiffer
Croc^Spimklli und SrvEL gezeigt hat, welche in einer Höhe von 8600 Metern der verdünnten
Luft lum Opfer fielen.
FoT^esetzte starke Arbeit auf hohen Bergen wird nicht gut ertragen. Die Bergleute auf
dem 7300 Fuss hohen Goldberg in der Rauris erreichen ein mittleres Lebensalter von nur
40 Jahren. Es wird dies dadurch erklärlich (Ldsbig), dass mit der Abnahme des Luftdrucks zu
der täg^chen Arbeitsleistung durch die Glieder eine dauernd gesteigerte Arbeit der Athemmuskeln
för die Athmung und des Herzens für den Blutkreislauf hinzukommt
c) Gesteigerter Luftdruck. In Taucherglocken, bei Brückenbauten, in
Apparaten »u therapeutischen Zwecken kann der Mensch dem Einfluss ver-
l63 Handwörterbuch der Chemie.
dichteter Luft ausgesetzt sein. Es treten Ohrenschmerzen, dann eine bedeutende
Schärfe des Gehörs ein, zuweilen Nasenbluten und Gefühl von Unbehagen;
letzteres besonders beim Uebergang von einem Luftdruck in den andern. Sauer-
stojSaufnahme und Kohlensäureausgabe sollen gesteigert werden.
d) Luft in geschlossenen Räumen; Ventilation. In geschlossenen
Räumen kann die Luft durch Entwicklung von Dämpfen und Gasen, durch
Staub, durch die Produkte der Perspiration und Respiration erheblich verunreinigt
werden. Die Fürsorge filr gute Ventilation in Wohn- und Fabrikräumen ist daher
von grösster Bedeutung für das menschliche Wohlbefinden. Man kann die
Ventilationseinrichtungen entweder so treffen, dass die schlechte Luft durch As-
piration oder Exhaustion entfernt wird, wobei diese dann von frischer durch
Thüren, Fenster und poröse Wände eindringender Luft ersetzt wird (Aspirations-
methode), oder so, dass auf mechanische Weise frische Luft eingetrieben wird
(Pulsionssystem).
Die schlechte Luft kann auf mechanische Weise abgesaugt werden oder durch künstlich er-
zeugte TemperaturdifTerenzen. Letzteres geschieht schon durch die gewöhnliche Ofen- und
Karoinfeuerung, wobei der Schornstein als Exhaustor wirkt Meistens werden die Heizungsgase
durch eine besondere Röhre im Innern des Schornsteins abgefllhrt, und der Raum zwischen dieser
Röhre und den Schomsteinwänden wird mit dem zu ventilirenden Raum in Verbindung gebracht.
Die Temperaturdifferenz zwischen Exhaustor und äusserer Luft soll mindestens 25^ betragen,
wobei sich eine Luftbewegung von 2 bis 3 Meter in der Sekunde ergiebt. In industriellen
Räumen, wo sich viel Wasserdämpfe u. dergl. entwickeln, wird zur Steigerung der Ventilation
eine besondere Saugkammer mit eigenem Abzugsrohr angeordnet, in welche die Luft aus den zu
ventilirenden Räumen tritt und wo sie auf 120 — 150® erhitzt werden kann.
Die Exhaustion mittelst mechanischer Saugapparate findet besonders bei staubproducirenden
Gewerben statt Es werden dazu Glockenexhaustoren und Ventilatoren der verschiedenartigsten
Constniction angewendet.
Die Pulsionsmethode wird häufig bei Bergwerken benutzt und ist bei Arbeiten unter Wasser
nicht zu umgehen. Man wendet auch hierzu Ventilatoren an (loo).
Die industriellen Abf^le, die Küchen- und Hauswässer, die menschlichen
und thierischen Excremente können durch ihre Zersetzungsprodukte die Lufl
vergiften. Dieselben werden unschädlich gemacht durch Desinfection und Abfuhr
an Orte, wo sie in grösseren Mengen angesammelt werden können, ohne schäd-
liche Wirkungen auszuüben, oder indem man die Städte mit einem unterirdischen
System von Canälen versieht, in welchen die Dejektionen aus der Nähe von Wohn-
stätten fortgeschwemmt werden. Diese Massen in die Flüsse zu leiten, ist eine
grosse wirthschaftliche Vergeudung; man sucht daher dieselben für die Land-
wirthschaft nutzbar zu machen, indem man mit den Canalisationswässem direkt
Ländereien berieselt oder durch Filtration und Präcipitation mittelst chemischer
Mittel Dungstoffe daraus herstellt.
15. Technische Anwendungen. Die mechanischen, physikalischen und
chemischen Eigenschaften der Luftbestandtheile gestatten die verschiedenartigsten
Anwendungen der Luft zu machen. Die Luft in Bewegung bildet ein seit den
ältesten Zeiten angewendetes Mittel, um Mechanismen in Bewegung zu setzen
und Arbeit zu erzeugen. Die Windmühlen und Windräder dienen zum Mahlen
der Getreide- und ölhaltigen Körner, zum Heben von Wasser u. s. w. Die
natürliche Luftströmung bewegt Segelschiffe uud giebt den Luftballons ihre
Richtung. Die durch Ventilation auf mechanische Weise in bestimmter Richtung
hervorgebrachte Bewegung der Luft dient in zahlreichen Gewerben zur Weg-
schaifung von Staub, von VVasserdampf, zur Trennung von Pulvern und Körnern
Atomtheorie. 103
nach der Grösse und dem specifischen Gewicht ihrer Bestandtheile u. s. w. Die
natürlich oder künstlich hervorgebrachten Luftströmungen werden zur Trocknung
der verschiedenartigsten Stoffe angewendet, und sind ftir die gesundheitlichen
Verhältnisse der Wohnungen und Fabriken, wo sich schädliche Gase entwickeln,
von grösster Bedeutung. Andererseits dient der in der Luft enthaltene Wasser-
dampf und das niederregnende Wasser zur Befeuchtung von Körpern.
Der atmosphärische Druck dient dazu, um poröse Stoffe, Hölzer z. B., mit
antiseptischen oder färbenden Flüssigkeiten zu imprägniren. Durch Verminderung
des Luftdrucks über erhitzten Flüssigkeiten in geschlossenen Gefässen be-
schleunigt man deren Verdampfung und bringt sie bei niedriger Temperatur zum
Sieden. Dies ist bei der Industrie des Rohr- und Traubenzuckers, der Färb- und
Gerbstoffe und in vielen anderen Gewerben von grosser Wichtigkeit.
Von der verschiedenen Löslichkeit der Luftbestandtheile macht man Ge-
brauch, um Sauerstoff oder eine sehr sauerstoftreiche Luft herzustellen (Mallet),
ein Verfahren, das fUr die Erzeugung hoher Wärme- und Lichtintensitäten von
Wichtigkeit werden kann.
Die zahlreichen chemischen Anwendungen der Luft beruhen zumeist auf der
Afünität des Sauerstoffs. Hierher gehören die Verbrennung der Heiz- imd Leucht-
materialien, die Oxydation vpn Metallen, das Rösten von metallischen Sulfiden,
die langsamen Verbrennungen, die beim Bleichen stattfinden. Von geringerer Be-
deutung für die technischen Gewerbe ist der Stickstoff der Luft. Indessen werden
neuerdings viele Versuche gemacht, denselben in Ammoniak und Ammoniaksalze
überzuführen.
Die in der Atmosphäre enthaltenen Keime und Sporen rufen, z. Th. unter
Mitwirkung des Sauerstoffs, die wichtigen Phänomene der Gährung, Fäulniss und
Verwesung hervor, Processe, die bald nützlich, bald schädlich wirken, und die
man durch Zulassung oder Abschliessung der Lnft fördern oder hindern kann.
RuD. Biedermann.
Atomtheorie*). Schon im Alterthum aufgestellt und zwar vornehmlich durch
DsifOKRiT, gewann die Atomistik eine Bedeutung ftir die Chemie erst durch
Dalton. Nachdem dieser das Gesetz der multiplen Proportionen entdeckt hatte,
zeigte er, dass dafür nur in der atomistischen Hypothese eine Erklärung ge-
funden werde.
Das Gesetz der multiplen Proportionen sagt aus, dass die Mengen der
einzelnen Elemente in ihren Verbindungen stets dargestellt werden können als
Produkte aus einfachen ganzen Zahlen in gewisse für jedes Element feststehende
Zahlen.
Besteht nun die Materie in letzter Linie aus Atomen, aus kleinen, untheilbaren,
von einander getrennten Theilchen, die für jedes Element bestimmte Eigenschaften,
*) i) Stas, Recherches sur les rapports reciproques des poids atomiques und Nouvelles
recherches sur les lois des proportions chimiques, sur les poids atomiques et leurs rapports
motuels. 2) Memoires de la soc. d'Arcueil II., pag. 207. 3) Annales chim. et phys. X., pag. 395.
4) Annales chim. phys. XIV. XIX. XXTV etc. 5) Journal de physique LXXIII., pag. 53.
6) PoGGEHDORFF, Ann. Phys. C, pag. 353. 7) Poggendorff, Ann. CLIV., pag. 367 u. 553.
5) Tho^ison, Annais of phil. VI., pag. 321. 9) Poggendorff, Ann. Phys. XV., pag. 301.
10) Ann. Chem. Phann. Suppl. VUL, pag. 133. 11) Vergl. L. Meyer, Moderne Theorien der
Chemie. 12} Richter, Ueber die neueren Gegenstände in der Chemie. 13) Ann. Chem.
Pharm. 26, pag. 113. 14) Ann. chim. phys. [2] LVI., pag. 400. 15) Ann. Chem. Pharm. 85,
pig. 368. 16) Ann. Chem. Pharm. 104, pag. 129. 17) Geui'HER, Lehrbuch der Chemie.
f04 Handwörterbuch der Chemie«
insbesondere bestimmtes Gewicht, bei verschiedenen Elementen aber verschiedene
Eigenschaften besitzen, so können Verbindungen zwischen den Elementen nur
dadurch entstehen, dass die Elementaratome in verschiedener Zahl sich an ein-
ander lagern und so die kleinsten Theilchen der Verbindungen erzeugen. Die
Zusammensetzung eines solchen Theilchens und folglich auch die Zusammen-
setzung der Verbindung ist daher gegeben durch die Atomgewichte der Elemente
und durch die Anzahl Atome der einzelnen Elemente, d. h. es findet zwischen
Thatsache und Theorie vollständige Uebereinstimmung statt
Femer ergiebt sich die Möglichkeit von Atomgewichtsbestimmungen, sobald
die Anzahl Atome in den kleinsten Theilchen der Verbindungen bekannt ist und
deren Zusammensetzung bestimmt wird. Weiss man z. B., dass im kleinsten
Theilchen Wasser 2 Atome Wasserstoff auf 1 Atom Sauerstoff vorkommen, und
hat man durch die quantitative Anal)rse auf 2 Thle. Wasserstoff 16 Thle. Sauer-
stoff gefunden, so folgt daraus, dass das Atomgewicht des Sauerstoffs 16 mal so
gross ist als das des Wasserstofis. Unsere Atomgewichtsbestimmungen er-
geben also nur Verhältnisszahlen. Nach dem Vorgange Dalton's bezieben
wir sie alle auf das Atomgewicht des Wasserstoffs, welches gleich Eins gesetzt
wird.
Die Bestimmung der Atomgewichte, in diesem Sinne aufgefasst, verlangt also
die Lösung zweier wesentlich verschiedener Aufgaben:
I. Die möglichst genaue Bestimmung der Zusammensetzung einiger Ver-
bindungen von jedem Elemente und
n. Die Kenntniss der Anzahl Atome jedes Elementes im kleinsten Theilchen
dieser Verbindungen.
Die erste ist eine rein praktische Aufgabe, mit welcher sich viele Chemiker
seit Berzelius und auch vor ihm beschäftigt haben. Je feiner und exakter die
hierzugewählten Methoden sind, je grössere Sorgfalt auf ihre Ausführung und auf
die Reindarstellung der Verbindungen gelegt wird, um so genauer werden die
Atomgewichtsbestimmungen. Neuerdings hat namentlich Stas (i) darin Be-
wundemswerthes geleistet.
Werden die Resultate solcher quantitativer Analysen alle auf eine und die-
selbe Menge eines Elements, z. B. auf 1 Th. Wasserstoff umgerechnet, so müssen
die für die andern Elemente gefundenen Zahlen Multiplen oder Submultiplen ihrer
Atomgewichte darstellen. Lange Zeit hat man sich damit begnügt, aus diesen
Zahlen gewisse auszuwählen und nannte sie Verbindungsgewichte, Aequivalent-
gewichte, manchmal auch Atomgewichte.
Die Lösung der zweiten Frage hängt immer mit theoretischen Vorstellungen
zusammen, wenn auch diesen wieder empirisch erkannte Gesetzmässigkeiten zu
Grunde liegen. Dieselbe fffhrt zur Auswahl des Atomgewichts aus den durch
die Analyse ermittelten Multiplen.
Namentlich drei Gesichtspunkte sind es, welche heut in dieser Richtung ver-
werthet werden. Der erste hängt mit dem von Gay-Lussac entdeckten Ver-
bindungsgesetz der Gase zusammen (2), der zweite ist durch das von Dulong
und Pettt ausgesprochene Gesetz über specifische Wärme bedingt (3) und der
dritte, allerdings bei weitem weniger wichtige, ist durch den von Mitscherlich
entdeckten Isomorphismus gegeben.
1. Bei allen Verbindungen zwischen Gasen oder Dämpfen stehen die Volume
der Componenten untereinander und zu dem Volum des Produkts in Gasform
Atomtheoric. 105
in emfacher Beziehung, vorausgesetzt dass diese Volume bei gleicher Temperatur
nnd gleichem Druck (unter gleichen äusseren Bedingungen) gemessen werden.
Da nun auch die Gase sich nach ganzen Atomen verbinden, so muss offenbar
eine einfache Beziehung zwischen Gasvolum und der darin vorkommenden Zahl
Atome stattfinden. Die einfachste Annahme in dieser Hinsicht, wonach nämlich
alle Gase unter gleichen äusseren Bedingungen die gleiche Zahl von Atomen in
dem gleichen Volumen enthalten, ist unmöglich, weil sich manche Gase, wie
Chlor und Wasserstoff, ohne Contraction vereinigen. Jene Hypothese fllhrt aber
in allen solchen Fällen zu der widersinnigen Annahme von Atomtheilen.
AvoGADRO hat, wie es scheint, durch Aufstellung des Molekularbegriffs,
den einzig richtigen Weg gefunden, um Gay-Lussac's Gasverbindungsgesetz mit
der atomistischen Hypothese in Einklang zu bringen (5).
Das Molekül wird heute definirt als die kleinste Menge eines Körpers,
gleichgültig ob chemisch einfach (Element) oder zusammengesetzt, welche im
freien Zustand existirt. Es ist die kleinste Menge, welche chemische Zersetzungen
erleidet, und die kleinste Menge, welche im Gaszustand noch selbständige Be-
wegungen ausführt Das Molekül ist aber im Allgemeinen zusammengesetzt, es
besteht aus Atomen. Bei Verbindungen erscheint dies selbstverständlich und hier
enthält das kleinste Theilchen noth wendig die heterogenen Atome der ver-
schiedenen, die Verbindung zusammensetzenden Atome. Aber auch bei den
Elementen wird im Allgemeinen wenigstens die H3rpothese nothwendig, dass das
Molekül noch aus mehreren gleichartigen Atomen zusammengesetzt ist. Atom
wird definirt als die kleinste Menge eines Elements, welche überhaupt vorkommen
kann, als die kleinste Menge des Elements, die in irgend einem Molekül einer
Verbindung desselben sich findet.
AvoGADRO*s Hypothese geht nun dahin, in gleichen Volumen aller Gase (bei
gleichen äusseren Bedingungen) eine gleiche Molekülzahl anzunehmen.
Durch diese Annahme wird nicht nur Gay-Lussac's Gesetz mit der atomistischen
Hypothese in Zusammenhang gebracht, gleichzeitig giebt dieselbe auch eine Er-
klärung für das gleichmässige Verhalten der Gase bei Temperatur- und Druck-
änderungen, welches bekanntlich in den Gesetzen von MARicrra: (Boyle) und
Gay-Lüssac (Charles) seinen Ausdruck findet. Aber auch noch andere phy-
sikalische Erscheinungen der Gase, auf die hier einzugehen nicht der Ort ist,
drängen zu einer solchen Annahme, so dass Clausius selbständig auf dieselbe
Hypothese etwa 30 Jahre nach Avogadro geführt wurde (6).
Diese Hypothese bildet heute eins der Fundamente der theoretischen Chemie.
Sie führt bei unzersetzt flüchtigen Körpern, d. h. bei solchen, deren Dichtigkeit
im Gaszustand bestimmbar ist, unmittelbar zur Feststellung der Molekularge-
wichte, da diese den Dampfdichten proportional sein müssen. Als Einheit für
die Molekulargewichte ist dieselbe gewählt worden, welche schon oben als Ein-
heit bei Atomgewichtsbestimmungen bezeichnet wurde: das Atomgewicht des
Wasserstoffs. Das Molekulargewicht dieses Elementes wird dann 2, weil ein
Molekül Wasserstoff aus zwei Atomen besteht.
Auch die Frage nach den Atomgewichten lässt sich jetzt bei allen flüchtigen
Elementen und bei solchen, die viele flüchtige Verbindungen bilden, leicht erledigen.
Bei den ersteren braucht nur noch die Zahl der Atome im Molekül bestimmt zu
werden, und diese ergiebt sich aus den Volumverhältnissen, welche bei den Ver-
bindungen dieses Elemente mit andern Elementen im gasförmigen Zustand statt-
Io6 Handwörterbuch der Chemie.
finden. Die Anzahl Atome im Molekül wird gerade so gross angenommen,
dass diesen Thatsachen, ohne Atomtheile vorauszusetzen, genügt wird. So ver-
langt die Erfahrung, dass gleiche Volume von Wasserstoff und Chlor sich zu
einem doppelten Volum Salzsäure vereinigen, die Annahme von zwei Atomen
Wasserstoff und zwei Atomen Chlor in je einem Molekül dieser Elemente
Kennt man von einem Element, auch wenn es selbst nicht flüchtig ist, viele
flüchtige Verbindungen, so hat man einerseits nur die Molekulargewichte dieser
Verbindungen aus ihren Dampfdichten, und andererseits die Mengen der darin
vorkommenden Elemente durch die Analyse festzustellen. Die jeweilig kleinste
in einem Molekül vorkommende Menge giebt das Atomgewicht.
Fehlerhaft kann die Bestimmung nur dann werden, wenn wenige Verbindungen
zu derselben benutzt werden können. In solchen Fällen können Zahlen gefunden
werden, welche das Doppelte oder Dreifache des Atomgewichtes sind.
Würde man z. B. aus der Dampfdichte und Analyse des Aluminiumchlorids
oder Eisenchlorids auf die Atomgewichte von Aluminium und Eisen schliessen
wollen, so würden sich Werthe ergeben, welche zweimal so gross sind als die
Atomgewichte, welche aus dem Gesetz von Dulong und Petit folgen und
welche allgemein angenommen sind. Andererseits aber lassen sich die Atomge-
wichte aller Metalloide in dieser Weise feststellen.
2. Die Atomgewichte der Metalle sind hauptsächlich durch das Gesetz von
Dulong und Petit bestimmt worden, d. h. man hat aus den Multiplen, welche
durch die Analyse von Verbindungen ermittelt werden können, dasjenige ausge-
wählt, welches nach Multiplication mit der specifischen Wärme des betreffenden
Elementes ein der Zahl 6 sich näherndes Produkt liefert Bei den allgemein
adoptirten Einheiten für die Atomgewichte und die specifischen Wärmen (die
specifische Wärme des Wassers gleich Eins gesetzt) wird nämlich die Atomwärme
d. h. das Produkt von Atomgewicht und specifischer Wärme für alle festen Elemente
nahe gleich dieser Zahl (die Schwankungen betragen allerdings gegen 15^ des
Gesammtwerthes).
Bei einigen Elementen und gerade bei solchen, deren Atomgewicht durch
AvoGADRo's Hypothese hat bestimmt werden können, wie bei Kohlenstoff, Sili-
cium und Bor, ergab das Gesetz von Dulong und Petit viel zu grosse Werthe,
oder auch bei Benutzung dieser bereits festgestellten Atomgewichte ergaben sich
viel zu kleine Atomwärmen. Man glaubte daher dem Gesetz über die speci-
fischen Wärmen die allgemeine Gültigkeit absprechen zu müssen.
In neuerer Zeit hat aber Weber (7) gezeigt, dass die specifischen Wärmen der
drei genannten Elemente mit der Temperatur sehr veränderlich sind, d. h. dass
sie mit steigender Temperatur zunehmen, und zwar bis zu einer gewissen Grenze,
wo sie dann constant bleiben. Werden diese letzteren Werthe der specifischen
Wärmen mit den betreffenden Atomgewichten multiplicirt, so erhält man Atom-
wärmen, welche der Zahl 6 nahe kommen, so dass also auch in diesen Fällen,
allerdings unter bestimmten Voraussetzungen, dem Gesetz von Dulong und Petit
Genüge geleistet wird.
3. Unter isomorphen Körpern sind solche zu verstehen, welche in denselben
Formen desselben Krystallsystems mit nahe gleichen Winkeln krystallisiren und
welche auch zusammen zu einem Krystallindividuum sich vereinigen können.
Schon MiTSCHERLiCH, der diese merkwürdige Eigenschaft entdeckte, knüpfte daran
die Hypothese, dass nur Körper von gleicher chemischer Constitution isomorph
Atomtheorie.
107
sein können. Später hat man diese Hypothese dahin präcisirt, dass man bei
isomorphen Stoffen die gleiche Zahl Atome im Molekül voraussetzt. Hierdurch
ist ein Mittel gegeben» den Isomorphismus zu Atomgewichtsbestimmungen zu
yerwerthen, indem man aus den durch die Analyse als möglich erkannten
Multiplen die richtige Zahl auswählen kann. Es ist oben schon hervorgehoben
worden, dass dieses thunlich ist, sobald die Zahl der Atome in einer Verbindung
bekannt ist, und dies letztere gelingt eben für solche Verbindungen, welche mit
anderen isomorph sind, bei denen die Atomgewichte der Elemente und dadurch
die Zahl der Atome bekannt ist
Die erörterten theoretischen Betrachtungen im Verein mit einer grossen 2^1
analytischer Untersuchungen, mit peinlichster Sorgfalt ausgeführt, haben es er-
möglicht, die Atomgewichte aller genau bekannten Elemente mit grosser Sicher-
heit zu bestimmen. Die Resultate dieser Untersuchungen sind in der folgenden
Tafel niedergelegt:
I. Nichtmetalle.
Wasserstoff
Zeichen.
H
Atomgewicht.
10
Telur . .
Zeichen
Te
. Atomgewicht.
1263
Chlor . .
a
35-37
Stickstoff .
N
14-01
Brom . .
Br
79-76
Phosphor .
F
30-96
Jod . . .
J
126-54
Arsen . .
As
74-9
Fluor . .
Fl
19-06
Bor . . .
B
10-9
Saucretoff .
0
15-96
Silicium
Si
28-0
Schwefel .
S
31-98
Kohlenstoff
C
*l-97
Selen . .
Se
78-87
n.
Metalle.
Kalium
K
3903
Mangan
Mn
54-8
Natrium
Na
2^-99
Eisen . .
Fe
55-88
Lithium
Li
7-01
Kobalt . .
Co
58-6
Rubidium .
Rb
85-2
Nickel . .
Ni
58-6
Cäsium
Cs
132-7
Chrom
Cr
52-4
Calcium
Ca
39-91
Molybdän .
Mo
95-9
Strontium .
Sr
87-3
Wolfram .
W
183-6
Barium
Ba
136*86
Uran . .
u
289-8
Beryllium .
Be
9-08
Zinn . .
Sn
117-35
Magnesium
Mg
23-94
Titan . .
Ti
50-25
Zink . .
Zn
64-88
Zirkonium .
Zi
90-4
Cadmium .
Cd
111-7
Thorium
Th
231-96
Blei . .
Pb
206-39
Vanadin
V
511
Thallium .
Tl
208-7
Antimon
Sb
120H)
Kupfer . .
Cu
63-18
Wismuth .
Bi
207-5
Silber . .
Ag
107-66
Tantal . .
Ta
182-0
Quecksilber
Hg
199-8
Niobium
Nb
98-7
Yttrium
Y
89-6
Gold . .
Au
196-2
T^^th^p
La
138-5
Platin . .
Pt
194-4
Cer . . .
Ce
141-2
Ruthenium .
Ru
103-5
Didym . .
Di
145-0
Rhodium
Rh
1041
Erbium
Eb
166
Palladium .
Pd
106-2
Aluinini um
AI
27-04
Iridium .
Ir
192.5
Indium
In
113-4
Osmium •
Os
19:>-0
Gallium
Ga
69-9
Wenn auch hier
nur in
gedrängtester Kürze tlber die Atomtheorie berichtet
nicht
versäumt
werden, auf die grosse
Wichtigkeit hinzu-
lo8 Handwörterbuch der Chemie.
weisen, welche genaue Atomgewichtsbestimmungen für die ganze Chemie be-
sitzen. Wird doch keine quantitative Analyse ausgeführt, ohne direkte oder indi-
rekte Benutzung dieser Zahlen 1 Denn meistens werden die Resultate der Anal]rse
nur gefunden unter Zugrundelegung der Atomgewichte, oder man vergleicht die
durch die Analyse ermittelte Zusammensetzung mit der theoretischen, d. h. der
mittelst der Atomgewichte berechneten.
Weiter muss hier die in der Chemie übliche, aus der Kenntniss der Atom-
gewichte hervorgegangene Zeichensprache Erwähnung finden. Dieselbe rührt
im Wesentlichen von Berzeuus her und hat sich ganz ausserordentlich bewährt.
Sie beruht auf der Bezeichnung der Atomgewichte der Elemente durch den oder
die Anfangsbuchstaben des Elements in lateinischer Sprache, welche Zeichen
oben in der Tafel neben den betreffenden Elementen aufgenommen sind.
Mittelst dieser Zeichen ergiebt sich ohne Weiteres ein Symbol für die
Moleküle der Verbindungen, indem diese durch Nebeneinanderstellung der
Zeichen für die im Molekül vorkommenden Elementaratome dargestellt werden,
wobei jedes Atomsymbol mit einer Zahl rechts unten versehen wird, welche die
Anzahl dieser Atome im Molekül bezeichnet. Aus einer solchen Molekularformel
ergiebt sich, die Kenntniss der Atomgewichte vorausgesetzt, unmittelbar die
Zusammensetzung der Verbindung und femer (nach Avogadro's Hypothese) ihre
Dichte in DampfTorm.
Die Molekularformeln führen ausserdem zur Darstellung chemischer Zersetzungs-
vorgänge mittelst Gleichungen. Die Gleichungsform soll dabei nur ausdrücken,
dass bei jeder chemischen Reacdon das Princip von der Constanz der Masse
gewahrt bleibt, dass also die Anzahl Atome jedes Elements vor und nach der
Zersetzung dieselbe ist, was bei allen solchen Gleichungen der Fall sein muss.
In diesen werden links die aufeinander einwirkenden Moleküle geschrieben, rechts
stehen die Moleküle der entstandenen Verbindungen.
Beziehungen zwischen den Atomgewichten.
Im Jahre 1815 wies Prout daraufhin, dass die Atomgewichte vieler Elemente
ganze Multiplen von dem Atomgewicht des Wasserstoffs seien (8). Es war selbst-
verständlich von grösstem Interesse zu untersuchen, ob sich eine solche Regel-
mässigkeit für alle Atomgewichte nachweisen lasse, denn dann musste sie offen-
bar zur Ansicht einer Urmaterie führen, d. h. zu der Anschauung, dass alle
Elemente condensirter Wasserstoff seien.
Die Thatsachen entschieden aber gegen eine solche Hypothese, und obgleich
namentlich Dumas wiederholt für dieselbe eintrat, und eine Reihe von Atom-
gewichtsbestimmungen, sie zu unterstützen, ausführte, so ist ihr Schicksal doch
endgültig durch die schon erwähnten SxAs'schen Untersuchungen entschieden
worden. Selbst da, wo wie man früher glaubte, einfache multiple Beziehungen
stattfinden, wie bei den Atomgewichten von Sauerstoff (16) und Kohlenstoff (12),
fand Stab durch seine genauere Bestimmungen Zahlen, die von der ganzen Zahl
nicht unerheblich abweichen.
Damit schien vorläufig Prout's Hypothese der Boden entzogen, ganz auf-
gegeben ist sie aber noch nicht. Sie hat von vom herein zu viel Wahrscheinliches,
als dass nicht speculative Köpfe bei passenden Gelegenheiten darauf zurück-
kommen sollten, und so hat namentlich Lockyer neuerdings gelegentlich seiner
Spectralbeobachtungen bei hohen Temperaturen, diese für eine Zerlegung oder
Atomtheorie.
109
Verwandlung der Elemente zu verwerthen gesucht, freilich ohne dass es ihm
gelungen wäre, viele Anhänger für seine Ansichten zu gewinnen.
Hier soll deshalb darauf nicht eingegangen werden, während andererseits
Hypothesen über die Beziehungen zwischen den Atomgewichten für die Chemie
von hervorragender Bedeutung wurden, so dass sie hier nicht übergangen werden
können.
DöBSREiNER (9) zeigte zuerst, dass zwischen den Atomgewichten von Elementen
mit ähnlichen Eigenschaften nahezu dieselben Differenzen gefunden werden.
So ist Cl = 35-37
44-39 Diff.
46-78 „
15-98
16-04
Br== 79-76
J = 126-54
Femer Li = 7*01
Na= 22-99
K= 39-03
Aehnliche Regelmässigkeiten sind auch bei anderen Gruppen von Elementen
gefunden worden, und viele Chemiker, vornehmlich Dumas, Lenssen und L. Meyer
waren bemüht, diesen eine allgemeinere Bedeutung abzugewinnen.
Doch ist es erst Mendelejeff*) im Jahre 1870 gelungen, alle Elemente nach
ihren Atomgewichten so anzuordnen, dass die Beziehungen, welche zwischen
diesen und andern Eigenschaften der Elemente bestehen, klar hervortreten (10).
Mendelejeff erkennt eine periodische Abhängigkeit der Eigenschaften der
Elemente von ihren Atomgewichten, d. h. er findet, dass wenn das Atomgewicht
um eine gewisse Grösse gewachsen ist, dieses wieder einem Elemente mit ähn-
lichen Eigenschaften entspricht Mendelejeff findet femer, dass diejenigen
Elemente, deren Atomgewichte innerhalb einer Phase liegen (so also, dass ihre
Differenzen kleiner sind als jene gewisse Grösse), sich in ihren Eigenschaften
stetig ändern. Er nennt alle Elemente der letztem Art einer natürlichen Reihe
angehörig, während er die chemisch ähnlichen Elemente zu einer natürlichen
Gmppe rechnet. Dadurch dass nun Mendelejeff die Grappen in vertikale
Reihen ordnet und die natürlichen Reihen horizontal stellt, kommt er zu folgender
Anordnung der Elemente:
•) Neuerdings hat Newlands darauf hingewiesen (Chem. News. 46, pag. 278), dass er
lange vor Msndelejbff ähnliche Ansichten ausgesprochen habe.
Handwörterbuch der Gieroie.
ES
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II
II
H
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X
H
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1
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Atomtheorie. 1 1 1
Zunächst ist bei dieser Tafel zu bemerken, dass die Stellung der ein-
geklammerten Elemente noch nicht als entschieden betrachtet wird und dass
Menbelejeff femer 2 Reihen zu einer Periode rechnet, d. h. dass die Analogie
zwischen den Gliedern einer Gruppe, wenn beide einer paaren oder beide einer
unpaaren Reihe angehören, grösser ist, als bei Gliedern in aufeinanderfolgenden
Reihen.
In den Gruppen trägt nun Mendelejeff im Allgemeinen längst bekannten
Analogien Rechnung, welche in ähnlicher Weise schon von Dumas und besonders
von L. Meyer zusammengestellt worden waren. Viel origineller ist die Anord-
nung in Reihen. Die stetige Veränderung der Eigenschaften in einer solchen
Reihe zeigt sich sowohl in chemischen, wie in physikalischen Eigenschaften.
Man hat z. B. folgende Reihe, die höchsten SauerstofTverbindungen der be-
treffenden Elemente darstellend:
Li,0 BeO BjO, CO, NjOg ? ?
NajO MgO AljOj SiO^ P2O5 SOj Cl^O^
Femer für die Chlor- und Wasserstoffverbindungen:
LiCl BeClj BClj CCI4 NCl, OCU
CH4 NH3 oh; FIH
NaCl ' MgClj AljClß SiCl^ PCI5, PCI3 SCI, Cl,
SiH^ PHj SHj CIH
Die Veränderungen der physikalischen Eigenschaften werde hier durch die
Aenderungen der Dichtigkeit und des Atomvolumens d. h. des Quotienten aus
Dichtigkeit in Atomgewicht erläutert.
Li
Be
B
C
N
0
Fl
Dichtigkeit
0,59
2,1
2,68
3,3
—
—
—
Atomvolum
11,9
4,4
4,1
3,6
—
—
—
Na
Mg
AI
Si
P
S
Cl
Dichtigkeit
0,97
1.74
2,49
2,56
2.3
2,04
1,38
Atomvolum
23,7
13,8
10,7
11,2
13,5
16,7
25,7
In Bezug auf Schmelzbarkeit, Flüchtigkeit und elektrochemisches Verhalten
zeigen sich ähnliche Regelmässigkeiten (11).
Von allen Anwendungen, die das Gesetz der periodischen Abhängigkeit der
Elemente von ihren Atomgewichten gefunden hat, soll hier nur eine, die wichtigste,
besprochen werden : nämlich die Prognose der Eigenschaften bisher unbekannter
Elemente. Mendelejeff hat nämlich darauf hingewiesen, dass die Lücken in
obiger Tafel durch noch zu entdeckende Elemente ausgefüllt werden würden und
dass die Eigenschaften dieser Elemente sich ergäben sowohl durch Analogie mit
den Elementen derselben Gruppe, als auch durch Anwendung der Regelmässig-
keiten, welche bei den Elementen einer natürlichen Reihe sich finden. Er hat
in dieser Beziehung namentlich die Eigenschaften von Ekabor (3. Gruppe 4. Reihe)
Ekaaluminium (3. Gruppe 5. Reihe) und Ekasilicium (4. Gruppe 5. Reihe) zu
diagnosticiren gesucht.
Diese Betrachtungen haben namentlich durch die Entdeckung des Galliums
durch Lecoq de Boisbaudran eine eminente Bedeutung gewonnen. Mendelejeff
erkannte sofort, dass das Gallium das von ihm Ekaaluminium benannte Element
sei, und die thatsächlichen Bestimmungen Lecoq's zeigten im Allgemeinen die
grösste Uebereinstimmung mit den Prognosen Mendelejeff's. So ward das Atom-
gewicht zu 69,9 bestimmt, während die Zahl 68 vorhergesehen war. Das spec.
Gew. des Oxyds, welches 5,9 sein sollte, ward zu 5,96 bestimmt. Die Analogie
II« Handwörterbuch der aiemie.
mit dem Aluminium, welche Mendelejeff zu dem Namen Ekaaluminium veran-
lasst hatte, ward durch die Darstellung des Galliumalauns glänzend bestätigt.
Neuerdings glaubt Nilson durch das von ihm gefundene Scandium auch dem
Ekabor reale Existenz verleihen zu können.
Valenz, Werth, Werthigkeit oder Sättigungsvermögen.
Der Begriff der Valenz von Elementen ist abgeleitet aus dem viel älteren
Begriff des Aequivalents oder Aequivalentgewichts, auf welchen deshalb hier kurz
eingegangen werden soll.
Von Aequivalenten sprach man zuerst bei Säuren und Basen, nachdem durch
Richter's Untersuchungen festgestellt war (12), dass diejenigen Mengen von
Basen, welche gerade hinreichten, ein bestimmtes Gewicht einer Säure zu
neutralisiren, auch sich allen anderen Säuren gegenüber gleich verhielten, d. h.
auch von jeder anderen Säure ein und dieselbe Menge zur Neutralisation be-
dürfen. Selbstverständlich gilt der Satz auch, wenn man Basen mit Säuren und
umgekehrt vertauscht, und er sagt also aus, dass diejenigen Mengen von Basen
(resp. Säuren), welche sich einer Säure (resp. Base) gegenüber gleich verhalten,
allen Säuren (resp. Basen) gegenüber gleichwerthig oder äquivalent sind. Die
Untersuchungen über Metallfallungen, namentlich die Erkenntniss, dass die Neu-
tralität bei solchen Reactionen erhalten bleibe, führte zur Ausdehnung des Begriffs
Aequivalent auf Elemente.
Später ward dann von Wollaston, welcher den Namen Aequivalent zuerst
gebrauchte, dieser mit Atom synonym angesehen und so eine Auffassung an-
gebahnt, welche Jahrzehnte lang in der Chemie herrschend war. In jener Zeit
galten Atomgewicht, Mischungsgewicht, Verbindungsgewicht und Aequivalent-
gewicht gleich, und ihre Bestimmung bestand in der Auswahl einer Zahl aus
jenen Multiplen, welche sich durch die Analyse der Verbindungen als für die
Atomgewichte möglich ergeben.
Die Erkenntniss, dass die Aequivalentgewichte nicht immer den Gewichten
der kleinsten Theilchen gleich sein könnten, ergab sich zuerst aus Liebig's be-
rühmten Untersuchungen über mehrbasische Säuren (13). Dort wird nachgewiesen,
was durch Graham's Untersuchung der Phosphorsäure schon nahegelegt war, dass
die kleinsten Theilchen (Moleküle) der Säuren untereinander und mit den Mole-
külen der Basen nicht immer äquivalent sind, dass sie vielmehr in ein- und mehr-
basische unterschieden werden müssen. *
Zu einer ähnlichen Scheidung zwischen Atom- und Aequivalentgewicht bei
Elementen führte die Untersuchung der Substitutionserscheinungen, welche von
Dumas entdeckt wurden (14).
Der Erste übrigens, der von einer bestimmten Sättigungscapacität
eines Elementes sprach, war Frankland, der dazu durch seine Untersuchung
der metallorganischen Verbindungen geführt ward (15). Nach ihm haben viele den
Begriff der Valenz zu präcisiren und allgemeiner anzuwenden versucht, von
wesentlicher Bedeutung ist aber die Anwendung des Begriffs Valenz auf den
Kolilenstoff durch Kekulä (16) und der Versuch, dadurch die Constitution der
organischen Verbindungen zu bestimmen.
Unter Valenz oder Werth eines Elements versteht man heute die Anzahl
Wasserstoffatome, mit der sich ein Atom des betr. Elements verbinden oder
welche es vertreten kann. Man bestimmt die Valenz der Elemente sowohl aus
den Formeln der Wasserstoffverbindungen (resp. Chlorverbindungen), als auch
durch Vergleichung der Formeln von Verbindungen, aus denen sich der Substitutions-
Atomtlieorie.
riS
werth der Elemente ergiebt, d. h. aus denen hervorgeht, wieviel Atome Wasser-
stoff (resp. Chlor) die betr. Elemente ersetzen können.
Bei einer Bestimmung nach der ersten Methode wählt man, um Zweideutig-
keiten möglichst zu vermeiden, nur Verbindungen, welche neben Wasserstoff ein
Atom eines andern Elements enthalten. Da nun viele Elemente, namentlich die
Metalle, keine Wasserstoffverbindungen zu bilden im Stande sind, so benutzt man
hier entweder flüchtige metallorganische Verbindungen, d. h. Methyl- oder Aethyl-
verbindungen, oder auch Chlorverbindungen.
Doch führt schon diese Methode zu Unsicherheiten, was bei der zweiten
Methode noch in weit höherem Masse der Fall ist. Ich erinnere in dieser Be-
ziehung an die Formeln von Zinnchlorür SnClg und Zinnchlorid SnCl^, welche
es unbestimmt lassen, ob dieses Element zwei- oder ob es vierwerthig ist.
In vielen andern Fällen kommt man dagegen zu eindeutigen Resultaten und
ich lasse hier eine Eintheilung der bekannteren Elemente nach ihrer Valenz
folgen:
Einwertbigc
Elemente
2weTthige
Elemente
Swerthige
Elemente
4werthige
Elemente
5werthige
Elemente
6werthige
Elemente
Wasserstoff
Sauerstoff
Stickstoff
Kohlenstoff
Niob
Molybdän
Chlor
Schwefel
Phosphor
Silicium
Tantal
Wolfram
Brom
Selen
Arsen
Aluminium
Vanadin
Jod
TeUur
Bor
Indium
Fluor
Calcium
Thallium
Gallium
Kalium
Strontium
Antimon
Mangan
Natrium
Barium
Wismuth
Eisen
I^irhium
Beryllium
Gold
Kobalt
Rubidium
Magnesium
Nickel
Cäsium
Zink
Chrom
Silber
Cadmium
Blei
Kupfer
Quecksilber
V
Zinn
Titan
Zirkonium
Platin
Selbstverständlich hat der Begriff Valenz nur dadurch Bedeutung gewinnen
können, dass er auch ein Verständniss anbahnt für die Verbindungen mehrwerthiger
Elemente, z. B. der Sauerstoffverbindungen. Häufig enthält die höchste Sauer-
stoffstufe eines Elements halb so viel Sauerstoffatome als der Werth des Elements
Einheiten besitzt; z. B. bei CaO, ZnO, SiOg, COg etc. Die Auffassung derartiger
Verbindungen ergiebt sich unmittelbar aus dem Begriff" der Valenz. Häufig aber
liegen die Verhältnisse anders, und man ist deshalb genöthigt eine Hypothese zu
Hülfe zu nehmen, welche auch aus andern Gründen unerlässlich ist: die Annahme
nämlich, dass auch gleichartige Atome sich vereinigen können und deshalb
gegenseitig Valenzen austauschen. Zu dieser Hypothese wird man unmittelbar
durch die Existenz der Moleküle der freien Elemente geführt, die ja vielfach aus
mehreren Atomen bestehen. Sobald dies aber zugegeben ist, erklären sich auch
Verbindungen wie Eisenoxyd FegOg oder Phosphorsäureanhydrid P^O^ etc. In dem
ersteren tauschen die beiden Eisenatome je eine Valenz aus, so dass ihnen noch
6 freie Valenzen bleiben, mit denen sie die drei Sauerstoffatome binden. In dem
Phosphorsäureanhydrid sind von 4 Sauerstoffatomen je 2 durch 1 Valenz ver-
kettet, während die 4 andern Valenzen dieser Atome an Phosphor gebunden
sind. Die 3 letzten Phosphorvalenzen werden durch das 5. Sauerstoffatom ge-
sättigt Man stellt derartige Anschauungen über Atomverkettung oder Atom-
bindung sehr kurz durch Schemen wie die folgenden dar:
Ladbnbukc, Chemie. Tl. 3
114 Handwörterbuch der Chemie.
Ke=0 '-1
Die Striche bedeuten hier Valenzen.
Nach BuTTLEROw's Vorschlag nennt man solche Schemen Structurfonneln,
und dieselben sind namentlich in der organischen Chemie vielfach in Gebrauch
und dort auch, wo sehr zahlreiche Fälle von Isomerie beobachtet sind, von
grosser Wichtigkeit geworden. Die Aufstellung solcher Formeln beruht einerseits
auf dem Begriff der Valenz, indem jedes Atom mit dem ihm eigenthümlichen
Werth in der Formel erscheinen muss, andererseits aber auf dem thatsächlichen
Verhalten der Substanz, d. h. auf ihren Bildungs- und Zersetzungsweisen. Man
nimmt eben an, dass diejenigen Atomgruppen, aus denen der Körper entsteht,
oder welche bei der Zerlegung gebildet werden, auch bei der fertigen Ver-
bindung sich wenigstens bis zu einem gewissen Grad schon vorfinden.
Genauer auf die Art der Ableitung solcher Formeln einzugehen, ist hier
nicht möglich, doch muss hervorgehoben werden, dass nicht alle Verbindungen
in dieser Weise, d. h. durch Atomverkettung darstellbar sind. Es reicht der
Begriff Valenz nicht aus zur Erklärung aller Verbindungen, und zwar
giebt es 2 Klassen von Substanzen, welche eine derartige Auffassung nicht zu-
lassen: 1. die molekularen Verbindungen, 2. die ungesättigten Verbindungen.
Zu der ersten Klasse gehören alle Körper, bei welchen die Valenzen der
einzelnen Atome nicht hinreichen, um den Zusammenhang des Moleküls zu be-
wirken. Hierzu müssen also alle Verbindungen gerechnet werden, welche durch
die Vereinigung gesättigter Moleküle entstehen, d. h. alle Krystallwasser- (Krystall-
alkohol- etc.) Verbindungen, die meisten sogen. Doppelsalze, alle Ammonium-
verbindungen und Ammoniaksalze, das Phosphorpentachlorid, Jodtrichlorid,
Schwefeltetrachlorid u. s. f. Die Zahl dieser molekularen Verbindungen ist eine
sehr grosse, und wenn sie auch nicht gerade im Widerspruch mit dem Begriff
der Valenz stehen, so zeigen sie doch dessen begrenzte Anwendbarkeit. Da
ausserdem eine scharfe Definition für molekulare Verbindungen zu geben nicht
möglich ist, so erhält durch sie das ganze auf die Valenz gebaute System eine
grosse Unsicherheit.
Zu den ungesättigten Verbindungen zählt man alle diejenigen Körper, bei
welchen kein vollständiger Ausgleich der Valenzen statt hat, so dass man sie
auch Körper mit freien Valenzen nennt. Dahin gehören das Kohlenoxyd CO,
das Stickoxyd NO, das Stickstofliperoxyd NO,, die Isocyanüre wie CHj — N = C,
die einatomigen Moleküle der Elemente Quecksilber, Zink und Cadmium etc.
Die ungesättigten Verbindungen stehen in direktem Widerspruch mit der An-
nahme einer constanten Valenz. Sie sind ein Beweis dafür, dass die Elemente
nicht immer und nicht unter allen Bedingungen denselben Wirkungswerth be-
sitzen. Leider hat sich aber noch nicht bestimmen lassen, von welchen Grössen
die Valenz abhängt und in welcher Weise sie veränderlich ist, so dass also eine
wirkliche Theorie der Valenz erst zu schaffen ist. Jetzt weiss man nur, dass
vielfach bei erhöhter Temperatur die Valenz geringer wird.
Bemerkenswerth ist aber, dass trotz der sehr schwankenden Grundlage,
welche die Lehre von der Valenz bietet, diese in ihren Consequenzen nament-
lich zur Aufstellung von Structurformeln sehr ausgebildet ist, und dass hier viel-
Autoclav-.
115
fach eine erstaunliche Uebereinstimmung zwischen Theorie und Thatsache besteht.
Dies ist auch der Grund, weshalb die meisten Chemiker an der Valenzlehre festhalten.
Allerdings hat man versucht, diese dadurch annehmbarer zu machen, dass
man die Valenz nicht als eine bestimmte Eigenschaft eines Elements ansieht,
sondern als eine veränderliche Grösse, deren Maximum nur bekannt ist, das
aber durchaus nicht in allen Fällen, d. h. in allen Verbindungen erreicht wird.
Dadurch wird es freilich möglich, die ungesättigten Verbindungen in das all-
gemeine System aufzunehmen, andererseits aber wird dieses um so viel unsicherer,
da doch zugegeben werden muss, dass die Annahme einer wechselnden Valenz
nicht eine erkannte Gesetzmässigkeit ist, von der aus sich bestimmte Schlüsse
ziehen lassen.
Dies zeigt sich schon daran, dass das Maximum der Valenz bei vielen
Elementen sehr verschieden angenommen wird. Es tritt eben dann das Be-
streben hervor, auch die meisten oder alle molekularen Verbindungen als Atom-
verkettungen erscheinen zu lassen. Man nimmt daher den Stickstoff, den Phosphor,
das Arsen u. s. w. öwerthig an, um die Ammoniumverbindungen, das Phosphor-
pentachlorid etc. erklären zu können, das Jod wird 3 und selbst 5 und 7 werthig
vorausgesetzt, ebenso Chlor und Brom, der Schwefel erscheint 2, 4 und 6 werthig,
Kalium und Natrium gar 1, 2, 3, 4 und 5 werthig (17).
NBt solchen Principien lässt sich freilich viel, wenn nicht Alles erklären, es
fragt sich nur, ob hier noch Principien vorliegen.
Autoclav wird ein geschlossener Behälter
genannt, in welchem Substanzen über ihren Siede-
punkt erhitzt werden können. Da hierbei im
Innern des Gefässes ein bedeutender Druck ent-
steht, so müssen die Wände aus widerstands-
fiUiigem Material hergestellt sein. Zur Fabrikation
mancher Theerfarbstoffe, z. B. des Methylgrüns,
sowie zur Erzeugung einzelner der Theerfarben-
industrie dienenden chemischen Präparate, z. B.
des Mono- und Dimethylanilins verwendet man
oft mehrere hundert Liter fassende Autoclaven
von Guss- oder Schmiedeeisen, welche mit Mano-
meter, Sicherheitsventil und einem abschraub-
baren Deckel versehen sind (Fig 51).
Zur Erzielung einer gleichmässigen Wirkung
des Autoclaveninhalts ist häufig im Innern des
Apparates ein Rührwerk angebracht, dessen durch
eine Stopfbüchsenpackung luftdicht geführte Welle
von Aussen in Umdrehung gesetzt wird. Zum
Schutz der eisernen Gefässwände vor der Ein-
wirkung der Chemikalien werden jene in der
Regel innen emaillirt, oft stellt man auch nur
eben emaillirten Kessel von passender Grösse
m das Innere des Autoclaven. Die Dichtung
zwischen letzterem und seinem Deckel erfolgt
durch Vermittlung eines Bleirings, gegen welchen
der Deckel durch Anziehen der Schrauben fest
angepresst wird. Gewöhnlich erhitzt man solche
Ladenburg.
(Ch. 51.)
Il6 Handwörterbuch der Chemie.
Autoclaven im Oelbad, mitunter auch im Blei- oder Luftbad, wenn höhere
Temperatur verlangt wird. Der Druck, welchen die Gefasswände auszuhalten
haben, ist oft ziemlich bedeutend und steigt z. B. bei der Fabrikation des Dimethyl-
anilins bis zu 25 Atmosphären. Selbstverständlich müssen daher die Autoclaven
vor der Verwendung auf ihre Widerstandskraft geprüft werden, was in gleicher
Weise wie bei Dampfkesseln durch Einpumpen von Wasser zu geschehen pflegt
Für Laboratoriumsarbeiten in kleinem Maassstab dient gewöhnlich als Autoclav
eine unten zugeschmolzene Röhre aus starkem Glas (schwerschmelzbare böhmische
Glasröhren sind besonders empfehlenswerth), deren obere Oeffnung nach Ein-
fuhrung der zu erhitzenden Substanzen gleichfalls zugeschmolzen wird. Solche
Röhren legt man zum Schutz der Umgebung vor Glassplittern, die bei einer
etwaigen Explosion herumgeschleudert werden könnten, in eiserne Röhren, welche
gewöhnlich in einem Luftbade von geeigneter Constniction, häufig aber auch in
Wasser-, Oel- oder Parafünbädern zur gewünschten Temperatur erhitzt werden.
Die Glasröhren können oft ganz ausserordentlich hohen Druck aushalten, doch
dürfen sie niemals in heissem Zustand geöffnet werden, damit sie nicht nachträglich
zerschmettert werden. Nach völligem Erkalten umwickelt man die Röhre fest
mit einem Tuch und erhitzt die allein hervorragende Spitze in einer Gebläse-
flamme. Die er^veichte Spitze wird durch den oft auch in der erkalteten Röhre
vorhandenen Gasdruck aufgeblasen und letzterer dabei langsam aufgehoben.
Zur Erhitzung kleiner Flüssigkeitsmengen auf Temperaturen, bei welchen
noch kein bedeutender Druck entwickelt wird, dienen manchmal die sogen.
LiNTNER'schen Druckf laschen. Es sind dies starkwandige Glasflaschen, deren
glatt abgeschliffener Hals mit einer Glas- oder Kautschukplatte bedeckt ist, auf
welche eine Metallplatte mit Hülfe einer Schraubvorrichtung fest angepresst wird.
Der ganze Apparat wird in ein Wasser- oder Oelbad untergetaucht und findet z. B.
bei quantitativ analytischen Bestimmungen (zur Ueberflihrung der Stärke in Zucker)
vielfache Anwendung. Heumann.
Azoverbindungen.*) Mit dem Namen Azo Verbindungen werden die zahlreichen
Glieder einer im Molekül mindestens zwei Stickstoffatome enthaltenden Körper-
klasse bezeichnet, bei deren Bildung in der Regel wenigstens zwei Kohlenwasser-
♦) i) MiTSCHERLiCH, Ann. 12, pag. 311. 2) A. W. Hofmann, Ann. 115, pag. 362.
3) Thomsen, Ber. 13, pag. 1806, 2166. 4) Heumann, Ber. 13, pag. 2023. 5) V, Meyer und
CoNSTAM, Ber. 14, pag. 1455. 6) V. Meyfr u. Ambühl, Ber. 8, pag. 751, 1073,* u. Friese,
Ber. 8, pag. 1078, ferner Ber. 9, pag. 384. C. Kappeler, Ber. 12, pag. 2285. 7) E, Fischer
u. Ehrhard, Ann. 199, pag. 325. 8) J. pr. Ch. 36, pag. 93. 9) Rasenack, Ber. 5, pag. 364.
10) Alexkyew, B. I, pag. 324. 11) Glaser, Z. 1866, pag. 308. 12) Petriew, Ber. 6, pag. 557.
13) \Vai.i.ach, Belli u. Kiepenheüer, Ber. 13, pag. 525; 14, pag. 2617. 14) Heumann, Ber. 5,
pag. 911. Hofmann u. Geyger, Ber. 5, pag. 916. Laubenheimer, Ber. 7, pag. 1600; 8, pag. 1623.
Alexeyew, Z. 1866, pag. 269. Beilstein u. Kurbatow, Ann. 197, pag. 84. Gabriel, Ber. 9,
pag. 1408. 15) ZiNiN, Ann. 114, pag. 218. Schmidt, Z. 1869, pag. 421. Petriew, Ber. 6,
pag. 557. Fleischer, Ber. 9, pag. 992. Heumann, Ber. 5, pag. 912. Calm u. Heumann,
Ber. 13, pag. 1185. 16) Schmidt, Z. 1869, pag. 417; Ann. 122, pag. 174. Schraube, Ber. 8,
pag. 619. 17) Werigo, Ann. 135, pag. 176. Rasenack, Ber. 5, pag. 364. Glaser, Ann. 142,
pag. 364. SciLMiiT, J. pr. [2] 18, pag. 196. ScHMmT u. Schultz, Ann. 207, pag. 329. An-
scHÜTz u. Schultz, Ber. 9, pag. 1398. Baeyer, Ber. 7, pag. 1638. 18; Laurent u. Gerhardt,
Ann. 75, pag. 73. E. Fischer, Ann. 190, pag. 133. Petriew, Z. 1870, pag. 265. 19) Schmidt,
Ber. 5, pag. 480. Griess u. Martius, Z. 1866, pag. 132. Kekul^, Z. 1866, pag. 689. Grässler,
DiNGL., Pol. J. 232, pag. 192 u. Chem. Industrie 1879, pag. 49, 346. 20) Griess, Ann. 154,
pag. 208; 131, pag. 89. Claus u. Moser, Ber. 11, pag. 762. Mahrenholtz u. Gilbsrt,
Azoverbindungen. 117
Stoffreste durch die unter sich verbundenen Stickstoffatome zu einem Molekül
vereinigt werden. Nur wenige Verbindungen sind bekannt, bei welchen ein
Kohlenwasserstoflfrest beide auch unter sich verbundenen Stickstoffatome bindet.
In den bis jetzt dargestellten Azoverbindungen gehören die Kohlenwasserstoff-
radicale in den meisten Fällen der aromatischen Reihe an.
MiTSCHERLiCH (i) erhielt im Jahre 1834 durch Reduktion des Nitrobenzols
einen nach der Formel CgH^N zusammengesetzten, rothe Krystalle bildenden
Körper, welchem er den Namen Azobenzid gab und den er als Benzol auf-
fasste, in dessen Molekül 1 At. H durch 1 At. N ersetzt sei. Spätere Unter-
suchungen, insbesondere die Entdeckung des Azoxybenzols liessen es jedoch
wahrscheinlicher gelten, dass dem Azobenzol ein doppelt so grosses Molekül
zugeschrieben werden müsse, und als A. W. Hofmann (2) die Dampfdichte des
Azobenzols als der Formel Ci^HjoNj entsprechend fand, war die Frage ent-
schieden, und die Lösung fand ihre Bestätigung durch die Darstellung solcher
Derivate, in welchen auf 12 Atome Kohlenstoff nur 1 Atom Wasserstoff durch
die Nitro- oder Amidogruppe ersetzt ist.
Da die beiden Benzolreste CgHj im Azobenzol noch völlig intact erscheinen,
so ist anzunehmen, dass die beiden Stickstoffatome zusammen blos zwei Valenzen
äussern und also — wenn wir den Stickstoff als dreiwerthig ansehen — unter
sich mit doppelter Bindung gefesselt sein müssen.
Die Constitution des Azobenzols wird hiernach durch die Formel CgHjN
= NCgHj ausgedrückt.
Die bedeutende Stabilität der Azoverbindungen hat man vielfach auf diese
doppelte Bindung der Stickstoffatome zurückführen wollen, da ja auch in dem
sehr stabilen Stickoxydul NgO eine solche Bindung anzunehmen ist, aber aus
Thomsen's (3) neueren, auf die Verbrennungswärme basirten Untersuchungen
über die Constitution des Benzols scheint hervorzugehen, dass doppelte Bindungen
sich leichter lösen wie einfache und somit Körper solcher Constitution nur als
Uebergangsstufen zu Verbindungen mit völlig gesättigten Valenzen zu betrachten sind,
da erst in diesem Fall ein stabiles Gleichgewicht innerhalb des Moleküls erreicht wird.
Ann. 202, pag. 332. Laur, J. pr. [2] 20, pag. 264. Limpricht, Ber. 14, pag. 1356. Her. 15,
pag. 1155. Janovsky, ^. 2, pag. 221. Wien. Akad. Ber. 83, pag. 646; Ber. 16, pag. i486;
Ber. 15, pag. 1450. 2370. 2575. Griess, Ber. 15, pag. 2188. v. Reiche, Ber. 13, pag. 1747.
Rodatz, Ber. 16, pag. 237. 21) Griess, Ann. 154, pag. 211. Kimich, Ber. 8, pag. 1027. Kekule
0. HiDEGH, Ber. 3, pag. 234. Mazzara, J. 1879, pag. 465. 22) Hepp, Ber. 10, pag. 1652. An-
DREAE, J. pr. [2] 21, pag. 320. Schmitt u. Möhlau, J. pr. [2] 18, pag. 199. 23) Jaeger,
Ber. 8, pag. 1499. Weselsky u. Benedikt, Ann. 196, pag. 340. Bohn u. Heumann, Ber. 15,
P"g. 3037. 24) Baeyer u. Jäger, Ber. 8, pag. 148. Typke, Ber. 10, pag. 1576. R. Meyer u.
Kreis, Ber. 16, pag. 1329. 25) Stebbins, Ber. 13, pag. 44, 716. 26) Weselsky u. Benedikt,
Ber. 12, pag. 227. 27) Griess, Ann. 137, pag. 85. Ber. 9, pag. 627. 28) Card u. Schraube,
Ber. 10, pag. 2230. 29) A. W. Hofmann, J. 1863, pag. 424. Alexeyew, Z. 1868, pag. 497.
30) Schultz, Ann. 207, pag. 311. 31) Calm u. Heumann, Ber. 13, pag. 1181. 32) J. Lermon-
Tow, Ber. 5, pag. 232. 33) Schmidt u. Schultz, Ann. 207, pag. 327. 34) Rasenack, Ber. 5,
pag. 367. Claus, Ber. 8, pag. 39, 600; 6, pag. 723. 35) Ladenburg, Ber. 9, pag. 219. 36) Ja-
novsky, J. 1864, pag. 527. Melmo, Ber. 3, pag. 550. Barsilowsky, Ann. 207, pag. 103. Schmitt,
J. pr. [2] 18, pag. 198. 37) Petriew, Dissertat. Odessa 1872. 38) A. W. Hofmann, Ber. 10,
pag. 218. 39) Buckney, Ber. 11, pag. 1453. 40) Nietzky, Ber. 10, pag. 662. 41) Stebbins,
Ber. 10, pag. 574, 717. 42) Mazzara, Ber. 12, pag. 2367. 43) Ladenburg, Ber. 9. pag. 219.
44) Werigo, Z. 1865, pag. 312. 45) Nietzky, Ber. 13, pag. 471. 46) Doer, Ber. 3, pag. 291.
47) Lecco, Ber. 7, pag. 1290. 48) Chem. Industrie 1878, pag. 240. 49) Griess, Ann. 137,
pag. 61; Ber. 12, pag. 426. 50) Zimmermann, Ber. 13, pag. i960. 51) Wald, Ber. 10, pag. 137.
Ii8 Handwörterbnch der Chemie.
Im Gegensatz zu den leicht zersetzbaren Diazoverbindungen (s. d.) sind Azo-
körper gegen viele Reagentien sehr widerstandsfähig und ein Zerreissen des
Moleküls durch Trennung der StickstofTatome erfolgt nur in wenigen Fällen.
Eine gewisse Verwandtschaft der Azokörper mit den Diazoverbindungen zeigt sich
jedoch in dem leichten Uebergang der letzteren in Azoverbindungen und in der
Eigenschaft beider, beim Erhitzen unter Verpuffung zersetzt zu werden, was wohl
dem Stickstoff zugeschrieben werden müss, welcher durch die bei der Lösung der
Stickstoffbindung frei werdende Wärme plötzlich ausgedehnt wird. Die Diazo-
körper sind aber in weit höherem Grad explosiv als die Azoverbindungen, bei
welchen jene Erscheinung nur durch plötzliches, starkes Erhitzen bewirkt
werden kann.
Die Bildungsweisen der Azokörper sind verschiedener Art
Aus Nitro- und Nitrosoverbindungen entstehen sie durch Reduction,
z. B. 2C6H5NO, — 20 = CeH5Ns= NCeHj; aus Amidokörpern durch Wasser-
stoffwegnahme infolge der Einwirkung von Oxydationsmitteln oder Brom z. B.
2CgH5NHj — 2Hj = CßH5N = NCgH5, und aus Diazoverbindungen durch
Umlagerung. So geht Diazoamidobenzol CßHsN = NNHC^Hj über in Amido-
azobenzol CgHjN = NCgH^NHj. Femer treten Diazokohlenwasserstoffe
mit Phenolen zu Oxyazokörpem zusammen: CuHjNjNOj -H CgHs-OH
= C^HftN = NCeH^.OH -h HNO,.
In analoger Weise entstehen die sogen, gemischten Azokörper, bei
welchen die Reste verschiedener Kohlenwasserstoffe durch die Azogruppe
— N = N — verbunden sind und die mehrere derartige Azogruppen enthaltenden
complicirten Azokörper.
Von theoretischem Interesse ist noch die Bildung einiger Azoverbindungen
aus Nitroso- und Amidokohlenwasserstoffen unter Austritt von Wasser und
das Entstehen von Azobenzol aus Bromanilin und Natrium.
Die auf der Oxydation der Amidokohlenwasserstoffe durch Kaliumpermanganat
Chlorkalk, Bleisuperoxyd oder Zinnoxyd beruhende Darstellungsweise der Azo-
körper liefert im Allgemeinen eine geringere Ausbeute als die übrigen Methoden,
welche zum Theil hohe technische Bedeutung erlangt haben. — Zur Reduction
der Nitrokörper benutzt man nascirenden Wasserstoff, welcher sich aus alkalischen
Flüssigkeiten entwickelt (Natriumamalgam und Wasser oder verdünnte Essigsäure,
Zinkstaub und Natronlauge etc), sowie frisch gefälltes Eisenhydroxydul oder
Zinnchlorür. Auch durch Schmelzen oder längeres Erhitzen mit Aetzalkalien
werden manche Nitrokörper zu Azoverbindungen reducirt, wobei ein Theil des
Nitrokörpers selbst als Reductionsmittel dient und dabei zerstört wird. Natürlich
ist unter diesen Umständen die Ausbeute nur eine geringe. — Die Bildung von
Azokörpem aus Diazoverbindungen verläuft gewöhnlich fast quantitativ.
Durch die erwähnten Reactionen können nicht nur nitrirte, amidirte und
diazotirte Kohlenwasserstofie in Azokörper übergeführt werden, sondern auch die
entsprechenden Chlor-, Brom-, Jod-, Hydroxyl-, Carboxyl- und Sulfoderivate, so
dass die Zahl der entstehenden Verbindungen eine sehr beträchtliche ist Da
wir femer auch im Stande sind, jene Substitutionen nachträglich in den bereits
fertig gebildeten Azokohlenwasserstoffen eintreten zu lassen, so gelingt es auch,
zahlreiche Isomerien auf diese Weise darzustellen.
Während man bis jetzt vergeblich versuchte, an zweifach nitrirten oder ami-
dirten Kohlenwasserstoffen die Bildung zweier Azogruppen zu bewirken, gelang
es Ladenburg, einige Verbindungen herzustellen, welche sich von einem Molekül
AzoverbinduDgen. 119
Benzol durch Ersetzung zweier Wasserstoffatome durch zwei Stickstoffatome ab-
leiten lassen. (S. Azomonophenylen.)
Die erst in neuester Zeit näher untersuchten sogen. Dis- oder Tetrazo-
verb in düngen, welche im Molekül drei Kohlen wasserstoffireste durch zwei
— N == N — Gruppen verbunden enthalten, können auf zweierlei Weise dargestellt
werden.
Analog der Bildung des Oxyazobenzols (Phenol-Azo-Benzol) aus Diazobenzol
und Phenol erhielt P. Griess aus Diazobenzol und Phenol-Azo-Benzol einen
Körper von der Zusammensetzung CgHjNss NCgH4(OH)N = NCßH5. Card
überführte dagegen Amidoazobenzol in Diazo-Azobenzol und combinirte diese
Diazoverbindung mit Phenol zu dem Disazokörper CuHjN = C^H^N =
NC5H4(OH). Aus der Bildungsweise und den Reactionen dieser neuen Ver-
bindungen, welche als Vertreter höchst zahlreicher und als Farbstoffe wichtiger
Körperklassen zu gelten haben, ergiebt sich, dass die nach den beiden Methoden
dargestellten Körper mit einander isomer sind.
Azooxyverbindungen. Bei der Reduction der Nitroverbindungen zu Azo-
körpem erhält man häufig ein Zwischenproduct, welches aus 2 Molekülen des
Nitrokörpers durch Austritt von 3 Atomen Sauerstoff entstanden ist; das im
Molekül bleibende Sauerstoffatom steht mit den beiden Stickstoffatomen in Ver-
bindung, die unter sich daher nur mit einer Valenz gebunden sind. Die so gebil-
deten Körper hat man Azoxyverbindungen genannt und ihnen die Constitution
R'N — NR' (R' = einwerthiges Kohlenwasserstoffradical) zugesprochen. Sie
\/
O
gleichen in ihren Eigenschaffen und Reactionen in hohem Grade den eigentlichen
Azokörpem und gehen durch Reductionsmittel, welche den Sauerstofi wegnehmen,
in dieselben über.
Hydrazoverbindungen. Durch die Einwirkung stark reducirender
Agentien kann in den Azokörpem die doppelte Bindung der Stickstoffatome zur
Hälfte gelöst und durch Wasserstoff gesättigt werden, wobei sog. Hydrazover-
bindungen von der Constitution R'N — NR' entstehen, welche sich dadurch
I I
H H
auszeichnen, dass sie schon durch ganz schwache Oxydationsmittel, oft sogar
durch den Einüuss des Lufbauerstoffs ihren additionellen Wasserstoff verlieren
und in die entsprechende Azoverbindung zurückverwandelt werden. Durch
Berührung mit Säuren werden die indifferenten Hydrazokörper in der Regel in
Basen übergeführt, indem sie sich in Diamidoverbindungen desDiphenyls
oder seiner Homologen umlagern:
CeHjNH ^ CeH^.NH,
C«H,NH ~ CeH,.NH,
Hydrazobenzol Diamidodiphenyl.
Die Einwirkung von Reagentien auf Azokörper kann im Allgemeinen
auf zweierlei Weise erfolgen.
Entweder veranlassen sie Substitutionen in den Kohlenwasserstofiresten und
dann verlaufen die Reactionen genau so wie bei den isolirten Kohlenwasserstoffen
und die entstehenden Brom-, Nitro-, Sulfo- etc.Produkte zeigen einen den ent-
sprechend substituirten Kohlenwasserstoffen sehr ähnlichen Charakter — oder die
Reagentien bewirken eine Aenderung in der Bindung der Stickstoffatome.
Entweder wird die doppelte Bindung in eine einfache verwandelt und die
I20 Handwörterbuch der Chemie.
zwei frei werdenden Valenzen sättigen sich durch an die Stickstoffatome neu an-
gelagerte Atome eines andern* Elements, oder die Stickstoffatome werden völUg
von einander getrennt und das Molekül des Azokörpers spaltet sich in zwei
Moleküle eines substituirten Kohlenwasserstoffs. Diese tiefgreifende Wirkung wird
durch energische Hydrirung oder Halogenisirung ausgeübt. Im ersteren
Fall treten als Spaltungsprodukte Amidokohlenwasserstoffe auf: CgHgN^^NCßHj
+ 4H = 2C6H5NH3, im letzteren Fall bei sogen, durchgreifender Chloiirung
oder Bromirung bilden sich vollständig chlorirte Kohlenwasserstoffe, insbesondere
CßClß und CßBrg, während der Stickstoff als solcher austritt.
Die Ueberführung der Azokörper durch starke Reductionsmittel z, B. Zinn
und Salzsäure in Amine der betreffenden Kohlenwasserstoffe wird ganz allgemein
zur Erkennung der Constitution der Azokörper benutzt, da es hierbei in
der Regel gelingt, letztere in Componenten von bekannter Constitution zu zerlegen.
Erhält man z. B. bei der Reduction eines Dibromazobenzols nur Para-Monobrom-
anilin, so beweist dies, dass der Azokörper symmetrisch constituirt ist und die
Bromatome sich dem Stickstoff gegenüber in der Parastellung befinden.
Bezüglich derjenigen Reactionen, bei welchen eine Substitution in den
Kohlenwasserstoffresten des Azokörpers stattfindet, ist noch hervorzuheben, dass
die Anzahl der bei Ersatz von zwei oder mehr Atomen Wasserstoft durch andere
Atome oder Radicale entstehenden Isomeren eine weit grössere ist als bei4en
entsprechend substituirten Kohlenwasserstoffen. Befinden sich z. B. zwei Nitro-
gruppen im Molekül des Azobenzols, so können beide in demselben Benzolrest
stehen oder jeder Benzolrest enthält eine Nitrogruppe.
In beiden Fällen sind wieder weitere Isomerien möglich, je nachdem die
Nitrogruppen unter sich, sowie gegen den Stickstoff der Azogruppe in die Ortho-
Meta- oder Parastelle getreten sind. Sind in dem Azokörper bereits andere
Wasserstoffatome durch Chlor, Hydroxyl etc. substituirt, so entstehen noch weitere
Isomerien bei dem Eintritt einer Nitrogruppe u. s. f. Die Constitution der
betreffenden Producte lässt sich in den meisten Fällen durch Spaltung des Azo-
körpers mittelst Zinn und Salzsäure ermitteln.
Die Nomenclatur ist bei den Azoverbindungen vielfach eine verworrene; für
dieselben Verbindungen werden oft sehr verschiedene Namen gebraucht, die ihrer
Complicirtheit wegen mitunter schwer verständlich sind oder gar Missverständnisse
und Verwechslung mit Diazoverbindungen hervorrufen. Im Nachfolgenden werden
für die komplicirteren und sofern nöthig auch für die unsymmetrisch substituirten
Azokörper die Namen in der Art gewählt) dass das Wort — Azo — dieselbe Stelle
zwischen den Namen der Kohlenwasserstoffe einnimmt, welche der — N = N —
Gruppe in der Formel zukommt (4).
Azoverbindungen der Fettreihe.
Erst in neuester Zeit wurde eine nur Radicale der Fettreihe enthaltende
Azoverbindung entdeckt. Nitromethan und seine Homologen liefern bei der
Reduction sofort Amine, aber durch Behandlung von Aethylnitrolsäure CHj-
^^N'OH' ^^^ Natriumamalgam erhielten Vict. Meyer und Constam (5) einen
Körper, der allen Reactionen nach wohl als ein symmetrisches Dinitroso-
CH CH
Azoaethan, j^q'CHN = NCHj^q*, anzusehen ist. Wegen seiner Eigenschaft
mit Alkalien orangegelbe Salze zu bilden, wurde diese Verbindung Aethyl-
azaurolsäure genannt. Auch eine Propylazaurolsäure wurde auf analoge
Weise dargestellt
\
Aro Verbindungen. 121
Gemischte Azoverbindungen,
bei welchen die Kohlenwasserstoffreste zum Theil der Fettreihe, zum Theil der
aromatischen Reihe angehören, hat ViCT. Meyer (6) mit seinen Mitarbeitern
durch Einwirkung von Diazobenzolnitrat auf die Natriumverbindungen der Nitro-
kohlenwasserstoffe der Fettreihe dargestellt.
Benzol-Azo-Nitromethan (Azonitromethylphenyl) CßHjN = NCHj-NOj
scheidet sich als ein bald zu rothen, atlasglänzenden Nadeln erstarrendes Oel
aus, wenn stark verdünnte Lösungen von Natriumnitromethan und Diazobenzol-
nitrat vermischt werden. Der Process verläuft nach der Gleichung CHgNaNOg
-h CeHjNgNOa = CßHgN = NCHgNOa + NaNOj. Zur Reinigung des Körpers
löst man ihn in verdünnter Alkalilauge, fällt durch eine Säure und krystallisirt
aus Alkohol. Die Krystalle sind prismatisch; sie schmelzen unter Zersetzung
bei 153° und verpuffen bei stärkerem Erhitzen. In Wasser ist der Körper un-
löslich, wird aber von Benzol, Aether und Schwefelkohlenstoff leicht aufgenommen.
In concentrirter Schwefelsäure löst sich die Verbindung mit blauvioletter Farbe;
bei Wasserzusatz wird sie unverändert wieder ausgefallt. Den Alkalien gegenüber
tritt das Benzol-Azo-Nitromethan als starke Säure auf — eine Eigenschaft, welche
die höheren gleichfalls nitrirten Homologen des Körpers ebenso zeigen.
Benzol-Azo-Aethan, C6H5N = NC2H5, oder Azophenyläthyl, bildet sich
nach Fischer und Ehrhardt (7) bei der Destillation des Diäthyldiphenyl-
tetrazons, (C2H5)2N-N = N-N(CgH5)2, "^^' Wasserdampfund stellt ein stark
riechendes, hellgelbes Oel dar, welches sich direkt mit Jod verbindet und durch
Reductionsmittel in Benzol-Hydrazo-Aethan übergeht.
Benzol-Azo-Nitroäthan, CßKr^N = NCj^^NO, (Azonitroäthylphenyl),
wird in analoger Weise wie die correspondirende Methanverbindung aus Diazo-
benzolnitrat und Natriumnitroäthan dargestellt und bildet gelbe Krystallblättchen,
welche bei 136 — 137° schmelzen. Die Lösung färbt Seide schön goldgelb. Der
Körper bildet wohl charakterisirte Salze, welche jedoch auffallenderweise 2 Atome
des einwerthigen Metalles enthalten und also, da die Constitution nur ein durch
Metalle vertretbares Wasserstoffatom erwarten lässt, als basische Salze aufzufassen
sind. Durch Fällung einer Lösung von Nitroäthankalium mit conc. Natronlauge
wurde indess auch ein normales Benzol-Azo-Nitroäthannatrium erhalten. — Die
Salze der Alkalimetalle sind in Wasser löslich, diejenigen des Zinks, Platins und
Silbers werden dagegen als Niederschläge erhalten, wenn die Lösung des Kalium-
salzes mit den betreffenden Metallsalzlösungen vermischt wird.
Durch Einwirkung von Nitroäthannatrium auf Para-Bromdiazobenzolnitrat
wurde Brombenzol-Azo-Nitroäthan, CgH4BrN = NC2H4N02 erhalten, Meta-
Nitrodiazobenzolnitrat liefert Nitrobenzol-Azo-Nitroäthan, Diazotoluol giebt
Toluol-Azo-Nitroäthan u. s. f. Wird bei diesen Reactionen das Nitroäthan
durch Nitropropan oder Pseudonitropropan ersetzt, so entstehen gleichfalls
entsprechende Azokörper. Wendet man statt des Diazobenzols P-Diazobenzol-
sulfo säure (aus Sulfanilsäure) an, so bilden sich schöne Farbstoffe, welche aus
den Sulfosäuren der nitrirten gemischten Azokörper bestehen (C. Kappeler).
Azoderivate des Benzols.
Azoxybenzol, CgH.N — NCgHg, nennt man das aus Nitrobenzol bei ge-
\/
O
linder Reduction zunächst entstehende Produkt. Zinin (8) erhielt dasselbe bei
122 Handwörterbuch der Chemie.
Anwendung von alkoholischer Kalilauge als Reductionsmittel, doch ist die Rein-
darstellung des Azoxybenzols nach diesem Verfahren wegen der gleichzeitig ent-
stehenden harzigen Nebenprodukte mit einiger Mühe verbunden. Rasenak (9)
verwandte Natron statt des Kalis und behandelte den nach dem Abdestilliren
des Alkohols bleibenden Rückstand mit verdünnter Salzsäure und Chlorwasser.
Schliesslich ist das Azoxybenzol mit Benzol zu extrahiren. Alexevew (10) führte
die Reduction durch Zusatz von Essigsäure und Natriumamalgam aus, wobei in-
dess die Wirkung leicht zu weit geht, so dass ein Ueberschuss von Amalgam
vermieden werden muss. Klinger wendet Nätriummethylat an zur Reduction des
Nitrobenzols (Ber. 15, pag. 865, s. auch Moltschanowsky: Ber. 15, pag. 1575;
^6> pag- 81 u. Klinger, Ber. 16, pag. 941). Nach einer ungedruckten Beobachtung
des Ref. bildet sich bei der Digestion des Nitrobenzols mit einer zur weitergehenden
Reduction ungenügenden Menge an Zinkstaub und verdünnter wässriger Natronlauge
oder wässriirem Ammoniak ebenfalls Azoxybenzol, welches von unverändertem Nitro-
benzol durch Destillation mit Wasserdampf befreit werden kann und einen hohen
Grad von Reinheit besitzt — Auch aus salzsaurem Anilin kann durch Kalium-
permangat Azoxybenzol erzeugt werden [Glaser (i i)], und Azobenzol lässt sich
beim Erhitzen mit einer Lösung von Chromsäure in Eisessig auf 150** zu Azoxy-
benzol oxydiren [Petriew (12)], doch sind diese Bildungsweisen nicht zur Ge-
winnung des Körpers geeignet.
Azoxybenzol bildet hellgelbe Krystallnadeln, welche bei 36° schmelzen. Die
Niedrigkeit des Schmelzpunkts bewirkt, dass sich das Azoxybenzol aus seiner
alkoholischen Lösung meist zunächst als Oel ausscheidet, welches erst nach
einiger Zeit erstarrt. Gegen verdünnte Säuren und Alkalien verhält sich das
Azoxybenzol indififerent und selbst Chlor vermag es nicht anzugreifen, dagegen
geht es durch nascirenden Wasserstoff leicht in Azobenzol über. Dasselbe Pro-
dukt entsteht neben Anilin bei trockner Destillation des Azoxybenzols für sich
oder mit Eisenfeile. Salpetersäure erzeugt Nitroprodukte, concentrirte Schwefel-
säure löst den Körper, bildet aber nicht, wie zu erwarten wäre, eine Sulfosäure,
denn Wasser fallt aus jener Lösung neben unverändertem Azoxybenzol das da-
mit isomere Oxyazobenzol oder Phenol-Azo-Benzol, CgH^'OH-N = NCgHj,
welches als ein Phenol in Alkalien löslich ist und folglich mit Hülfe von Natron-
lauge vom Azoxybenzol getrennt werden kann (13). Bei weiterer Einwirkung
conc. oder rauchender Schwefelsäure werden Oxyazobenzolsulfosäuren gebildet.
Substitutionsprodukte des Azoxybenzols. Haloidderivate (14).
Da die Halogene Chlor und Jod auf Azoxybenzol ohne Wirkung sind, so
können Substitutionsprodukte nur dadurch erhalten werden, dass man die sub-
stituirenden Atome bereits in das zur Azoverbindung zu reducirende Nitrobenzol
einführt. Durch Erwärmen von Monochlor-, Monobrom- und Monojod-nitrobenzol
(Para- und Meta-) mit alkoholischer Kalilauge lassen sich symmetrisch substituirte
Dichlor-, resp. Dibrom- und Dijodazoxybenzole erhalten, welche alle eine gelb-
liche Farbe besitzen. Monosubstitutionsprodukte können auf diesem Wege natür-
lich nicht erhalten werden.
Para-Dichlorazoxybenzol, CgH^ClN — NCßH^Cl. Blassgelbe, seiden-
\/
O
glänzende Nadeln. Schmp. 155—156°.
Meta-Dichlorazoxybenzol. Schmp. 97°.
Azoverbindungen. 123
P-Dibromazoxybenzol. Schmp. 172°.
Meta-Dibromazoxybenzol. Schmp. 111—111,5°.
P-Dijodazoxybenzol. Schmp. 199°.
Tetrachlorazoxybenzol, CgHjCljN — NCgHjC^. Aus Dichlornitro-
\/
O
benzol und alkoholischem Kaliumsulf hydrat. Schmp. 141,5°.
Nitrokörper (15). Azoxybenzol liefert beim Auflösen in concentrirter
Salpetersäure zwei isomere Mononitroazoxybenzole, welche sich durch die
Schmelzpunkte (153° und 49°), sowie durch die verschiedene Löslichkeit in Alko-
hol unterscheiden.
Dem leichter schmelzbaren und löslichen Körper hat man den Namen Iso-
nitroazoxybenzol gegeben.
Trinitroazoxybenzol bildet sich bei Behandlung des Azoxybenzols mit
einem Gemisch von höchst concentrirter Salpetersäure und Schwetelsäure oder
beim Kochen von Azobenzol mit sehr conc. Salpetersäure. Gelbe, bei 152°
schmelzende Nadeln, welche in Alkohol und Aether schwer löslich sind und
aus Salpetersäure oder Benzol leichter krystallisirt erhalten werden.
Tetranitroazoxybenzol. Durch Eintragen von Diphenylsulfohamstoff in
rauchende Salpetersäure imd Fällen mit Wasser darzustellen. Gelbe, in Alkohol
schwer lösliche Krystalle.
Nitro-p-DichlorazoxybenzoL Weissliche, verfilzte Nadeln. Schmp. 134°.
Oxy- und Dioxytrinitroazoxybenzol, Ci9H^(OH)(N02)3N20 und
CijH5(OH),(NO0)5N,O, Durch Oxydation von Nitroazoxybenzol mit in Eisessig
gelöster Chromsäure bei 180° darstellbar.
Amidoderivate (16). Amidoazoxybenzol, CgH^NHjN— NCßHj, wird
\/
O
durch Reduction des schwer löslichen Nitroazoxybenzols mit alkoholischem
Schwefelammonium erhalten und ist eine bei 138,5° schmelzende, in rhombischen
Tafeln krystallisirende Base. Gleichzeitig bildet sich auch durch Wegnahme des
letzten SauerstofFatoms Amidoazobenzol. Man trennt die Chlorhydrate der
Basen durch Alkohol, in welchem dasjenige des Azoxykörpers leichter löslich ist,
als andere Salze.
Tetramethyldiamidoazoxybenzol, CQl{^^{CK^)^N^lfCQll^N(Cli^)^,
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O
ist bei Behandlung von Nitrosodimethylanilin mit warmer alkoholischer Kalilauge
erhalten worden. Zweisäurige Base.
Azobenzol, C6H5N = NC6H5.
Wie erwähnt, entdeckte Mitscherlich diesen Körper als ersten Repräsentanten
der Azoverbindungen, ohne die chemische Constitution desselben sofort zu erkennen.
Azobenzol (17) entsteht durch Reduction des in wasserhaltigem Aether ge-
lösten Nitrobenzols mittelst Natriumamalgam, wobei das zunächst gebildete Azoxy-
benzol weiter reducirt wird; femer bei trockner Destillation von Azoxybenzol
(am besten mit Eisenfeile) oder Hydrazobenzol (neben Anilin). Aus salzsaurem
Anilin entsteht es bei Einwirkung von Kaliumpermanganat oder Chlorkalk und
aus essigsaurem Anilin kann es einer interessanten Reaction zu Folge mittelst
Nitrosobenzol erhalten werden: C6H5NH2-hC6H5NO=HaO + C6H5N=NCgH5.
Parabromanilin liefert in ätherischer Lösung mit Natrium behandelt ebenfalls
1*4 Handwörterbuch der Chemie.
Azobenzol, doch scheint zunächst Hydrazobenzol gebildet zu werden, welches
sich an der Luft zu Azobenzol oxydirt.
Als Darstellungsmethode ist die Reduction des Nitrobenzols mit Zink-
staub und wässriger Natronlauge zu empfehlen. Die Mischung erhitzt sich von
selbst nach einiger Zeit und nimmt eine braune Farbe an. Nach dem Erkalten
wird der wässrige Theil abiiltrirt und der auf dem Filter befindliche Rückstand
mit Alkohol extrahirt. Sind die aus der Lösung zu erhaltenden rothen Krystalle
des Azobenzols in Folge zu weit gegangener Reaction mit weissen Nadeln von
Hydrazobenzol vermischt, so leitet man während einigen Minuten Chlorgas in
die alkoholische Lösung.
Azobenzol krystallisirt in bräunlichrothen Blättern oder Nadeln des rhom-
bischen Systems (Jeremejew und Alexejew, Russ phys. ehem. Gesellsch. 1882,
pag. 198), deren Schmp. bei 68° liegt (Griess); bei 293° verdampft es unzersetzt
Wird Azobenzol rasch erhitzt, so findet Zersetzung statt, in Folge deren Anilin,
Diphenyl etc. entstehen, bei plötzlichem starkem Erhitzen auf dem Platinblech
tritt schwache Verpuffung ein. In Wasser ist das Azobenzol unlöslich, dagegen
leicht löslich in Alkohol, Aether, Chloroform und Benzol. Aus der Benzollösung
scheidet sich beim Verdunsten die Verbindung CiaHioNg-CßHg in rhombischen
Prismen ab. — Chlor wirkt nicht auf Azobenzol, Brom bildet dagegen sowohl Sub-
stitutions- wie Additionsprodukte. Salpetersäure wirkt nitrirend, rauchende Schwefel-
säure sulfirend auf dasselbe ein und eine Lösung von Chromsäure in Eisessig
oxydirt es bei 150*^ zu Azoxybenzol.
Substitutionsprodukte des Azobenzols.
1. Haloidderivate. Para-Dichlorazobenzol ist durch Destillation von
P-Monochlomitrobenzol mit alkoholischem Kali erhalten worden und bildet röth-
lich gelbe Nadeln, die bei 184° schmelzen.
P-Dibromazobenzol (Schmp. 205°) kann analog dargestellt werden, bildet
sich aber auch bei direkter Einwirkung von Brom auf Azobenzol.
Metadibromazobenzol (Schmp. 125°), Meta- und Paradijodazobenzol
(Schmp. 150° resp. 237°) wurden dagegen durch Oxydation der betreffend sub-
stituirten Hydrazobenzole mit Eisenchlorid erhalten.
Tetrabromazobenzol, CgHjBrgN = NCgHjBrj, bildet sich beim Er-
hitzen einer alkoholischen Azobenzollösung mit Brom. Schmp. 320°.
2. Nitroderivate (18). Concentrirte Salpetersäure erzeugt mit Azobenzol
je nach der Stärke der Säure und der Dauer des Erhitzens Mono-, Di- oder
Trinitroazobenzol. Im letzteren Fall entsteht durch gleichzeitige Oxydation auch
Trinitroazoxybenzol.
Nitroazobenzol, Ci3H5(N02)N2, und Dinitroazobenzol , orangegelbe
Nadeln.
Trinitroazobenzol aus Trinitrohydrazobenzol und Quecksilberoxyd.
Dunkelrothe Prismen vom Schmp. 142°. Ein Isomeres aus Azobenzol und
Salpetersäure bildet gelbe, bei 112° schmelzende Blättchen.
3. Amidoderivate (19). Amidoazobenzol, CgHgN = NCeH4NH3, ent-
steht durch Reduction von Nitroazo- oder Nitroazoxybenzol mit alkoholischem
Schwefelammonium, sowie durch Einwirkung dampfförmigen Broms auf Anilin.
Weit wichtiger ist jedoch seine Bildung aus Diazoamidobenzol durch Umlagerung:
CgHjN = NNHCßHj = CgH^N == NCgH^NH^.
Diazoamidobenzol (Diazobenzolanilid) geht bei mehrtägigem Stehen seiner
1
k
Azoverbindungen. 125
alkoholischen Lösung mit ^ seines Gewichtes an salzsaurem Anilin in das iso-
mere Amidoazobenzol über Dieser Vorgang lässt sich durch die Annahme er-
klären, es wirke zunächst ein Molekül Anilin auf den Diazokörper ein, wobei die
Gruppe NHCßHj unter Aufnahme von einem Atom H aus dem Benzol rest des
Anilin abgespalten wird und dabei wiederum Anilin bildet, während der Rest
CgH^NHj an die Stelle der NHCßHj Gruppe im Diazoamidobenzol tritt:
C6H5N = NNHC6H5 + CßH^H-NHj =C«H5N=NC6H^-NH2-hNH2C6H5.
Zur Darstellung des Amidoazobenzols ist jedoch die vorhergehende Isolirung
des Diazoamidobenzols nicht erforderlich, es genügt, die zur Bildung desselben
nötigen Reagentien — Anilin und salpetrige Säure — bei Gegenwart überschüssigen
Anilins einige Zeit der Digestion zu überlassen. Man leitet z. B. gasförmiges
Salpetrigsäureanhydrid in eine warme alkoholische Anilinlösung, bis die Flüssig-
keit eine dunkelrothe Farbe angenommen hat und lässt dann digeriren oder man
mischt 2 Thle. salzsaures Anilin langsam mit 1 Thl. in Wasser gelöstem Natrium-
nitrit ohne die Temperatur über 60** steigen zu lassen, worauf das Gemisch
mehrere Tage stehen bleibt, bis sich das Reactionsproduct in concentrirter warmer
Salzsäure fast völlig lösst. Das überschüssige Anilin wird durch Zusatz von
etwas Wasser zur viel überschüssige Salzsäure enthaltenden Lösung der Chlor-
bydrate entfernt. Das salzsaure Amidoazobenzol scheidet sich in metallisch
schimmernden, fast schwarzen Nädelchen aus, während das Anilin gelöst bleibt
Das aus dem Chlorhydrat durch Ammoniak abgeschiedene Amidoazobenzol
bildet nach dem Umkrystallisiren aus Alkohol gelbe Nadeln, die bei 127,5°
schmelzen und sich sublimiren lassen. Die Amidogruppe nimmt der Azogruppe
gegenüber die Parastelle ein, denn bei der Reduction des Amidoazobenzols
durch Zinn und Salzsäure entsteht Para-Phenylendiamin und Anilin. — Die Base
ist einsäurig und vermag Säuren nur mit sehr geringer Kraft festzuhalten, so dass
die Salze beim Kochen ihrer wässrigen Lösung alle Säure verlieren. Die Salze
sind in Wasser schwer löslich und geben rothe, bei Gegenwart überschüssiger
Säure besonders lebhaft gefärbte Lösungen.
Früher fand die saure Lösung des Chlorhydrats, jedoch nur vorüber-
gehend, Anwendung in der Färberei, da sie schön roth färbt. Doch die Unecht-
heit der Farbe, welche schon durch Berührung mit Wasser in Gelb übergeht,
sowie die leichte Flüchtigkeit der Base beim Dämpfen der gefärbten Stoffe ver-
hinderte die weitere Benutzung. Durch Einführung einer Sulfogruppe in das
Molekül des Amidoazobenzols werden diese Nachtheile beseitigt, so dass ein
werthvoller Farbstoff entsteht (Säuregelb).
Amidoazobenzolsulfosäure kann nach Grässler sowohl durch Erhitzen
von 1 Thl. salzsaurem Amidoazobenzol mit 3—5 Thln. stark rauchender Schwefel-
säure erhalten werden, als auch durch Digestion von Diazobenzolsulfosäure (aus
Sulfanilsäure) mit Anilin. Die Amidoazobenzolsulfosäure wird mit Kochsalz aus-
gefällt und unter dem Namen »Säuregelb« in den Handel gebracht Beim Färben
aus schwach saurem Bad giebt sie schöne kanariengelbe Töne.
Amidoazobenzol liefert beim Erhitzen mit Alkohol und salzsaurem Anilin
auf 160** eine Base, das sogen. Azodiphenylblau, CigHisN^. Dasselbe ent-
steht auch aus salzsaurem Anilin nnd Nitrobenzol oder Anilin und Azoxybenzol.
Es gehört zur Klasse der Induline (s. Farbstoffe).
Substitutionsproducte des Amidoazobenzols werden durch die fruchtbare
Reaction zwischen Diazokörpern und Aminen erzeugt. Wird z. B. Diazobenzol-
lösung oder Diazobenzolsulfosäure mit Mono- oder Dimethylanilin oder mit
126 Handwörterbuch der Chemie.
Diphenylamin zusammengebracht, so entstehen durch directe Vereinigung
gelbe Farbstoffe, welche als Amidoazobenzol aufzufassen sind, in welchem der
Wasserstoff der Amidogruppe durch CHj resp. CgHj ersetzt ist. — Das Kalium-
salz der aus Diazobenzolsulfosäure und Diphenylamin entstehenden Verbindung,
C6H4(S03H)N = NC6H4NHCgH5, löst sich in Wasser mit gelber Farbe, welche
jedoch bei Zusatz von Mineralsäuren in Roth übergeht, während Essigsäure und
andere schwache organische Säuren diese auf der Abscheidung der Sulfosäure
beruhende Farbenänderung nicht herbeiführen. Alkalien stellen die gelbe Farbe
wieder her. Diese Eigenschaft des »Tropaeolin 00« genannten Farbstoffs
macht ihn als Indicator beim Titriren und zum Unterscheiden von freien Mineral-
säuren neben organischen Säuren geeignet.
Diamidoazobenzol, Chrysoidin, CgH5N = NC6H3(NH3),, ein orange-
rother Farbstoff, bildet sich aus Diazobenzolsalzlösung und Meta-Phenylendiamin.
Die Base stellt gelbe Nadeln vom Schmp. 117,5° dar. Mit 1 Mol. Säure bildet
sie beständige, mit gelber Farbe in Wasser lösliche Salze; auf Zusatz über-
schüssiger Säure färbt sich die Flüssigkeit carminroth.
Triamidoazobenzol, Phenylenbraun, CgH^NHgN == NCeHjCNH,)^ (?),
entsteht durch Diazotirung von 1 Mol. Meta-Phenylendiamin und ZufUgen eines
weiteren Moleküls Phenylendiamin. Die Base ist zweisäurig und bildet bei 137**
schmelzende braungelbe Blättchen. — Da der Eintritt der braunen Färbung
schon beim Zusammentreffen von höchst geringen Spuren salpetriger Säure mit
Phenylendiamin zu beobachten ist, so hat Griess das letztere als äusserst em-
pfindliches Reagens auf salpetrige Säure empfohlen.
Sulfoderivate des Azobenzol (20).
Azobenzolmonosulfosäure, C6H5N = NCgH^SOjH, wurde von Griess
durch Erwärmen von Azobenzol mit der 5 fachen Menge rauchender Schwefel-
säure auf 130° erhalten. Wenn sich eine Probe der Flüssigkeit in viel heissem
Wasser klar löst, wird die Flüssigkeit mit dem doppelten Volumen kalten Wassers
gefällt. Die Sulfosäure scheidet sich in rothen Kryställchen ab.
Die Azobenzolsulfosäure zeichnet sich durch die Schwerlöslichkeit ihrer
Alkalisalze aus. Sie liefert durch Reduction Sulfanilsäure.
Azobenzoldisulfosäure. Beim Erhitzen von Azobenzol mit Pyroschwefel-
säure auf 160*^ gelingt es zwei Sulfogruppen in das Molekül einzuführen. Es
entstehen gleichzeitig 3 isomere Säuren. Symmetrische Azobenzoldisulfosäuren,
C6H4(S03H)N = NC6H4(S03H), lassen sich durch Reduction der Nitrobenzol-
sulfosäuren mittelst Natriumamalgam, Eisenhydroxydul oder Zinnclilorür darstellen.
Sie gehen bei Einwirkung reducirender Körper in Hydrazobenzoldisulfosäuren
(Benzidindisulfosäuren?) über.
Oxyazobenzole.
Wird das Kaliumsalz der Azobenzolmonosulfosäure mit dem doppelten Ge-
wicht Aetzkali geschmolzen, so tritt nach Griess OH an die Stelle der Sulfo-
gruppe und beim Ansäuren der in Wasser gelösten Schmelze scheidet sich
Oxyazobenzol (21), Benzol-Azo-Phenol, CgHjN ^NCgH^ -OH, als
braungelber Niederschlag aus, welcher durch Erhitzen seiner ammoniakalischen
Lösung mit Thierkohle, Ausfallung mit Salzsäure und Umkrystallisirung aus
Alkohol rein zu erhalten ist. Gelbe, bei 151° schmelzende, warzenförmig
aggregirte, prismatische Kryställchen.
Dasselbe Oxyazobenzol erhielt Griess, welcher den Körper Phenoldiazo-
Axoverbindungen. 127
benzol nannte, durch Einwirkung von Baryumcarbonat auf gelöstes Diazobenzol-
nitrat. Kimmich gewann die Verbindung aus Nitrosophenol und essigsaurem
Anilin. Diese Bildungsweise lässt sich durch die Gleichung,
C6H4SS -^ CeH^NH, « H,0 + CgH^N = NCgH^ • OH,
erklären, obwohl noch andere Producte gleichzeitig entstehen.
Dass Oxyazobenzol aus Azoxybenzol durch Auflösen in conc. Schwefelsäure
und Fällen mit Wasser erhalten wird, ist bereits bei Azoxybenzol erwähnt worden.
Die bequemste Darstellungsmethode des Oxyazobenzols wird jedoch auf
die von Kekulä und Hidegh beobachtete für die Farbenchemie so folgenreiche
Reaction zwischen Diazobenzolnitrat und Phenolkalium oder -natrium begründet.
Die im äquivalenten Verhältniss gemischten, stark verdünnten Lösungen scheiden
nach einiger Zeit das Oxyazobenzol als harzigen braunen Niederschlag aus,
welcher in der bereits erwähnten Weise gereinigt wird.
Mäzzara empfahl 30 Grm. Kaliumnitrit in 4 Liter Wasser zu lösen und
20 Grm. Anilinnitrat nebst 20 Grm. Phenol in 2 Liter Wasser gelöst zuzufügen.
Nach 24 stündigem Stehen wird das Oxyazobenzol abfiltrirt
Das Oxyazobenzol ist in Alkohol und Aether leicht löslich, in Wasser schwer
löslich. Alkalilaugen und Ammoniak lösen es leicht. Mit Ersteren bildet das
Oxjrazobenzol bestimmte Salze, deren Lösung mit Silbemitrat einen gelben
Niederschlag, die Silberverbindung bildet Das Oxyazobenzol zeigt also ganz den
Charakter eines Phenols, was mit der Bildungsweise aus Azobenzolsulfosäure
übereinstimmt. Die Hydroxylgruppe befindet sich der Azogruppe gegenüber in
der ParaStellung, wie die Bildung aus Para-Nitrosophenol und Anilin beweist. —
Das Oxyazobenzol ist selbst ein gelbrother Farbstoff, praktische Anwendung fand
aber ihrer Löslichkeit wegen nur die mit rauchender Schwefelsäure daraus dar-
stellbare Sulfosäure, deren Natriumsalz denNamen Tropaeolin führt. Dieselbe
Sulfosäure wird auch direct durch Zusammenbringen von Para-Diazobenzolsulfo-
säure (aus Sulfanilsäure) mit Phenol erhalten (Griess) und diese Reaction beweist
für jene Oxyazobcnzolsulfosäure die Constitution als Phenol-p-Azo-p-Benzolsulfo-
säure, CgH^COHON = NCßH^CSOjH). (S. auch Wilsing, Ber. 16, pag. 239.)
Wendet man statt P-Diazobenzolsulfosäure Meta-Diazobenzolsulfosäure an
oder Hydroxyl-, Nitro-, Brom- etc. Derivate des Diazobenzols, so entstehen
Oxyazobenzole, in welchen der Phenolrest unverändert, der Benzolrest aber
hydroxylirt, sulfirt, nitrirt, bromirt etc. erscheint. Wird dagegen das Phenol durch
Nitrophenol, Phenolsulfosäure u. s. f. ersetzt, so entstehen neue Körperklassen,
welche als Oxyazobenzol oder Phenol-Azo-Benzol aufzufassen sind, dessen Phenol-
rest nitrirt, sulfirt u. s. w. ist.
Durch gleichzeitigen Ersatz des Phenols und des Diazobenzols durch
Substitutionsprodukte können voraussichtlich sehr zahlreiche Körper erhalten
werden, von denen jedoch die wenigsten bis jetzt dargestellt sind. Da femer die-
selben Reactionen bei den höheren Kohlenwasserstoffen erfolgen, das Phenol
also auch durch Cresol, Naphtol u. s. f., das Benzol durch Toluol, Xylol, Naph-
talin etc. ersetzt werden kann, so eröffnet sich eine unabsehbare Perspective auf
die Darstellung neuer Azokörper, von welchen viele gelbe, rothe oder violette
Farbstofife sind. In der That haben jetzt schon mehrere hierhergehörige Ver-
bindungen in der Färberei ausgedehnte Anwendung gefunden.
Azophenetole, CßH^(OC3H5)N = NCgH4(OCi|H5), sowie Azoxyphenetole,
128 Handwörterbuch der Chemie.
CeH4(OC2H5)N — NC6H4(OCjH5), entstehen durch Reduction von Nitro-
\/
O
phenetolen bei Einwirkung von Zinkstaub und alkoholischer Kalilauge. Auch
diese Verbindungen können weiter in Hydrazokörper umgewandelt werden, welche
bei Behandlung mit Säuren eine Umlagerung in Diamidodiphenetole,
CeH3(OC3H5)NH2
I erleiden.
CeHjCOC.HJNH^
Dioxyazobenzole
leiten sich vom Azobenzol ab durch Substitution von 2 Wasserstoflfatomen durch
Hydroxylgruppen. Es lassen sich nun verschiedene Isomerien voraussehen, je
nachdem beide Hydroxylgruppen in einen Benzolkern eintreten oder eine Hydroxyl-
gruppe von jedem Benzolrest aufgenommen wird; in beiden Fällen bedingt die
Stellung der Hydroxylgruppen zu einander resp. zur Azogruppe die Bildung
weiterer Isomerien.
Azophenole
oder symmetrische Dioxyazobenzole (23), C^H^-OHN = NCgH^-OH,
können durch Schmelzen von Nitro- oder Nitrosophenolen mit Aetzkali gewonnen
werden. Die Anwendung alkoholischen Kalis oder Zusatz reducirender Stoffe
führt nicht zum Ziel. Bei jenem Schmelzprocess wirkt ein Theil des Phenol-
körpers selbst als Reductionsmittel, natürlich auf Kosten der Ausbeute. Bei der
Zersetzung der Schmelze durch verdünnte Schwefelsäure scheidet» sich unreines
Azophenol in braunen Flocken aus, aus welchen die Verbindung durch Extraction
mit Aether rein gewonnen wird. Ortho- und Paraazophenol sind auf diese Weise
aus Ortho- und Paranitrophenol dargestellt worden; Paraazophenol auch aus
Paranitrosophenol und durch die typische Reaction zwischen salpetersaurem
Diazophenol (aus Para-Amidophenol) und Phenol: C6H4(OH)NjN03 -h CgH;^-
OH = HNO3 H- C6H4(OH)N = NCßH^COH). Das Para-Azophenol bildet also
das erste Glied einer für die Farbenchemie wichtigen umfangreichen Körperklasse,
welche durch Einwirkung von Diazophenolen, sowie deren Substitutions-
produkten und Homologen auf Phenole und deren Derivate und Homologe
entstehen.
Die Azophenole bilden gelbe resp. bräunliche Krystalle, die in Alkohol und
in Alkalien leicht löslich sind. Orthoazophenol schmilzt bei 171 ^ die Para-
verbindung bei 204°.
Unsymmetrische Dioxyazobenzole (24).
Den ersten Repräsentanten dieser Klasse erhielten Baeyer und Jäger durch
Vermischen einer verdünnten Diazobenzolnitratlösung mit Resorcin und über-
schüssiger KaUlauge. Nach Typke bilden sich hierbei gleichzeitig zwei isomere
Dioxyazobenzole, welche sich durch verschiedene Löslichkeit unterscheiden.
Ohne Zweifel sind beide Verbindungen nach der Formel CgHjN = NC6H3(OH),
zusammengesetzt und somit alsBenzol-Azo-Resorcinzu bezeichnen. Die Ver-
schiedenheit der Isomeren ist nur durch die Stellung der Hydroxylgruppen zur
Azogruppe bedingt. Wird bei jener Reaction das Diazobenzol durch Para- oder
Metadiazobenzolsulfosäure ersetzt, so entstehen Sulfosäuren des Azokörpers,
welche die Sulfogruppe im Benzolrest haben, und als Benzolsulfosäure-Azo-
Resorcin, CcH4(S03H)N = NC6H3(OH)2, zu bezeichnen sind.
Trioxyazobenzole (25) können durch Combination von Diazobenzol mit
Phloroglucin oder Pyrogallol, CeHjCOH)^, erhalten werden.
Azoverbindungen. 1 29
Zwei isomere unsymmetrische Tetraoxyazobenzole (26), CßH4(0H)N
= NCgH3(0H)j, Phenol-Azo-Phloroglucine, erhielten Weselsky und Benedict
aus salpetersaurem Diazophenol und Phloroglucin.
In neuerer Zeit sind auch mehrerere Fälle bekannt geworden, bei welchen
entgegen der seitherigen Ansicht Diazoverbindungen sich mit solchen Phenolen
und Amidokörpem vereinigen, in denen die Parastelle schon anderweit suf)stituirt
ist So gelang es Nölting u. Witt (Chemiker-Ztg. 1882, pag. 1330) Diazotoluol
mit Paratoluidin zu combiniren, R. Meyer u, Kreis (Ber. 16, pag. 1329) erhielten
aus p-Diazobenzolsulfosäure und p-Nitrophenol einen Azokörper, so dass die
frühere Angabe Mazzara's (Ber. 12, pag. 2367) aus Diazobenzol und p-Kressol
einen Farbstoff erhalten zu haben, nicht mehr unwahrscheinlich klingt.
Complicirte Azo-Körper. Dis- oder Tetrazoverbindungen.
So wie sich Diazobenzol mit Phenol zu Benzol-Azo-Phenol (Oxyazobenzol)
vereinigt, so lässt sich letzterer Körper, der auch ein Phenol ist, weiter mit
Diazobenzol combiniren zu der dem Oxyazobenzol sehr ähnlichen Verbindung
CeH6N = NC6H3(OH)N = NCeH5. Griess (27), der Entdecker dieses Körpers,
nannte ihn Phenobidiazobenzol, doch da die sehr stabile Verbindung keine
Diazoverbindung, sondern ein Azokörper ist und als Phenol aufgefasst werden
kann, an welches vermittelst zweier Azogruppen zwei Benzolreste gebunden sind,
so ist die Bezeichnung Phenol-disazo-benzol zweckmässiger.
Wird in . jener Reaction einmal statt Diazobenzol die entsprechende
Toluolverbindung verwendet, so resultirt ein Phenoldisazobenzoltoluol,
c.H,(OH)c:g:S?:g;.
Phloroglucin ist eigenthümlicher Weise im Stande, beim Zusammentreffen mit
Diazobenzol sofort 2 Moleküle desselben zu binden und sofort Phloroglucindisazo-
benzol, C5H(0H), C N = NC^H^' ^^ bilden, doch entsteht zuvor wohl ebenfalls
ein einfacher Azokörper.
Card und Schraube (28) haben noch eine weitere Klasse hierher gehöriger
Körper dargestellt, indem sie, analog der Ueberführung des Anilins in Diazo-
benzol, das Amidoazobenzol durch Zusatz von salpetriger Säure diazotirten und
das entstandene salpetersaure Diazo-Azobenzol, CßHj,N =NCßH4N = NN05,
N
mit Phenol combinirten, wobei ein Benzoldisazobenzolphenol, CßH4C^|^
= NC H
=:NC*H^-OH' ^^^^^'» welches mit dem GRiESs'schen Phenol-disazo-benzol (s. o.)
isomer ist.
Das Diazo-Azobenzol kann gerade wie Diazobenzol auch wieder mit Anilin
einen Amidoazokörper erzeugen, welcher seinerseits durch salpetrige Säure diazo-
tirt werden kann, so dass auf solche Weise sich sehr complicirte Azoketten auf-
bauen lassen. Bis jetzt besitzen wir jedoch noch keine nähere Kenntniss der
auf die angegebene Weise dargestellten Verbindungen.
In neuerer Zeit hat O. Wallach (Ber. 15, pag. 22) bei weiteren Unter-
suchungen über complicirte Azokörper gefunden, dass die zweiatomigen Phe-
nole, z. B. Resorcin und Orcin sehr leicht mit zwei gleichen oder verschieden-
artigen Diazoresten verbunden werden können. So gab ihm Benzol-azo-Resorcin
in alkalischer Lösung mit Diazobenzolchlorid zusammengebracht einen Körper
von der Zusammensetzung C8Hj(OH)2Cljyj^ j^q^jj^» welcher aus Chloroform
Ladcmburg, Chemie. U. 0
130 Handwörterbuch der Chemie.
in braunrothen Nadeln krystallisirte, aber ein Gemenge zweier noch nicht scharf
isolirter Körper war. Ebenso entstanden bei der Combination von Diazo-Azo-
benzol (diazotirtem Amidoazobenzol) mit Resorcin gleichzeitig mehrere nicht näher
untersuchte Verbindungen, von welchen wie bei den ersterwähnten Verbindungen
die schwerer lösliche sich mit blauer Farbe, die leicht lösliche mit rother Farbe
in Schwefelsäure auflöste. Aehnliche Körper wurden aus Resorcin-azo-p-toluol
und Diazobenzolchlorid erhalten, femer aus Resorcin-azo-naphtalin und Diazobenzol-
chlorid. Auch Xylol-azo-Resorcin wurde dargestellt. Bei Anwendung von diazo-
tirter Sulfanilsäure statt des Diazobenzols entstehen rothe und rothbraune Farb-
stoffe, welche der Berliner Actiengesellschaft für Anilinfarben patentirt wurden.
Aehnliche Verbindungen basischer Natur beschrieb P. Griess (Ber. 16, pag. 2028).
Aus salpetersaurem Diazobenzol und Chrysoidin bildet sich die Base Phenylen-
diamin-disazo-benzol CgH3(NH)3ClN^C*H*» welche aus heissem Chloroform
krystallisirt in dunkelrothen Nadeln erhalten wird. Analog entsteht aus Toluol-
azo-Phenylendiamin und Diazobenzolnitratlösung Phenylendiamin-disazo-benzol-
toluol und zwar bilden sich gleichzeitig zwei isomere Verbindungen. Wird anderer-
seits Benzol-Azo-Phenylendiamin (gewöhnliches Chrysoidin) mit Diazotoluol com-
binirt, so entsteht in geringer Menge eine identische Verbindung, die Haupt-
produkte beider Reactionen sind aber isomer. In ähnlicher Weise hat Griess
auch Disazoverbindungen hergestellt, welche ausser dem Phenylendiaminrest noch
Naphtalin-, Benzolsulfosäure-, Benzoesäure- etc. reste enthalten. Griess beschrieb
weiter die aus Diazoazobenzol und Phenylendiamin oder Toluylendiamin erhaltenen
Verbindungen z.B. Benzol-disazo-benzoltoluylendiamin CgH^CÜlM^jiq^r^H^fNH )
und deren Sulfoderivate, welche mit Hülfe von Diazoazobenzolsulfosäure gewonnen
wurden und braunrothe Farbstoffe sind.
Auch Verbindungen mit drei Azogruppen, z. B. Chrysoidin -disazo-benzol
NC6H4.N = NC6H5
I) hat Griess dargestellt.
NC6H,(NH,),.N = NCßH5
Azobenzolcarbonsäuren.
Carbonsäuren des Azoxybenzols, Azobenzols und Hydrazobenzols sind 4 be-
kannt und bilden sich durch Reduction von nitrirten Carbonsäuren des Benzols
und seiner Derivate.
Ortho-, Meta- und Paranitrobenzoesäure lieferte bei Behandlung ihrer alko-
holischen oder Natriumsalzlösung mit Natriumamalgam
Azoxybenzoesäuren, CeH4(COOH)N — NCßHJCOOH), und Azo-
\/
O
benzoesäuren*). In allen Fällen wird die gebildete Azosäure durch Salzsäure
gefallt. Die Azoxysäuren sind klein krystallisirt, die Azosäuren amorph, die Meta-
Azobenzoösäure bildet ein hellgelbes, die Para-Azobenzoesäure (Azodracylsäure)
ein fleischfarbenes Pulver. Azobenzoesäure (Para?) wurde von Ad. Claus
(Ber. 15, pag. 2331) auch durch Oxydation von Dibenzylamarin mit verdünnter
Salpetersäure bei 180—200° erhalten, neben Benzoö- und Paranitrobenzoesäure.
Hydrazobenzoesäuren entstehen aus den Lösungen der azobenzo^sauren Alkali-
salze durch Kochen mit Eisenvitriol lösung und Natronlauge und Ausfällen mit
Salzsäure. Die hydrazobenzoesäuren Salze absorbiren in wässriger Lösung Sauer-
•) Grikss, Ber. 7, pag. 1612. Claus, Ber. 6, pag. 723; 8, pag. 41.
Azoverbindungen. 131
Stoff aus der Luft und gehen in azobenzoesaure Salze über. Beim Kochen mit
Salzsäure lagert sich die Hydrazobenzoesäure analog dem Hydrazobenzol in
Diamidodiphensäure um.
Gemischte Azokörper, in welchen der Rest der Benzoesäure an Stickstoff
gebunden vorkommt, lassen sich analog dem Phenol-Azo-Benzol durch Combi-
nadon von Diazobenzo^säure mit Phenolen oder deren Sulfosäuren sowie mit
Amidokörpem herstellen.
Griess*) erhielt auf diesem Wege zahlreiche Derivate, welche z. Th. schöne
Farbstoffe sind, so z. B. Benzoesäure- Azo-Resorcin, CgH4(C00H)N
= NCßHj(0H)2; Benzoßsäure-Azo-ß-Naphtoldisulfosäure. Diazoanissäure, Diazo-
äthylsalicylsäure und Diazohyppursäure liefern ebenfalls mit Phenolen und ihren
Sulfosäuren gefärbte Verbindungen.
Auch Salicylsäure**) kann wie Phenol mit Diazobenzol zu einer Benzol-
Azo-Salicylsäure, CßHjNÄNCgHjViQ^jj, zusammentreten.
Hydrazobenzol, CgHjN — NCeHj.
H H
Eine charakteristische Eigenschaft des Azobenzols, wie seiner Substitutions-
produkte und höheren Homologen ist die Fähigkeit, bei Gegenwart kräftiger
Reductionsmittel oder nascirenden Wasserstoffs noch 2 Atome Wasserstoff zu
binden, wobei die doppelte Bindung der Stickstoffatome zur einfachen wird.
Die neu entstandenen sogen. Hydrazokörper zeigen jedoch grosse Neigung, den
angelagerten Wasserstoff wieder abzugeben. — Während Azobenzol und seine
Substitutionsprodukte und Homologen gefärbte Körper sind, zeichnen sich die
zugehörigen Hydrazoverbindungen durch Farblosigkeit aus. Diess giebt auch das
Mittel an die Hand, die Vollendung der Hydrirung zu erkennen.
Als Agens dient in alkalischer Flüssigkeit sich entwickelnder Wasserstof!,
also Natriumamalgam, oder Zinkstaub und Natronlauge, sowie alkoholische
Lösung von Ammoniumsulfid.
Am bequemsten löst man Azobenzol in alkoholischem Ammoniak und leitet
Schwefelwasserstoff ein bis zum Verschwinden der rothen Farbe (29). Aus der
vom niederfallenden Schwefel abfiltrirten Flüssigkeit wird das Hydrazobenzol
durch Wasser in weissen Flocken ausgefallt und bei möglichst abgehaltener Luft
aus Alkohol umkrystallisirt. — Nach Alexevew kocht man die alkoholische Lösung
des Azobenzols mit Zinkstaub bis zur Entfärbung und fallt dann die filtrirte
Lösung mit Wasser aus. Auch aus Nitrobenzol lässt sich Hydrazobenzol direkt
durch Reduction mit verdünnter wässriger Natronlauge und Zinkstaub darstellen,
wobei man die sich selbst erhitzende Flüssigkeit nicht abkühlt Nach dem Ver-
dünnen wird abfiltrirt und aus dem Rückstand das Hydrazobenzol mit Alkohol
ausgezogen.
Hydrazobenzol krystallisirt in weissen Tafeln oder Blättchen, welche bei
131^ schmelzen und bei höherer Temperatur in Azobenzol und Anilin zerfallen:
2CeH5N - NCeHjj = CeH^N = NCeH^ + 2C6H5NH,,
H H
Chlor oder oxydirende Stoffe verwandeln das Hydrazobenzol leicht durch
*) Gross, Her. 14, pag. 2032; 10, pag. 527.
•♦) Stebbins, Ber. 13, pag, 716.
9*
132 Handwörterbuch der Chemie.
Entziehung des an Stickstoff gebundenen Wasserstoffs in Azobenzol zurück.
Selbst der Sauerstoff der Luft vermag feuchtes oder in Alkohol gelöstes Hydrazo-
benzol in Azobenzol zu tiberfuhren und besonders rasch erfolgt diese Oxydation,
wenn eine alkoholische HydrazobenzoUösung mit Thierkohle behandelt wird, in
welchem Fall der in der Kohle absorbirte Sauerstoff die Wirkung hervorbringt —
Kräftige Reductionsmittel überfuhren das Hydrazobenzol durch Zufügung zweier
weiterer Wasserstoffatome in Anilin; CgHsN — NCßHg -f- Hj = 2C6H5NH,.
H H
Bei Berührung mit verdünnten Mineralsäuren erleidet das Hydrazobenzol
eine merkwürdige Uralagerung. An sich nicht basischen Charakters löst sich das
Hydrazobenzol in jenen Säuren und liefert gut krystallisirende Salze. Diese sind
CeH^NHj
jedoch Salze des Diamidodiphenyls, I , welches durch Umlagerung aus
CßH^NHj
CgHsNH
dem Hydrazobenzol, I , entstanden ist
CeHjNH'
Analoge Reaktion zeigen die meisten Substitutionsprodukte und Homologe
des Hydrazobenzols.
Das bei der Behandlung des Hydrazobenzols mit verdünnten Mineralsäuren
als Hauptprodukt entstehende Diamidodiphenyl hat die Amidogruppen in der Para-
stellung zu der die beiden Benzolreste zusammenhaltenden Kohlenstoffbindung
und führt gewöhnhch den Namen Benzidin. Gleichzeitig entsteht aber nach
Schulz (30) noch das isomere Dip he nyl in (Ortho-Diamidodiphenyl.
Substitutionsprodukte des Hydrazobenzols, in welchen der Benzol-
rest Veränderungen erlitten hat, sind nur aus entsprechend substituirtem Azoben-
zol oder Azoxybenzol durch Einwirkung von Reduktionsmitteln zu erbalten, da
beim Zusammentreffen des Hydrazobenzols mit den Haloiden, mit Salpeter-
säure etc. sofort unter Abspaltung von 2 Atomen Wasserstoff Azobenzol entsteht
Durch Erwärmen substituirten Hydrazobenzols mit verdünnten Mineralsäuren
entstehen im Allgemeinen Substitutionsprodukte des Benzidins; war jedoch das
Hydrazobenzol in der Parastelle durch Chlor, Brom, Jod substituirt, so findet jene
Umlagerung in die Diphenylbase nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen
statt, dagegen spaltet sich leicht der Hydrazokörper in Substitutionsprodukte
des Azobenzols und des Anilins (31). Azokörper, welche der Ortho- oder Meta-
reihe angehören, werden bei der Reduction durch Zinnchlorür in erwärmter
alkoholischer Lösung glatt in Diphenylbasen umgewandelt; Azokörper der Para-
reihe lagern sich am besten um, wenn die gemischten Flüssigkeiten in der Kälte
längere Zeit sich selbst überlassen werden. Sind die Azokörper durch Hydroxyl-
oder Amidogruppen substituirt, so werden sie nicht in Diphenylbasen verwandelt,
sondern an der Bindungstelle der Stickstofifatome gespalten und jede Molekül-
hälfte geht somit in einen Amidokörper über (G. Schultz, B. Bd. 15, pag. 1539).
Dinitroazobenzol, liefert bei Behandlung mit kaltem alkoholischen
Schwefelammonium, das in gelben Nadeln krystallisirende Dinitrohydrazo-
benzol (32) (Sdmip. 220°); in der Siedhitee bildet sich aber Diamidohydra-
zo benzol oder Diphenin, eine zweisäurige Base. Bei längerer Einwirkung jenes
Reduktionsmittels wird das Diphenin schliesslich in Para-Phenylendiamin überführt
Ein DiacetyUHydrazobenzol (33), in welchem die an Stickstoff ge-
bundenen Wasserstoffatome des Hydrazobenzols durch die Acetylgruppe ersetzt
sind, bildet sich bei der Einwirkung von Essigsäure-Anhydrid auf Hydrazobenzol.
Azoverbindungen. 133
Azophenylen
nannten Rasenack und Claus (34) eine bei trockener Destillation azobenzol-
sulfosaurer Salze und bei der Destillation von azobenzoesaurem Calcium mit
Äetzkalk erhaltene Verbindung, welche durch Auflösen in alkoholischem Ammoniak,
Einleiten von Schwefelwasserstoff, Krystallisiren und Sublimiren zu reinigen ist
und die Formel CjjHgNg besitzt.
In geringer Menge bildet sich das Azophenylen auch aus Azobenzol, wenn
letzteres vorübergehend der Glühhitze ausgesetzt wird.
Hellgelbe Nadeln, die bei 170 — 171° schmelzen und sich in conc. Schwefel-
säure mit dunkelrother Farbe lösen.
Charakteristisch für das Azophenylen ist seine Fähigkeit, direkt 2 Atome
Chlor oder Brom zu addiren und auf diese Weise Verbindungen zu bilden,
welche mit den entsprechend substituirten Azobenzolen nicht identisch, sondern
isomer sind und leicht die addirten Haloidatome wieder abgeben.
Auch HaloidwasserstofTverbindungen vermag das Azophenylen zu addiren
und damit krystallisirbare Verbindungen entsprechend der Formel CijHgNj'HCl
zu bilden.
Derivate eines nicht für sich dargestellten, ebenfalls Azophenylen genannten
Körpers, welcher die Formel CßH4N3 besitzt und darum wohl Azomono-
phenylen genannt werden kann, hat Ladenburg (35) untersucht.
Das Amidoazomonophenylen, CßHjNHjNj, entsteht beim Erhitzen
einer schwefelsauren Lösung von Ortho-Phenylendiamin mit Kaliumnitrit; ein Ni-
troamidoazomonophenylen bildet sich bei Einwirkung von salpetriger Säure
auf Nitrophenylendiamin.
Azoverbindungen des Toluols.
Die hierher gehörenden Verbindungen sind in ihren Eigenschaften den ent-
sprechenden Benzolderivaten sehr ähnlich> nur ist zu beachten, dass in der To-
luolreihe je nach der Stellung der Azogruppe zum Methyl verschiedene isomere
Azoxy-, Azo- und Hydrazokörper möglich sind.
Durch Reduction von Para-Nitrotuol (in 6 Thln. Alkohol gelöst) mit 4pro-
centigem Natriumamalgam (22 Thle.) bildet sich sowohl Para-Azoxytoluol (36)
C,H^(CH3)N — NCH4(CH3 (gelbe, bei 70° schmelzende Nadeln), als auch
\/
O
Para-Azotoluol, welches zur Reinigung am besten mit alkoholischem Schwefel-
ammonium in Hydrazotoluol überführt und durch Oxydationsmittel aus
letzterem regenerirt wird.
Para-Azotoluol krystallisirt in orangerothen Nadeln vom Schmp. 144° und
liefert beim Erwärmen mit Salpetersäure von 1,4 spec. Gew. ein Mononitro- und
em Dinitroazotoluol. Ersteres schmilzt bei 76°, letzteres bei 110°. Salpetersäure
von 1,54 spec. Gew. führt das Azotoluol beim Erhitzen in Trinitroazoxyto-
luol (Schmp. 201°) über. Dieser Körper sowohl wie auch Mono- und Dinitro-
azoxytoluol kann auch durch Nitrirung des Para-Azoxytoluols gewonnen werden.
Mononitroazoxytoluol schmilzt bei 84°, die Dinitroverbindung bei 145°.
Alkoholisches Schwefelammonium führt, wie erwähnt, das Para-Azotoluol in
Para-Hydrazotoluol (Schmp. 124°) über, welches sich bei Berührung mit
Säuren analog dem Hydrazobenzol zu Tolidin, einem Diamidoditolyl, umlagert.
Durch Oxydation von Para-Toluidin kann ebenfalls Para-Azotoluol gewonnen
134 Handwörterbuch der Chemie.
werden; bei Anwendung von übermangansaurem Kalium als Oxydationsmittel
bildet sich jedoch ausser der Paraverbindung noch ein isomeres Azotoluol.
Meta-Azotuol wird durch Behandlung von Metanitrotoluol mit alkoholischer
Kalilauge und Zinkstaub erhalten. Schmp. 54°.
Orthoazoverbindungen des Toluols (37) sind aus Orthonitrotoluol durch
Reduction mit Natriumamalgam dargestellt worden. Das bei dieser Reaction sich
bildende Ortho-Hydrazotoluol schmilzt bei 165°, oxydirt sich leicht an der
Luft zu Ortho- Azotoluol und soll durch salpetrige Säure in Azoxytoluol um-
gewandelt werden. — Amido-Ortho-Azotoluol bildet sich bei Einwirkung
von salpetriger Säure auf Ortho-Toluidin.
Ortho-Amidoazotoluol liefert mit salzsaurem Ortho-Toluidin einen Saffranin
genannten rothen Farbstoff, Cs^KjoN^.
Ein Diamidoazotoluol, das Toluol-Azo-Toluylendiamin, (38),
C7H7N = NC7H5(NH2)2, bildet sich nach A. W. Hofmann beim Zusammen-
treffen von Para-Diazotoluol mit Toluylendiamin vom Schmp. 99° Auch ein
symmetrisches Diamidoazotoluol oder ein Azotoluidin ist aus Nitrotoluidin erhalten
worden (39). Eine ausführlichere Arbeit über Azoderivate des Toluol wurde in
neuester Zeit von Barsilowski veröffentlicht (Ann. 207, pag. 102).
Toluol-Azo-Benzol. Ein gleichzeitig den Benzolrest und den Toluol-
rest enthaltender Azokörper ist durch Einwirkung von Para-Diazoamidobenzol
auf Ortho-Toluidin zu erhalten (40). Die Diazoverbindung wird mit dem zehn-
fachen Gewicht an Alkohol und der berechneten Menge salzsaurem Ortho-Tolui-
din versetzt und 4 bis 5 Stunden der Digestion überlassen. Auf Zusatz von
Salzsäure scheidet sich das Chlorhydrat einer Base aus, welche als Toluol-Azo-
amidobenzol, C7H7N = NCgH4"NH2 anzusehen ist.
Toluol-Azo-Phenol, C7H7N = NCgH40H, lässt sich entsprechend dem
Benzol-Azo-Phenol (Oxyazobenzol) darstellen.
Benzol-Azo-Toluylen-Diamin, C6H5N=NC7H5(NH2)a, (auch Diazoben-
zol-Diamidotoluol genannt), ist eine gelbe Krystalle bildende Base, welche aus
salpetersaurem Diazobenzol und a-Toluylendiamin erhalten wird (41).
Benzol-Azo-Cresol (42), CgHsNNC^He-OH.
Amidoazomonotoluylen (43), CgH3(CHj)NH3N2, entsteht aus ß-Toluy-
lendiamin und Kaliumnitrit. Farblose, bei 82° schmelzende Prismen.
Azoderivate des Xylols (44).
Nitroxylol wird bei Behandlung mit Natriumamalgam in Azoxylol, C^Hj
(CH8),N = NCgH3(CH3),, überführt, welches ziegelrothe Nadeln vom
Schmp. 120° bildet. Bei weiterer Einwirkung entstehen farblose Krystalle von
Hydrazoxylol.
Amidoazoxylol bildet sich durch Einwirkung salpetriger Säure auf Xyli-
din (45).
Auch Azoderivate des Cumols und Cymols sind darstellbar, doch noch
nicht näher untersucht
Azoverbindungen des Diphenyls (50).
Durch Reduction des Mononitrodiphenyls mit alkalisclier. Kalilauge bildet sich
CgH^ CgH^
Azoxydiphenyl, I 1 . Gelbliche, bei 205° schmelzende Krystall-
CßH^ N — NCgHs
\/
O
Azoverbindungen. 135
schuppen. Alkoholisches Ammoniumsulfid überführt es in das entsprechende
farblose Hydrazodiphenyl (247° Schmp.), welches durch Oxydation mit Eisenchlorid
CgHj CgXig
inAzodiphenyl, I I , übergeht. Orangerothe Blättcheni die bei
CgH4N = NCßH4
249—250° schmelzen.
Dinitrodiphenyle geben bei der Reduction mit Natriumamalgam und Alkohol
C6H4.NO2 CßH^NO,
Dinitroazoxydiphenyle (51), I I , es gelingt also nicht,
^6^4^ — NCgH^
O
beide Nitrogruppen in demselben Diphenylmolekül zu einer Azogruppe zu reduciren.
Azoverbindungen des Naphtalins.
Azonaphtalin (46), CioH7N= NC^oHy, ist am zweckmässigsten durch
vorsichtiges Erhitzen von Nitronaphtalin mit dem 20 fachen Gewicht Zinkstaub in
einer eisernen Schale mit aufgesetztem Trichter darzustellen. Der gebildete Azo-
körper sublimirt allmählich in den Trichter, doch ist die Ausbeute eine äusserst
geringfügige. Azonaphtalin bildet gelbe, bei 278° schmelzende Nadeln, welche
in Alkohol und Aether kaum löslich sind. Substitutionsprodukte des Azonaph-
talin sind noch nicht direkt erhalten worden, doch ist das
Amidoazonaphtalin (47), CjoH^N = NCioHßNHj, früher Azodinaphtyl-
diamin genannt, schon längere Zeit bekannt.
Es bildet sich analog dem Amidoazobenzol aus dem isomeren Diazoami-
donaphtalin, CioH7N = NNp tt , durch Umlagerung, doch stellt man
letzteren Körper nicht für sich dar, sondern digerirt die Lösung von 2 Mol. salz-
sanrem Naphtylamin mit 1 Mol. Kaliumnitrit und 2 Mol. Kalihydrat. Die
Temperatur und der Verdünnungsgrad sind von Einfluss auf die Reaction, da bei
zu starker Concentration oder zu hoher Temperatur Harzbildung eintritt. Der
beim Vermischen der Flüssigkeiten entstehende Niederschlag soll braunroth
(nicht dunkelbraun) aussehen und stellt die Base in unreinem Zii^tande dar.
Durch Auflösen in heissem Aether-Alkohol und Zusatz einer geringen Menge
heissen Wassers wird das Amidoazonaphtalin in braunrothen Krystallnadeln er-
halten, welche bei 173 — 174° schmelzen. Auch bei Einwirkung gasförmigen
Salpetrigsäure-Anhydrids auf Naphtylamin, sowie durch Oxydation des letzteren
mittelst zinnsaurem Natrium bildet sich jener Körper.
Die Lösung der Base in überschüssiger Säure ist schön violett gefärbt.
Technische Verwendung findet das Amidoazonaphtalin zur Herstellung des
Naphtalin- oder Magdalaroths, welches durch Erhitzen von salzsaurem
Amidoazonaphtalin mit Naphtylaminchlorhydrat dargestellt wird, also analog dem
>Azodiphenylblau€ genannten Farbstoff.
Oxyazonaphtalin(48), Naphtalin-Azo-Naphtol^CjoHjNssNNioHg'OH.
Zwei isomere Verbindungen von dieser Zusammensetzung sind analog dem
Oxyazobenzol aus salzsaurem Diazonaphtalin und a-resp. ß-Naphtol durch Ver-
mischen der Lösungen dargestellt, aber nicht näher untersucht wurden. Ihre
Sttlfosäuren sind schöne rothe Farbstoffe.
Gemischte Azoverbindungen, welche ausser dem Naphtalinrest noch Phenyl
oder seine Homologen enthalten, sind mit Hülfe der Diazoverbindungen darzu-
stellen, doch werden der Reaktionsweise entsprechend nicht die reinen Azo-
Kohlenwasserstoflfe, sondern deren Amido- oder Hydroxylderivate erhalten.
i36 Handwörterbuch der Cbemie.
BeTi7ol-Azo-Amidonaphtalin (49), CgHgN = CjoHg'NHj, bildet sich
beim Vermischen der wässrigen Lösung von salpetersaurem Diazobenzol mit al-
koholischer Naphtylaminlösung. Der sich abscheidende violette Krystallnieder-
schlag besteht aus dem Nitrat des Körpers und kann aus Alkohol umkrystallisirt
in rothenj grün reflectirenden Prismen erhalten werden.
Wird DJazobenzolsulfosäure (aus Sulfanilsäure) statt des Diazobenzols ver-
wendet, so bildet sich die entsprechende Sulfo säure, deren wässrige Lösung selbst
in gross ter Verdünnung durch Mineralsäuren intensiv magentaroth gefärbt wird.
Die Empfindlichkeit dieser Reaktion ist so gross, dass Griess, der Entdecker der-
selben, sie allen anderen Reaktionen zur Nachweisung von Spuren salpetriger
Säure %'Dr3!leht.
Zur Ausführung dieser Reaktion wird die auf salpetrige Säure resp. Nitrite
zu prüfende Flüssigkeit mit reiner Schwefelsäure angesäuert, mit etwas Sulfanil-
säurelösutig vermischt 10 Minuten lang stehen gelassen und dann mit einigen
Tropfen einer durch Thierkohle entfärbten Lösung von schwefelsaurem Naphtyl-
amin versetzt. Die geringste, durch andere Reagentien nicht mehr nachweisbare
Spur von salpetriger Säure bewirkt nach kurzer Zeit lebhafte Rothfarbung der
Flüssigkeit.
N a phtalin-Azo-Di am idonaph talin. Diamidoazonaphtalin ist aus Diazo-
naph talin und Naphtylendiamin zu erhalten und ebenfalls ein Farbstoff.
Tohiol-Azo-Amidonaphtalin und Nitrobenzol-Azo-Amidonaphta-
lin wird in analoger Weise mit Diazotoluol und Diazonitrobenzol dargestellt.
Auch duch Combinirung von Diazobenzol, Diazophenol, Diazobenzolsulfosäure,
Dia3!onaph talin, Diazonaphtalinsulfosäure (Diazonaphtionsäure), u. s. f. mit a-und
p-Naphtol ^^ erden zahlreiche Azokörper gebildet, welche sich durch ihre
färbenden Eigenschaften z. Th. in der Färberei Eingang verschafft haben. Die
Naphtole können auch durch ihre Sulfosäuren sowie durch Dioxynaphtalin er-
setzt werden und stets bilden sich in glatter Reaktion die betreffenden Azokörper.
Auch in complicirte Azokörper ist das Naphtalin eingeführt worden und
insbesondere sind die durch Combination von Diazo-Azo Verbindungen mit
jl-Naphtol erhaltenen Tetrazoverbindungen werthvolle Farbstoffe. Der von
NiETZKi entdeckte sogen. Biebricher Scharlach wird z. B. durch Einwirkung von
^-Naphto! auf die Diazoverbindungen der Amidoazobenzolsulfosäuren dargestellt
Gabruh. nnd Pabst (Bull. soc. chim. 63, pag. 119) erwähnten die Nuance der
Farbstoffe, welche beim Zusammentreffen von Diazonaphtalinsulfosäure oder
Diap:obenÄolsvüfosäure mit den verschiedensten Phenolen und Basen z. B. mit
Com lein j Kosin, Alizarin, Pikraminsäure etc. gebildet werden. Azofarbstoffe,
welche Naphtol-, Xylol-, Resorcin-, Phenanthrol- etc. reste enthalten, hat Stebbtns
(Ch. N. 43, pag. 58) beschrieben.
(S. Artikel: Farbstoffe). Hexjmann.
B
Barium.*) Geschichtliches. Die erste Barium Verbindung, welche die
Chemiker beschäftigte, war der Schwerspath. Im Jahre 1603 stellte Vinc. Cas-
ciAROLOy ein Schuhmacher in Bologna, das Reductionsprodukt dieses Sulfates dar.
Er fand am Berge Patemo das Mineral, in welchem er wegen der Schwere des-
selben Silber vermuthete. Dies Metall dachte er zu gewinnen, wenn er das
Pulver des Minerals mit Mehl mischte und glühte. Er fand, dass das Calcina-
tionsprodukt die Eigenschaft hatte, im Dunkeln zu leuchten. Dies Präparat wurde
als lapis solis oder Bononischer Leuchtstein allgemein bekannt; das Mineral,
aus welchem es dargestellt wurde, erhielt den Namen Bologneser Späth, tnarmor
metaüicum, Marggraf fand 1750, dass es Schwefelsäure enthalte; Scheei^ ent-
deckte 1774 die Baryterde darin und ermittelte seine richtige Zusammensetzung.
Bergman nannte die Erde terra ponderosa und Guyuon de Morveau 1779 Ba-
ratt oder Baryte (von ßapoc schwer). Berzeliüs hat ein Bariumamalgam darge-
stellt, Davv aus diesem das Metall (?) isolirt, das Bunsen und Matthiessen durch
Elektrolyse von Bariumchlorid erhalten haben.
•) 1) Bumsen, Ann. 92, pag. 248. 2) Maithiessen, Ann. 93, pag. 277. 3) Crookes,
Chem. Soc J. 8, pag. 294; Journ. prakt. Ch. 67, pag. 494. 4) S. Kern, Chem. News 31, pag. 243.
5) J. Donath, Ber. 12, pag. 745. 6) Brügelmann, Pogg. Ann. (2) 2, pag. 466. 7) Rammels-
BERG, Ber. 7, pag. 542. 8) Schöne, Ber. 13, pag. 803. 9) Lenoir, Wagn. Jahresber. 1867,
pag. 256. 10) Mohr, Arch. Pharm. 88, pag. 38. 1 1) Thenard, Ann. Chim. Phys. 8, pag. 308.
12} Liebig u. Wöhler, Pogg. Ann. 26, pag. 172. 13) Boussingault, Compt. rend. 32, pag. 261
n- 821. 14) Tessi^ de Motav, Bull. Soc. d'Encour. 1867, pag. 472. 15) Brodie, Jahresb. 1863,
pag. 315. 16) Wöhler, Ann. 78, pag. 125. 17) Chevreul, Ann. Chim. Phys. 84, pag. 285.
18) GoDiN, DiNGL. pol. J. 171, pag. 316. 19) Kuhlmann, Compt. rend. 47, pag. 403, 464, 674.
20) Fresenius, Ann. 59, pag. 127. 21) Krauss, Pogg. Ann. 43, pag. 140. 22) Croft, J. pr.
Oiem. 68, pag. 402. 23) Stolba, J. prakt Chem. 96, pag. 22. 24) Schöne, Jahresber. 1861,
pag. 122. 25) H. Rose, Pogg. Ann. 55, pag. 415. 26) Dumas, Ann. Chim. Phys, 32, pag. 364.
27) Wächter, Joum. prakt. Chem. 30, pag. 321. 28) O. Henry, Journ. de Pharm. 25, pag. 268.
29) Rammelsberg, Pogg. Ann. 90, pag. 16. 30) Kämmerer, Joum. prakt Chem. 90, pag. 190.
31) Millon, Ann. Chim. Phys. (3) 9, pag. 407. 32) Rammelsberg, Pogg. Ann. 44, pag. 545.
33) Garside, Chem. News 31, pag. 245. 34) Rammelsberg, Pogg. Ann. 67, pag. 391.
35) Rammelsberg, Pogg. Ann. 56, pag. 295. 36) Schiff, Ann. 105, pag. 239. 37) Kessler,
Pogg. Ann. 74, pag. 250. 38) Hess u. Lang, Joum. prakt Chem. 86, pag. 297. 39) Würtz,
Ann. Chim. Pharm. (3) 16, pag. 130, 40) Wackenroder, Arch. f. Pharm. 57, pag. 17.
41) VON Ammon, Otto's Lehrb. d. Chem. II. 2, pag. 490.
13^ Handwörterbuch der Chemie.
Vorkommen, beschränkt sich wesentlich auf zwei Mineralien, Schwer-
spath, Bariumsulfat, BaSO^ und Witherit, Bariumcarbonat, BaCOj. Selten
finden sich Barytocalcit, BaCOg, CaCOg, Barytocölestin, (BaSrCa)S04,
Psilomelan (MnBa)O +2Mn02, Harmotom, Hj(K2Ba)Al2Si50i5, Brew-
sterit, H4(SrBa)Al3Si60i8, Hyalophan, KgBa, 2Al3Si8024.
Darstellung und Eigenschaften. Das metallische Barium ist nur sehr
schwierig darzustellen. Davy isolirte es, indem er eine aus feuchtem Barythydrat
geformte Schale mit Quecksilber füllte und dieselbe auf ein Platinblech setzte
welches mit dem positiven Pol einer Batterie von 500 Elementen verbunden war,
während der negative Pol in das Quecksilber tauchte. Es bildete sich ein Amal-
gam (früher in ähnlicher Weise schon von Berzelius und Pontin dargestellt),
das beim Erhitzen in einer geschlossenen und mit Kohlenwasserstoff dampf ge-
füllten Röhre unter Abgabe des Quecksilbers einen Rückstand von Barium gab.
Davy hat unreines Barium auch durch Zersetzung von Baryt oder Chlorbarium
durch Kaliumdampf erhalten.
Clarke will es durch Reduction von Baryt auf Kohle mit Hülfe einer Knallgas-
flamme, aus 3 Vol. Wasserstoff und 1 Vol. Sauerstoff bestehend, erhalten haben.
BuNSEN hat es durch Elektrolyse von Chlorbarium, das mit salzsäurehaltigem
Wasser zu einem Brei angerührt ist und auf 100° erwärmt wird, dargestellt, wo-
bei der negative Pol aus einem amalgamirten Platindraht besteht. Das sich
bildende silberweisse Bariumamalgam wird in einem Kohlenschiffchen im Wasser-
stoffstrom erhitzt, wobei das Barium als eine sehr poröse metallglänzende Masse
zurückbleibt (i).
Matthiessen hat durch Elektrolyse von geschmolzenem Chlorbarium, dem
ein wenig Chlorammonium zugemischt ist, das Metall als gelbliches Pulver er-
halten (2).
Nach den Angaben von Ckookes (3) bringt man Natriumamalgam in eine
gesättigte Lösung von Chlorbarium und erwärmt auf 93°. Es bildet sich Barium-
amalgam. Man giesst die Flüssigkeit ab, setzt von neuem Lösung zu und er-
wärmt. Man wäscht das zerdrückte Amalgam, trocknet es und presst zwischen
Leinwand, um überschüssiges Quecksilber zu entfernen. Man destillirt aus dem
krystallinischen Amalgam das Quecksilber in einer Kohlenwasserstoff- Atmos-
phäre ab.
Nach Sergius Kern (4) wird Bariumoxyd durch heftiges Glühen mit Kalium
reducin. Das Metall wird durch Quecksilber extrahirt, und dieses wird aus dem
Amalgam durch Destillation entfernt. Leichter gelingt die Bildung des Metalles
aus Jodbarium durch Glühen mit Natrium. Aus der Masse wird ebenfalls das
Amalgam dargestellt.
Wie J. Donath gefunden hat (5), ist das aus Amalgam durch Abdestilliren des
Quecksilbers gewonnene Metall nie reines Barium, sondem enthält noch bis zu
77^ Quecksilber, welches selbst bei Weissgluth nicht ausgetrieben werden kann.
Das Barium ist nach Davy weiss, silberglänzend, (dann aber vermuthlich queck-
silberhaltig), nach BuNSEN, Matthiessfn, Donath gelb, dichter als concentrirte
Schwefelsäure, oxydirt sich leicht an der Luft und im Wasser unter lebhafter
Wasserstofientwicklung. Es schmilzt bei einer Temperatur höher als der Schmelz-
punkt des Gusseisens, ohne sich dabei zu verflüchtigen; es zersetzt Glas bei
dieser Temperatur. Es verbrennt nach Dayy mit röthlichem, nach Clarke mit
grünlichem Licht. Es ist etwas dehnbar. Das von Crookes dargestellte Metall
war schneidbar, enthielt aber vielleicht Natrium und Quecksilber.
\
Barium. 1 39
Das Atomgewicht des Bariums ist vielfach bestimmt worden, so von Berze-
Liüs, TuRNBR, Dumas, Pelouze, Marignac u. A. Die zuverlässigste Zahl ist
136-86. Das Vol.-Gew- beträgt nach Kern 3-75. In seinen Verbindungen ist
CS zweiwerthig. Seine Oxydationswärme (zu BaO) ist gleich 130380 cal.
Verbindungen.
I. Oxyde. Das Barium bildet mit Sauerstoff ein Oxyd BaO und ein Super-
oxyd, BaO,.
Das Bariumoxyd, der Baryt bildet sich durch direkte Oxydation des
Bariums. Man stellt es dar, indem man Bariumnitrat durch Erhitzen zersetzt, wo-
bei dasselbe stark aufschäumt. Die Temperatur muss die Weissgluth erreichen,
weil sonst Nitrit zurückbleibt, darf aber nicht zu lange anhalten, weil der Baryt
sonst bei Benutzung eines Porcellantiegels Kieselsäure und Thonerde, bei Be-
nutzung eines Platintiegels Platinoxyd aufnimmt. Brügelmann (6) hat es auf
diese Weise in Hexaedern krystallisirt erhalten. Nach Rammelsberg (7) entsteht
beim Glühen des Nitrats nicht BaO, sondern eine sauerstoffreichere Verbindung
von der Zusammensetzung 2BaO-i-Ba02.
Durch Erhitzen des Bariumcarbonats, auch gemischt mit Kohle (Russ) und
Traganthgummi, bei Weissgluth erhält man nicht leicht einen von Kohle und
Carbonat freien Baryt.
Ein technisches Verfahren zur Erzeugung von Baryt ist von Edm. J. Mau-
MENfi angegeben.*) Beim Erhiuen von Bariumsulfat mit Eisenoxyd auf 1000 bis
1200° entsteht eine von Wasser nicht angreifbare Verbindung FejOjBaO. Wird
diese bei Rothgluth mit Wasserstoff behandelt, so wird das Eisenoxyd reducirt
und der Baryt kann durch Lösen in Wasser von dem Eisenoxydul getrennt
werden. An Stelle des Bariumsulfats kann auch das Carbonat oder Sulfid benutzt
werden. Bei Anwendung des letzteren entsteht eine Verbindung Fe2S3*3BaO,
welche geröstet werden muss. Wenn man das reducirte Gemisch, also Fe2 H- BaO,
mit Schwefelbariumlösung behandelt, so wird auch aus diesem Baryt gewonnen:
Fe, H- BdO H- 2BaS -f- SH^O = 3BaO H- 2FeS -+- 2Hj.
Der Baiyt ist graulichweiss, zerreiblich, von 4-73 Vol. Gew. (Karsten),
schmelzbar in der Knallgasflamme zu einer undurchsichtigen weissen Masse. Der
Baryt wird durch Elektricität, femer durch Kalium reducirt; Chlor, Phosphor,
Schwefel, Schwefelkohlenstoflf zersetzen ihn in der Wärme. Bei dunkler Roth-
gluth absorbirt er Sauerstoflf und wird zu Bioxyd. An der Luft verbindet sich
der Baryt mit Wasser und Kohlensäure. Er ist eine starke Basis, ist sehr ätzend
und wirkt auf organische Stoffe und Pflanzenfarben wie Kali und Natron; er ist
sehr giftig. Mit Wasser zusammengebracht, verbindet er sich damit unter be-
deutender Wärmeentwicklung, die sich bis zum Glühendwerden des gebildeten
Hydrates steigern kann. Auch mit 2 Mol. Alkohol oder Methylalkohol verbindet
sich der Baryt.
Bariumhydroxyd, Aetzbaryt, Ba(0H)2, entsteht bei der Hydratation des
Baryts. Bei der Siedhitze nimmt dieser etwa 10^ seines Gewichtes an Wasser
auf. Beim Erkalten der Lösung bilden sich farblose, durchsichtige prismatisc\ie
Kiystalle von der Zusammensetzung Ba(OH) 2, 8H,0 (Schöne) (8). Beim Erwärmexv
wf m^ verliert dieses Hydrat 7 Mol. Wasser. Das achte Mol. KrystallwaÄsex
wird erst bei Rothgluth ausgetrieben. Das Hydratwasser kann nicht durch Wa.rxti^
•) Maümen^ D. Pat. No. 17385 v. 21. Juli i88l.
I40 Handwörterbuch der Chemie.
entfernt werden. Das Bariumhydroxyd, ein weisses Pulver, schmilzt bei Roth-
gluth. Durch Krystallisation bei sehr niedriger Temperatur kann sich ein Hydrat
mit 17 Mol. Wasser bilden.
Das Bariumhydroxyd wird auch durch Auslaugen des Zersetzungsproduktes
von Bariumcarbonat und Kohle mit heissem Wasser erhalten; femer durch Be-
handlung einer Lösung von Schwefelbarium mit Kupferoxyd, Zinkoxyd oder Man-
ganbioxyd; im Grossen durch Zersetzung von Bariumcarbonat durch Wasserdampf
bei Rothgluth BaCO, -+- H^O = BaCHO)^ -h CO^ (Lenoir) fy), Mohr (io) räth,
ein äquivalentes Gewicht Bariumnitrat in siedender Natronlauge von TIO bis
ri5 VoL-Gew. zu lösen, und die Lösung nach dem Filtriren langsam erkalten zu
lassen. Die ausgeschiedenen Krystalle können in einer Centrifugalmaschine ge-
trocknet werden. S. auch oben das Verfahren von Maümenä.
Die Lösung des Barythydrats in Wasser ist farblos und klar, trübt sich aber
bald, indem sich Bariumcarbonat bei Berührung mit der Luft bildet.
100 Thle. Wasser lösen bei 0° 20° 40*^ 60*" 80°
BaO 1-5 3-5 7-4 18-8 90*8
Die wässrige Lösung, das Barytwasser, wird zur Absorption der Kohlensäure
bei der Luftanalyse (vergl. pag. 79) und zu anderen analytischen Zwecken ver-
wendet; in der Technik nach dem von Dubrunfaut angegebenen Verfahren zur
Scheidung des Rohzuckers aus der Melasse.
Bariumsuperoxyd, BaOg. Der Entdecker, Thenard (ii), hat diesen Körper
bereitet, indem er einen Strom Sauerstoff oder reiner trockner Luft über dunkel-
rothglühenden Baryt leitete. Liebig und Wöhler (12) haben vorgeschlagen, auf
schwach glühenden Baryt nach und nach das vierfache Gewicht Kaliumchlorat
in kleinen Mengen zu streuen. Unter Erglühen bildet sich Bariumsuperoxyd,
das man nach dem Erkalten durch Waschen mit kaltem Wasser als Hydrat rein
erhält.
BoussiNGAULT (13) sowic Tessiä DU MoTAY (14) haben Apparate angegeben,
um im Grossen nach dem THENARD'schen Verfahren Bariumsuperoxyd zum Zweck
der Sauerstoffgewinnung darzustellen.
Nach Brodie (15) erhält man reines von Monoxyd freies Superoxyd durch
Trocknen des reinen Superoxydhydrats unter der Luftpumpe.
Das Bariumsuperoxyd ist ein fester, graulich weisser, geruch- und geschmack-
loser Körper, unlöslich in Wasser. Bei starkem Glühen verliert derselbe die
Hälfte seines Sauerstoffs. Da der zurückbleibende Baryt in schwacher Gluth
wieder Sauerstoff aus der Luft aufzunehmen vermag, so ist dadurch die
Möglichkeit der Gewinnung reinen Sauerstoffs gegeben. Im Vacuum tritt schon
bei dunkler Rothgluth (450°) Dissociation des Superoxyds ein. Bei etwa
derselben Temperatur nimmt Baryt unter gewöhnlichem Druck Sauerstoff auf
(BoussiNGAULT, Compt. rend. 84, pag. 521).
Siedendes Wasser zersetzt das Bariumsuperoxyd in Barythydrat und Sauer-
stoff, Kohlensäure in Bariumcarbonat und Sauerstoff. Im Wasserstoffstrome er-
hitzt wird das Superoxyd unter Erglühen in Barythydrat umgewandelt. Kohle,
Bor, Schwefel, Phosphor und die nichtedlen Metalle entziehen ebenfalls das
zweite Atom Sauerstoff. Auch Schwefelwasserstoff und organische Körper werden
dadurch verbrannt.
Säuren in wässriger Lösung lösen das Bioxyd, indem sich ein Bariumsalz
und Wasserstoffsuperoxyd (s. dasselbe) bildet oder Sauerstoffentwicklung eintritt
Wie Wöhler angiebt, geräth Bariumsuperoxyd, in einem Strome Kohlen-
Barium. 14 1
oxydgas erhitzt, ins Glühen, wobei eine leichte Flamme auftritt. Stärker ist die
Erscheinung bei Anwendung von schwefliger Säure (i6).
Wenn Bariumsuperoxyd mit kaltem Wasser behandelt wird, so entsteht das
Hydrat desselben, welches nach Liebig und Wöhler die Zusammensetzung
BaOj, 6HjO besitzt. Derselbe Körper bildet sich, wenn man eine wässrige
Lösung von Wasserstoffsuperoxyd mit Barytwasser versetzt (Thenard), auch wenn
eine dünne Schicht Barytwasser lange Zeit hindurch in einer verkorkten Flasche
mit kohlensäurefreier Luft in Berührung bleibt (Saussure).
Reines Bariumsuperoxydhydrat erhält man am besten, wenn man das fein
zerriebene rohe Peroxyd in verdünnte Salzsäure einträgt, bis diese fast neutralisirt
ist Die filtrirte und abgekühlte Lösung wird vorsichtig mit Barytwasser versetzt,
bis die Kieselsäure etc. gefallt ist und ein schwacher Niederschlag des Hydrats
entsteht. Zu dem Filtrat setzt man so lange Barjrtwasser, als noch ein krystalli-
nischer Niederschlag entsteht. Das gewässerte Bariumsuperoxyd verliert im Vacuum
sein Krystallwasser. Aus den Lösungen gewisser Metalle, z. B. den Nitraten von
Mangan, Zink, Nickel, Kupfer, scheidet dasselbe die metallischen Bioxyde ab,
während das Barytsalz in Lösung bleibt. £s dient zur Darstellung des Wasserstoff-
superoxyds.
IL Bariumchlorid, BaClj,. Nach Davy wird Baryt durch Chlorgas zersetzt.
Salzsäuregas reagirt, wie Chevreul (17) zuerst beobachtet hat, heftig auf erwärmten
Baryt. Unter Entwicklung eines rothen Lichtes bildet sich Wasser und geschmolzenes
Chlorbarium. Auch wenn Baryt im Dunklen mit starker Salzsäure benetzt wird
zeigt sich eine Lichtentwicklung.
Man bereitet das Bariumchlorid gewöhnlich, indem man Witherit (Barium-
carbonat) oder Schwefelbarium mit Salzsäure behandeil, wobei sich Kohlensäure,
bezw. Schwefelwasserstoff entwickelt. Durch Eindampfen der Lösung und Um-
kiystallisadon wird es leicht rein erhalten. Im Grossen gewinnt man das Salz
wohl aus Schwerspath, indem ein Gemisch von 100 Thl. desselben mit 35 bis
50 Kohle, 40 bis 60 Chlorcalcium und 15 bis 25 Kalkstein geglüht wird. Von
dem entstandenen unlöslichen Calciumoxysulfid lässt sich das Chlorbarium durch
Auslaugen leicht trennen (Godin) (18).
Man kann nach einem Verfahren von Bela-Lach*) die besondere Darstellung
von Schwefelbarium aus Schwerspath vermeiden, wenn man bei der Reduction
des letzteren mit Kohle Chlorwasserstoff über die glühende Masse leitet. Unter
Entweichen von Schwefelwasserstoff entsteht gleich Chlorbarium.
Nach dem Verfahren von Kuhlmann (19) wird ein Gemisch von Steinkohle,
Schwerspath und Manganchlorür calcinirt. Letzteres wird durch Eindampfen der
Chlorfabrikationsrückstände, deren überschüssige Säure mit Kreide neutralisirt
worden ist, gewonnen. Von dem Mangan- (und Eisen-) Sulfid des Calcinations-
produktes wird das Chlorbarium durch Auslaugen getrennt.
Das Chlorbarium ist weiss. Bildungswäime (Ba, Clj) = 194250 cal. Es ist
leicht löslich in reinem Wasser, viel weniger in Salzsäure enthaltendem und in
Alkohol. 100 Thle. Wasser lösen
bei 0° 10° 20° 30° 40° 50° 60° 70° 80° 90° 100° 104°
Baa, 32-62 33*3 35-7 382 408 43-6 464 494 524 556 58'8 60-3.
Nach Fresenius (20) vermögen 7500 Thle. absoluten Alkohols bei 14°,
1800 Thle. beim Sieden 1 Thl. Salz aufzulösen.
Sein Geschmack ist bitter, es ist ein starkes Gift. Es schmilzt in der Roth-
♦) Bkia-Lach. D. Pat. Nr. 19188 v. 20 Dec. 1881.
142 Handwörterbuch der Chemie
gluth und bildet beim Erkalten eine durchsichtige Masse vom Vol.-Gew. 3*7.
Beim Erhitzen in Wasserdampf entwickelt sich schon unter der Schmelztemperatur
Salzsäuregas (Krauss) (21).
Das wasserfreie Chlorbarium erwärmt sich bei Berührung mit Wasser und
bildet ein Hydrat BaCl^, 2H2O. Wärmeentwicklung (BaClj -h 211^0) = 7000 cal.
Auch an der Luft absorbirt jenes Wasser. Aus der wässrigen Lösung krystallisiren
rhombische flache Tafeln (isomorph mit Kupferchlorid CUCI2, 2H2O; Maricnac),
die ihr Wasser erst über 200° verlieren. Das Vol.-Gew. beträgt 305. In 100 Thln.
Wasser lösen sich bei 15° 43*5, beim Siedepunkte 70*36 Thle. des krystallisirtcn
Salzes. Die heiss gesättigte Lösung siedet bei 104*4° Die Lösungswärme des
wasserfreien Salzes BaClg auf 400 Mol. Wasser bei 18° beträgt -h 2070 caL, die
des Salzes BaCij, 2HjO unter gleichen Umständen — 4930 cal.
Die Lösung des Chlorbariums (1:10) dient als Reagens auf Schwefelsäure.
Diese Säure muss alles Feuerbeständige aus der Lösung fallen.
Bari ambro mid, BaBr,, bildet ebenfalls ein krystallisirtes Hydrat BaBr,, 2H,0; VoL-
Gew. 4*23; M^rd erhalten durch Sättigen von Baryt, Bariumsulfid oder Bariumcarbonat mit Brom-
Wasserstoff, löst sich leicht selbst in absolutem Alkohol, in 100 Theilen Wasser lösen sich
J24-5 Theile bei 0°.
Baryumjodid, BaJ,, bildet nach Croft (22) ein Hydrat, BaJ,, 7H,0. Das wasserfreie
Salz ist weiss, unschmelzbar, sehr löslich in Wasser, auch in Alkohol, zieht aber nicht Wasser
aus der Luft an. Die wässrige Lösung zersetzt sich an der Laft.
Barium fluorid, BaFl^, weisses Pulver, wenig löslich in Wasser, unzersetzbar durch Hitz«.
Bariumfluorid-chlorid, BaFlCl, bildet sich, wenn man Natriumilaorid mit Bariumchlorid
mischt oder Bariumfluorid in Salzsäure löst und die Lösung mit Ammoniak neutralisirt Leichter
löslich .in Wasser, als das Fluorid, wird aber theilweise davon zersetzt, indem sich hauptsächlich
das Chlorid löst. ^
Bariumfluoborat, BaFl,2BoFl3, wird aus Fluorborsäure und Bariumcarbonat bereitet
Bei Ueberschuss des letzteren wird das gebildete Fluoborat zersetzt. Das Salz krystallisirt ans
der bis zur Syrupsconsistenz eingedampften Lösung in langen Nadeln, bei noch weiterem Ein-
dampfen in flachen ractangulären Prismen. Die Kry stalle enthalten 2 MoL Krystallwasser.
Bariumfluosilicat, BaFl,, SiFl^, fWt allmählich in kleinen Krystallen aus der Mischung
einer Lösung von RieselfluorwasserstofTsäure und einer Chlorbariumlösung; in kaltem Wasser,
sowie in Salzsäure sehr wenig löslich. Bei Rothgluth entweicht Fluorsilicium, und Fluorbarium
bleibt zurück. Vol. -Gew. 4-28. Ein Theil löst sich in 3731 Thln. Wasser von 17•5^ in
1174 ThhL beim Siedepunkt, in 448 Thln. Salzsäure von 4*5f bei 20— 22^ in 272 Thln.
Salpetersäure von 8(, 306 Thln. Salmiak-(gesättigt) und in 2185 Thln. Kochsalzlösung von 10 g^
Aus der siedenden Kochsalzlösung scheidet sich beim Erkalten Natriumfluosilicat aus. Durch
wiederholtes Glühen des Salzes mit Salmiak wird es allmählich in Chlorbarium umgewandelt
(Stolba 23). Die Unlöslichkeit des Fluosilicats ist ein analytisches Unterscheidungsmittel der
Barium- von den Strontiumsalzen.
III. Bariumsulfide. — 1. Einfach-Schwefelbarium, BaS.
Darstellung; a) Man leitet einen Strom WasserstofTgas über lebhaft glühendes Barium-
sulfat b) Man glüht Baryt im Schwefelwasserstoffstrome, c) Man leitet Schwefelkohlenstoff-
dampf über stark glühendes Bariumcarbonat oder -oxyd. Die Glühhitze kann ermässigt werden,
wenn man nach Schöne (24) dem Schwefelkohlenstoffdampf Wasserstoff, SchwefelwasserstoflT
oder Kohlensäure beimischt, d) Aus einem innigen Gemisch von Schwerspath- und Kohle- oder
Cokspulver werden mit Hülfe von Oel, Theer oder dergl. Ballen geformt, die im Tiegel stark
geglüht werden. Dieses Verfahren wird industriell in Flammöfen ausgeführt. Nach dem Erkalten
des Rohprodukts wird dasselbe mit Wasser ausgelaugt, und die Lösung dient dann zur Dar-
stellung von Bariumsalzen.
Das Baryummonosulfid ist weiss bis grau, unschmelzbar, langsam oxydirbajr
in Rothgluth. An feuchter I.uft zersetzt es sich unter Schwefel Wasserstoffen twicklung
X
Barium. 143
ZU Bariumthiosulfat und Bariumcarbonat. In Wasser ist es löslich, zersetzt sich
damit aber theilweise unter Bildung von Bariumsulfhydrat und -Oxysulfid.
Wenn man das rohe Schwefelbarium mit Wasser auskocht und die siedende Lauge in ein
Geßss filtrirti das sogleich fest geschlossen wird, so erhält man eine durch etwas Polysulfid gelb
gefilrbte Lösung, welche zunächst schuppenförmige Krystalle, dann ein Krystallpulver absetzt
Jene enthalten wahrscheinlich eine Verbindung von 4 Mol. Bariumhydroxyd (mit 9 Wasser) und
3 MoL Bariummonosulfid (mit 6 Wasser); während die pulverförmigen Krystalle aus gleichen
Molekülen Hydroxyd und Sulfid (mit 10 Wasser) bestehen. Die Flüssigkeit giebt nach weiterem
Eindampfen beim Erkalten Krystalle von gewässertem Bariumsulfid, BaS + 6H,0, in der Mutter-
lauge ist Bariumsulfhydrat, Ba(SH)2 enthalten. Dies ist nur schwierig frei von Oxysulfid
zu erhalten. Es krystallisirt mit 6 Mol. Krystallwasser, wird an der Luft gelb in Folge von
Oxydation. Es ist eine starke Sulfobase.
Das auf trocknem Wege dargestellte Bariumsulfid hat die Eigenschaft, im
Dunkeln mit orangegelbem Licht zu leuchten, wenn es vorher der Einwirkung
der Sonnenstrahlen ausgesetzt gewesen ist (s. o. pag. 137). Die Wirkung wird durch
die ultravioletten Strahlen des Spectrums hervorgebracht.
Bariumtrisulfid, BaS,. Darstellung: Man schmilzt 2 Thle. Monosulfid mit 1 Thl«
Schwefel, dessen Ueberschuss bei einer Temperatur von nicht über 360° verjagt wird (Schöne)
(24). Es bleibt eine gelbgrüne Masse, welche gegen 400° zu einer schwarzen Flüssigkeit
schmilzt und beim Erstarren schpiutzig grün wird. Ueber 400° entweicht Schwefel; erst bei
Rodigluth sind 2 Atome S auszutj^eiben.
Das Trisulfid löst sich in wirmem Wasser zu einer rothen, kalt rothgelben Flüssigkeit von
stark alkalischer Reaction. An d<tr Luft tritt Zersetzung ein. Beim Abdampfen bilden sich drei
Alten von Krystallen.
1. Gewässertes Bariummonosulfid, BaS, 6H,0, kleine gelblichweisse Tafeln. Dieser
Körper bildet sich auch beim Eindampfen einer Lösung von 5 Thln. Monosulfid und 1 Thl.
Schwefel im luftverdünnten Räume. Unlöslich in Alkohol, wenig löslich in kaltem Wasser.
Das Riystall Wasser entweicht zwischen 100 und 360°.
2. Bariumtetrasulfid, BaS4,H,0, rothe, blumenkohlartig angeordnete Nadeln, die sich
immer bilden, wenn eine Lösung von Bariummonosulfid mit Schwefel eingedampft wird. Die
Farbe geht allmählich in orange über; sie zeigen Dichroismus, gelb im durchfallenden, roth im
reflecttrten Licht Die Lösung verändert sich an der Luft, und Alkohol f^lt dann Tetrasulfid,
sowie zwei andere nicht analysirte Verbindungen, (Schöne) (24).
3. Orangegelbe Prismen von der Zusammensetzung 3(BaS, GH^O) -f- (BaS^jHjO)
+ 6HjO. Die Krystalle sind wenig beständig und verwittern an der Luft; sie zeigen denselben
Dichroismus wie die vorigen.
Bariumpentasulfid, BaSj, existirt nur in Lösung. Man stellt diese dar durch Kochen
einer Lösung des Monosulfids mit der genügenden Menge Schwefel. Beim Erkalten der ge-
sättigten gelben Lösung scheidet sich Tetrasulfid und Schwefel ab, in der zurückbleibenden
Flüssigkeit kommen 5S auf IBa. Bei weiterer Concentration, auch beim Stehen an der Luft,
scheidet sich das fUnfte Atom Schwefel ab. Die Lösung des Pentasulfids vermag beim Kochen
noch mehr Schwefel aufzulösen, der sich beim Erkalten in Octaederform wieder ausscheidet.
Bariumoxysulfide. Aus der wässrigen Lösung des Monosulfids scheiden sich zuerst
schuppige Krystalle von der Formel 4(Ba(OH)j, 9H,0)-f-3(BaS,6HjO), sodann kömige Krystalle
von der Formel, Ba(OH),, 8H,0 H- BaS, H,0. Nach längerer Zeit bilden sich grosse, farblose,
hexagonale Tafeln von der Zusammensetzung Ba(OH)3,, SH^O 4- 3(BaS,6Hj,0) (H. Rose) (25^.
Selen bar ium, BaSe, dargestellt durch Erhitzen eines Gemisches von selenigsaurem Barium
mit ^ seines Gewichtes Russ bei Rothgluth, bis sich kein Gas mehr entwickelt. Der Rückstand
tost sich in Wasser mit Ausnahme von etwas beigemengter Kohle. Die Verbindung zersetzt
sich wie Schwefelbarium in wässriger Lösung, indem sich Barythydrat und em höheres, mit gelb-
rother Farbe lösliches Selenid bilden. Diese Lösung wird durch Säuren zersetzt, indem sich
Sdenwasserstoff entwickelt und Selen niedermit. Bei Reduction von selenigsaurem Barium durch
Wasserstoff erhält man auch ein Gemisch von Barythydrat und höherem Selenid.
144 Handwörterbuch der Chemie.
T ellurbar ium. Unbekannt
Arsenbarium bildet sich, wenn Baryt in Arsendampf geglüht wird, in geringer Menge
neben arsenigsaurem Barium. Mit Wasser befeuchtet, entwickelt die Masse Arsen Wasserstoff
(Gay-Lussac, Soubeiran).
Phosphorbarium. Wenn mittelst eines WasserstofTstromes Phosphordampf über rotfaglUhenden
Baryt geleitet wird, so entsteht neben Bariumpyrophosphat auch Phosphorbarium, BaP,. Nach
Dumas (26) findet die Reaction statt: 7Ba0 4- 12P = .')BaP, -hBa^PjO^.
Der Körper ist dunkelbraun mit geringem Metallglanz und schmelzbar. Mit Wasser bildet
derselbe Phosphorwasserstoffgas und Hypophosphit Chlor greift denselben stark an unter
Bildung von Phosphorchlorttr, Bariumchlorid und -phosphat. — Nach Berzeuus erhitzt man Baryt
in einem Kolben mit langem Halse zum Glühen und wirft Phosphor in kleinen Stückchen darauf.
IV. Sauerstoffhaltige Salze.
Bariumchlorat, chlorsaures Barium, Ba(C103)j-H HgO. — Darstellung
durch Zersetzung von Kaliumchlorat mit Kieselfluorwasserstofi^ure und Neu-
tralisation der filtrirten Lösung von Chlorsäure durch Bariumcarbonat Vol.-Gew.
2-99. Löslichkeit in 100 Thln. Wasser: bei O"" 228 Thle., bei 20'' 37 Thle.,
bei 100° 126-4 Thle. Ba(C105)j. Die Lösungswärme auf 600 Mol. Wasser bei
18° beträgt — 11240 cal. Es krystallisirt unter Lichtentwicklung in monoklinen
Prismen mit 1 Mol. Wasser. Dieses wird bei 120° ausgetrieben, bei 250° be-
ginnt Sauerstoff sich zu entwickeln; bei 400° tritt Schmelzung des Chlorbariums
ein. Bei rascher Erhitzung explodirt das Chlorat (Wächter) (27). Durch Schlag
schon tritt Explosion ein, wenn dasselbe mit einem brennbaren Stoff gemischt
ist. Das Salz löst sich in 4 Theilen kaltem Wasser, leichter in siedendem. Ks
wird in der Feuerwerkerei zur Herstellung grüner Flammen benutzt.
Bariumperchlorat, Uberchlorsaures Barium, Ba(Q04)2 -{-4H,0. Darstellung
durch Neutralisation der Ueberchlorsäure mit Baryt oder Bariumcarbonat; durch Zersetzung von
Zinkperchlorat mit Barytwasser (O. Henry) (28). Es krystallisirt in langen Prismen aus Wasser,
in kurzen mit abgestumpfter Pyramide aus Alkohol. Sehr löslich in Wasser. Bei 100® ent-
weichen 2 Mol. Wasser; bei etwas höherer Temperatur das dritte; beim Entweichen des vierten
tritt Sauerstoffent^ickelung ein.
Bariumchlorit, chlorigsaures Barium. DarsteUung durch Neutralisation einer
Lösung von chloriger Säure mit Barytwasser und Abdampfen, zuletzt im Vacuum. Sehr löslich,
leicht zersetzlich; das wasserfreie Salz zersetzt sich bei 230^-
Bariumbromat, bromsaures Barium, Ba (Br03)2 + H,0. Darstellung durch Mischen
von 100 Thln. heiss gesättigter Kaliumbromatlösung mit einer siedenden Lösung von 160 Thln.
Bariumacetat oder 74 Thln. Chlorbarium und langsames Erkalten; die Mutterlauge liefert eine
zweite Krystallisation. (Rammelsberg) (29). Löslich in 130 Thln. kaltem, 24 Thln. siedendem
Wasser. Bei 200^ Krystallwasserverlust ; bei stärkerem Erhitzen heftige Zersetzung, mit Kohle
Detonation. Schwefelsäure oder Salzsäure entwickeln Brom.
Bariumperbromat, überbromsaures Barium, Ba(Br04),. Weisser Körper, selbst
in siedendem Wasser wenig löslich (Kämmerer) (30).
Bariumjodat, jodsaures Barium, BaQOj)]) + H],0. Darstellung durch
Fällung einer Lösung von Kaliumjodat mit Chlorbarium (Millon) (31); duix:h
Kochen mit Jodsäure werden Reste des Fällungsmittels aus dem Niederschlag
entfernt. Weisses, wenig lösliches Pulver; aus Salpetersäure krystallisirt es in mit
dem Chlorat und Bromat isomorphen Prismen (Marignac). Bei 15° in 1746 Thln.
Wasser löslich, bei 100° in 600 Theilen. (Rammelsberg) (29). Bei 130° ent-
weicht das Krystallwasser. Bei stärkerem Erhitzen entweicht Sauerstoff und Jod,
und es bleibt ein vierbasisches Perjodat.
Bariumperjodat, überjodsaures Barium. Das neutrale Salz ist nicht
bekannt.
1. Basisches Perjodat, BaQO^)^, BaO -h SHjO. Weisser Niederschlag,
Barium. )4S
beim Mischen der etwas angesäuerten Lösung des entsprechenden Natriumsalzes
mit Barythydrat Bei Rothgluth tritt folgende Zersetzung ein :
öCBaJjO^, 3H2O) = 2(Ba JjOia) -h 6J -h 210 H- löHjO.
2. Vierbasisches Perjodat, Ba(J04)2, 4BaO, entsteht aus 1. und beim
Glühen des Bariumjodats, öCBaJgOg) = Ba J^O^ 2 + 8J -4- 180.
Weiss, unlöslich in Wasser, löslich in Salpetersäure. Beim Mischen dieser
Lösung mit Ammoniak, oder beim Fällen einer Lösung von Natriumperjodat
mit Bariumnitrat erhält man einen etwas gelatinösen Niederschlag vonBa5j4 0i9
-h5H|0 oder BajJjOu -{- HjqJjOjj. Bei 100° entweichen Wasser und Sauer-
stoff (Rammelsberg) (32).
Bariumsulfat, schwefelsaures Barium, BaS04. — Vorkommen als
Schwerspath.
Bariumsulfat fällt immer als weisser Niederschlag aus, wenn die Lösung
eines Bariumsalzes mit Schwefelsäure oder einem gelösten Sulfat zusammenge-
bracht wird. Wird die Fällung in der Kälte ausgeführt, so geht der feine Nieder-
schlag leicht durch das Filter. Die Bildungswärme von (BaOgH^aq -h SOgaq),
welche sich aus der Neutralisationswärme und Präcipitationswärme zusammensetzt,
ist gleich 36900 cal.
Zur Darstellung im Grossen wird meistens eine Chlorbariumlösung mit
Schwefelsäure gefällt. Jene hat zweckmässig eine Concentration von 24 bis 25° B,
diese von 30° B. Die Fällung wird in der Kälte vorgenommen. Man erhält
dann eine Salzsäurelösung von 6° B. Es wird auch wohl eine Lösung von
Bariumsulfid mit Natriumsulfat zersetzt. Bisweilen wird es als ein Nebenprodukt
einer andern Fabrikation gewonnen.
Löslichkeit: 1 Theil bedarf 200000 bis 300000 Thle. Wasser. Bei Gegen-
wart von Säuren nimmt die Löshchkeit zu. 1 Thl. BaSO^ löst sich in
23000 Thln. kalter und 4887 Thln. warmer Salzsäure von 1-03 Vol.-Gew., in
9273 Thln. Salpetersäure von 102 Vol.-Gew., in 40800 Thln. Essigsäure von
1*02 Vol.-Gew. Bei der Fällung mit Chlorbarium in der Wärme wird von diesem
Salze etwas mitgerissen und kann nur sehr schwierig durch Auswaschen aus
dem Niederschlage entfernt werden. Auch in concentrirten Lösungen von
Ammoniaksalzen ist bei Abwesenheit von Schwefelsäure oder Sulfaten das
Bariumsulfat ein wenig löslich.
Anwendung: Das künstlich dargestellte Bariumsulfat wird als Fermanent-
weiss oder Blancfixe in der Drückerei, besonders der Tapetendruckerei, ver-
wendet. Der Schwerspath, welcher mit Kohle leicht zu löslichem Sulfid reducirt
werden kann, ist ein Hauptrohstoff zur Darstellung der Bariumverbindungen.
Bariumbisulfat, BaSO^, HjSO^, bildet sich, wenn Bariumsulfat oder ein
anderes Bariumsalz in Schwefelsäuremonohydrat gelöst wird. Wasser zersetzt das
Salz. Bei 100° scheiden sich aus der Lösung nadelartige Krystalle aus, die bei
160—180*' verschwinden, während sich prismatische Krystalle bilden. Beim
Erkalten tritt wieder Lösung ein (Th. Garside) (33).
Bariumsulfit, schwefligsaures Barium, BaSO,, bildet, durch doppelte Zersetzung
CTbalten, ein weisses unlösliches Pulver, löst sich in einer wannen wässrigen Lösung von
schwefliger Säure und krystallisirt beim Erkalten daraus in kleinen hexagonalen Prismen.
Beim Erhitzen in zugeschmolzener Röhre zerfällt es in Bariumsulfat und -sulüd (Rammelsberg) (34).
Bariumthiosulfat (Bariumhyposulfit, unterschwefligsaures Barium, BaS^O,
4-H,0, weisser Niederschlag nach Mischung der Lösungen von Natriumthiosulfat und Barium-
acetat, wobei Alkoholzusatz die völlige Ausfällung bewirkt. Verliert bei 170® Krystallwasser, bei
LAimoMnu;, Chemie. H. lO
146 Handwörterbuch der Chemie.
höherer Temperatur auch Schwefel. Bei Rothgluth ist die Zersetzung nach folgender Gleichung
vollendet: GBaSjOj =BaS -h 2BaSOs + SBaSO^ + 6S (Rammelsberg) (35).
Bariumdithionat, unterschwefelsaures Barium, BaS,Og2H30. Beim Fällender
Lösung des dithionsauren Mangans mit Barytwasser oder Schwefelbarium erhält man eine Lösung
des Bariumsalzes, welche nach der Concentration farblose Prismen liefert. Löslich in 1*1 Th.
siedendem Wasser und in 4*04 Thln. Wasser von 18^; unlöslich in Alkohol, sie decrepitiren beim
Erhitzen (Heerek). Bei langsamer Verdunstimg scheidet sich das Salz mit 4 Mol. Kiystallwasser
aus. Diese Krystalle verwittern an der Luft, indem sie 2 Mol. Wasser verlieren. Es sind
Doppeldithionate von Barium mit Natrium, bezw. Magnesium dargestellt worden (Schiff) (36).
Bariumtrithionat, BaSjOg -|- 2H,0. Durch Sättigen der Trithionsänre mit Barium-
carbonat und Fällung durch Alkohol erhalten. Glänzend weisse Schuppen, deren Lösung leicht
zersetzlich ist (Kessler) (37).
Bariumtetrathionat, BaS40g+2HjO, grosse Tafehi, löslich in Wasser, in ähnlicher
Weise wie das vorhergehende Salz dargestellt (Kesslfr).
Bariumpentathionat, BaSjOg+HjO. Durch doppelte Zersetzung erhalten. Leicht
löslich in Wasser, unlöslich in Alkohol. Die wässrige Lösung zersetzt sich beim Eindampfen,
wobei sich Krystalle bilden von der Zusammensetzung BaS^Og -f- BaSjOg -h 6HjO.
Bariumseleniat, selensaures Barium, BaSe04. Weisses Pulver, unlöslich in Wasser,
wird durch siedende Salzsäure in Selenit umgewandelt, durch Wasserstofif in der Hitze zu Selenid
reducirt.
Bariumselenit, selenigsaures Barium, BaSeO,. Das neutrale Salz ist ein weisses
in Wasser unlösliches, in Säuren lösliches Pulver. Wenn man eine Lösung von seleniger Säure
genau mit Bariumcarbonat neutralisirt, so erhält man bei langsamer Verdunstung ein saures Salz
in weissen kleinen Krystallen (Berzelius).
Bariumtellurat, tellursaures Barium, BaTeO^ + SHjO. Das durch doppelte Zer-
setzung erhaltene neutrale Salz ist ein weisses in Wasser wenig lösliches Pulver. Das BiteUurat
ist eine leichter lösliche flockige Masse, die durch fortgesetztes Waschen mit Wasser in neutrales
Salz und Tellursäure zersetzt wird. Das Quadritellurat ist noch löslicher in Wasser, in der
Wärme gelb (Berzelius).
Bariumtellurit, tellurigsaures Barium, BaTeO,. Weiss, voluminös, löslich in viel
Wasser. Auf trockenem Wege bereitet, sehr wenig in siedendem Wasser löslich. Durch Zer^
Setzung des neutralen Salzes mir verdtlnnter Salpetersäure entsteht ein Quadritellurit, BaTeO,,
STeOj, welches in der Rothgluth zu einem farblosen Glase schmilzt (Berzelius).
Bariumsulfotellurit, 3BaS +TeS^, bildet sich beim Kochen der beiden Bestandtheile.
Hellgelbe, wenig lösliche Prismen (Berzelius).
Bariumnitrat, salpetersaures Barium, Ba(N03)3. Darstellung durch
Einwirkung verdünnter Salpetersäure auf das rohe Sulfid oder auf Witherit und
Krystallisation. Bei Anwendung concentrirter Säure ist die Umsetzung nicht voll«^
ständig, indeifn sich auf dem Witherit eine Schicht Nitrat bildet und vom Sulfid
ein Theil zu Sulfat oxydirt wird.
Das Salz krystallisirt in weissen durchsichtigen regulären Oktaedern vom
Vol.-Gew. 3-185 (Karsten), 3*228 (Kremers), von bitter-salzigem Geschmack.
Beim Erhitzen decrepitirt es, schmilzt und zersetzt sich bei Rothgluth in Sauer-
stoff, Stickstoff, Untersalpetersäure und Baryt, detonirt schwach mit brennbaren
Körpern. Löslichkeit: 100 Thle. Wasser lösen
bei 0° 10° 20° 30° 40° 50° 60° 70° 80° 90° 100° 102°
Ba(N03)a 52 7*0 92 11-6 14-2 17-1 203 23*6 27-0 306 32*2 34-8;
unlöslich in Alkohol und in Salpetersäure. Die Bindungswärme (Ba, Oj, Nj, O4)
beträgt 229 750, die Lösungswärme des Salzes — 9400 cal.
Es sind Doppelsalze von Bariumnitrat mit Bariumacetat, mit Kaliumnitrat,
mit Bariumphosphat dargestellt worden.
Anwendung in der Feuerwerkerei.
Barium. 147
Bariumnitrit, salpetrigsaures Barium, Ba(N02), + H3O. Darstellung durch vor-
flchtiges Erhitzen des Nitrates. Etwa gebildeter Baryt wird aus der Lösung durch Einleiten von
Kohlensäure entfernt. Beim Eindampfen der filtrirten Lösung scheidet sich zunächst unzersetztes
Nitrat, dann das Nitrit aus. Man kann ersteres auch durch Alkohol fällen (Hess und Lang) (38).
Das Salz kann auch durch Einleiten von Salpetrigsäure-Dämpfen in Barytwasser dargestellt
werden; ganz rein durch Fällen einer Lösung von Silbemitrit mit Chlorbarium uud Krystallisation
des FUtrats.
Das Salz krystallisirt in langen hexagonalen Prismen oder in kurzen rhombischen Prismen,
ist also dimorph. Sehr löslich in Wasser, in 64 Thln. Alkohol von 94 f bei gewöhnlicher Tempe-
ratur. Bildet mit Kaliumnitrit ein leicht lösliches Doppelsalz, Ba(NOj)2 -f- 2KN0j -h HjO. Ein
ICckeldoppelsalz, 2Ba(NO,)2 + Ni(N02)2i ist ein hellrothes Pulver, das sich in Wasser mit
grüner Farbe löst
Bariumhypophosphit, unterphosphorigsaures Barium, Ba(H3P03)j
-h HjO, entsteht beim Kochen von Phosphor mit Barytwasser. Glänzende, sehr
biegsame Prismen, die sich am besten bilden, wenn die wässrige Lösung bis zur
beginnenden Trübung mit Alkohol versetzt wird. Das Krystallwasser geht bei
100° fort, das Constitutionswaser bei höherer Temperatur unter Zersetzung. Die
mit unterphosphoriger Säure behandelte wässrige Lösung liefert vierseitige Tafeln,
welche kein Krystallwasser enthalten. Im geschlossenen Gefässe erhitzt, giebt
das Salz Phosphorw'asserstofF aus und wird zu Bariumphosphat. Wird ein Stück
Kalihydrat in die Lösung gebracht, so entwickelt sich beim Erwärmen Wasser-
stoff und Bariumphosphit fallt nieder (Rose, Wurtz) (39).
Bariumphosphit, phosphorigsaures Barium, 2BaHP08 -+- H^O, bildet
sich durch doppelte Zersetzung, löslich, beim Glühen in Phosphat sich umwandelnd.
Das saure Salz, BaCHjPOj)^ -h HgO, bildet sich, wenn man das vorige in
phosphoriger Säure löst und langsam abdampft. Syrupartige Masse, aus der sich beim
Trocknen im Vacuum kleine Krystallkömer ausscheiden, die bei 100° HjO verlieren.
Bariumorthophosphat, orthophosphorsaures Barium,
1. Tribariumphosphat, Baj(P0^)3 -h H^O, durch doppelte Zersetzung mit
dem entsprechenden Natriumsalz erhalten.
2. Bibariumphosphat, BaHP04 oder BajH2(P04)a, durch doppelte Zer-
setzung, am besten mit dem Ammoniumsalz und Chlorbarium. Krystallinische
Schuppen, löslich in 20570 Thln. Wasser von 20°, etwas löslicher in Lösungen
von Ammoniaksalzen, Chlomatrium und Chlorbarium; freies Ammoniak befördert
die Unlöslichkeit; leicht löslich in Salpetersäure, Salzsäure, Essigsäure (in 400 Thln.
Essigs, von 1-032 Vol.-Gew). Aus der Lösung in Säuren fällt Ammoniak Triba-
riumphosphat oder dieses und das Bariumsalz; der Niederschlag enthält auch
Bariumchlorid (oder -Nitrat) und Ammoniaksalz (Berzelius, Wackenroder) (40)
3. Monobariumphosphat, BsiQi^TO^)^,
Darstellung: Man löst eine der beiden vorhergehenden Verbindungen in
Fhosphorsäure und dampft ein. Weisse Krystalle, löslich in verdünnten Säuren,
durch Wasser zersetzt in Bibariumsalz und Phosphorsäure. Aus der Lösung der
genannten Salze in Phosphorsäure scheidet sich auf Zusatz von Alkohol das Salz
2BaHP04 -t- Ba(HjPOJj -h dH^O ab.
Bariumpyrophosphat, pyrophosphorsauresBarium, Ba^Pj^Oj+H^O.
Pyrophospborsäure fallt Barytwasser, ein lösliches Salz jener Säure die Barium-
salze. Weisses amorphes Pulver, sehr wenig löslich in Wasser, löslich in Salpeter-
und in Salzsäure,- unlöslich in Essigsäure. Wenn man allmählich Chlorbarium -
lösung in eine siedende Lösung von Natriump3n'ophosphat giesst, so dass diese
im Ueberschuss bleibt, so fällt ein Doppelsalz ^'Sa.^?^^.^, GBa^PjO^ -i- CH^O aus.
148 Handwörterbuch der Chemie.
Bariummetaphosphat, metaphosphorsaures Barium.
1. Monobariummetaphosphat, Ba(P08)2, bildet sich wahrscheinlich,
wenn man Bariumcarbonat in gewöhnlicher Phosphorsäure löst, abdampft und bis
zu 316° erhitzt. Weisses Pulver.
2. Bibariummetaphosphat, Ba2(P03)4 H- 4H2O, erhalten durch doppelte
Zersetzung mit dem entsprechenden Natriumsalz. Krystallinischer Niederschlag,
schwer löslich in Wasser, in der Wärme durch Soda sowie durch Schwefelsäure
zersetzt, nicht durch conc. Salzsäure oder Salpetersäure, verliert bei 130° alles
Wasser und geht durch Glühen über in
3. Tribariummetaphosphat, Bag(P03)6 -|-6HijO.
Darstellung: 1 Th. Natriumsalz und 2 bis 3 Thle. Chlorbarium in conc.
Lösung geben eine Flüssigkeit, die nach der Filtration rhombische Prismen ab-
setzt. Bei 100° verlieren die Krystalle f ihres Wassers, den Rest in höherer
Temperatur.
4. Hexabariummetaphosphat, gelatinöser Niederschlag, der beim
Trocknen brüchig wird, löslich in Salmiak und in Salpetersäure.
Bariumarsenit, arsenigsaures Barium. BaHAsO,, in Wasser uDlösliches weisses
Pulver, durch Fällung erhalten.
Bariumarseniat, arsensaures Barium.
1. Tribariumarseniat, Ba, (As O ^ ) , , weisser krystallinisch werdender Niederschlag. 1 TU.
erfordert zur Lösung etwa 2000 Thle. kaltes Wasser, 33000 Thle. Ammoniakwasser; etwas lös-
licher in Salmiak, löslich in Essigsäure (Field).
2. Monobariumarseniat, BaHAsOf+H^O, durch Fällung einer Bariumlösung mit
Binatriumarseniat erhalten. Krystallinische Masse, wenig löslich in Wasser, löslich in Essigsäure.
Warmes Wasser zersetzt dasselbe in das saure Salz BaH4(As04)2, welches sich auflöst, und in
unlösliches Tribariumarseniat (MrrscHERUCH).
3. Barium-Ammoniumarseniat, BaNH^AsO^ + 2H,0, erhalten durch Fällung einer
Lösung von Bariumarseniat in Salpetersäure mit Ammoniak. Voluminöser Niederschlag, der sich
bald in prismatische Krystalle verwandelt.
Bariumpyrosulfarsenit, Ba^ASjSj, erhalten durch Digestion von Arsentrisulfid AS|S|
mit Schwefelbarium. Braunrothe, gummiartige, sehr lösliche Masse. Aus der wässrigen Lösung
fällt Alkohol normales Bariumsulfarsenit, Ba3(AsS,)3 in krystallinischen Flocken.
Bariumpyrosulfarseniat, Ba^jAs^S^, entsteht durch Einwirkung von Schwefelwasserstoff
auf Bariumarseniat. Sehr löslich; die Lösung zersetzt sich beim Eindampfen. Alkohol flült aus
derselben normales Bariumsulfarseniat, Ba3(AsS4)2, als weissen amorphen Niederschlag,
während Bariummetasulfarseniat, Ba,(AsS,),, in Lösung bleibt.
Bariumantimoniat, Ba(Sb03),; durch Fällen von Kaliumantimoniat mit Barium-
chlorid als flockiger, krystallinisch werdender Niederschlag erhalten, in Überschüssigem Barium-
chlorid etwas löslich.
Bariumsulfantimoniat, Ba,(SbS4)3 + GH^O, entsteht beim Lösen von frisch gefälltem
Antimonpentasulfid in Schwefelbariumlösung. Alkohol AÜlt das Salz in weissen Nadeln, die an
der Luft durch Oxydation sich rasch braun färben.
Bariumborat Die verschiedenen Kaliumborate geben mit Qilorbarium entsprechend zu-
sammengesetzte Niederschläge, löslich in Ammoniaksalzen und in Chlorbarium, schmelzbar.
Bariumcarbonat, BaCO,. Vorkommen als Witherit, krystallisirt in rhom-
bischen Prismen, und in compacten Massen. Technisch kann dasselbe nach dem
D. Fat 22364 von K. Lieber aus .Schwerspath dargestellt werden, indem das
Pulver desselben mit 1 Aeq. Chlorcalcium, 4 Aeq. Kohle und ^ Aeq. Eisen ge-
glüht wird. Aus der Schmelze wird das entstandene Chlorbarium ausgelaugt.
Sulfide in den Laugen werden durch Einblasen von Lufl zerstört. Man leitet
dann Ammoniak und Kohlensäure ein, bis alles Carbonat ausgeschieden ist. Aus
Barium. 149
der entstandenen Salmiaklösung wird durch Aetzkalk das Ammoniak wieder in
Freiheit gesetzt. Das Verfahren wird auch zur Darstellung von Strontiumcarbonat
aus Coelestin angewendet.
Vol.-Gew. des Bariumcarbonats 4*29. Löslich in 14000 Thln. Wasser von
gewöhnlicher Temperatur, in 15400 Thln. kochendem Wasser, leichter löslich
bei Gegenwart von Kohlensäure. In dieser Lösung kann das in trocknem
Zustande nicht darstellbare Bicarbonat enthalten sein. Verliert in starker Glüh-
hitze seine Kohlensäure, leichter, wenn das Carbonat mit Kohle gemischt ist,
wobei Kohlenoxyd entweicht.
Um aus dem Carbonat Permanentweiss darzustellen, beschleunigt man die
Einwirkung der Schwefelsäure durch Zusatz von ein wenig Salzsäure.
Bariumthiocarbonat, thiokohlensaures, sulfokohlensauresBarium,
BaCSj, entsteht beim Schütteln von Schwefelkohlenstoff mit Bariumsuliidlösung
als kr3rstallinischer Niederschlag, P. Thenard*), als citronengelbe Masse bei
Einwirkung von Schwefelkohlenstoff auf krystallisirtes Schwefelbarium. 1 Thl.
löst sich in 66 Thln. Wasser. Beim Verdampfen der Lösung im Vacuum scheiden
sich gelbe durchsichtige Krystalle aus (Walter)**). Dumas hat das Bariumthio-
carbonat als Vertilgungsmittel der Phylloxera empfohlen.
Bariumsilicate. Die Mineralien, welche Bariumsilicat enthalten, sind oben
pag. 138 aufgezählt. Durch Fällung einer verdünnten Lösung von Alkalisilicat mit
Gilorbarium wird ein amorpher flockiger Niederschlag erhalten, Ba(Si03)2-|-xH30,
der in heissem Wasser nicht ganz unlöslich, in concentrirter Salzsäure löslich
ist (von Ammon) (41). Bariumsilicat findet sich in dem sogen. Bar3rtglas, Krystall-
^, in welchem Bleioxyd durch Baryt ersetzt ist.
Analytisches Verhalten der Bariumverbindunge.n. Die flüchtigen
Bariumverbindungen färben die nichtleuchtende Flamme gelbgrün. Das Spectrum
dieser Flamme ist ziemlich complicirt. Charakteristisch darin sind mehrere grüne
Banden. Die Löthrohrreacdonen bieten nichts Eigenthümliches dar.
Reactionen der Lösungen.
Die Aetzalkalien rufen nur in concentrirten Lösungen einen weissen
Niederschlag von Bariumhydroxyd hervor. Ammoniak fallt nichts.
Alkalicarbonat fällt den Bar3rt vollständig als weisses Bariumcarbonat.
Dies ist in Chlorammonium etwas löslich.
Schwefelsäure oder lösliche Sulfate fällen vollständig als weisses Barium-
sulfat, unlöslich in Wasser, wässrigen Alkalien und verdünnten Säuren. Sehr
empfindliche Reaction. «
Kieselfluorwasserstoffsäure: weisser krystallinischer Niederschlag, in
verdünnter Salzsäure nicht löslich.
Kaliumchromat fällt gelbes Bariumchromat, löslich in Säuren.
Natriumphosphat, auch -Arseniat und -Borat: weisse, in Säuren lösliche
Niederschläge.
Natriumjodat: weisser Niederschlag aus nicht allzu verdünnten Lösungen,
löslich in Salzsäure.
Oxalsäure und Oxalate fällen stark verdünnte Lösungen nicht.
Chlorsäure, Ueberchlor säure, Schwefelwasserstoff, Schwefel-
ammonium fällen nicht; Ferro- und Ferricyankalium weiss, nur in con-
centrirten Lösungen.
•) P. TKbnard, Compt. rend. 79, 673.
••) Walter, Chem. News 30» pag. 28; Jahresber. 1874, pag. 235.
1^0 Handwörterbuch der Chemie.
Unterscheidungsmittel der Barium- von den Strontium- und
Caiciumverbindungen: Färbung der nicbtleuchtenden Flamme und Spectrum ;
VerhalteTi gegen Chromate und KieselfluorwasserstofF. Ba-Lösungen werden
durch eine Lösung von Gyps oder Strontiumsulfat getrübt. Chlorbarium ist in
absolutem Alkohol weit weniger löslich, als Chlorstrontium und Chlorcalium.
Aehnlich ist das Verhalten der Nitrate. Oxalsäure fällt neutrale Calciumlösungen
vollständig, Bariumlösungen nicht.
Die quantitative Bestimmung des Ba geschieht am besten als Sulfat
Die schwach saure, erwärmte Lösung wird mit verdünnter Schwefelsäure geülllt,
Nach dem Absetzen decantirt man die über dem Niederschlag stehende Flüssig-
keit auf ein Filter, erhitzt jenen mit Wasser, decantirt wieder und u. s. w. und
bringt endlich den Niederschlag auf das Filter, wo derselbe noch mit heissem
Wasser ausgewaschen wird. Auf diese Weise passirt nicht leicht etwas von dem
feinen Niederschlag durch die Poren des Filters. Dies soll auch dadurch ver-
mieden werden, dass man dem Waschwasser etwas Salmiak zusetzt Der Nieder-
schlag wird getrocknet, geglüht und als BaSO^ gewogen.
Wenn die Fällung mit einem löslichen Sulfat vorgenommen wird, oder wenn
in der Bariumlösung viel freie Salz- oder Salpetersäure zugegen ist, so hält der
Niederschlag hartnäckig Spuren von Salzen |ziuück, die demselben nur durch
andauerndes Kochen zu entziehen sind.
Um das Barium als Carbon at zu fällen|, übersättigt man die Lösung mit
Ammoniak und setzt dann Ammoniumcarbonat zu. Nach mehrstündigem Ab-
setzen bringt man den Niederschlag auf das Filter, wäscht mit ammoniakalischem
Wasser aus, trocknet und [glüht. Das Bariumcarbonat ist in Ammoniaksalzen
ein wenig löslich.
Trennung des Ba von den Metallen, deren Sulfate löslich sind.
Die leicht angesäuerte Lösung wird, wie oben angegeben, mit Schwefelsäure ge-
fällt. Bei Gegenwart der Sulfate des Ceriums und der verwandten Metalle, des
Thoriums, und des Yttriums und der Verwandten muss man reichlich verdünnte
Lösungen anwenden und weniger stark erwärmen, da die Sulfate dieser Metalle
in der Wärme weniger löslich sind als in der Kälte.
Trennung des Ba vom Strontium. Man fällt die Lösung mit Kiesel-
fluorwasserstoffsäure unter Zusatz von Alkohol und bringt den Niederschlag auf
cm bei 100° getrocknetes gewogenes Filter.
Trennung des Ba von Strontium und von Calcium. Die Sulfate der
drei Metalle lässt man mit einer Lösung von Ammoniumcarbonat oder von
Kaliumbicarbonat bei einer Temperatur von nicht über 20° 12 Stunden lang
digeriren. Nach dem Abgiessen wiederholt man die Operation und wäscht mit
Wasser aus. Der Rückstand enthält neben Bariumsulfat die Carbonate von
StronHum und Calcium, welche sich von jenem durch Lösen in Salzsäure leicht
trennen lassen. Man kann auch die Lösung von Salzen der drei Metalle mit
einem IJeberschuss von 3 Thln. Kaliumcarbonat und 1 Tbl. -sulfat versetzen,
kochen und den Niederschlag mit Salzsäure behandeln.
Weniger zu empfehlen für die Trennung der drei Basen ist die Fällung mit
KaliumciiTomat, da das Bariumchromat nicht ganz unlöslich ist und andererseits
bei demselben leicht etwas Strontiumchromat bleibt
Von Bleisulfat lässt das Bariumsulfat sich durch Behandlung des Gemenges
mit weinsaurem Ammoniak oder KaUlauge trennen, wodurch jenes in Lösung
gebracht wird. RuD. Biedermann,
Basen. 151
Basen ^. Man versteht unter Basen chemische Verbindungen, welche, in
Wasser gelöst, den Lackmusfarbstoff bläuen (und die Curcuma bräunen) und
welche sich mit Säuren zu Salzen vereinigen. Die letztere Reaction, welche die
basische Natur eines Körpers feststellt, erlaubt gleichzeitig, die Basen in zwei
verschiedene Gruppen zu theilen, da sie entweder mit oder ohne Abscheidung
von Wasser verläuft.
Zu der ersten Klasse von Basen gehören die Oxyde und Hydroxyde der
meisten Metalle, und eine Reihe von Verbindungen, die man als Abkömmlinge
des Ammoniumoxydhydrats NH3, H^O auffassen kann. Zu der zweiten Klasse
gehört das Ammoniak und seine zahlreichen Derivate.
Die Basen der ersten Art sind ausnahmslos sauerstoffhaltig und mit wenigen
Ausnahmen (wie Kaliumhydrat, Natriumhydrat etc.) nicht unzersetzt flüchtig. Es
gehören hierher die stärksten Basen, die Alkalien, welche alle andern aus ihren
salzartigen Verbindungen abscheiden, aber auch viele organische Basen, wie z. B.
das Tetramethylammoniumoxydhydrat, N(CH3)40H, das Tetramethylphosphonium-
oxydhydrat P(CH8)40H, das Triäthylsulfinoxydhydrat S(C8H5)50H und einige
Metallammoniumverbindungen, wie das Roseocobalthydroxyd Co2(NH3)iQ(OH)g,
das Platodiammoniumhydroxyd Pt(NH3)4(OH)2 etc. sind hierher zu rechnen.
Viele dieser Basen sind in Wasser löslich, ziehen aus der Luft Kohlensäure
an, indem sie sich damit direkt zu Carbonaten vereinigen, und verseifen die Fette.
Die in Wasser nicht löslichen Basen werden aus ihren Salzlösungen durch die
ersteren meist ausgefällt, indem nur in einigen Fällen die ausgeschiedene Base
sich im Ueberschuss des Fällungsmittels wieder löst, wie z. B. Thonerde in Kali.
Das letztere findet nur bei sehr schwachen Basen statt, welche mit den als
Fällungsmittel angewandten Basen Verbindungen eingehen, in denen sie selbs
die Rolle einer Säure übernehmen.
Die in Wasser meist löslichen Ammoniumhydroxyde werden aus ihren Salz-
lösungen durch Alkalien im Allgemeinen nicht abgeschieden: durch Zusatz
concentrirter Alkalien fällt sogar liäufig das Salz der Ammoniumbase (z. B«
Tcträthylammoniumjodür) aus. Neuerdings hat man aber auch Fälle beobachtet,
z.B. beim Chinolinbenzylchlorür, in denen durch das Alkali die Ammoniumbase
abgeschieden wird (i). Man wird wohl annehmen dürfen, dass diese Reactionen
durch die Wärmetönungen bedingt werden, d. h. durch das sogen. Prinzip der
grössten Arbeit.
Zu den Basen zweiter Art gehört das Ammoniak und die davon durch Ver-
tretung des Wasserstoffs ableitbaren Basen, die Amine, (vergl. den Artikel), femer
aber auch die Phosphine, Arsine, Stibine etc. Hierher müssen auch die
wichtigen, im Pflanzezureich vorkommenden Basen, die Alkaloide (s. den Artikel)
gezählt werden. Diese Basen sind entweder sauerstoffhaltig oder sauerstoflfrei.
Unter den ersteren sind einige, welche den Namen Alkine erhalten haben (2).
Darunter versteht man tertiäre Basen, (vergl. den Artikel Amine), welche Hydroxyl-
gruppen enthalten und in Folge dessen durch Erwärmen mit organischen Säuren
in salzsaurer Lösung in die Salze neuer Basen übergehen, welche letztere
Alfceine genannt werden, und aus den Alkinen durch Aufnahme der Elemente
jener organischen Säuren unter Austritt von Wasser entstehen, sich also zu den
Alkinen verhalten wie ein Ester zu seinem Alkohol. Zu den Alkinen gehören
*) I) Claus und Himmblmann, Ber. 13, pag. 2045. 2) Ladenburg, Ber. ehem. Ges. 14,
pag. 1876 und 2406, 15, pag. 1143. Roth, Ber. 15, pag. 1149. 3) Ladenburg, Ann. Chem.
RöiüL 217, pag. 74.
152 Handwörterbuch der Chemie.
nicht nur eine Reihe künstlicher Basen, sondern auch das Tropin, und es ist
bemerkenswerth, dass durch Behandlung des letzteren mit Tropasäure in salzsaurer
Lösung Atropin erhalten wurde (3).
Sehr wahrscheinlich ist es, dass auch einige der wichtigeren Alkaloide,
namentlich Morphium und vielleicht Chinin zu dieser Klasse von Basen gezählt
werden müssen.
Ein Eintheilungsprincip ftir die Basen bietet auch ihre Acidität. Diese wird
durch die Anzahl Säureäquivalente oder Moleküle einbasischer Säuren bestimmt,
welche zur Neutralisation eines Moleküls Base nöthig ist. Der Aciditätsbestimmung
muss also die Molekulargewichtsbestimmung der Base vorangehen, was nicht
immer beachtet worden ist.
Zu den einsäurigen Basen gehören die Hydroxyde der Alkalien, das
Thalliumhydroxydul, das Ammoniak, das Hydroxylamin und viele von diesen ab-
leitbaren Basen, z. B. Methylamin, Anilin, Morphin, Atropin etc.
Zweisäur ig sind die Erdalkalien, wie Kalk und Baryt, die sogen. Diamine,
wie Aethylendiamin C2H4(NHj)3 und Phenylendiamin CeH4(NH2)2, das Chinin
und Cinchonin etc.
Drei- und viersäurige Basen sind nur wenige bekannt. Zu den ersteren
gehört das Triamidophenol, das Triamidonaphtol, ein Triamidotoluol, während
die bekannten Triamidobenzole zweisäurig sind. Schon daraus geht hervor, dass
jener früher fiir allgemein richtig gehaltene Satz, wonach die Acidität eines Amins
durch die Anzahl Amm.oniakmoleküle, von dem es sich ableite, direkt bestimmt
werde, nicht ohne Ausnahmen ist Noch weniger aber lässt sich ein sicherer
Schluss aus der Anzahl Stickstoffatome auf die Acidität ziehen. So ist z. B. das
Guanidin CH5N3 einsäurig. Ladenburg.
Basicität*). Der Begriff Basicität ist aus den berühmten Untersuchungen
Liebig's (i) entstanden, die ihrerseits durch Versuche von Graham (2) über die
Phosphorsäure angeregt worden waren. Zur schärferen Fassung trugen spätere
Arbeiten von Gerhardt (3) wesentlich bei, auch hat die Einführung des Begriffs
der Atomicität noch modificirend auf den Begriff Basicität eingewirkt.
Unter Basicität versteht man heute die Anzahl Wasserstoffatome, welche in
einem Molekül einer Säure durch Metallatome ersetzt werden können, d. h.
man nennt eine Säure 1- 2- 3 etc. basisch, wenn in einem Molekül derselben
1-2-3 etc. durch Metall vertretbare Wasserstoffatome vorhanden sind. Die Be-
stimmung der Basicität einer Säure setzt hiemach die Kenntniss ihres Molekular-
gewichts voraus, und es ist sehr einfach, die Basicität einer Säure mit bekanntem
Molekulargewicht festzustellen. Dazu genügt die Analyse des neutralen Natrium-
oder Kaliumsalzes. Die Anzahl der darin vorkommenden Natrium- oder Kalium-
atome giebt direkt die Basicität der Säure an.
Da es nun aber auch allgemeine Kriterien giebt, um einbasische Säuren von
mehrbasischen zu unterscheiden, so kann man auch dadurch die Basicität einer
Säure feststellen, und diese zur Bestimmung des Molekulargewichts verwerthen.
In vielen Fällen genügt zur Feststellung der Basicität die genaue Untersuchung
der Salze einer Säure mit einatomigen Metallen. Bildet sie mit einem solchen
Metall nur ein einziges Salz, so ist sie einbasisch, bildet sie zwei verschiedene
Salze, ein saures und ein neutrales, so ist sie in der Regel zweibasisch, bildet
♦) i) Ann. Chem. Phann. 26, pag. 113. 2) Ann, Chem. Pharm. 25, pag. i. 3) Journal
f. prakt. Chem. 53, pag. 460.
Basicität. 153
sie drei Salze, von denen zwei sauer und das dritte neutral ist, so ist sie meist
dreibasisch etc. Doch ist diese Methode keine sichere. Es giebt einbasische
Säuren, wie Fluorwasserstoffsäure und Essigsäure, welche zwei Kaliumsalze, ein
saures und ein neutrales liefern, während von der zweibasischen Oxalsäure drei
oder vielleicht noch mehr Kalisalze bekannt sind.
Viel sicherer als die Untersuchung der Salze führt die Untersuchung der
Ester zur Bestimmung der Basicität einer Säure, worauf namentlich Gerhardt (3)
hmgewiesen hat.
Eine einbasische Säure liefert mit einem einatomigen Alkohol, z. B. mit
gewöhnlichem Aetbylalkohol nur einen einzigen neutralen Ester, während eine
zweibasische Säure zwei Ester erzeugt, einen sauren und einen neutralen. Die
dreibasischen Säuren geben drei Ester, wovon zwei sauer und einer neutral u. s. f.
Ist erst die Basicität einer Säure bestimmt, so ergiebt sich jetzt das
Molekulargewicht derselben, wie oben die Basicität aus dem Molekulargewicht,
nämlich durch die Analyse des neutralen Kalium- oder Silbersalzes. Es müssen
bei der Berechnung der Formel in diesem Salz so viel Kalium- oder Silberatome
angenommen werden, als die Basicität Einheiten besitzt.
ffier muss aber weiter hervorgehoben werden, dass bei der Untersuchung
nach der Basicität einer Säure nicht nur die Zahl der von dieser gebildeten,
ätherartigen Verbindungen in Betracht gezogen werden darf, sondern dass auch
darauf geachtet werden muss, ob diese wirkliche Ester, d- h. durch Kali voll-
ständig in Säure und Alkohol zerlegbar sind, und ob von den n gefundenen
Estern wirklich n — 1 Säuren sind.
Es giebt nämlich Säuren, welche mehrere ätherartige Verbindungen bilden
und doch nur einbasisch sind; dies kann eintreten bei den sogen. Alkohol-
säuren (vergl. den Artikel). Hier muss neben der Basicität die Atomicität
unterschieden werden.
Die Atomicität oder Atomigkeit einer Säure wird durch die Anzahl der durch
Alkoholradikale vertretbaren Wasserstoffatome in einem Molekül Säure bestimmt.
Sie lässt sich auch dadurch feststellen, dass man die Anzahl der durch Metalle
vertretbaren Wasserstoffatome zu der bei der Einwirkung von Säurechloriden
durch Säureradikale ersetzbaren Wasserstoffatome addirt.
Die Atomicität einer Säure ist übrigens von ihrer Basicität ganz unabhängig,
(freilich niemals kleiner als diese) und es kommen alle möglichen Combinationen
vor, so sind z. B. Glycolsäure und Milchsäure zweiatomig und einbasisch, die
Glycerinsäure ist dreiatomig und einbasisch, die Aepfelsäure dreiatomig und zwei-
basisch etc. (vergl. den Artikel Alkoholsäuren).
Charakteristisch für die Alkoholsäuren ist die Bildung isomerer Aether.
Es giebt nun eine Klasse^ von Alkoholsäuren, die sogen. Phenolsäuren, (vergl.
den Artikel) bei denen die Anzahl der durch Metall vertretbaren Wasserstoffatome
grösser ist als ihre Basicität.
So bildet die einbasische (aber zweiatomige) Salicylsäure C7H5O3 ein Salz
mit zwei Atomen Natrium im Molekül C7H4Na20j, das sogen, basisch salicyl-
säure Natrium. Charakteristisch aber für solche Salze ist es, dass sie nur durch
die Einwirkung der freien Base, also z. B. des Natrons, nicht aber durch Behandlung
der Säure mit dem Carbonat entstehen, und dass diese sogen, basischen Salze
bei der Einwirkung von Kohlensäure wieder zerlegt werden. Ebenso wie man
die Phenole von den Säuren unterscheidet, und die Phenate von den Salzen, unter-
scheidet man auch bei den Phenolsäuren zwischen den dem Phenol entsprechenden
154 Handwörterbuch der Chemie.
WasserstofTatotnen und den eigentlich sauren. Nur die letzteren bestimmen die
Basicität.
Man kann also auch bei den Phenolsäuren die obige Definition der
Basicität beibehalten, wenn man unter »durch Metall vertretbaren Wasserstoff-
atomen c nur solche versteht, bei denen diese Vertretung bei der Einwirkung von
Carbonaten stattfindet. Ladenburg.
Benzoesäure.*) Phenylcarbonsäure, Benzolcarbonsäure , C 7 H^ O ^ =
CßHjCOOH, wurde bereits im Anfange des 17. Jahrh. von Blaise de ViGENfeRE (i)
♦) i) Kopp, Gesch. d. Chem. Bd. 4, pag. 359. 2) Ann. 3, pag. 249. 3) Low, J. prakt
Chem. N. F. 19, pag. 312. 4) Woehler, Ann. 67, pag. 36a 5) Sbligsohn, Chem. CentralbL
1861, pag. 241. 6) Blyth u. Hofmann, Ann. 53, pag. 302. 7) D^poüilly, Jahresber. 1865,
pag. 328. 8) Baeyer, Bei. 2, pag. 94. 9) Carius, Ann. 148, pag. 50. 10) CoQuauoic,
Compt. rend. 80, pag. 1089. 11) Friedel u. Grafts, Compt. rend. 86, päg. 1368. 12) Dies,
u. AooR, Ber. 10, pag. 1854. 13) Kekül^ Ann. 137, pag. 178. 14) WÜRTZ, Ber. 2, pag. 81.
15) Meyer, Ann. 156, pag. 273. 16) Schützenberger, Zeitschr. f. Chem. N. F. 5, pag. 632.
17) Lautemann, Ann. 115, pag. 9. 18) Woehler, Ann. 51, pag. 145. 19) Gukelsberger,
Ann. 64, pag. 80. 20) Ludwig, Arch. ph. (2) 107, pag. 129. 21) Jobst u. Hesse, Ann. 199,
pag. 17. 22) Rad. Dingl. J. 231, pag. 538. Lunge, ibid. 238, pag. 77. 23) Löwe. J. prakt
Chem. 108, pag. 257. 24) Mohr, Ann. 29, pag. 177. 25) Hager, Conmient z. Pharm. Genn. i,
PAg* 43> 26) Stbnhouse, Ann. 51, pag. 486. 27) Ann. 49, pag. 245. 28) Hofmann, Ber. d.
Wiener Weltausstellung 1877, 3. Abth 431. 29) Jahresb. 1868, pag. 549. 30) Lunge, Ber. 10,
pag. 1275. 3O Bodewig, Jahresb. 1879, pag. 675. 32) Kopp, Ann. 94, pag. 303. 33) Beil-
stein u. Reichenbach, Ann. 132, pag. 309; Kolbe, J. pr. Ch. N. F. 12, pag. 151. 34) Medele-
JEFF, Jahresb. 1858, pag. 274. 35) V. u. C. Meyer, Ber. 11, pag. 2258. 36) Ost, J. pr. Ch.
N. F. 17, pag. 232. 37) BoüRGOüiN, Ber. 12, pag. 382, 2379. 38) Ders., Bull. soc. chim. 29,
pag. 245. 39) Schultz, Ann. 174, pag. 202. 40) Mitscherlich, Ann. 9. pag. 39. 41) Barth
u. Schreder, Ber. 12, pag. 1256. 42) Brönner, Ann. 151, pag. 50. 43) Gorup-Besanez,
Ann. 125, pag. 207. 44) Carius, Ann. 148, pag. 50. 45) Oüdemans, Z. Ch. N. F. 5, pag. 84.
46) Meissner u. Shepard, Jahresb. 1866, pag. 397. 47) Woehler, Ann. 44, pag. 245 48) Kolbs,
Ann. 118, pag. 122. Hermann, ibid 132, pag. 75. 49) Baeyer, Ann. 140, pag. 296. 50) Ber-
thelot, Jahresb. 1867, pag. 346. 51) Carius u. Kämmerer, Ann. 131, pag. 153. Sestini,
Z. chem. 1870, pag. 668. Kolbe u. Lautemann, Ann. 115, pag. 191. 52) Pfanküch, J. pr.
Ch. N. F. 6, pag. iio. 53) von Richter, Ber. 6, pag. 876, 1348. Meysr, ibid 6, pag. 1146.
54) Ann. 151, pag. 50. 55) Franchimont u. Kekulj^ Ber. 5, pag. 908. 56) Conrad, Ber. 6,
pa«- 1395- 57) Behr, Ber. 5, pag. 971. 58) PnUA, Jahresb. 1856, pag. 430. 59) Limpucbt
u. List, Ann. 90, pag. 209. Hofmeister, Ann. 159, pag. 203. 60) Cahours, Ann. 108, pag. 319.
61) Meyer, Ann. 156, |pag. 271. 62) Carius, Ann. iio, pag. 210. 63) Scharling^ Ann. 92,
pag. 83. Kopp, Ann. 94, pag. 307. 64) Liebig u. Woehler, Ann. 3, pag. 274, LnxNE-
MANN, Ann. 160, pag. 208. 65) Naumann, Ann. 133, pag. 200. 66) Demarqay, C. rend- 76,
pag. 1414. 67) Gustavson, Ber. 13, pag. 157. 68) Linnemann, Ann. 161, pag. 28. 69) Silva,
Ann. 154, pag. 255. Linnemann, ibid 161, pag. 51. 70) Linnemann, Ann. 161, pag. 192.
71) Friedel u. Cr äfft, Jahresber. 1864, pag. 460. 72) Zinke, Ann. 152, pag. 7. 73) Becker,
Ann. 102, pag. 221. 74) Hofmann u. Cahours, Ann. 102, pag. 197. 75) Würtz, Jahresb. 1859,
pag. 486. Bodewig, Jahresb. 1879, pag. 676. 76) Simpson, Ann. 113, pag. 115. 77) Reboül,
Compt. rend. 79, pag. 169. 78) Oppenheim, Ann. Suppl. 6, pag, 36. 79) Frzedel u. Silva,
Z. Ch. N. F. 1871, pag. 489. 80) Mayer, Ann. 133, pag. 256. 81) Berthelot, Ann. 8S,
pag. 311; 92, pag. 302. Truchot, Ann. 138, pag. 297, 82) Berthelot, Jahresber. 1855, pag, 677
u. 678; 1856, pag. 660; 1860, pag. 509. BoucHARDAT, A. ch. (4) 27, 163. 83) Kraut, Ann. 152,
pag. 131. 84) Cannizaro, Ann. 90, pag. 254. 85) Wicke, Ann. 102, pag. 356. 86) List vu
LuMPRicHT, Ann. 90, pag. 191. 87) Laurent u. Gerhardt, Ann. 75, pag. 75; 87, pag. 161.
88) GuARESCHi, Ann. 171, pag. 140. 89) Engelhardt u. Latschinoff, Z. Ch. 1869, pag. 6x5.
90) Nachbaur, Ann. 107, pag. 243. 91) Doebner, Ann. 210, pag. 256 — 265. 92) DoEBNKR u*
Benzoesäure. 155
aus Benzoeharz dargestellt und im folgenden Jahrhundert von Rouelle und
Scheele aus Harn gewonnen. Liebig und Woehler (2) stellten ihre Zusammen-
setzung fest; sie betrachteten die Säure als das Oxydhydrat des Radikals Benzoyl
C7H5O. KoLBE fasste sie zuerst als Phenylcarbonsäure auf.
Vorkommen und Entstehung. Die Säure findet sich besonders reichlich
im Benzoeharz und kommt ausserdem theils frei, theils in Form von Aethem,
bisweilen neben Zimmtsäure, in anderen Harzen und Oelen vor, z. B. im Drachen-
blut, im Peru- und Tolubalsam, im Storax, im Zimmt- und Cassiaöl. Ausserdem
ist sie in manchen Pflanzen resp. Pflanzentheiien aufgefunden, wie im Wald-
meister, in der Preisseibeere (3) und im Calmus. Sie entsteht femer im
Öiierischen Körper und ist im Bibergeil (4) und den Nebennieren (5) der Ochsen
enthalten, während sie im Harn von Pflanzenfressern in Verbindung mit Glyco-
coll als Hippursäure vorkommt Von den ungemein zahlreichen Bildungsweisen
der Benzoesäure werden nur die wichtigsten angeführt. Sie entsteht:
1. Durch geeignete Oxydationsmittel aus den Homologen des Benzols mit einer
Scitcnkette, gleichgültig, ob dieselbe intact ist oder bereits eine Umwandlung
erlitten hat, also aus den zu den Kohlenwasserstoffen gehörigen Aldehyden, Alko-
holen und Säuren und aus deren Abkömmlingen, z. B. aus Toluol (6), CgHsCHj,
Benzaldehyd, CgH5COH,Benzylalkohol,C6H5CH8-OH,Benzylchlorid,C6HBCHja,
Benzylsulfhydrat, CßHjCHjSH, Benzotrichlorid, CeHgCClj, Aethylbenzol,
CgHjCjHg, Alphatoluylsäure, C^Hf^CK^COcfi u. s. w. Analog den Homologen
des Benzols verhalten sich die Abkömmlinge derselben mit einer ungesättigten
Scitenkette, wie Styrol, C^U^C^H^, Zimmtsäure, CgHjCaHjCOgH, Diphenyl,
CgHjCgHj, u. s. w. Das geeignetste Oxydationsmittel zur UeberfÜhrung aller
dieser Substanzen in Benzoesäure ist ein Gemisch von chromsaurem Kali und
Schwefelsäure oder Salpetersäure.
2. Aus Benzolpolycarbonsäuren durch Abspaltung von CO 2 2. B. durch Er-
hitzen von phtalsaurem Kalk (7) und durch trockene Destillation von Hemimel-
lithsäure (8)
^«^♦COOH "^ ^«^^^^^^ "*" ^^2
COOH
CßHsCOOH = CßHsCOOH -h 2CO,.
COOH
3. Durch Erhitzen von Benzotrichlorid mit Wasser:
CgHsCCl, + 2H,0 = CeHsCOjH -+• 3HC1.
4. Durch Kochen von Hippursäure mit Salzsäure oder Alkalien. Hippursäure
zerfallt in Benzoesäure und Glycocoll:
(CeH5CO)NHCH,C05H -^- HjO = C^U^CO^U -^- NHjCHjCOaH.
5. Neben Phtalsäure durch Oxydation von Benzol (9) mit Braunstein und
Schwefelsäure. In Berührung mit einer Platinspirale (10) werden Benzoldämpfe
bereits durch den Sauerstoff der Luft, wenn auch nur in geringen Mengen in Ben-
zoesäure übergeführt
6. Durch direkte Synthese.
Siedendes Benzol verbindet sich bei Gegenwart von Aluminiumchlorid mit
WoLT, Bcr. 12, pag. 661. 93) Hlasiwetz u. Pfaundler, Ann. 119, pag. 199. 94) Hofmann,
Bct. n, pag. 329; 12, pag. 1373. 95) VON Wagnfr, St. Jahresb. 8, pag. 345. 96) Barth
n. ScHREDER, Ber. 16, pag. 419. 97) von Romburgh, Bcr. 16, pag. 394. 98) Tuttscheff,
Ann. 109, pag. 367.
15^ Handwörterbuch der Chemie.
trockener Kohlensäure (ii) zu Benzoesäure, mit Chlorkohlenoxyd (12) zu Ben-
zoylchlorid:
C,He -+- CO3 = CgHjCOaH
CßHg -f- COCI3 = CgHsCOCl + HCl.
Wird eine Lösung von Brombenzol (13) in Aether oder Benzol mit Natrium
und Kohlensäure behandelt, so entsteht benzoesaures Natron:
CßHgBr + 2Na -f- COj = C6H5COjNa + NaBr.
Wird ein Gemenge von Brombenzol (14) und Chlorkohlensäureäther mit
Natriumamalgam auf 100—110'' erhitzt, so entsteht Benzoesäureäthyläther:
CßHjBr -h Cl CO2C2H5 4- 2Na = NaCl -+- NaBr 4- CgHsCOjCjHs.
Durch Schmelzen von benzolsulfosaurem Natron (15) mit ameisensaurem
Natron wird benzoesaures Natron gebildet:
Na
C6HBS03Na + HC02Na = C6H5CO,Na4-S03jJ .
Durch Erhitzen von Benzol mit vierfach Chlorkohlenstoff (16) und Schwefel-
säureanhydrid auf 100° und Behandlung des entstehenden Produktes mit Wasser
entsteht Benzoesäure neben Salzsäure, Benzolsulfosäure und Sulfobenzid.
Durch Behandlung von Benzonitril, CgHjCN, welches auf verschiedenen
Wegen synthetisch dargestellt werden kann (s. Benzonitril) mit Säuren oder Alkalien,
wird ebenfalls Benzoesäure gebildet:
CßH^CN 4- 2H2O = CßHjCOOH 4- NH,.
7. Chinasäure geht beim Behandeln mit Jodwasserstoff (17) fast glatt in Benzoe-
säure über; beim Erhitzen (18) dieser Säure über ihren Schmelzpunkt wird eben-
falls, neben anderen Substanzen, Benzoesäure gebildet, während bei der Ein-
wirkung von Phosphorpentachlorid das Chlorid der Metachlorbenzoesäure erhalten
wird. Die Benzoesäure entsteht femer durch Oxydation von Eiweisskörpem (19)
und von Atropin (20), sowie durch Behandlung gewisser in den Cotorinden (21)
enthaltenen Substanzen mit Salzsäure oder mit schmelzendem Kali.
Darstellung. 1. Aus Benzoeharz. Die zu officinellen Zwecken benutzte Säure wird
durch Sublimation (23, 24, 25) des Harzes gewonnen. Man verwendet am besten Siam-Benzoe,
welche frei von Zimmtsäure ist Das zerkleinerte Harz wird für sich oder mit Sand gemengt in
ein eisernes öeföss von ca. 5 Centim. Höhe gebracht, die Oefihung mit porösem Papier verklebt,
mit einem gut schliessenden Helm von dickem Papier oder Holz bedeckt und ganz allmählich
auf 170° erwärmt. Die Ausbeute schwankt zwischen 4 und lOJ. Will man dem Harze (26)
die Säure vollständig entziehen, so wird dasselbe (4 Thle.) mit 1—2 Thln. Kalkhydrat und
40 Thln. Wasser kalt angerührt ganz allmählich zum Sieden erhitzt, dann auf die Hälfte einge-
dampft und filtrirt. Das noch heisse Filtrat, welches die Säure als benzoesauren Kalk enthält,
wird mit Salzsäure zersetzt und die abgeschiedene Säure nach dem Erkalten durch Waschen
mit kaltem Wasser gereinigt. Statt des Kalkes kann auch kohlensaures Natron zur Bindung der
Säure angewandt werden; das so gewonnene Produkt ist jedoch stärker gefärbt Nach
WoEHLER (27) wird das Harz zur Ueberfuhrung in Benzoesäureäthyläther mit Alkohol und
rauchender Salzsäure behandelt und der Aether durch Kochen mit Kalilauge zerlegt. Auch Di-
gestion (95) des Harzes mit starker Essigsäure ist vorgeschlagen.
2. Aus Harn (28). Man lässt Pferde- oder Kuhham, welche Hippursäure (Benzoylglycocoll)
enthalten, faulen, versetzt mit Kalkmilch und gewinnt die Säure ent^^eder durch Zersetzen der
eingedampften Lösung mit Salzsäure oder stellt nach Entfernung des überschüssigen Kalkes durch
Kohlensäure, mittelst Eisenchlorid in Wasser unlösliches benzoesaures Eisen dar und zersetzt das-
selbe ebenfalls durch Salzsäure. Die rohe Säure wird gereinigt. Die Ausbeute beträgt 1% des
verarbeiteten Harns. Die Säure ist am Geruch zu erkennen.
3. Aus Phtalsäure. Die aus Naphtalin dargestellte Säure (7), wird mit \ KaüchydraS
Benzoesäure. 15^
gemengt, mehrere Stunden auf 330 — 350^ erhitzt, wobei benzoesaurer und kohlensaurer Kalk ent-
stehen. Nach Laurent und Castehaz (29) wird phtalsaures Ammoniak durch Destillation in
Phtalunid, und dieses durch Destillation mit Kalk in Benzonitril Übergeführt, welches durch
Kochen mit Natronlauge in benzoesaures Natron umgewandelt wird.
. ^«^*C00NH; = CsH,cS>^ -^ NH3 -^ 2H,0,
CeH^CO/^" = C.HjCN -h CO,.
4. Aus Toluol. Man kocht 1 Th. Benzylchlorid (30) CgHjCHjCl mit 3 Thln. Salpeter-
siure von 35^ B. und 2 Thln. Wasser, bis das Gemisch nicht mehr nach Bittermandelöl riecht.
Die Säure enthält geringe Mengen einer gechlorten Benzoesäure. Sehr viel Benzoesäure wird
jetzt als Nebenprodukt bei der Darstellung des Bittermandelöls gewonnen.
Eigenschaften. Die Benzoesäure bildet meist lange, biegsame, glänzende,
glatte Nadeln oder Tafeln, welche dem monoklinen System (31) angehören. Sie
schmilzt bei 121*4° (32) und siedet bei 249-0 unzersetzt, sublimirt jedoch bereits
unter ihrem Siedepunkte. Die Dämpfe reizen zum Husten. Geringe Verun-
reinigungen (33) verändern den Schmelzpunkt. Spec. Gew. = 1'201 bei 21° (34).
= 1-0838 bei 121-4 (Schmelzpunkt). Dampf dichte (35) gef. =4*24, her. =4-22.
Die reine Säure ist geruchlos, die durch Sublimation erhaltene riecht angenehm
aromatisch. Die Hambenzoesäure besitzt einen an Harn erinnernden Geruch;
1 Th. Säure löst sich bei 0° in 640 Thln. Wasser (36); 1000 Thle. (37) Wasser
lösen bei 10°: 2068, bei 40°: ö'551, bei 50°: 7.719, bei 80°: 27250, bei 100°:
58'750 Thle. Säure. Die Lösung reagirt und schmeckt sauer. Beim Kochen ver-
flüchtigt sich die Benzoesäure mit Wasserdämpfen (1 Grm. mit 2 Liter Wasser).
60 Thle. Aether (38; lösen bei 50°: 23*68 Thle. Säure. 100 Thle. 90^ Al-
kohoU (38) lösen bei 15°: 2939 Thle. 100 Thle. absoluten Alkohols bei 15°
31 '84 Benzoesäure. Von Schwefelsäure, fetten und flüchtigen Oelen, Schwefel-
kohlenstoff, Chloroform, Aceton etc. wird die Säure ebenfalls leicht aufgenommen.
Umwandlungen und Zersetzungen. Wird der Dampf der Benzoe-
säure über glühenden Bimstein geleitet, so zerfallt sie in Kohlensäure und
Benzol; durch Destillation mit Kalk (40) resp. Baryt oder durch Schmelzen mit
Aetznatron (41) wird die Zersetzung noch leichter bewirkt. Kleine Mengen von
Diphenyl (42) werden als Nebenprodukt erhalten. Beim Durchleiten durch ein
stark erhitztes Rohr wird unter Abscheidung von Kohle, Wasserstoff, Kohlenoxyd,
Kohlensäure und Diphenyl gebildet Beim Schmelzen mit Kali (96) liefert die
Benzoesäure sämmtliche drei Oxybenzoesäuren (Salicylsäure in Spuren), a-Oxy-
isophtalsäure, p. und m. Diphenylcarbonsäure und nicht isolirte Condensations-
produkte. Oxydationsmittel wirken z. Th. nur schwierig auf die Säure ein.
Ozon (43) oxydirt dieselbe grösstentheils zu Kohlensäure und Wasser. Durch
Kochen mit Braunstein und Schwefelsäure (44) entstehen Kohlensäure und Ameisen-
säure neben geringen Mengen von Phtalsäure und Terephtalsäure (45). Bleisuper-
oxyd {46) und verdünnte Schwefelsäure liefern etwas Bemsteinsäure. Letztere
Säure (46) entsteht auch neben Hippursäure (17) als Hauptprodukt beim Durch-
gang der Benzoesäure durch den thierischen Organismus. Reductionsmittel
wirken sehr verschieden. Durch Natriumamalgam (48) wird in saurer Lösung neben
einem Körper C14H14O2 Benzylalkohol und Benzoleinsäure C^Hj^Oj gebildet. Er-
hitzter Zinkstaub (49) reducirt zu Benzaldehyd. Durch Erhitzen mit Jodwasserstoff
(50) wird die Säure zunächst in Toluol, bei Anwendung eines grossen Ueberschusses
in Heptan, C^H^q und Hexan CgH^^ übergeführt. Chlor und Brom bilden Sub-
stitutionsprodukte; ebenso Jod bei Gegenwart von Jodsäure. Rauchende Salpeter-
15^ JElandwÖTterbuch der Chemie.
säure oder ein Gemenge von Salpeter- und Schwefelsäure bilden nitrirte BenzoC'
säuren. Schwefelsäureanhydrid oder rauchende Schwefelsäure Sulfobenzoesäure.
Durch Phosphorpentachlorid resp. Zweifach Chlorschwefel wird Benzoylchlorid
gebildet. Durch Destillation mit Schwefelcyankalium entsteht BenzonitriL Die
Umwandlungen der Salze sind bei diesen beschrieben.
Salze der Benzoesäure (51). Die Benzoesäure ist eine ziemlich starke,
einbasische Säure, welche auch übersaure Salze bildet. Sie treibt Kohlensäure
aus; die alkoholische Lösung des Kaliumsalzes wird jedoch durch Kohlensäure
gefällt. Die Salze sind meist löslich in Wasser, viele auch in Alkohol. Thier-
kohle entzieht das Barium- und Natriumsalz ihren Lösungen. Besonders inter-
essant ist das Verhalten der benzoesauren Salze beim Erhitzen für sich und mit
anderen Salzen. Das Kaliumsalz liefert für sich erhitzt geringe Mengen von
Diphenyl, grössere beim Erhitzen mit Phenolkalium (52). Beim Erhitzen mit
ameisensaurem Kali (53), entstehen wechselnde Mengen von iso- und terepbtal-
saurem Kali. Dieselben Säuren werden beim Schmelzen des benzoesauren
Natrons (56) für sich gebildet. Benzoesaurer Kalk (54, 55, 57) resp. Baiyt
liefern als Hauptprodukte Diphenylketon und kohlensaure Salze,
{C^ll,C0^)^G2L = COjCa -H CßH.COCeHs.
Als Nebenprodukte entstehen Diphenyl und Anthrachinon. Wird das Kalk-
salz mit ameisensaurem Kalk (58) destillirt, so bildet sich Benzaldehyd, wird
das ameisensaure Salz durch Salze der Essigsäure oder einer ihrer Homologen
ersetzt, so werden gemischte Ketone erhalten z. B.
(C6H5C02)3Ca + (HC05,),Ca == 2CaC03 4- 2CeH5COH
(C6H5COj)3Ca 4- (CHjC08)2Ca = 2CaC03 + 2C6H5COCH3.
Benzoesaures Kupfer (59) liefert bei der Destillation neben wenig Diphenyl
hauptsächlich Phenyläther CßHgOCgHj und benzoesaures Phenol, CgHgCOjC^Hj.
Ammoniumsalz, CgHjCOjNH^. Rhombische, leicht zerfliessliche Krystalle. Beim
Verdunsten entsteht das saure Salz, CgHjCOjNH^ -+- CgHjCOjH. Durch Erbitten mit
Phosphorsäureanhydrid wird Benzonitril gebildet.
Kaliumsalz, CgH^CO^K + SH^O, leicht verwitternde Blättchen. Mit 1 Mol. Bensoesiuie
entsteht ein in Wasser schwer lösliches saures Salz. Durch Einwirkung von Bromcyan (60) wird
das wasserfreie Salz unter Bildung von Bromkalium, Kohlensäure und Benzonitril zersetzt
CßH^COjK H- CNBr = KBr -f CO, ■+■ CcHjCN.
Natriumsalz, CgNsCOjNa-f H,0, leicht verwitternde Nadehi. Kalksalz (CgH5CO,),Ct
+ 2H3O, rhombische NadeUi. 1 Thl. löst sich in 37,7 Thln. Wasser von 5^ Barytsalz,
(CgHjCO,),Ba H- 3H,0, harte, glänzende in kaltem Wasser wenig lösliche Nadeln. Zinnsalz,
(C0H,CO,)2Sn, leicht lösliche Tafeln. Eisenoxydsalz wird durch Eisenchlorid aus löslichen
Salzen als ein röthlichbrauner, voluminöser Niederschlag gefällt. Kupfersalz (CgHjCO,),Ctt
+ 2H,0, hellblaue Nadeki oder Blättchen. Bleisalz, (C0HjCO,)3Pb + H,0, in Wasser und
Alkohol lösliche Blättchen. Silbersalz, (CgHgCO,)Ag, käsiger Niedersdilag , welcher ans
heissem Wasser in glatten Nadeln kiystallisirt. Dasselbe setzt sich mit Chlorkohlenoxyd (61)
in Chlorsilber, Kohlensäure und Benzoylchlorid um. Quecksilberoxyd- und Oxydulsalze
sind in Wasser schwer lösliche krystallinische Niederschläge.
Aether der Benzoesäure. Benzoesäure -Methyläther (62, 63),
CßHßCOgCH,, wird durch Sättigen einer Lösung von Benzoesäure in Meüiyl-
alkohol mit Salzsäure, Digeriren auf dem Wasserbade, Fällung mit Wasser, Trocknen
und Rectificiren dargestellt. Er entsteht auch durch Destillation von Methylalkohol,
Benzoesäure und Schwefelsäure. Balsamisch riechende Flüssigkeit, welche b«
198,5° siedet. Spec. Gew. = 11026 bei 0^ 1-0921 bei 12-3'*. Der Aether findet
sich unter den Destillationsprodukten des Tolubalsams.
Benzoesättre. 150
Benioesäüre-Aethyläther (64), CgHjCOgCjHj, wurde bereits von
Scheele dargestellt. Man gewinnt ihn analog dem Methyläther, oder stellt ihn
durch Einwirkung von Alkohol auf das Chlorid resp. Anhydrid der Benzoe-
säure dar. Er enstehi auch beim Erhitzen von Alkohol mit Benzoesäure
auf 100^ Angenehm riechende, in Wasser unlösliche Flüssigkeit, welche bei
211-22° siedet. Spec. Gew. = 1 -0502 bei 16°. Leicht flüchtig mit Wasser-
dämpfen. Wässriges Kali zerlegt ihn in der Kälte langsam, beim Erhitzen rasch
in Alkohol und benzoesaures Salz. Aetzbarjrt wirkt bei 150 — 180° in derselben
Weise. Wässriges und alkoholisches Ammoniak bilden Benzamid. Durch Erhitzen
mit Brom (65) bis 270° entsteht Benzoesäure und Aethylenbromid. Phosphor-
pentachlorid ist ohne Einwirkung. Rauchende Salpetersäure bildet hauptsächlich
m-Nitrobenzoesäureäther. Mit Titanchlorid(66), TiCl^, verbindet sich derBenzoe-
säureäthyläther (auch Methyläther) in verschiedenen Verhältnissen zu krystallinischen
Verbindungen, welche sämmtlich durch Wasser und Alkohol unter Regeneration des
Aethers zersetzt werden. Mit Aluminiumchlorid (67) vereinigt er sich ebenfalls
za einer krystallinischen, in Benzol löslichen Verbindung, (CeH5C02C2H5)2AljClg,
welche durch Wasser zersetzt wird.
Benzoesäure-Propyläther (68), C^HjCOgCHjCgHj, dikflUssiges Liquidum. Siede-
punkt 229.5; Spec. Gew. = 10316 bei 16**.
Benzoesäure-Isopropyläther (69), C^HjCOjCHCCHj),, flüssig, zcrfiült bei der
Destillation, in Benzoesäure und Propylen.
Benzoesäure-Btttyläther (70), CeHjC02CH,CH,C,H,, dicke, bei 247'3° siedende
Flüssigkeit Spec Gew. = 100 bei 20°.
Benzoesäure-Isoamyläther ist eine gegen 261° siedende Flüssigkeit. Spec. Gew.
= 1-0039 bei 0°, 0*9925 bei 14°. Octyläther (72). CgHjCOjCgHi^, bei 805-306°
siedende Flüssigkeit Cetyläther (73), C^H^COgCieH,,, bei 30° schmelzende in Aether leicht,
in Alkohol schwer lösliche Schuppen. Allyläther (74), CeHjCOjCgHj, bei 228° siedende
Flüssigkeit
Benzoesäure-Aethylenäther (75), (CgHjC0),0,C2H^, aus benzoesaurem Silber und
Aethylenbromid dargestellt, bildet glänzende bei 67° schmelzende Prismen. Benzoesäure-
Aethylenchlorhydrin (76), CßHjCO^CjH^Q, ist eine bei 260—70° siedende Flüssigkeit
CH CO C H
Benzoesäure-Propylenäther, 1) ^I^sch'cO^C^H* ^7^^' *"* normalem Propylen-
bromid und benzoesaurem Silber bildet bei 53° schmelzende Krystalle. Aus Acetonchlorid
(CH,)jCa, (78), und Isopropylenbromid, CHjBrCHBrCH, (79), entetehen zwei Isomere.
Ersterer bildet monokline bei 69—71° schmelzende OctaSder, letzterer ist eine zähe Flüssigkeit
Amylcnäther (80), (CgHjCO,),CjHio» bei 123° schmeUende Blätter.
Benzoesäure-Glycerinäther (81,97). I>er neutrale Aether, (C6H5CO,),C,H5, durch
Erhitzen von 1 Thl. Glycerin mit 20 Thln. Benzoesäure auf 250° oder von Epichlorhydrin mit
Bcnzoesänieanhydrid dargestellt, krystallisirt in Nadeln. Schmp. 74°. Die übrigen Aether (81)
smd flüssig.
Die Benzoesäureäther (82) des Erythrits, des Mannits, Dulcits, Pinnits, und
einiger Zuckerarten sind, mit Ausnahme des benzoesauren Dulcits, welcher bei 147° schmelzende
Kiystalle bildet, flüssige oder harzige Substanzen.
Bcnzoesäure-Benzyläther, CßHjCOjCgHj, Bestandtheil des Pcrubalsams (83), vrird
durch Einwirkung von Benzylchlorid auf Benzylalkohol (84) dargestellt Weisse, bei 20°
sdunelzende Nadeln. Siedep. 303—304°.
Benzylidenäther (85), (C6H5COj),CHC6H5, aus Benzylidenchlorid und benzoesaurem
Silber dargestellt, bildet bei 50° schmelzende Krystalle.
Benzoeäther der ein- und mehratomigen Phenole werden allgemein
durch Erhitzen von Benzoylchlorid mit den Phenolen bis zum Aufhören der
t6ö Handwörterbuch der Chemie.
Salzsäureentwickelung, und Umkrystallisiren des meist festen Produktes aus Alkohol
oder Aether dargestellt.
Phenyläther (87), CgHjCOjCgH^, entsteht auch bei der Destillation von benxoe*
saurem Kupfer (86) und durch Erhitzen von Phenol (88) mit Benzamid. Lange, glänzende
Säulen, welche bei 71^ schmelzen, unlöslich in Wasser, löslich in Alkohol und Aether. Durch
alkoholisches Kali erfolgt bereits in der Kälte Zersetzung; durch wässeriges bei 150**. Chlor
und Brom substituiren den Wasserstoff im Phenyl imter Bildung kristallinischer Derivate (86).
Durch Schwefelsäure entsteht als Hauptprodukt Benzoyl-p-Phenolsulfosäure, CgHjCOjCjH^SOjH,
welche gut krystallisirende Salze bildet. Aus Di- und Trinitrophenol (87) und Benzoylchlorid
entstehen Benzoesäuredi- und Trinitrophenyläther, gelbe rhombische resp. goldgelbe Blättchen,
beide fast unlöslich in Alkohol.
Kresyläther (89), CgH^COjCgH^CH,.
o-Kresyläther flüssig.
p-Kresyläther, sechsseitige bei 70** schmelzende Tafeln.
m-Kresyläther, weisse bei 38° schmelzende Krystallmasse. Die verschiedenen Eigen-
schaften der o- und p- Verbindung, werden zu Trennung des im Steinkohlentheer enthaltenen
Gemenges von o- und p-Kresol benutzt
OC OC H
Dibenzoyldioxybenzole, CgH^^p^-wp^^*.
Dibenzoylbrenzcatechin (91), bildet grosse Blätter. Schmp. 84^
Dibenzoylresorcin (91), bei 117° schmelzende Schuppen.
Dibenzoylhydrochinon (91), bei 199° schmelzende Nadeln. Die Chlorsubstitutioiifi-
Produkte des Resorcins und des Hydrochinons liefern ebenfalls krystallinische Benzoylderivate.
TribenzoylphloToglucin (93), CgH,03(COCgH5),, bildet glänzende Schuppen, fast
unlöslich in siedendem Alkohol.
Benzoylderivate (94) der Pyrogallussäure, Methyl- und Popylpyrogallussäure.
Benzoylpyrogallussäuredimcthyläther, ^e^JocQcn • Schmp. 118^.
Bcnzoylmethylpyrogallussäuredimethyläther, ^e^ii^^irocoCH ' ^^^^^^'
punkt 118—119°
Benzoylpropylpyrogallussäuredimethyläther,C6H,(C,H,)^^^^|j . Schmp. 91*>.
Abkömmlinge der Benzoesäure, welche durch Umwandlung des
Carboxyls entstehen.
Benzoylchlorid.*) CgHrjCOCl, wurde zuerst von Liebig und Woehler
(i), durch Einleiten von Chlor in Bittermandelöl dargestellt. Es entsteht ausser-
dem 1. durch Einwirkung von Phosphorspentachlorid (2) resp. Trichlorid (3) auf
*) i) Ann. 3, pag. 262—66. 2) Cahours, Ann. 60, pag. 255. 3) Bächamp, J. pr. Ch. 68,
pag. 489. 4) Gerhardt, Ann. 87, pag. 63. 5) Carius, Ann. 106, pag. 302. 6) Friedel,
Ber. 2, pag. 80. 7) Reketoff, Ann. 109, pag. 256. 8) Ber. 10, pag. 1854. 9) Lieben, Ann.
178, pag. 43. 10) M. Saytzeff, J. pr. Ch. (2) 6, pag. 130. 11) Klinoer, Ber. 16, pag. 994.
12) LiMPRiCHT, Ann. 139, pag. 323. 13) Laurent u. Gerhardt, Compt rend. des trav. de
Chim. 1850, pag. 123. 14} Casselmann, Ann. 98, pag. 235. Bertrand, Ber. 14, pag. 118.
15) Claisen, Ber. 14, pag. 2473. i^) Claisen, Ber. 10, pag. 430. HttSNSR und Buchea,
Ber. IG, pag. 480. 17) Claisen, Ber. 12, pag. 626. 18) Kolbe, Ann. 98, pag. 347.
19) MiQüEL, Compt. rend. 81, pag. 1209. 20) Gerhardt, Ann. 87, pag. 57. 21) Wunder,
J. prakt. Chem. 61, pag. 498. 22) Anschütz, Ber. 10, pag. 1882. 23) Jenssen, Ber. la,
pag. 1495. 24) Schröder, Ber. 12, pag. 161 2. 25) Mosling, Ann. 118, pag. 303. 26) LotR,
Bull. SOG. chim. 32, pag. 168. Greene, Ber. 13, pag. 1139; 14, pag. 1203. 27) CmozzA,
Ann. 84, 106; 85, pag. 231; 86, pag. 259. Malerba, Ann. 91, pag. 102 28) Brodie, Ann. 108,
pag. 80. 29) Liebig u. Woehllk, Ann. 3, pag. 268. 30) Gerhardt u. Chiozza, Ann. chim.
Benzoestture. i6i
Benzoesäure I von Phosphoroxychlorid (4) und Schwefelchloriden (5) auf deren
Salze, 2. durch Erhitzen von Benzoesäure und Phosphorsäureanhydrid (6) im
Salzsäurestrom auf 200° oder durch Erhitzen von Benzoesäure mit Chlomatrium
und saurem schwefelsaurem Natron (7), 3. durch Einwirkung von Chlorkohlen-
oxyd (8) auf Benzol bei Gegenwart von Aluminiumchlorid.
Zar Darstellung erhitzt man 4 Thle. geschmolzener Benzoesäure mit 7 Thin. Phosphor-
peotachlorid und reinigt das Produkt durch fractionirte Destillation.
Stark lichtbrechende, stechend riechende Flüssigkeit, welche bei 198*5° siedet
und in einer Kältemischung erstarrt (9). Leicht löslich in Aether und CSj.
Spec. Gew. ss 1*25 bei 15°. Das Chlorid liefert mit Wasser und Alkalien Benzoe-
säure resp. Salze derselben. Mit Ammoniak oder Aminen entstehen Benzamid
oder Substitutionsprodukte desselben. Beim Erhitzen mit KupferwasserstofT oder
beim Ueberleiten von Benzoylchlorid und Wasserstoff über erhitzten Palladiummohr
(10) wird Benzaldehyd gebildet Natriumamalgam (11) wirkt auf eine ätherische
Losung unter Bildung von Benzil und Isobenzil ein. Durch Einwirkung von Cyan
und Jodkalium entstehen Cyan- oder Jodbenzoyl. Durch Erhitzen mit Phosphor-
pentachlorid (12) auf 180° wird es in Benzotrichlorid, CßH^CClj umgewandelt.
Das Benzoylchlorid erzeugt mit Bittermandelöl (13), mit Aluminiumchlorid
und Titanchlorid (14) krystallinische Verbindungen.
Benzoylbromid (15). C^H^COBr, wird durch Einwirkung von Phosphor-
tribromid (2 Mol.) auf Benzoesäure (3 Mol.) dargestellt. Wasserhelle, zwischen
218° und 219° siedende Flüssigkeit, welche bei — 24° erstarrt. Spec. Gew. = l-ö7.
Mit 1 Mol. Benzaldehyd entsteht eine bei 69—70° schmelzende, krystallinische
Verbindung.
Benzoyljodid (i), CßHjCOJ, entsteht durch Erhitzen von Jodkalium und
Benzoylchlorid. Farblose Krystalle, welche rasch braun werden.
Benzoylfluorid (61 a), CßHßCOFl, farbloses bei 16ö-5° siedendes Oel,
welches durch Behandlung des Chlorids mit Fluorwasserstoff-Fluorkalium dar-
gestellt wird.
Benzoylcyanid, CßHgCOCN, wird durch Destillation von Benzoylchlorid
mit Cyanquecksilber erhalten (16). Weisse, bei 32*5 — 34° schmelzende Krystalle,
welche dem monosymmetrischen System angehören (17). Siedep. 206 — 208°.
Wird durch Alkalien in Benzoesäure und Blausäure zerlegt. Rauchende Salz-
Phys. 46, pag. 135. 31) Dumas, Malaguti u. Leblanc, Compt. rend. 25, pag. 734. 32) Kekul£,
Bct. 6, pag. 113. 33) Weddige, J. pr. Ch. (2) 7, pag. 100. 34) Schwartz, Ann. 75, pag. 195.
35) Dessaignb, Ann. 82, pag. 234. 36) Klein u. Pinner, Ber. lo, pag. 1897; 11. pag- 10.
37) Oppenheim, Bcr. 6, pag. 1392. 38) Jacobsen, Ann. 157, pag. 245. Wallach, Ber. 5,
P*ß- 255. 39) Pinner u. Klein, Ber. 11, pag. 10. 40) Barth u. Senhofer, Ber. 9, pag. 975.
41) Fischer u. Troschke, Ber. 13, pag. 708. 42) Baumert u. Landolt, Ann. in, pag. 5.
43) HAUJtfANN, Ber. 9, pag. 846. 44) Hepp u. Spiess, Ber. 9, pag. i424->28. 45) Limpricht,
Ann. 99, pag. 119. 46) Nencki, Ber. 7, pag. 159. 47) Medicus, Ann. 157, pag. 44. 48) Ger-
uch, J. pr. Ch. (2) 13, pag. 272. 49) LossEN, Ann. 161, pag. 347. 50) Waldstein, Ann. 181,
{Mg. 384. 51) GüRKE, Ann. 205, paß. 278. 52) Ders., Ann. 205, pag. 285—91. 53) LossBN
u. Zanni, Ann. 182, pag. 220. 54) Lossen, Ann. 161, pag. 347. 55) Steiner, Ann. 178,
pag. 226. 56) GÜRKE, Ann. 205, pag. 279. 57) Klein u. Trechmann, Ann. 186, pag. 76 u. ff.
58) LossBN, Ann. 175, pag. 271. 59) Eiseler, Ann. 175, pag. 326. 60) Lossen, Ann. 186,
pag. I. 61) Piper, Ann. 217, pag. i. 61 a) Borodtne, Ann. 126, pag. $8. 62) Klein,
Ann. 166, pag. 184. 63) Schiff u. Tassinari, Ber. 10, pag. 1785. 64) Schäfer, Ann. 169,
pag. III. 65) Klein, Ann. 161, pag. 363.
Laobcbitvg, Chemie. U. II
1
i62 Handwörterbuch der Chemie.
Säure (i6) führt es in der Kälte in Benzoylameisensäure über. Durch Zink und
Salzsäure entsteht Benzaldehyd (i8). Durch PCI 3 wird Phenyldichloracetonitril,
CcHrCCIjCN (17), ein bei 223—224° siedendes Oel erhalten.
Benzoylrhodanid(i9), CßH^COSCN oder C6H5CONCS, entsteht durch
Einwirkung von Benzoylchlorid auf Rhodanblei. Es ist eine unter Zersetzung
siedende Flüssigkeit (Siedep. im Vacuum gegen 200") von M97 spec. Gew.
(bei 16°). Es liefert mit Ammoniak Benzoylhamstoft.
C H CO
Benzoesäureanhydrid, r^jj^CO^* Dasselbe entsteht 1. durch Einwirkung
von Benzoylchlorid auf benzoesaüres Natron (20) und dem entsprechend auch
von Phosphorpentachlorid und Phosphoroxychlorid (21) auf dieses Salz, sowie
durch Erhitzen des Chlorids (22) mit Benzoesäure auf 160—220°,
C6H5COCI 4- CeHgCO^Na = NaCl -f- (C6H5CO)jO.
2. Durch Erwärmen von Chlorbenzoyl mit trocknem oxalsaurem Kali (22)
oder mit entwässerter Oxalsäure (22). 3. Durch Erwärmen von Benzotrichlorid,
CgHjCCls (23), (1 Thl.) mit conc. Schwefelsäure (3Thle.), welche 4-5#Wasser enthält
2C6H5CCI3 -f 3H2O r= 6HC1 -h (C6H5CO)20.
Zur Darstellung werden 6 Thle. benzoesaüres Natron mit 1 Thl. Phosphoroxychlorid auf
150° erhitzt, das Produkt mit verdünnter Sodalösung gewaschen und durch Umkiystallisiren aus
Aether resp. Alkohol, oder durch Destillation gereinigt. Oder man erhitzt 4 Thle. Chlorid mit
1 Thl. Oxalsäure und reinigt wie angegeben.
Das Anhydrid bildet rhombische Prismen, welche bei 42° schmelzen.
Siedep. 360° (22). Spec. Gew. = 1-231 — 1'247 bei 4° (24). Unlöslich in Wasser,
ziemlich leicht in Aether und Alkohol löslich. Von heissem Wasser wird es allmäh-
lich unter Bildung von Benzoesäure zerlegt, rasch von Alkalien. Beim Kochen mit
Alkohol entsteht Benzoesäureäther (25). In Salzsäuregas erhitzt, zerfällt es in
Benzoylchlorid und Benzoesäure. Schwefelwasserstoff (25) erzeugt neben anderen
Produkten Benzoylsulfid. Durch Einwirkung von Benzoylchlorid auf die Salze
von anderen einbasischen Säuren oder von den Chloriden der letzteren auf
benzoesaure Salze entstehen gemischte Anhydride der Benzoesäure.
C H CO
Essigsäure-BenRoesäureanhydrid (26), ^^ ^q O, ist ein schweres Oel, welches
bei der Destillation in Essigsäureanhydrid und Benzoesäureanhydrid zerfällt Die Benzoesäure-
anhydride (27) der Isovaleriansäure, Oenanthsäure und Pelargonsäure sind, ebenfalls fltissig, die-
jenigen der Myristin- und Stearinsäure feste Körper.
C H CO
Benzoylsuperoxyd (28), c^HrCO^»» entsteht durch Einwirkung von Barium-
superoxyd auf Benzoylchlorid und bildet grosse, glänzende Krystalle. Wird über
100° zerzetzt unter schwacher Explosion.
Benzamid, CgHjCONH^. Von Liebig und Woehler (29), 1832 entdeckt.
Das Amid entsteht 1. durch Einwirkung von Ammoniak (29) oder kohlensaurem
Ammoniak (30) auf Benzoylchlorid, von Ammoniak auf Benzoesäureäther (31)
oder Anhydrid. 2. Durch Destillation von Benzoesäure mit Rhodanammonium (32),
3. Durch Kochen von Benzonitril (33) mit Kaliumsulfhydrat. 4. Durch Kochen
von Hippursäure (34) mit Wasser und Bleisuperoxyd oder durch Erhitzen der-
selben mit trockner Salzsäure.
Zur Darstellung wird Benzoylchlorid mit kohlensaurem Ammoniak verrieben, das Produkt
durch Waschen mit kaltem Wasser von den Ammonsalzen befreit und das Amid aus heissem
Wasser oder Alkohol umkrvstallisirt.
Benzoesäure. 163
Monokline Krystalle (62), welche bei 128° schmelzen. Spec. Gew. (24) = 1-341
bei 4°. Das Amid ist fast unlöslich in kaltem Wasser, leicht löslich in heissem, be-
sonders ammoniakalischem Wasser, in Alkohol und Aether. Durch Erhitzen mit
wasserentziehenden Mitteln, Phosphorsäureanhydrid, Phosphorpentachlorid, conc.
Schwefelsäure wird es in Benzonitril übergeführt. Mit Brom entsteht ein unbe-
*»tändiges Additionsprodukt. Aus der heissen salzsauren Lösung (35) krystallisirt
CijHjCONHg, HCl, in langen Prismen, welche an der Luft Salzsäure verlieren.
Dieselbe Verbindung entsteht durch Einwirkung von Wasser und Salzsäure auf
Benzonitril (36). Mit Quecksilberoxyd bildet die warme wässerige Lösung des
Amids eine krystallinische Verbindung, (C6H5CONH)2Hg (37).
Diurch Auflösen von Benzamid in (38) Chloral entsteht Chloralbenzamid,
CCI3COH, NHjjCOCßHj, rhombische Tafeln, welche bei 150—151° schmelzen.
Dieselbe Verbindung kann durch Einleiten von Salzsäure (39) in gleiche Moleküle
Benzonitril und Chloralhydrat erhalten werden. Analog dem Chloral verhält sich
Butylchloral.
Butylchloralbenzamid(63), C^HjC^O, NHjCOCßHg, bildet bei 132— 33°
schmelzende, in Wasser fast unlösliche Krystalle.
Dibenzamid, (CgH5CO)2NH, wird durch Behandlung von Benzonitril (40)
mit Schwefelsäure und Phosphorsäureanhydrid dargestellt; es entsteht auch
(neben Benzamid) durch Oxydation von Lophin (41) und durch Einwirkung von
Benzoylchlorid auf Kaliumamid (42).
Zar Darstellung trägt man in 7 Thle. Vitriolöl und 4 Thle. Phosphorsäureanhydrid nach
und nach 7 Thle. Benzonitril ein, giebt nach einigen Stunden Wasser hinzu, und krystallisirt die
sich abscheidenden Krystalle aus verdünntem Alkohol um.
Rhombische, bei 148** schmelzende Nadeln, schwer löslich, selbst in sieden-
dem Wasser, leicht in Alkohol, Aether und Benzol. Der ImidwasserstofF ist durch
Metalle, (Ag,Na), ersetzbar. Durch Erhitzen von Benzamid in Salzsäuregas auf
130° entsteht ein Hydrat (64) des Dibenzamids, (C6HjiCO)2NH -+- 2Hj,0,
Blätter, welche bei 99° schmelzen. Durch Erhitzen mit kohlensauren Alkalien
zerfMllt es in Benzoesäure und Ammoniak.
Derivate des Benzamids mit Kohlenwasserstoffradicalen. Die
aromatische Radikale enthaltenden Derivate sind bei den entsprechenden Amiden,
Amidophenolen, Hydrazinen beschrieben.
Dimethylbenzamid (43), CgHjCON(CH3)^, aus Benzoylchlorid und Dimethylamin in
itherischer Lösung erhalten, bildet bei 41—42" schmelzende Krystalle. Siedep. 255— 257".
Es setzt sich mit Chlorkohlenoxyd nach folgender Gleichung um:
CgH^CONCCH,), 4- COCI3 = CgHsCCljNCCHj), 4- CO3.
Diäthylbenzamid (43), zwischen 280—282® siedendes Oel.
Derivate des Benzamids mit Aldehydradicalen.
NHCOC H-
Methylendibenzamid (44), ^^aNHCOC^H * ^*"^ Lösung von 2 Mol. Benzo-
6 ö
nitril in 1 Vol. Chloroform wird mit conc. Schwefelsäure und dann unter Abkühlen mit 1 Mol.
Methylal versetzt, die Masse in Wasser gegossen, das Chloroform abdestillirt und der mit
Ammoniak gewaschene Rückstand aus Alkohol umkrystallisirt. Bei 212° schmelzende
Nadeln. In Wasser fast unlöslich, leicht in Aether, Alkohol etc. Durch Kochen
mit verdünnten Säuren entsteht Benzamid, mit conc. Säuren oder alkoholischem
Kali Benzoesäure.
NHCOC H-
Aethylidendibenzamid, CH^CHxjjTpQp^TT*, kann analog dem vorigen
164 Handwörterbuch der Chemie.
aus Benzonitril (44) und Paraldehyd dargestellt werden; es entsteht ausserdem aus
Aldehydamraoniak (45) und Benzoylchlorid, sowie aus Aldehyd (46) und Benzamid
bei Gegenwart von Salzsäure. Bei 204° schmelzende Nadeln. Wird der Par-
aldehyd durch Chloral ersetzt, so entsteht das bei 257° schmelzende Trichlor-
NHCOr* H
äthylidendibenzamtd (44), CCljCHj^JlQQQßjJ^ Durch Oxydation von
Hippursäure entsteht ein Hipparafilln genannter Körper, welcher identisch mit
dem Aethylidendibenzamid zu sein scheint.
Oenanthylidendibenzamid(47), C7Hi4(NHCeHj^CO)j, ist eine bei 128*
schmelzende Krystallmasse.
Derivate des Benzamids mit Cyan (48).
Benzoylcyanamid, C^HßCONHCN, entsteht durch Einwirkung von Benzoyl-
chlorid auf in Aether suspendirtes Natriumcyanamid. Höchst unbeständiges» bei
seiner Bildung theil weise in Kohlensäure, Cyanamid und Benzonitril zerfallendes
Produkt. Die ätherische Lösung liefert durch Polymerisation Tribenzoylmelamin
(CgH5CONHCN)8, gelbes, in Wasser, Alkohol und Aether unlösliches Pulver,
welches bei 275° unter Zersetzung schmilzt. Dasselbe erzeugt beim Erhitzen iip
WasserstofFstrom neben anderen Produkten das leicht krystallisirende Dibenzoyl-
dicyanamid (CßHjCONHCN)^. Leicht löslich in Alkohol und Aether, schwer
in Wasser. Schmelzpunkt 112°.
Benzoylammelin, CgHjCONHCjHgN^O, bildet sich aus Benzoylchlorid
und trockenem Natriumcyanamid. Braunes, in Wasser und Aether unlösliches,
in Alkohol, Benzol, Alkalien und Essigsäure leicht lösliches Harz.
Hydroxylderivate des Benzamids.
Durch Einführung von Benzoyl an Stelle des Wasserstoffs im Hydroxylamin
entstehen drei Arten von Verbindungen, welchen nach Lossen folgende Formeln
zukommen.*)
COCeH.
COCgH,
COCeHj
NH
NH
NCOCjHj
OH
OCOCgH,
OCOC^Hg
Qzhydroxamsäure.
Dibenthydroxamsäure.
Tribenzoylhydroxyiamin.
Die beiden ersten Verbindungen sind einbasische Säuren, die letztere ein
neutraler Körper, welcher in drei physikalisch verschiedenen, chemisch jedoch
gleichen Modifikationen existirt.
Benzhydroxamsäure (49, 95) entsteht neben Dibenzhydroxamsäure aus
Benzoylchlorid und wässrigem Hydroxylamin.
Zur Darstellung wird 1 Thl. salzsaures Hydroxylamin in 8 — 10 Thbi. Wasser gelöst, die
Lösung mit einer zur Bindung des Chlors hinreichenden Menge von kohlensaurem Natron ver-
setzt und 3 Thle. Benzoylchlorid, unter Vermeidung stärkerer Erwärmung allmählich jcugefUgt.
Die schwerlösliche Dibenzhydroxamsäure wird vollständig, die Benzhydroxamsäure nur zum Theil
ausgeschieden. Man versetzt daher die filtrirte Lösung mit Barytwasser, und zerlegt das gut
ausgewaschene Baiytsalz mit der genau erforderlichen Menge Schwefelsäure. Das Gemenge der
beiden Säuren wird in kochendem Alkohol gelöst, aus welchem zuerst die Dibenzhydroxamsäure
auskrystallisirt. Die in den Mutterlaugen zurückbleibende Benzhydroxamsäure wird durch Um-
krystallisiren aus wenig Alkohol gereinigt.
Die Säure bildet rhombische Tafeln oder Blättchen, welche zwischen 124**
und 125° schmelzen. Sie ist ziemlich leicht, auch in kaltem Wasser (mit saurer
*) Die Benzhydroxamsäure kann vielleicht auch als ein den Oximidoverbindungen analoges
Produkt CgHjC^Qjj aufgefasst werden (s. Lossen, Ber. i6, pag. 873).
Benzoesäure. 165
Reaction) löslich, leicht löslich in Alkohol, wenig in Aether. Durch Erwärmen
mit Mineralsäuren zerfällt sie in Benzoesäure und Hydroxylamin. Obwohl ein-
basisch, bildet sie mit den Alkalien, auch mit Baryt, vorzugsweise saure Salze,
welche meist gut krystallisiren. C7H5ONHOK, C7H5ONHOH in Wasser leicht
lösliche Prismen. C^H^ONHONa, C7H5ONHOH -f- SHjjO Prismen.
Eisenchlorid bringt in der Lösung der Säure oder ihrer Alkalisalze einen
dunkelrothen Niederschlag hervor, welcher im Ueberschuss des Chlorids mit tief
COCeHj
dunkelrother Farbe löslich ist. Wird der in der Benzhydroxamsäure, NH ,
OH
enthaltene Wasserstoflf des Hydroxyls durch ein Alkoholradikal ersetzt, so entsteht
ein Benzhydroxamsäureäther , welcher sich wie eine schwache Säure verhält,
jedoch nicht weiter ätheriücirt werden kann, während durch Substitution eines
Amidwasserstoffs eine isomere Aethersäure entsteht.
COCeHj.
Benzbydroxamsäureäthyläther. NH , kann sowohl durch Behandlung einer
OCjHj
alkoholischen Lösung von Benzhydroxamsäure (l Mol.) mit Actzkali (2 Mol.) und Jodäthyl
(so) (l Mol.), als auch durch Einwirkung von Benzoylchlorid (51) auf Aethylhydroxylamin er-
halten werden. Dicke Tafeln. Wenig löslich in Wasser, leicht in Alkohol und Aether.
Schmp. 64 — 65^. Er löst sich in Alkalien. Säuren, selbst Kohlensäure fällen ihn aus diesen
Lösungen. Beim Erhitzen mit Salzsäure entsteht Benzoesäure und Aethylhydroxylamin.
COCeHs
Aethylbenzhydroxamsäure (52), NCjHs , existirt in zwei isomeren
OH
Modificationen, welche durch Einwirkung von Kali auf die isomeren a und ß
Dibenzhydroxamsäureäthyläther (siehe unten) gebildet werden.
i COCeH., COCeHs
«.pNCjHc -h2KOH = a.ß.NC,H5 4-C«H5CO,K
OCOCgHs OH
Die beiden Säuren gehen unter Einwirkung von alkoholischem Kali und Jod-
! äthyl in Aethyläther über. Beim Erhitzen mit Salzsäure zerfallen beide in
Bcnzoesäureäthylester und Hydroxylamin; die Aethyläther in Benzoesäureester
und Aethylhydroxylamin.
tt- Säure. Monokline Prismen oder Tafeln, welche bei 53,5*^ schmelzen. Spec.
Gew. = 1,2072. In 74,2 Thle. Petroleumäther (spec. Gew. = 0,6518) löslich. Der Aethyläther
siedet bei 244®.
ß-Säure. Monokline Krystalle, welche bei 67,5—68® schmelzen. Spec. Gew. = 1,1867.
In 45,2 Thle. Petrolcumäther löslich.
COC.Hj
MethylbenÄhydroxamsäure (53). NCH, , der Aethylvcrbindung analog aus
OH
Wbenxhydroxamsäuremethyläther dargestellt, bildet rectanguläre, bei 64-65° schmelzende Tafeln.
Dibenzhydroxamsäure. NH , (Lossen) entsteht aus Hydroxyl-
OCOCßHji
amin oder Benzhydroxamsäure und Benzoylchlorid. Sie wird am besten aus
unreinem Hydroxylamin (54) dargestellt. Rhombische Prismen (55); welche bei
153° schmelzen. Sie ist fast unlöslich in Wasser und Aether, löslich in heissetn
Alkohol. Die alkoholische Lösung wird beim Erwärmen mit Salzsäure \n
Benzoesäure und Hydroxylamin zerlegt. Alkalien, auch Barytwasser bilden Benz^
*»ydroxamsäure und Benzoesäure. Bei der trocknen Destillation entstehen KoMexv-
«ittic, Benzoesäure, Benzanilid und Phenylcyanat. Die Alkalisalze krystallisir^xi
r
1
l66 Handwörterbuch der Chemie.
gut. Beim Kochen ihrer Lösungen wird neben benzoesaurem Salz und Kohlen-
säure Diplienylharnstoff gebildet. Wird das Silbersalz der Dibenzhydroxamsäure
mit Jodäthyl behandelt, so entsteht
COCgHj
Diben»hydroxain!jHureJlthyläther (56), NC3H5 , und zwar in zwei, in ihren
OCOCgHj
ZtfSCUungcn gleichen, jedoch physikalisch verschiedenen Modificationcn.
Ä-Aether. Hauptproduct Rhombische Krystalle. Schmp. 58". Leicht löslich in
Alkohol und Aelhet, unlöslich in Benzol.
p-Aetliei. Triklin. Schmpt. 63®. Leichter in Alkohol und Acther löslich als die «-Vcr-
bmdung. Der Actber entsttibt auch durch Einwirkung von Benzoylchlorid auf a- und ß-Aethyl-
hr n 1 hy tl rox am sHu re.
Die Aether zcrfaUen beim Erhitzen in Aldehyd, Benzoesäure und Benzonitril.
COCßHs
Tribenzhydroxylamin (49, 55, 57, 58), NCOCßH^ , wird durch Ein-
OCOCeHj
Wirkung von trockenem, salzsaurem Hydroxylamin auf eine Lösung von Benzoyl-
('hlorid in ToUiol oder durch Erwärmen von Benzoylchlorid mit dem Silber- resp.
Kaliumsab der Dibenzhydroxamsäure dargestellt Es entstehen drei Modificationcn,
welche durch Aetber getrennt werden.
a) Monökbfit Krysiatlf. Leicht löslich in Acther und siedendem Alkohol. Schmp. 100**.
Wirt] durch Sak^äure leicht i erlegt.
ß) MonokJinc Krystalle. Unlöslich in Aether und Wasser, schwer löslich in kaltem Alkohol.
leichter m heissem. Schmp. 141 — 142°.
y) Mfinokltne KryslaUc. Schmp. 112". Kann durch Behandlung mit verdünnter Salzsäure
ii> die f3-VcrbinduTig Übergcfillirt werden.
Benzanishydrox am säure (58) NH(C7H50)(CgH702)0, durch Erwärmen
von Anisylchiorid mit Benzhydroxamsäure dargestellt, krystallisirt in Prismen oder
Nadeln, welche bei K^l^— 132° schmelzen. Die Säure wird beim Erwärmen
inil Barytwaiiser in Anissäure und Benzhydroxamsäure zerlegt; das Kaliumsalz
bildet beim Kochen mit Wasser Kohlensäure, Anissäure und Diphenylharnstoff.
Bei der trockenen Destillation entsteht Kohlensäure, Anissäure und Anisanilid.
Anisben^hydrnxa 311 säure (58), NH(C8H702)(C7H50)0, entsteht aus
Ben?:oykhlurid und Anishydroxamsäure. Nadeln oder Prismen, welche bei 147
bis 148'" schmcUen. Durch Barytwasser wird sie in Kohlensäure, Benzoesäure
und Anishydroxamj^säure verlegt; das Kaliumsalz zerfallt mit Wasser in Kohlen-
.säure, Benzoesäure und Dianisylharnstoff. Sie zerfallt bei der trockenen
Destillation in Kohlensäure, Benzoesäure und Benzoylamidoanisol.
Benz^nisäthylhydroxylamin (61) existirt in ftinf Modifikatienen.
I. a-BontanishydrfiAamsäureäthyläther N(C7H50)(C8HyOo)(C,Hj)0, aus benz-
anishydroxacisiiLirem Silber und Jodäthyl dargestellt, bildet monoklinc, bei 74° schmelzende
KiystttUc.
2* 3*Bcnzanishydro ^amsäureäthyläther wird aus Anisylchiorid und Aethylbenc-
(»ydroxamsäurt* dargestellt. Monokline, bei 89° schmelzende Krystalle.
^. Anisben thydroxamsäureäthyläiher, N(C8H70jj)(C7H50)(C2Hj)0, aus Anisben z-
hydrox^imsifwrt* und Jndstthyl gewonnen, schmilzt bei 79°.
i* Benzjlthy lanrshydroxylamin, N(C7H50XC.^H5)(CgH70j)0, aus Anisylchiorid und
flt'm Silbtrsalz von HenihydTt^xEimsäureäthyläther erhalten, bildet trikline, bei (>4° schmelzende
Krystnllc-
5. Anisüthylben/hydroxylamin, N(Cj,H70.^)(C.^H5)(C7H50)0, aus Benzoylchlorid
und Ani'shydfoxtiRi^'ttUTclithyliitheir bildet monokline, bei 93°— 94° schmelzende Krystalle.
Bcnssanifiben^hydroxylamin (60), N(C7H50)(C8H70,)(C7H50)0, entsteht
Benzoesäure. 167
in drei Modificationen durch Einwirkung von Benzoylchlorid auf Benzanishydro-
zamsaures Silber.
«) Hauptprodukt. Kurze trikline Säulen. Schmp. 113— lU®. Wird von Salzsäure leicht
in Benzoesäure, Anissäure und Hydroxylamin zerlegt.
P) Rhombische Prismen, welche bei 124"— 12.5^ schmelzen.
7) Monokline Tafebi. Schmelzp. ca. 110" (?) Durch Einwirkung von Salzsäure wird es
tlio'Iweise in ß-Modification umgewandelt.
Üibenzanishydroxylamin(6o), N(C7H50)j(CgH702)0, entsteht ausAnisyl-
chlorid und dibenzhydroxamsaurem Silber. Zwei Modificationen.
a) Monokline Nadeln. Schmp. 110—110*5.
3) Kleine bei 109—110" schmelzende Krystalle. Die a-Moditation wird durch Salzsäure
leichter als die ß-Modification in Anissäure und Dibenzhydroxamsäure zerlegt.
Anisdibenzhydroxylamin (60), N(C8H702)(C7H50)20, entsteht in zwei
Modificationen aus Benzoylchlorid und anisbenzhydroxamsaurem Silber.
a) Monokline Tafeln. Schmp. 137—137-5".
ß) Kleine Krystalle, Schmp. 109"5 — UO'Ö" Durch Salzsäure wird a leicht, ß schwierig
in Benzoesäure und Benzhydroxamsäure gespalten.
Anisbenzanishydroxylamin (60), N(CgH702)(C7H50)(CgH702)0, aus
Anisylchlorid und anisbenzhydroxamsaurem Silber dargestellt, bildet zwei Modifi-
cationen.
a) Monokline Prismen. Schmp. 152 — 153".
ß) Monokline Tafeln. Schmp. 148—149".
a-Verbindung wird leicht von Salzsäure gespalten.
Dianisbenzhydroxylamin (60), N(C8H 703)2(071150)0, wird aus Benzoyl-
chlorid und dianishydroxamsaurem Silber dargestellt und bildet bei 147'5°
schmelzende Krystalle.
Benzdianishydroxylamin, N(C7H50)(CgH702)20, entsteht in zwei Modi-
ficationen aus Anisylchlorid und benzanishydroxamsaurem Silber.
a) Trikline Säulen. Schmp. 137-5- 138-5".
ß) Trikline Tafeln, Schmp. 137.5—138". Beide Modificationen werden leicht durch Salz-
säure zerlegt.
Benzoylderivate der Oxysäuren und Amidosäuren der Fettreihe
sind weiter unten beschrieben.
Substitutionsprodukte der Benzoesäure.
Chlorbenzoesäure*), CgH^ClCOjH.
o-Chlorbenzoesäure (Chlorsalylsäure). Die wichtigsten Entstehungs-
•) i) CmozzA, Ann. 83, pag. 317. Glu'I*z, Ann. 143, pag. 194. 2) Emkierling, Ber. 8, pag.
880—83. 3) Henrv, Ber. 2, pag. 136, 493. Richter, Ber. 4, pag. 463. 4) Klepl, Privatmitthlg.
5 a) Koi3E u. Lautkmann, Ann. 115, pag. 183. Beilstein u. Reichenbach, ibid 132, pag. 311.
5b) HöBNER u. Uppmann, Z. Ch. 1870, pag. 293. 6a) Ost, J. pr. Ch. (2) 11, pag. 385.
6b) Kekule, Ann. 117, pag. 188. 7) Schreib, Ber. 13, pag. 465. 8) Beh^tein u. Geit.ner,
Ann. 139, pag. 336. 9) Beilstein u. Kuhj.berg, Ann. 146, pag. 328; 147, pag. 344. 10) Beil-
stein u. WiLBRAND, Ann. 128, pag. 270. 11) Müller, Z. Chem. 1869, pag. 137. i2a)FiELD,
Ann. 65, pag. 55. 12 b) Otto, Ann. 122, pag. 157. 13) Hübner u. Weiss, Ber. 6, pag. 175.
14) Wroblewsky, Ann. 168, pag. 200. 15) Beilstein u. Schlun, Ann. 133, pag. 239. 16) LiM-
PRiCHT u. UsLAR, Ann. 102, pag. 259. 17) Dies., Ann. 106, pag. 35—36. 18) Griess, Ber. 2,
pag- 370- 19) Schultz, Ann. 187, pag. 260 — 70. 20) Oti'O, Ann. 122, pag. 147; 123, pag. 225.
21) Beilstein, Ann. 179, pag. 284—91. 22) Beilstein u. Kuhlberg, Ann. 152, pag. 232.
23) Dies., Ann. 152, pag. 225. 24) Claus u. Pfeifer, Ber. 5, pag. 658; 6, pag. 721. Claus
u. Thiel, Ber. 8, pag. 948. 25) Beilstein u. Kuhlberg, Ann. 1S2, pag. 234. 26) Jannasch,
Ann, 142, pag. 301. 27) Salkowsky, Ann. 163, pag. 28. 28) Beilstein u. Kuhlberg, Ann. 152,
t68 Handwörterbuch der Chemie.
weisen sind: Erhitzen von Salicylsäure mit Phosphorpentachlorid (i), Oxydation
von o-Chlortoluol mit einer verdünnten Lösung von übermangansaurem Kali (2)
oder von o-Chlorbenzalchlorid, CgH^ClCHCl,, mit Chromsäure und Zersetzung
Cl
des o-Chlorbenzonitrils (3), CßH^p^^, mit Salzsäure.
Zur Darstellung (5 a) wird 1 Mol. Salicylsäure oder Salicylsäureäther mit 2 MoL Phosphor-
pentachlorid gemischt, bis zum Aufhören der Salzsäureentwicklung am aufsteigenden Kühler ge-
kocht, destillirt, das zwischen 220° und 300® übergehende durch siedendes Wasser zersetzt und
von dem zurückbleibenden Oel (Chlorbenzotrichlorid, CßH^ClCCl,) getrennt Beim Erkalten
krystallisirt ein Gemenge von Salicylsäure und Chlorbenzoesäure, welches zur Trennung durch
Digeriren mit Kalkmilch in schwer lösliches basisch salicylsaures Calcium und leicht lösliches
chlorbenzoesaures Salz umgewandelt wird. Die Säure wird aus letzterem mit Salzsäure abge-
schieden und durch Umkrystallisiren aus Alkohol gereinigt. Auch Destillation mit Wasserdämpfen, .
mit welchen nur die Salicylsäure flüchtig ist, lässt sich zur Trennung benutzen. Nach Ver-
suchen von Klepl (4) wird das o-Chlorbenzotrichlorid durch Kochen mit wenig Wasser ent-
haltender Schwefelsäure leicht in Chlorbenzoesäure übergeftihrt; es lässt sich daher die Säure
auch aus diesem leicht rein darzustellenden Chlorid gewinnen.
Die Säure bildet seideglänzende Nadeln, welche bei 137° schmelzen. 1 Tb.
löst sich bei 0° in 881 Th. Wasser. Durch Natriumamalgam (5 b) wird sie in Ben-
zoesäure, durch schmelzendes Alkali (6 a) in o- und m-Oxybenzoesäure umgewandelt.
Das Kalksalz ist sehr leicht löslich. (Unterschied von p- und m-Chlorbenzoe-
säure.)
Das Chlorid (2, 7), CgH^ClCOCl, siedet bei 235— 238^
Das Amid (6b), CgH4ClCONH2, bildet bei 139» schmelzende Nadeln.
Das Nitril (3), C^H^CICN, krystallisirt in langen bei 42—43** schmelzenden Nadeln.
Siedep. 2320.
Das Anilid (6b), C^H^ClCONHCgHs, bildet weisse, in heissem Wasser wenig lösliche
Nadeb.
m.- Chlorbenzoesäure. Ihre wichtigste Bildungsweise beruht auf der Ein-
wirkung von Chlor resp. Chlor abgebenden Substanzen, z. B. Salzsäure und
chlorsaurem Kali (12 a), Salzsäure und Braunstein (13), Chlorkalk (12b), Antimon-
pentachlorid etc. auf Benzoesäure. Ausserdem wird sie durch Oxydation von
m-Chlortoluol (14) und seiner Derivate und durch Zersetzung von m-Amidobenzoc-
säure (30) erhalten.
pag. 245. 29) Hartmann, J. pr. Ch. (2) 12, pag. 204. 30) Griess, Ann. 117, pag. 13 — 15.
31) Grabe, Ann. 138, pag. 197. 33) v. Richter, Ber. 4, pag. 463, Griess, Ann. 135,
pag. 121. 34) BöTTiNGER, Ber. 7, pag. 1779. 35) Zinke, Ber. 7, pag. 1502. 36) Rahus,
Ann. 198, pag. 102. 37) Hübner, Ohly u. Philipp, Ann. 143, pag. 257. 38) Fittig u. König,
Ann. 144, pag. 283. Meusel, Z. Ch. 3, pag. 322. Schulz, Ann. 174, pag. 209, 216, 219.
39) Halbf.rstadt, Ber. 14, pag. 907. 40) Wroblewsky, Ann. 168, pag. 156. 41) Jackson.
Ber. 9, pag. 931. 42) Wurster, Ann. 176, pag. 149. 43) Hübner u. Friedburg, Ann. 158,
pag. 26. Hübner u. Angerstein, Ann. 158, pag. 2. Hübner u. Petermann, Ann. 149, pag. 131.
44) Barth, Ann. 164, pag. 144. 45) Hübner u. Angerstein, Ann. 158, pag. 10. 46) Burg«
hardt, Ber. 8, pag. 557—60. 47) Lawrie, Ber. 10, pag. 1704—5. 48) Beilstein u. Geitner,
Ann. 139, pag. 4. 50) Richter, Ber. 8, pag. 1422. 51) Nevill u. Winther, Ber. 13. pag. 970 — 73.
52) Reinere, Z. Chem. (2) 5, pag. 110. 53) Smffh, Ber. 10, pag. 1706. 54) Vollbrecht,
Ber. 10, pag. 1708. 55) Pfeiffer, Ber. 5, pag. 656. 56) Griess, Ber. 4, pag. 521. 57) Richter,
Ber. 4, pag. 553. 58) Kekule, Ber. 7, pag. 1006. 59) Körner, Z. Ch. (2) 4, pag. 327.
60) Schultz, Ann. 207, pag. 333. 61) Grothe, J. pr. Ch. (2) 18, pag. 324. 62) Peltzer, Ann. 136,
pag. 200. 63) Richter, Z. Ch. (2) 5, pag. 459. 64) Claus u. Lade, Ber. 14, pag. 1168.
65) Paterno u. Oliveri, Ber. 15, pag. 1197. 66) v. Richter, Ber. 4, pag. 465.
'C
^.
Benzoesäure. 169
Zur Darstellung (13) erhitxt man 7 Grm. Benzoesäure, 6 Grm. Braunstein und 40 Grm.
ranchende Salzsäure auf 150® und reinigt die entstandene Säure durch Umkrystallisiren.
Die Säure setzt sich aus Alkohol in concentrisch gVuppirten, bei löS"*
schmelzenden Nadeln ab. 1 Th. ist bei 0° in 2830 Th. Wasser löslich. Durch
schmelzendes Kali wird sie in m-Oxybenzoesäure übergefiihrt. Die Salze sind
meist löslich in Wasser.
Das Chlorid, welches auch durch Erhitzen von m-Sulfobenzoylchlorid (16), C6^4roCl
sowie aus Chinasäure (31) und PCI5 entsteht, siedet bei 225®.
Das Amid (17) bildet Blättchen. Schmp. 122®.
Das Nitril (17, 18) krystallisirt in Prismen. Schmp. 40®.
p-Chlorbenzoesäure (Chlordracylsäure), entsteht durch Oxydation
von p-Chlortoluol (2, 8), p-Chlor-Benzylalkohol, resp. Aldehyd, durch Zersetzung
von p-Diazoamidobenzoesäure (10) mit Salzsäure, durch Behandlung von p-Chlor-
benzol (11) mit Braunstein und Schwefelsäure und durch Einwirkung von Phos-
phorpentachlorid auf p-Oxybenzoesäure (29).
Zur Darstellung aus p-Chlortoluol wird 1 Th. desselben mit einem Gemisch (8) von
4 Thln. dichromsaurem Kali und 6 Thln. Schwefelsäure und demselben Volumen Wasser
oder mit einer Lösung von 3 Thln. übermangansaurem Kali (2) erwärmt. Nach Beendigung der
Reaktion wird zunächst das unzersetzte Chlortoluol mit Wnsserdämpfen abdestillirt und bei An-
wendung von Kaliumdichromat die Säure nach dem Erkalten der Flüssigkeit abfiltrirt. Hat über-
maogansaures Kali zur Oxydation gedient, so wird das Manganoxyd durch Filtration entfernt und
das Kalisalz durch Salzsäure zerlegt. Hat man zur Oxydation rohes Chlortoluol (o-Chlortoluol
endialtend) angewandt, so werden die beiden Säuren durch Ueberführung in die Kalksalze
(p-chlorbenzoesanres Calcium ist schwer löslich in Wasser) getrennt
p-Chlorbenzoesäure bildet Nadeln oder Schuppen, welche bei 237° schmelzen.
Das Chlorid (2) bildet eine zwischen 220—222^ siedende Flüssigkeit, das Amid (2) bei
170*^ schmelzende in Wasser schwer lösliche Nadeln. Anilid, bei 194^ schmelzende Nadeln.
Dichlorbenzoesäure, CgHgCljCOjH.
Säinmtliche drei bekannte Modificationen dieser Säure (a, ß, y) entstehen durch Erhitzen
TOD rohem Dichlorbenzotrichlorid (19), CgH,CljCCl,, mit Wasser auf 200". Man trennt sie
durch Ueberführung in die Barytsalze, von denen dasjenige der ß-Säure am schwersten, das der
7-Säure am leichtesten löslich ist
«•Dichlorbenzoesäure (21, 24), CgHjCOjHClQ, wird ausser auf dem bereits ange-
1 3 3 oder 5
führten Wege (24) durch Chloriren von o-Chlorbenzoesäure und m-Chlorbenzoesäure resp. Ben-
zoesäure dargestellt Nadeln, welche bei 156° schmelzen. Sie siedet unzersetzt bei 301°.
1 TbL löst sich bei 11° in 1193 Thle. Wasser.
Baiytsalz, (C,H,a,C0j)8Ba -^ 3H, O. 100 Tbl. H^O lösen bei 16° 2,64 Thle.
Amid bildet wollige, bei 156° schmelzende Nadeln.
ß-Dichlorbenzoesäurc, CgHjCOjHClCl, zuerst durch Zersetzung von Dichlorhippur-
1 s 4
saure (20) mit Salzsäure dargestellt, entsteht ausserdem durch Einwirkung von Pentachlorantimon
auf p-Chlorbenzoesäure (21), durch Oxydation von Dichlortoluol (23) und seiner Derivate und
durch Behandlung von Benzoesäure oder m-Chlorbenzoesäurc mit Chlorkalk (22), chlorsaurem
Kali (21) und Salzsäure etc. und zwar neben der a-Säurc. Die Trennung wird durch die
Barvtsalze bewerkstelligt Glänzende Nadeln, welche bei 201° schmelzen. 1 TI1I. Säure ist in
U63 Thln. Wasser löslich.
Barytsalz, (CjH,Cl,CO,),Ba + 4H3O. 100 Thl. H,0 lösen bei 18° MO Thle.
Amid bildet Nadeln, welche bei 133° schmelzen.
7-Dichlorbenzoesäure (19), Stellung unbekannt Sie krystallisirt aus Alkohol in
Nadehi, welche bei 126*5° schmelzen.
Barytsalz. {CgH,Cl,CO,)jBa -^ 3iH,0, bildet kleine Nadehi. 100 Thle. H,0 löseu
bei 4® 4*7 Thle. Das Salz ist auch in Alkohol leicht löslich.
17© Handwörterbuch der Chemie.
Amid bildet bei 166® schmelrende NadelD.
Trichlorbenzoesäure, CßHjCIgCOjH, ist in zwei Modificationen bekannt.
a-Trichlorbenzoesäure, CgH^COjHClClCl, entsteht durch fortgesetztes Kochen von
1 8 4 (?)
Benzoesäure oder jü-Dichlorbenzoesäure (25) mit Chlorkalklösung, durch Oxydation von Trichlor-
toluol (26) (Schmp. 75— TG'') und durch Erhitzen von Trichlorbenzotrichlorid (25) (Schmp. 82^
mit Wasser auf 250—260°. Nadeln, welche bei 163** schmelzen. In Wasser fast unlöslich.
Der Aethylester bildet bei 65 ^ das Amid bei 167*5" schmelzende Nadeki. Das
krystallisirende Chlorid schmilzt bei 41° und siedet bei 272°.
p-Trichlorbcnzoesäure (27), CgH^COgH CICICI, durch Zersetzung von Chrysanissaure
1 345
(Dinitro-p-Amidobenzoesäurc) mit rauchender Salzsäure bei 200 — 210° erhalten, krystallisirt in
glänzenden Nadeln, welche bei 203° schmelzen. Fast unlöslich in Wasser, leicht löslich in
Alkohol und Aether.
Das Chlorid bildet Nadeln, welche bei 36° schmelzen. Amid schmilzt bei 176°,
Aethylester bei 86°.
Tetrachlorbenzoesäure, CgHCl^CO^H, entsteht durch Erhitzen von Tctrachlorbenzo-
trichlorid (28), CgHCl^CClj, mit Wasser auf 280°. Sie schmilzt bei 187° und bildet ein in
Nadeln krystallisirendes Barytsalz. Durch Behandlung von o-Chlorbenzoesäure (21) mit Penta-
chlorantimon wird ebenfalls eine Tetrachlorbenzoesäure erhalten. Es ist noch nicht fest
gestellt, ob dieselbe identisch oder isomer mit der ersteren ist.
Brombenzoesäuren, CfiH4BrC02H.
o-Brombenzoesäure, zuerst aus salpetersaurer o-Amidobenzoe säure {33)
erhalten, entstellt in geringen Mengen neben der Metaverbindung durch direkte
Bromirung (34) von Benzoesäure, durch Erhitzen von m-Bromnitrobenzol (66) mit
Cyankalium auf 200° und durch Oxydation von o-Bromtoluol.
Zur Darstellung wird am besten o-BromtoluoI oxydirt. Das roJie (p-Bromtoluol haltige)
Produkt wird mit Salpetersäure (35) (1 Vol. NO3H, 3 — 4 Vol. H.jO) oder Übermangansaurem
Kali (36) mehrere Tage am RUckflusskühler erhitzt und darauf das unzersetzte Ocl mit Wasser-
dämpfen abdestillirt. Aus der erkalteten Flüssigkeit setzt sich die Hauptmenge der p-Säurc ab;
aus dem mit Ammoniak neutralisirten und auf ^ seines Vol. eingedampften Filtrat wird die
O-Brombenzoesäure mit Salzsäure abgeschieden und durch Umwandlung in das leicht lösliche
Barytsalz, von dem schwer löslichen p-brombenzoesauren Baryt getrennt.
Die Säure krystallisirt aus Wasser in seideglänzenden Nadeln, welche bei
150" schmelzen. Wenig flüchtig mit Wasserdämpfen.
Die Salze sind meist leicht löslich in Wasser. Barytsalz, (CgH^BrCO,)jBa, bildet
Warzen. Methyl- und Aethylester sind flüssig.
Anilid, CgH^BrCOHNCgHj, krystallisirt in farblosen, bei 141 — 142.5** schmelzenden
Nadeln.
m-Brombenzoesäure entsteht analog ihren Isomeren aus m-Amidobenzoe-
säure, aus m-Bromtoluol (40) und anderen m-Bromderivaten (41) des Benzols.
In kleinen Mengen wird sie beim Erhitzen von m-l)ibrombenzol (42), Natrium
und Chlorkohlensäureester gebildet.
Zu ihrer DarsteUung (43) werden 2 Mol. Brom mit 1 Mol. Benzoesäure und wenig Wasser
im geschlossenen Rohr auf 100 oder U'O^ erhitzt, die unzersetzte Benzoesäure durch Destillation
mit Wasserdämpfen entfernt, die Säure in das Barytsalz übergeführt und dieses durch Umkrystalli-
5iren gereinigt
Die Säure krystallisirt aus Alkohol in glatten Nadeln, welche bei 155°
schmelzen. Siedep. 286*^. Schwer löslich in Wasser. Durch sehmelzendes
Kali (44) entsteht aus Brombenzoesäure Oxybenzoesäure neben kleinen Mengen
von Salicylsäure. Durch Erhitzen mit Salzsäure und chlorsaurem Kali auf 100**
wird Brom durch Chlor ersetzt. Das Barytsalz, (C6H,BrCO,),Ba -h iH^O ist
schwer löslich in Wasser.
Benzoesäure. 171
Methylester schmilzt bei 31— 32^
Chlorid ist ein bei 239° siedendes Oel.
Amid bildet perlmutterglänzcnde, bei 150^ schmelzende Blättchen.
Nitril ist eine bei 38^ schmelzende Krystallmasse.
p-Brombenzoesäure, Bromdracylsäure, zuerst aus p-Amidobenzoe-
^^TC (33) erhalten, wird am besten durch Oxydation von p-Bromtoluol (37) in
der bei der o-Chlorbenzoesäure angegebenen Weise dargestellt. Sie entsteht
ausserdem durch Einwirkung von Oxydationsmitteln auf Benzolderivate (38),
welche Brom und ein zu Carboxyl oxydirbares Radikal in der ParaStellung ent-
halten. Interessant ist ihre Bildung aus p-Nitrobenzoesäure (39), welche beim Er-
hitzen mit Brom auf 270—90° als Hauptprodukte p-Brombenzoesäure und Tetra-
brombenzol neben Dibrombenzol und Dibrombenzoesäure liefert. Die Säure
bildet farblose, bei 251° schmelzende Nadeln. Sie sublimirt unzersetzt und ist
mit Wasserdämpfen wenig flüchtig.
Der Aethylester ist flüssig.
Das Barytsalz, (CgH4BrCOj)5,Ba, bildet pcrlmutterartig glänzende Blättchen. Anilid,
farblose Blättchen. Schmp. 197°.
Dibrombenzoesäure, CßHjBrgCOOH, ist in füiif Modificationen darge-
stellt, über welche theilweise sich widersprechende Angaben vorliegen.
«) CgHjCOjHBrBr, entsteht durch Oxydation von Dibromtotuol (51), aus m-Bromnitro-
1 7 i
benzoesäure (47) (Schmp. 141°), aus Nitro-p-Dibrombenzol (50) (Schmp. 84°) mit Cyankalium
und durch Einwirkung von Brom auf o-Nitrobenzocsäure (64). Glänzende, bei 151—153°
schmelzende Nadeln.
p) CgHjCOjHBrBr (51) entsteht durch Oxydation von o-p-Dibromtoluol. Schmp. 168
bis 70° * ' *
T) C^HjCOjjHBrBr, entsteht durch Oxydation von Dibromtoluol (Schmp. 39°) (51) aus
1 s s
Dibrom-p-Amidobefizoesäure (48) und aus Nitro-m-Dibrombenzol (50) (Schmp. 61°) mit Cyan-
kalium. Bei 208—209° schmelzende Nadeln.
h) CgHjCOjHBrBr, entsteht durch Oxydation des entsprechenden Dibromtoluols (51).
1 3 4 (2)
Schmp. 232 — 233°. Durch Erhitzen von Benzoesäure (45) mit der berechneten Menge Brom
entsteht eine vielleicht mit jener identische Säure.
c) aus p-Bromnitrobenzoesäure (46) (Schmp. 15)9^*) uml m-Bromnitrobenzocsäurc (47)
(Schmp. 250°) dargestellt, bildet farblose, bei 229— 2H0° schmelzende Nadeln. Vielleicht iden-
tisch mit a.
Eine bei 146 — 48° schmelzende Säure ist durch Oxydation von Dibromtoluol (51)
(Schmp. 27*4— 27*8) und durch Einwirkung von Brom auf o-Nitrobenzoesäure (64) erhalten
worden.
Tribrombenzoesäure, CgHgBr^COjH. Vier Isomere.
a) entseht durch Einwirkung von Brom (52) und Wasser auf Benzoesäure oder m-Brom-
benzoesänre bei 140—161. Seideglänzende bei 235° schmelzende Nadeln.
P) aus Amidobrombenzoesäure (53) (Schmp. 229°) dargestellt, bildet bei 195° schmelzende
Nadeln.
7) aus Tribrom-m-Amidobenzoesäure (54) (Schmp. 170*5°) erhalten, bildet bei 186-5°
schmebende Nadeln.
l) aus m-Bromnitrobenzoesäure (47) (Schmp. 141°) neben 5-Dibrombenzoesäure erhalten,
bildet farblose, bei 178° schmelzende Nadeln.
PentabrombenzocsUure (52), CgBrj-COjH, bildet sich durch Erhitzen von Bromben-
zoesänre, Wasser und Brom oberhalb 200°, wobei ein Theil der Säure in Pentabrombenzol und
Kohlenstture zcrföllt. Sie krystallisirt aus Alkohol oder Benzol in Nadeln, welche bei 234—235°
idimeben.
\
172 Handwörterbuch der Chemie.
Chlorbrombenzocsäure (55), CgHjBrClCOjH, ist in zwei Modificationcn durch Ein-
wirkung von Brom auf o- und m-chlorbenzoesaures Silber in hcisser wässriger Lösung darge-
stellt worden.
Brom-o -Chlorbenzoesäure, glänzende Nadeln, welche bei 151*^ schmelzen. Bei 21^
in 380 Thln. H,0 löslich.
Brom-m-Chlorbcnzoesäurc, kleine bei 160" schmelzende, leicht sublimirbare Nadeln.
Bei 21» in 1080 Thln. H^O löslich.
Jüdbenzoesäure, CgHJCOgH. Es existiren nur die Monojodsubstitutions-
prodiikte der Benzoesäure.
o-Jodbenzoesäure, entsteht durch Einwirkung von Jodwasserstoifsäure auf
schwefelsaure o-Diazobenzoesäure (57), durch Oxydation von o-Jodtoluol (58)
und durch Einwirkung von Cyankalium (57) auf m-Jodnitrobenzol (Schmp. 35 bis
36°), neben wenig p-Jodbenzoesäure. Weisse Nadeln, welche bei 157° schmelzen.
Durch schmelzendes Kali entsteht Salicylsäure.
p-Jodbenzoesäure, entsteht aus p-Diazobenzoesäure (56), aus Jodtoluol (59)
und p-Dijoddiphenyl (60). Farblose, bei 256° schmelzende Blättchen, welche un*
zersetzt sublimiren.
Der Methylester bildet lange bei 114" schmelzende Nadeln.
m-Jodbenzoesäure, bildet sich analog der entsprechenden Chlor- und
Brombenzoesäure durch Erhitzen von Benzoesäure mit jodsaurem Kali (62) und
Schwefelsäure oder von benzoesaurem Natron mit Jod und Jodsäure (63). m-Dia-
zoamidobenzoesäure (61) lässt sich ebenfalls in m-Jodbcnzoesäure umwandeln.
Nadeln, welche bei 186—187° schmelzen.
Nitril schmilzt bei 40®.
Fluorbenzoesäure (65), C6H4FICO3H, die drei isomeren Säuren entstehen
durch Einwirkung von Fluorwasserstoff auf die entsprechenden Diazoamidoben-
zoesäuren.
o-Fluorbenzoesäure, bildet feine Nadeln, welche bei 117 — 118° schmelzen.
Die Säure ist in Wasser leichter löslich als ihre Isomeren.
p-Fluorbenzoesäure, krystallisirt aus Alkohol, Aether und Benzol in
glatten Nadeln, welche bei 180—181° schmelzen.
m-Fluorbenzoesäure, schmilzt bei 123—124°. Der Methylester siedet
bei 192—194°.
Nitrobenzoesäure*), CßHiNOjCOjH. Es existiren drei Isomere, welchö
*) i) FiTTiCA, Ber. 8, pag. 252; 11, pag. 1207. J. pr. Ch. (2) 17, pag. 184. 2) Gribss,
Ber. 8, pag. 526. Ladenburg 8, pag. 535. Hübner 8, pag. 570. Widnmann, Ann. 193,
pag. 213. Claus, Ber. 13, pag. 891. Liebermann, Ber. 10, pag. 1036. 3) Bodewig, B. 12,
pag. 1983. 4) GRIESS, Ber. 8, pag. 526; 10, pag. 1870. 5) Widnmann, Ann. 193, pag. 204 — 5.
6) Monnet, Reverdin u. Nölting, Ber. 12, pag. 443. 7) Radziszewsky, Ber. 3, pag. 648.
8) Beilstein u. Kuhlberg, Ann. 163, pag. 134. 9) Rudolph, Ber. 13, pag. 311. 10) Claisen
und Shadwell, Ber. 12, pag. 351. 11) BÄrthlein, Ber. 10, pag. 1713. 12) Gl^nard und
BouDAULT, Ann. 48, pag. 343. 13) Beii>stein u. Wilbrand, Ann. 128, pag. 257 u. ff. 14) Beil-
STEIN u. Geitner, Ann. 139, pag. 335. 15) Rosknstiehi^ Z. Ch. (2) 5, pag. 701. 16) Beil*
stein u. Kuhlberg, Ann. 163, pag. 128. 17) Michael u. Norton, Ber. 10, pag. 580.
18) Hassenpflug, Kekule, Lehrb. III., pag. 550. 19) Beilstein u. Reichenbach, Ann. 132,
pag. 141. 20) Fricke, Ber. 7, pag. 132 1. 21) Mulder, Ann. 34, pag. 298. 22) Gerland,
Ann. 91, pag. 185. 23) Bertagnini, Ann. 78, pag. 118. 24) Beilstein u. Kuhlberg 163,
pag. 136. 25) Bertagnini, Ann. 79, pag. 266. 26) Paterno u. Oglialoro, Ber. 6, pag. 1203.
27) Socoloff, J. 1864, pag. 343. 28) Salkowsky, Ber. 10, pag. 1258. 29) Chancel, Ann. 72,
pag. 275. 30) Claisen u. Thompson, Ber. 12, pag. 1943. 31) Gerhardt, Ann, 87, pag. 158^
Bensoesäure. 1 73
sämmtlich durch direktes Nitriren von- Benzoesäure entstehen. Nach Angaben
von FiTTiCA (i) sollen bei Anwendung bestimmter Nitrirungs methoden airs
der Benzoesäure noch flinf andere isomere Nitrobenzoesäuren erhalten werden,
deren Existenz jedoch nach den zahlreichen und genauen Versuchen anderer
Chemiker (2, 3) mehr als in Zweifel gestellt ist.
G-Nitrobenzoesäure entsteht ausser durdi Nitrirung (4, 5) der Benzoe-
säure durch Oxydation von Ortlionitroderivaten des Benzols, z. B. o-Nitrotoluol (6),
o-Nitrophenylessigsäure (7), o-Nitrozimmtsäure (8), o-Nitrobenzaldehyd (9) u. a
Darstellung. 1. Aus Benzoesäure (4, 5). Ein Gemisch von 1 Thl. geschmolzener Benzoe-
slnre und 2 Thln. Salpeter wird unter Umrühren in 3 — 4 Thle. concentrirter Schwefelsäure ein-
getragen, und daxauf die Mischung so lange erwärmt, bis sich die Säuren als Oelschicht auf
derselben absetzen. Die erkaltete Schicht wird gewaschen, zur Entfernung der unzersetzten
Benzoesänre mit der 20 fachen Menge Wasser gekocht und heiss mit Aetzbaryt neutralisirt.
Beim Erkalten der filtrirten Lösung scheidet sich zuerst die grösste Menge des m-nitrobenzoe-
sauren Baryts in Nadeln aus. Durch wiederholtes Eindampfen der Mutterlauge, Wiederauflösen
in wenig Wasser und langsames KrystaUisiren erhält man grössere Kiystalle von o-nitrobenzoe-
saorem Baiyt, welche sich vermöge ihrer honiggelben Farbe und ihres süssen Geschmackes von
dem p-nitrobenzoesauren Baryt trennen lassen. Zur Darstellung der Säure werden die Krystalle
in Wasser gelöst, mit Salzsäure zerlegt und aus Wasser oder Alkohol umkrystallisirt. Beim
Nitriien der Benzoesäure entstehen 18 — 25} o-Nitrobenzoesäure und 2} p-Nitrobenzoesäure.
2. Aus Nitrotoluol (6). Man kocht 1 Thl. Nitrotoluol, 3 Thle. übermangansaures Kali
and 100 Thle. Wasser zwei Tage am RückflusskUhler und destillirt das unzersetzte Nitrotoluol
ab. Enthält das Letztere p- und m-Nitrotoluol, so werden die Säuren durch UeberfÜhrung in
die Barytsalze getrennt.
Die O-Nitrobenzoesäure bildet grosse, farblose Nadeln, Prismen oder Tafeln,
welche dem triklinen System angehören. Schmp. 147°. Spec. Gew. = 1-57Ö
bei 4^ Sie ist ziemlich schwer löslich in kaltem Wasser, jedoch leichter als
ihre Isomeren. 163 Thl. H,0 lösen bei 16° 1 Thl. Säure. Die Lösung schmeckt
süss. Von Alkohol und Aether wird die Säure leicht gelöst. Durch Chromsäure
wird sie leicht zu Essigsäure oxydirt.
Das Barytsalt, (C5H4NOjCO,),Ba -f 3H,0, bildet honiggelbe, trikline Tafeln.
Aethylester (8), CgH^NOjCOjCjHj, bildet trikline, bei 30" schmelzende Krystalle.
Chlorid (10), CgH^NOjCOCl, bildet eine gelbe Flüssigkeit, welche selbst im Vacuum
nicht ohne Zersetzung destillirt. Dasselbe bildet mit Cyansilber ein
Cyanid (10), CgH^NO,COCN, bei .54*^ schmelzende Prismen.
Amid (II), C^H^NOjCONHj,. Bei 174 <* schmelzende Nadeln.
Nitril (II). CjH^NOjCN, bildet bei 109« schmelzende Nadehi.
m-Nitrobenzoesäure ist die am längsten bekannte der drei Isomeren.
Sie wurde zuerst durch Einwirkung von Salpetersäure (2 1), später von Salpeter-
32) Bsn^STKiN u. Reichenbach, Ann. 132, pag. 141. 33) Medicus, Ann. 157, pag. 47. 34) Griess,
^- 7» P«g- 1223—28. 35) Hübner u. Stromeyer, Ber. 13, pag. 461. 36) Claus u. Halber-
stadt, Bcr. 13, pag. 815. 37) Würster, Ann. 176, pag. 162. 38) Cahours, Ann. 69, pag. 241.
39) Stadel, Ber. 14, pag. 902. 40) Beilstein u. Kurbatow, Ber. 13, pag. 355. 41) Michler,
A*"»- '75» P«g- "52. 42) MuRETOW, Z. Ch. (2) 6, pag. 641. 43) Tiemann u. Jüdson, Ber. 3,
pag. 224. 44) Z. Cb. (2) 2, pag. 614—15. 45) Hübner u. Weiss, Ber. 6, pag. 175. 46; Kekülä,
Lehrbuch HI., pag. 563—64. 47) Grübe, Ber. 10, pag. 1703. 48) Wachendorfp, Ann. 185,
P>^*275. 49) Beilstein u. Kühlberg, Ann. 152, pag. 239. 50) Rahlis, Ann. 198, pag. 109.
51) Hübner, Ohly u. Philipp, Ann. 143, pag. 233—48. 52) Hübner u. Petermann, Ann. 149,
P*S* 132. 53) Raveill, Ber. 10, pag. 1707. 54) Hübner u. Angerstein, Ann. 158, pag. 13.
55) Sürrn, Bcr. 10, pag. 1706. 56) Grothe, J. pr. Ch. (2) 18, pag. 324. 57) Glassner,
Ber. 8, pag. 562.
174 Handwörterbuch der Chemie.
und Schwefelsäure auf Benzoesäure (4, 5, 22) dargestellt Sie entstellt ausserdem
d«rch Nitriren der Hippursäure (23) und Zersetzung der Nitrosäure durch HCl,
und durch Oxydation von m-Nitroderivaten des 'Benzols mit einer kohlenstofF-
haltigen Seitenkette, z. B. m-Nitrotoluol (6, 24), m Nitrobenzaldehyd (25) u. s. w.
Zur Darstellung wird der m-nitrobenzoesaure Baryt (4, 5) (pag. 1 73) durch Umkrystallistren aus
Wasser gereinigt und die Lösung durch Salxsäure zerlegt.
Die Säure krystallisirt aus Wasser in Blättchen, aus Alkohol in Tafeln.
Der Schmelzpunkt liegt bei 140— 4r (5). Spec. Gew. = 1494 bei 4°. Die
langsam abgekühlte Säure schmilzt bei 135°— 136°; ihr ursprünglicher Schmelz-
punkt wird jedoch durch rasches Erkalten oder durch längeres Aufbewahren
wieder hergestellt. Nach Bodewig (3) beruht diese Verschiedenheit auf der
Existenz von drei physikalisch isomeren Modifikationen. Beim Erhitzen mit
Wasser schmilzt sie unter Aufnahme des letzteren zu einem Oel, welches gegen
65° wieder erstarrt. Sie sublimirt bereits gegen 100°. 100 Thle. Wasser lösen
bei 16°-5 0*235 Thle. Säure. Durch Oxydation mit Chromsäure entsteht
Essigsäure. Mit Cyankalium entsteht Terephtalsäure (26). Die Salze (21, 27)
krystallisiren grösstentheils.
Das Kalksalz, (CgH^NOjfCOj^),^ -f H,0, bildet mit 1 MoL benzoesaurem Kalk (28) ein
krystallinisches Doppelsak, welches 3 Mol. H^O enthält. Das Barytsalz, (C^H^NOgCOs^^Ba
+ 4U^O, bildet dünne Prismen; es ist schwerer in Wasser löslich als die freie Säure.
Methylester (29), CgH^NO^CC^CHj , bildet rhombische, bei 70® schmelzende
Prismen. Siedep. 279®.
Aethylester (29), CgH^NOjCOjCjHj, monokline Krystalle. Schmp. 42®. Siedep. 298®.
Chlorid (30), CjH^NOj,COCl, aus der Säure und Phosphorpentachlorid dargestellt, er-
starrt nach dem Schmelzen zu diamantglänzenden Kry stallen. Schmp. 33 — 34®. Ks siedet
(unter 50—56 Millim. Druck) bei 183—84®. Beim Destilliren über Cyansilber entsteht das
m-Nitrobenzoylcyanid (30), CgH^NOjCOCN, hellgelbes Liquidum, welches unter
142—147 Millim. Druck bei 23i: — 231*5® siedet.
m-Nitrobenzoesäureanhydrid (31), (CgH^NO.^CO)jO, aus dem Nationsalz und
Phosphoroxychlorid dargestellt, bildet eine weisse, in Alkohol und Aether fast unlösliche Masse.
m-Nitrobenzamid (32), CjH^NOjCONHj, aus dem Aethyläther oder dem Chlorid mit
Ammoniak dargestellt, bildet gelbe Nadeln, welche bei 140—142® schmelzen. Mit Oenanthol
entsteht bei 176® schmelzendes Oenanthylidennitrobenzamid (33).
m-Nitrobenzonitril (20), C^H^NO^CN, aus dem Amid und Phosphorsäureanhydrid
gewonnen, bildet farblose, bei 115° schmebcende Nadeln. Leicht löslich in Alkohol, Aether und
Chloroform.
p-Nitrobenzoesäure, Nitrodracylsäure, wurde zuerst durch Behandlung
von Toluol (12) mit Salpetersäure dargestellt. Sie entsteht in kleinen Mengen
bei der Nitrirung von Benzoesäure (4, 5), durch Oxydation von p-Nitroderivaten
(13, 14, 15, 16, 17) des Benzols mit einer zu Carboxyl oxydirbaren Seitenkette,
vorzüglich des p-Nitrotoluols und seiner Derivate und durch Einwirkung von
Braunstein und Schwefelsäure auf p-Nitrobenzol (18).
Zur Darstellung dient das leicht rein zubeschafTende p-Nitrotoluol (17). 1 Mol. desselben
wird mit 2^ Mol. Kaliumpermanganat und 40 Thle. Wasser auf 1 Thl. Manganat gekocht
Die Säure krystallisirt in glänzenden, bei 240° (238** Widnmann) schmelzenden
Blättchen, welche in Nadeln sublimiren. 1 Thl. löst sich in 140 Thl. sieden-
den Wassers und in 1200 Thln. von 17°. Durch Oxydation mit Chromsäure (5)
wird £ssigsäure gebildet. Die Salze krystallisiren gut.
Das BarytsaU, (C5H^NO.^COj)jBa + 5HjO, bildet gelbe, monokline Säulen. Löslich
in 250 Thln. kaltem und in 8 Thln. heissem Wasser. Das KalksaU bildet mit benioesaurem
Kalk ein Doppelsalz.
r
Benzoesäure. 175
Methylester (13). CgH^NOjCOjCHj, perlglänzende, bei 97® schmelzende Blättchen.
Aethylester (13), CgH^NOaCOaC^Hs, bei 57® schmelzende, trikline Krystalie.
Amid (19), CgH^NO-^CONH.^, krystallisirt in Nadeln, welche bei 197—98® schmelzen.
.Schwer löslich in Wasser.
Nitril (20), CßH^NOjCN, bildet perlmutterglänzende, bei 147® schmelzende Blättchen,
Dinitrobenzoesäuren, C^H^ (N02)j^C02H. Es sind fünf Modificationen
bekannt, welche durch Nitriten der drei Mononitrobenzoesäuren dargestellt werden.
Die o-Nitrobenzoesäure liefert drei (a, % 7), die p-Nitrobenzoesäure zwei (7, e.) und
die m-Nitrobenzoesäure eine Dinitrosäure (8).
a) o-o-Dinitrobenzoesäure(34), CgHjCOjHNOjNOj, entsteht neben ß und
1 2 6
7 und neben St3rphninsäure beim Nitriren von o-Nitrobenzoe.säure.
Zur Darstellung trägt man 1 Thl. Säure in 10 Thle. einer gelinde erwärmten Mischung
gleicher Theile Salpetersäure und rauchender Schwefelsäure ein, kocht 15 Minuten und giesst das
Produkt in Wasser, worauf die Säuren theils sogleich, theils nach 3—4 wöchentlichem Stehen sich
abscheiden. Nach dem Waschen mit Wasser, werden die Säuren durch Kochen mit kohlen-
saurem Baryt in Lösung gebracht und die ungleiche Löslichkeit dieser Salze in Wasser zur
Trennung benutzt Zuerst krystallisirt styphninsaurer Baryt, darauf werden die Salze der ß, 7, a-
Säure in der angegebenen Reihenfolge abgeschieden.
Weisse Nadeln, welche bei 202° schmelzen. Leicht löslich in heissem Wasser.
Die Säure zerfällt bei der Destillation in Kohlensäure und m-Dinitrobenzol. Durch
Zink und Salzsäure wird sie unter Abspaltung von Kohlensäure in m-Phenylen-
diamin (Schmp. 63°) umgewandelt.
BarytsaU, (CßH3(N03).2CO,),Ba-f 2H2O, ist sehr leicht löslich in Wasser.
ß) o-m-Dinitrobenzoesäure (34), CgHoCOgHNOjNOn, krystallisirt beim
1 9 5
freiwilligen Verdunsten ihrer wässrigen Lösung in farblosen Prismen, welche bei
177° schmelzen.
Barytsalz, (CgH,(N03,)^C0,)j,Ba -f 4HjO, ist fast unlöslich in kaltem, schwer löslich in
heissem Wasser.
7) o-p-Dinitrobenzoesäure, CgH.COgHNOgNO«, entsteht ausser aus
13 4
o-Nitrobenzocsäure (34) beim Behandeln von p-Nitrobenzoesäure (35, 36) mit
Salpeter- und Schwefelsäure neben der e-Säure, und durch Erhitzen von Dinitro-
toluol (37) (Schmp. 705°) mit Salpetersäure auf 160°.
Glänzende Nadeln, oder rhombische Tafeln und Prismen, welche bei 179°
schmelzen. 100 Thle. Wasser lösen bei 25° 1-849 Thle. Säure. Sie lieifert mit
Zinn und Salzsäure ebenfalls m-Phenylendiamin.
Barytsalz, (C5H3(NOj)2COj)jBa -{- SH^O, ist schon in kaltem Wasser ziemlich leicht
löslich.
S) m-m-Dinitrobenzoesäure, CßHgCO^HNOgNOj, die zuerst bekannte
] X 5
Dinitrobenzoesäure, von Cahours (38) dargestellt. Sie entsteht durch Kochen von
Benzoesäure oder m-Nitrobenzoesäure mit Salpetersäure und Schwefelsäure, und
durch Oxydation von Dinitrotoluol (39), (Schmp. 91—92°) oder von a und ß-
Dinitronaphtalin (40).
Zur Darstellung kocht man Benzoesäure (41, 42) mit 4 Thln. rother rauchender Salpeter-
säure und 2 Thln. conc. Schwefelsäure.
Sie krystallisirt aus Wasser in quadratischen Tafeln. Schmp. 204 -—205°.
Durch Zinn und Salzsäure wird Diamidobenzoesäure gebildet.
Barytsah, (CgHj(NOj)3COj)._jBa + 5H/), bildet warzige Krystalie. AethylSther,
C,H,(NO,)jCOgC,H5, bildet seideglänzende, bei 91 « schmelzende Nadeln.
Dinitrobenzamid, C6H3(N02)j,CONHj, gelblich gefärbte Krystalie. Schmp. 180°.
176 Handwörterbuch der Chemie.
e) m-p-Dinitrobenzoesäure (36), C^HjCO^HNO^NO,. Ihre Entstehung
1 * 4
wurde bei der 7-Säure erwähnt. Zur Trennung der beiden Säuren dienen die
Barytsalze und die verschiedene Löslichkeit der Säuren in Wasser. Schmp. 161**.
100 Thle. Wasser lösen bei 25° 0*673 Thle. Säure.
Trinitrobenzoesäure, C6H2(N02)3C03H (43), durch mehrwöchentliches
Erhitzen von Trinitrotoluol mit rauchender Salpetersäure auf 100° dargestellt,
"krystallisirt aus Wasser in rhombischen Prismen, welche bei 190° schmelzen.
Chlornitrobenzoesäuren: CgHaClNOjCOjH.
Man kennt sechs isomere Säuren dieser Zusammensetzung.
1. a) o-Chlor m-Nitrobenzoesäure (44), CßHjCOjHClNO,, entsteht
12 8 oder 5
durch Eintragen von o-Chlorbenzoesäure in rauchende Salpetersäure. Seide-
glänzende bei 164 — 165° schmelzende Nadeln. Reductionsmittel führen sie in
m-Amidobenzoesäure über.
Barytsalz, (CeH,ClNO,CO,),Ba + H,0, bildet in Wasser ziemlich leicht lösliche Nadein.
Aethylestcr, CgHjClNOjCOjCjHj. Schmp. 28—29".
2. m-Chlornitrobenzoesäuren. Beim Nitriren von m-Chlorbenzoesäure
(44, 45, 46) entstehen zwei isomere p und 7-Chlomitrosäuren, welche durch
UeberfÜhrung in die Barytsalze getrennt werden. Eine dritte m-Chlornitrobenzoe-
säure ($) wird aus m-Nitro-m-Amidobenzoesäure durch Substitution des Amids durch
Chlor erhalten.
ß) CßHjCOjHClNOg (45) krystallisirt aus der ätherischen Lösung in Prismen,
1 3 6
welche bei 135° schmelzen. Die Säure kann in Chlorsalicylsäure übergeführt
werden.
Barytsalz, (C6HjClNO,CO,)jBa 4- 3HjO, bildet leicht lösliche Nadeln.
Der Aethylester ist flüssig. Siedep. 282°.
7) CßHjCOjClNOa. Verfilzte Nadeln (46), welche bei 104° schmelzen.
15 6
(Nach andern Angaben bei 217° resp. 225°). Schwerer in Wasser löslich als die
p-Säure.
Ö) CßHaCOjHClNOj (47), kleine, bei 147° schmelzende Nadeln. Schwer
I 3 &
löslich in Wasser.
3. e) p-Chlor-m-Nitrobenzoesäure (44), CgHjCOjHClNO,, entsteht
1 4 s
durch Nitriren von p-Chlorbenzoesäure und durch Oxydation von Chlor-p-Nitro-
toluol. Kleine bei 181^ schmelzende Nadeln, schwer löslich in Wasser. Sie
kann in m-Amidobenzoesäure übergeführt werden.
Barytsalz, (CgH,ClNOjCO,),Ba H- 4HjO, bildet in Wasser schwer lösliche Nadeln.
Aethylester, CgHjaNOjCOjCjHj, bei 59<^ schmelzende Nadeln.
4. C) Chlor-p-Nitrobenzoesäure (48), durch Oxydation von Chlomitro*
toluol (Schmp. 64—65°) dargestellt bildet bei 136—137° schmelzende in Wasser
leicht lösliche Krystalle.
Trichlornitrobenzoesäure (49), CgHClsNOjCOjH, durch Erhitzen von
Trichlorbenzoesäure (Schmp. 163°) mit Salpeter-Schwefelsäure gewonnen, krystalli-
sirt aus Alkohol in Nadeln, welche bei 220° schmelzen. In Wasser schwer
löslich. Das in Wasser ebenfalls schwer lösliche Barytsalz enthält 2 Mol. H,0.
Bromnitrobenzoesäuren, CgHjBrNOjCOjH, werden analog den Chlor-
verbindungen dargestellt.
l.(a)o-Brom-m-nitrobenzoesäure[(5o), CeH3COjHBrNOj, entstehtdurch
1 s &
Nitriren von o-Brombenzoesäure. In kaltem Wasser schwer lösliche Nadeln,
Benzoesäure. 177
welche bei 179° — 180° schmelzen. Durch Erhitzen mit alkoholischem Ammoniak
wird sie z. Th. in p-Nitranilin umgewandelt.
AethylSther, CgH,BrNO,CO,C,H5 schmiltt bei 65— 66®.
2. m-Brom-o-Nitrobenzoesäure (51, 52), entsteht in zwei Modificationen
(p, 7) durch Nitriren von m-Brombenzoesäure in der Kälte. Die Schwerlöslich-
keit des ß-bromnitrobenzoesauren Natrons wird zur Trennung benutzt.
p) CgHjCOjHBrNO^, krystallisirt aus Wasser in glänzenden, bei 140—141°
1 3 6
schmelzenden, monoklinen Säulen. Sie ist in die a-Dibrombenzoesäure (Schmelz-
punkt 151—152°) übergeführt worden.
Aethyläther bUdet glänzende, bei 55° schmelzende Säulen.
7) CgHjCOjHBrNOj, krystallisirt aus Wasser in grossen, monoklinen
15 6
Krystallen, welche bei 250° schmelzen.
Aethyläther bildet bei 135° schmelzende Säulen.
3. 8) p-Brom-m-Nitrobenzoesäure (51, 53), CßHjCOjHBrNOj, wird
1 4 s
durch Behandlung von p-Brombenzoesäure und durch Oxydation des bei 34°
schmelzenden Nitrobromtoluols dargestellt. Feine bei 199° schmelzende Nadeln.
Wird durch Reductionsmittel in m-Amidobenzoesäure übergeführt.
Aethyläther bildet bei 74° schmelzende, monokline Säulen.
Dibromnitrobenzoesäure (54, 55), CßHjBraNOjCOjH, wird durch Auf-
lösen von Dibrombenzoesäure (Schmelzp. 232—233°) in rauchender Salpeter-
säure dargestellt und krystallisirt aus heissem Wasser in farblosen, bei 162°
schmelzenden Nadeln, Wird durch Reductionsmittel in o-Amidobenzoesäure um-
gewandelt.
Barytsalz, (CgHjBrjNOjCO,)j,Ba4- 2Hj,0, bildet seideglänzende Nadeln.
Jodnitrobenzoesäure, CeHjJNOgCOgH, existirt in vier Modificationen.
Drei derselben entstehen durch Nitriren von m-Jodbenzoesäure und werden
durch Ueberführung in die Barytsalze getrennt, a und ß werden durch Reductions-
mittel in o-Amidobenzoesäure tibergeführt. Die vierte Modification wird aus
p-Jodbenzoesäure dargestellt.
m-Jodnitrobenzoesäure (56). Die drei Säuren sind sämmtlich krystalli-
nisch. Die Schmelzpunkte derselben sind a) 235°, ß) 179°, 7) 192°. Die Baryt-
salze von a und 7 krystallisiren mit 3 Mol., dasjenige von ß mit 6 Mol. Wasser.
p-Jodnitrobenzoesäure (57), Schmelzp. 210°.
Amidobenzoesäuren*), CßH^NHjCOgH. Die drei isomeren Säuren ent-
stehen durch Reduction der Nitrobenzoesäuren. Sie verbinden sich mit Basen und
*) i) FiUTSCHE, Ann. 39, pag. 76. 2) Beilstein und Kuhlberg, Ann. 163, pag. 138.
3) WiDNMANN, Ann. 193, pag. 231 — 234. 4) Cohn, Ann. 205, pag. 302. 5) Hübner u. Peter-
mann, Ann. I49i pag. 142 — 48. 6) Liebig, Ann. 39, pag. 91. 7) Baerthlein, Ber. 10, pag. 17 14.
8) Jackson, Ber. 14, pag. 885—88. 9) Bedson u. King, Ber. 14, pag. 263. 10) Brückner,
Ann. 205, pag. 127 — 130. ii) Griess, Ber. 2, pag. 415. 12) Ders., Ber. 11, pag. 1985—88.
13) Ders., Ber. 11, pag. 2180. 14) Ders., Ber. 13, pag. 977—79- 15) I^ers., J. pr. Ch. (2) 5,
pag« 371» 456. 16) ZiNiN, Berz. J. 26, pag. 450. 17) Chancel, J. 1849, pag. 359. 18) Beil-
STEIN n. WiLBRAND, Ann. 128, pag. 264—265. 19) Beilstein u. Kurbatoff, Ber. 12, pag. 688.
20} Rosenstiehl, Z. Ch. (2) 5, pag. 471. 21) ibid. 4, pag. 548. 22) Hübner u. Petermann,
Ai>>>- I47i P%- 263 — 269. 23) Beilstein u. Reichenbach, Ann. 142, pag. 140—42. 24) Fricke,
^'' 7> P^- 1321—22. 25) GRIESS, Ber. i, pag. 191. 26) Griess, Ber. 8, pag. 861. 27) Griess,
Ber. 8, pag. 325. 28) Griess, Ber. 6, pag. 586—87. 29) Griess, Ber. 5, pag. 1036—41.
30) FosTER, Ann. 117, pag. 165. 31) Müretow, Ber. 5, pag. 330. 32) Griess, J. pr. Ch. (2) 4,
Laodcburg, Chemie. II. 12
"17^ Handwörterbuch der Chemie.
Säuren zu Salzen. Sie werden durch salpetrige Säure in die entsprechenden Oxy-
säuren übergeführt.
o-Amidobenzoesäure, A nth ran il säure wurde zuerst von Pritsche (i)
durch Einwirkung von Kali auf Indigblau dargestellt.
CgHgNO H- 211^0 H- O = HCOgH + CgH^NHjCOjH.
Sie entsteht ausserdem durch Reduction von o-Nitrobenzoesäure (2, 3) und
ihrer Chlor, Brom, resp. Jod enthaltenden Derivate. (Siehe diese.) Bemerkenswerth
ist ihre Bildung aus Phtalylhydroxylarain (4), welches beim Kochen mit Kali in
O-Amidobenzoesäure und Kohlensäure zerfallt:
CO
^6^4CON 4- KOH = CO. + CeH.^JJv
OH V.U2K.
Zur Darstellung wird am besten o-Nitrobenzoesäure (3, 5) mit Zinn und Salzsäure
oder mit Zinnchlortir reducirt, die vom Zinn befreite I^sung eingedampft , der Rückstand zunächst
mit Ammoniak alkalisch gemacht, die Säure mit Essigsäure geMlt und unter Zusatz von Thier-
kohle aus Wasser umkrystallisirt. Aus der Mutterlauge kann der gelöst bleibende Theil durch
essigsaures Kupfer abgeschieden und dieses durch Schwefelwasserstoff zerlegt werden.
Zur Darstellung aus Indigo (i, 5, 6; wird derselbe mit der zehnfachen Menge Kalilauge
(1,35 spec. Gew.) unter Ersatz des verdampfenden Wassers gekocht und in kleinen Portionen
Braunstein zugesetzt. Sobald alles Indigblau zersetzt ist, wird die Lösung mit verdünnter
Schwefelsäure neutralisirt, durch Auskrystallisiren der grösste Theil des schwefelsauren Kalis
entfernt und aus der eingedampften Mutterlauge das amidobenzoesaure Salz mit Alkohol
extrahirt. Nach dem Abdestilliren des Alkohols wird das Salz mit Essigsäure zerlegt, oder die
Anthranilsäure als Kupfer Verbindung gefällt.
Die Säure krystallisirt aus heissem Wasser in dünnen, rhombischen Nadeln
(3), welche bei 145° schmelzen. Sie sublimirt unzersetzt; bei der trockenen
Destillation zerfallt sie in Anilin und Kohlensäure. Natriumamalgam (5) bewirkt
ihre Umwandlung in Benzoesäure.
NH HCl
Salze (5). Salzsäure-o-Amidobenzoesäure, CftH.^,^*''„ ,, . ^ ,,
^•'^ ' 6 *COjjH , welche in farblosen,
bei 191° schmelzenden Nadeln krystallisirt, bildet kein Platindoppelsalz. Die Salze der
Schwefelsäure, Salpetersäure und Oxalsäure sind ebenfalls gut krystallisirende Ver-
bindungen.
o-Amidobenzoesaures Kali, CßH^p^'w, -{- HjO, bildet flache, glänzende Tafeln.
Kupfersalz ist ein in Wasser fast unlöslicher grüner Niederschlag.
o-Amidobenzonitril (7), CgH^NHjjCN, bildet gelbliche, bei 103° schmelzende Nadeln.
Durch Einwirkung von Essigsäureanhydrid (8) auf o-Amidobenzoesäure ent-
steht die schwach basische
pag. 296. 33) Grikss, Ber. 8, pag. 322—26. 34) Griess, Ber. 7, pag. 574. 35) Griess, Her. 3,
pajr. 703. 36) Grikss, Z. Ch. (2) 3, pag. 533. 37) Griess, Ann. 172, pag. 172. 38) Griess
u. Lkibins, Ann. 113, pag. 232. 39) Fischer, Ann. 127, pag. 142. 40) Michael, Ber. 10,
pag. 577— 578. 41) Ladenkurg, Ber. 6, pag. 130 42) Beilstein u. Reichenbach, Ann. 132—144.
43) MicHLER, Ber. 9, pag. 400. 44) Michler u. Gradmann, Ber. 9, pag. 1912. 45) Hofmann,
Ber. 9, pag. 1302. 46) Griess, Ber. 9, pag. 796 47) Wachendorkf, Ber. 11, pag. 701.
48) Griess, Ber. 2, pag. 416. 49) Grikss, Ber. 11, pag. 1730—34. 50) Menschutkin, Ann. 153,
pag. 84. 51) Griess, Ber. 2, pag. 47. 52) Grikss, J. pr. Chem. (2), 4, pag. 292. 53) Grikss,
J. pr. c:h. (2) 5, pag. 453. 54) Grikss, J. pr. Ch. (2) 5, pag. 369. 55) Griess, Ber. 5, pag.
192—198. 56) Arzruni, Ber. 4, pag. 406. 57) Merz u. Weith, Ber. 3, pag. 244. 58) Rathke
und ScirÄKER, Ann. 169, pag. loi — 103. 59) Griess, Z. Ch. (2)4, pag. 670. 60) Merz und
Weith, Ber. 3, pag. 812. 61) Griess, Ber. 16, pag. 336. 62) Traube, Ber. 15, pag. 21 16.
63) Ders., Ber. 15, pag. 2113. 64) Ders., Ber. 15, pag. 2122. 65) Griess, Ber. 15, pag. 2199.
66) Griess, Ber. 15, pag. 1878 — 82.
Benzoesäure. 1 79
NHCOCH
Acetyl-o-Amidobenzoesäure, ^e^i rnnn ^» ^^^^ Verbindung,
welche auch durch Oxydation von Acetyl-o-Toluidin (9), C6H4q^^ ^*
CHiCCHj '
und von Aethylketol (8), C6H4 / , mit Kaliumpermanganat dargestellt
NH
werden kann. Sie krystallisirt aus Eisessig in prismatischen Nadeln, welche
bei 179 — 80° schmelzen. Durch Salzsäure wird sie in ihre Componenten
gespalten. Phosphorpentachlorid (8) erzeugt als Hauptprodukt Dichloracetyl-o-
Amidobenzoesäure, welche bei 173° schmelzende Nadeln bildet.
NH.COC H
Benzoyl-o-Amidobenzoesäure (10), CgH^QQQpj * *, durch Oxydation
des entspreclienden Benzoyltoluidins erhalten, schmilzt bei 182° und bildet gut
krystallisirende Salze.
Cyanderivate der o-Amidobenzoesäure.
Durch Einwirkung von Cyan (11, 12) auf o-Amidobenzoesäure entstehen
verschiedene Körper, je nachdem dasselbe in eine wässrige oder in eine
alkoholische Lösung der Säure eingeleitet wird.
C7H7NO2 -f- 2CN = C9H5N3O -f- HjO
Dicyanamidobenzoyl.
C7H7NOJ 4- 2CN -h C2H5OH = CioHioNgOa + CNH 4- H3O
Oxäthylcyanamidobenzoyl.
NH— C — CN
Dicyanamidobenzoyl, CgH^ II (13), wird durch längeres
CO — N
Einleiten von Cyangas fi2) in eine kalte, concentrirte Lösung von o-A'midobenzoe-
säure und Umkrystallisiren des Niederschlages aus Alkohol dargestellt. Kleine
gelbliche Prismen, in kaltem und heissem Wasser schwer, leichter löslich in
heissem Alkohol. Reagirt sauer und giebt mit Basen Salze.
NHCOC2H5 /
Oxäthylcyanamidobenzoyl, C6H4 H (Derivat der Säure
CON \
CßH. =NH 1, bildet sich beim längeren Stehen einer mit Cyangas
CO(OH) /
gesättigten Lösung von o-Amidobenzoesäure in Alkohol. Der nach dem Verdunsten
des Alkohol bleibende Rückstand wird mit kohlensaurem Ammon gewaschen und
aus Alkohol unter Zusatz von Thierkohle umkrystallisirt. Weisse, bei 173°
schmelzende Prismen. In kleinen Mengen unzersetzt destillirbar. Durch Kochen
mit Salzsäure entsteht aus der Verbindung unter Abspaltung von Alkohol Ur-
amidobenzoyl. (Siehe Uramidobenzoesäuren).
Durch längeres Erhitzen des Oxäthylcyanamidobenzoyls mit alkoholischem
Ammoniak (11, 14) im Rohr auf 100° entsteht
NH — C = NH
o-Benzglycocyamidin , C-H. I (13), eine in perlglänzenden Blättchen
* *CO-NH
krystallisirende einsäurige Base, welche auch durch Einwirkung von Cyanamid (14) auf o-Amido-
benzoesäure gebildet wird.
CgH^NHjCOjH -f CNHN2 = CgH^NjO 4- H^O,
Sie ist in Wasser und Alkohol sehr schwer löslich. Das salpetersaure Salz, CgH7N30»
HNOj, bildet weisse, schmale, in Alkohol und Wasser fast unlösliche Blättchen.
Bleibt eine stark alkalische Lösung von o-Benzglycocyamidin und Jodmethyl in Methylalkohol
sich mehrere Tage Überlassen, so scheidet sich
i8o Handwörterbuch der Chemie.
N(CH,) — C = NH
a-o-Methylbenzglycocyamidin (14) (a-o-Benzloreatinin), C^H^ I
c o ——^ im
in Krystallen ab, welche durch Waschen mit Kalilauge und Umkrystallisiren aus heissem Wasser
gereinigt werden. Weisse, glänzende Nadeln mit schwach bitterem Geschmack. Unlöslich in
kaltem Wasser, leicht in heissem Alkohol; in kleinen Mengen ohne Zersetzung destillirbar. Mit
Säuren entstehen gut krystallisirende Salze. Ein isomerer Körper, das
NH— C=NCH,
ß-o-Methylbenzglycocyamidin(i4)(ß-o-Benzkreatinin), CgH^ j 4-HjO,
CO — NH
entsteht beim Erhitzen von Oxäthylcyanamidobenzoyl mit wässrigem Methylamin auf 100^. Das-
selbe ist der a- Verbindung sehr ähnlich, bildet ebenfalls weisse, schwach bitter schmeckende
Nadeln, unterscheidet sich jedoch durch seine Löslichkeit in Barytwasser und Kali.
m-Amidobenzoesäure wurde zuerst von Zinin (16) durch Einwirkung von
Schwefelammonium auf m-Nitrobenzoesäure dargestellt und Benzaminsäure genannt
Chancel (17), welcher die Säure durch Kochen von Amidobenzamid mit Kali-
lauge gewann, nannte sie Carbanilsäure. Kolbe betrachtete sie zuerst als Amido-
benzoesäure.
Die Säure entsteht ausser aus m-Nitrobenzoesäure durch Einwirkung von
Ammoniak auf m-Jodbenzoesäure und durch Reduction der bei 212° schmelzenden
Nitrophtalsäure (19).
Zur Darstellung wird m-Nitrobenzoesäure (18) in der bei der Anthranilsäure angegebenen
Weise mit Zinn und Salzsäure reducirt.
Die Säure krystallisirt aus heissem Wasser in kleinen, röthlichen Krystall-
warzen (3). Schmp. 174°. Spec. Gew. = 1,5105 bei 4°. Sie ist z. Th. unzer-
setzt sublimirbar. Schwer löslich in kaltem Wasser, leicht in Alkohol und Aether.
Die Lösungen sind süss und bräunen sich. Die Säure destillirt z. Th. unzersetzt;
mit Platinschwamm oder Baryt destillirt zerfallt sie in Kohlensäure und Anilin.
Beim Erhitzen mit Jodwasserstoff (20) auf 180 — 200** wird sie in Toluidin über-
geführt. Mit Aldehyden entstehen unter Wasserabspaltung theilweise krystallisirende
Verbindungen. Natriumamalgam (21) bildet Benzoesäure.
NH HCl
Salze der m-Amidobenzoesäure (18, 22). Salzsaures Salz, ^s^Arou* Nadeln,
leicht löslich in Wasser. Schwefelsaures Salz (C6H4NH,COjH)jH,SO^ + HjO, Nadehi.
Das wasserhaltige Salz schmilzt bei 225°, das wasserfreie bei 230°.
Kalksalz, (C6H4NHjC02)2Ca4- 3H,0, bildet in Wasser und Alkohol leicht lösliche
Nadeln. Barytsalz, (CßH4NH,CO,)jBa -h 4H,0, krystallisirt in langen Nadehi. Kupfer-
salz, ein grttnes, schwer lösliches Pulver.
NH
Aether der Amidobenzoesäure. Methyläther, CjH^pq'^tt . Durch Reduction
von m-Nitrobenzoesäureäther dargestellt, ist flüssig. Aethyläther, ebenfalls farblose Flüssigkeit.
Beide bilden mit Säuren Salze.
NH
m-Amidobenzamid (23), C6^4cONH "+" ^»^» ^^^ m-Nitrobenzamid erhalten, bildet
bei 75° schmelzende Krystalle. Verbindet sich mit Säuren.
m-Amidobenzonitril (24, 25, 26) am besten durch Destillation von m-Uramidobenzoe-
säure (s. d.) mit Phosphorsäureanhydrid (26) dargestellt, bildet lange, bei 54° schmelzende
Nadeln. Siedep. 288—290° Einsäurige Base, welche gut krystallisirende Salze bildet
Derivate der m- Amidobenzoesäure mit Alkohol- und Säure-
Radikalen.
NHCH
Methylamidobenzoesäure, CgH^^Q jj ^ (27), entsteht durch Kochen
von a-m-Methylbenzglycocyamin (s. d.) mit Barytwasser:
Benzoesäure. i8i
CeH^N~C(^fH)NH, + 2H,0 = C^H^J^JJ^J^a 4. CO, 4- 2NH3.
COOH CUUH
Röthlich weisse Blättchen. Verbindet sich mit Salzsäure zu einem in silber-
glänzenden Blättchen kiystallisirenden Salze.
Dimethylamidobenzoesäure (28) C^H^q^ h' ' *"^ ihrem Methyläther
durch Kochen mit Kalilauge entstehend , bildet weisse bei 151° schmelzende
Nadeln.
Der Methyläther (28), CgH^^^TpU', entiteht in Folge einer Atomverschiebung beim
Schmelzen des isomeren TrimethylbenzbetaXns. Schwach aromatisch riechende bei 270° siedende
FlQssigkeit, welche auch mit verdünnten Säuren leicht Salze bildet
N(CH,),
Trimethylbenzbeta!n(28), CjH^ »-H,0. Die Base bildet sich
durch mehrtägiges Stehen einer Mischung von 1 Mol. Amidobenzoesäure, 3 Mol.
Aetzkali (als starke Lauge) und 3 Mol. Jodmethyl in Methylalkohol. Nach dem
Abdestilliren des Alkohols wird der Rückstand mit Jodwasserstoffsäure übersättigt,
und das abgeschiedene Jodür mit Bleioxydhydrat zerlegt Kleine, weisse Nadeln,
welche das Krystallwasser bei 105^ verlieren. In kaltem Alkohol sehr löslich,
an der Luft zerfliesslich, unlöslich in Aether.
Das Jodhydrat, C,oH,,NQ,- JH + H,0, bildet kleine kurre Prismen. Schwer löslich
in kaltem Wasser.
Aethylamidobenzoesäure (29), CeH^^Q^pj* *% entsteht neben der Diäthyl-
verbindung durch Kochen von Jodäthyl mit m-amidobenzoesaurem Kali in alkoholischer Lösung.
Die Trennung geschieht durch Ueberftlhrung in die Chlorhydrate, von denen das Salz der
Monoverbindung in kalter, verdünnter Salzsäure sehr schwer, das andere leicht löslich ist.
Kleine Nadeln oder Prismen, welche bei 112° schmelzen. Schwer löslich
in kaltem, sehr schwer in heissem Wasser, leicht in Alkohol und Aether. Die
Säure geht mit Basen und Säuren Verbindungen ein. Essigsäure zersetzt die
Alkaliverbindungen unter Abscheidung der freien Säure.
Salxsaures Salz, CjHnNOaHCl, Nadeln. Barytsalz, (C3HioNO,),Ba + 2H,0,
Blättchen.
Diäthylamidobenzoesäure(29),CeH4Q^^^*^*4-2HjO, glänzende Säulen
oder Prismen. Schmp. 90°.
Salzsaures Salz, CiiHi^NO^HCl + 2H,0, glasglänzende, vierseitige Tafeln. Baryt-
salz, (CiiHi4NO,),BaH- lOHjO, weisse Blättchen.
Diallylamidobenzoesäure (29), ^^^rCkK-^ * analog der vorigen dar-
gestellt, bildet weisse in Wasser wenig lösliche Blätter. Siedep. 90°; nicht ohne
Zersetzung destillirbar.
NHCOCH
Acetylamidobenzoesäure (30), C6H4QQQJJ *, durch Erhitzen von
m-Amidobenzoesäure mit Essigsäure auf 160° oder von amidobenzoesaurem Zink
mit Chloracetyl auf 100° dargestellt, bildet ein aus mikroskopischen Nadeln be-
stehendes Krystallpulver. Unzersetzt sublimirbar, schmilzt zwischen 220 — 230°.
Sie bildet mit Metalloxyden Salze.
CO
Succinamidobenzoesäure (31), C^H^QQNCgH^COOH, und
CONHC H COOH
Succindiamidobenzoesäure (31), CjHiqqj^tjp^jj^pqqjj, entstehen
t^Z Handwörterbuch der Chemie.
durch Schmel^.en von Bemsteinsäure mit m-Amidobenzoesäure. Ersteres bildet
bei 235"^ schmelzende Nadeln, letzteres ist ein amorphes Pulver.
Cyanderiviite der m-Amidobenzoesäure. Die Einwirkung von Cyangas
auf m-Amidobeivzoesäure ist ebenfalls verschieden, je nachdem sie in wässeriger
oder alkoboliscber Lösung erfolgt. In ersterem Falle entstehen zwei Verbindungen,
m-Amidobenzoesäurepercyanid und m-Cyancarbimidamidobenzoesäure, in letzterem
misser dem Percyanid zwei neue Verbindungen, m- Carbi midamidobenzoesäure
und m-Oxäthylcarbimidamidobenzoesäure.
2(c.H.2g»H) + 2(CN) = 2(c,H,NHg2CN
Amidobenzoesäurepercyanid.
NH, _ NH-C(NH)CN
Cyancarbimidamidobcnzoesäure.
2t^«H*S§;H + 2(CN) = C(NH){;Sg*S;gg;JJ
Carbimidaraidobenzoesäure.
C«H.^5;h + 2(CN) + C,H,OH = C,H,NH-C(NH)OC,H,
Oxäthylcarbimidamidobenzoesäure.
Amidobenzoesäurepercyanid (12, 25, 61), 2(CßH4PQ^Tj)2CN. Griess
legte demselben in seinen ersten Mittheilungen die Formel CgH^pQ^^ ^*
bei. Zur Darstellung wird das durch Einwirkung von Cyan auf wässerige m-Amido-
benxoesäure entstehende Produkt gewaschen und mit Salzsäure behandelt, welche
unter Lösung der Cyancarbimidamidobenzoesäure das Cyanid zurticklässt. Gelbe,
krystallinische, in Wasser, Alkohol und Aether kaum lösliche Masse mit sauren
Eigenschaften. Durch Kochen mit Salzsäure oder Kalilauge wird sie in m-Benz-
glycocyamin übergeführt Beim Erhitzen mit Alkohol auf 130° entsteht m-Amido-
benzosäure und Oxalamidobenzoesäure (61):
2(C^H^NHsCÜjH).2CNH-3HjO=C6H^NHjCO,H-+-CeH4^Q^^^^«^H-2NH,.
Gyancarbimid-m-Amidobenzoesäure (12, 61), C^H^qq ^i »
weiss«, elliptische Blättchen, schwer löslich in kaltem Wasser, leicht in heissem
Alkohol. Sie wird bereits durch siedendes Wasser zersetzt und verbindet sich
mit Säuren und Basen. Beim Erhitzen mit aromatischen Aminen entstehen sub-
stituirte Benzkreatine.
Ostäthylcarbimidamidobenzoesäure (32), ^s^irn yt ^ ' ^ *.
Eine alkoholische Lösung von m-Amidobenzoesäure scheidet beim Einleiten von
Cyan sofort gelbes Amidobenzoesäurepercyanid ab, während in dem Filtrat nach
einigen Wochen ein weisser Niederschlag von Oxäthylcarbimid- und Carbimid-
amidobenzoesäure entsteht. Beim Kochen mit Wasser bleibt erstere ungelöst.
Krystallisirt in Nadeln mit 3 Mol. H3O. Sie ist in Säuren und Alkalien löslich
und ierseUt sie li beim Kochen der Lösungen in Uramidobenzoesäure (s. d.) und
Alkohol. Durch mehrwöchentliches Stehen mit conc. Ammoniak (33) zerfällt die
Säure in Alkohol und
j^TT /-» "■" N rlj
fii-BenEgl>'cocyamin (Benzkreatin) (33), CgH^ =NH . Dasselbe kann auch
CO,H
Amth Einwirkiiag ^^n Cyanamid (34) auf eine Lösung von Amidobenzoesäure in Alkohol, und
ilisrdi Rnchen von Amidobenzoesäurepercyanid (35) mit Kalilauge dargestellt werden:
Benzoesäure. 183
MW Mwr* 3
C^H^^^«^^^» 4- H,0 = C^H^^^^NhV CO.
CO,H CO,H
Farblose Tafeln, welche mit 2 Mol. H^O kiystallisiren. In heissem Wasser ziemlich lös-
lich, schwer in heissem Alkohol. Es wird durch Kohlensäure aus seiner Lösung in Kalilauge
gefällt. Mit Mineralsäuren entstehen Salze. Beim Kochen mit Barytwasser wird es in Uramido-
benzoesäure, Amidobenzoesäure, Harnstoff und Ammoniak zerlegt.
Durch Einwirkung von Jodmethyl und Kali auf eine kalte methylalkoholische Lösung von
m-Benzkreatin entsteht
o-Methylbenzglycocyamin (33), CgH^^^^^^C JJ|^>, kleine glänzende Blättchen,
mit H MoL H,0, schwer löslich, selbst in heissem Wasser und Alkohol. Verbindet sich mit
Salzsäure zu einem gut kiystallisirenden Salze. Ein isomeres Produkt, das
ß-Methylbenzglycocyamin (33), CgH^ NH , wird durch Einwirkung von
COOK
Methylamin auf Oxäthylcarbimidamidobenzoesäure gebildet Blättchen, in kaltem Wasser und
kochendem Alkohol schwer, in heissem Wasser leichter löslich. Salzsaures Salz bildet weisse
Säulen oder Prismen.
Die a-Verbindung zerfallt beim Kochen mit Baryt in Methylamidobenzoesäure und Harn-
stofif, die ß- Verbindung in Amidobenzoesäure und Methylamin.
Pheiiylbenzglycocyamin(6i),C5H^ NH -+- H ,0, entsteht durch Kochen von
CO2H
Anilin (4 Thin.) mit Cyancarbimidamidobcnzoesäure bis zum Aufhören der Blausäureentwicklung:
*j„pCN ^„^NHCgHj
CßH^ "^NH 4- CgHjNHj = CßH^^^^NH + CNH.
CO,H COgH
Undeutliche, weisse Nadeln oder Blättchen. Kaum löslich in Alkohol, löslich in Alkalien,
durch Essigsäure wieder fällbar. Derselbe Körper scheint sich beim Schmelzen von m-Cyan-
amidobenxoesäure (62) (s. d.) zu bilden. Schmp. 165^.
j^jj^^NHC^oHy
ß-Naphthylbenzglycocyamin (61), CgH^ NH , in analoger Weise darge-
COaH
stellt, bildet kleine, kiystaUinische Kügelchen.
j^irpNHCjH^NHj
Amidophenylbenzglycocyamin (61), CßH^ NH , aus p-Phenylendia-
CO3H
min erhalten, bildet grau gefärbte, kleine Prismen.
Carbimid -m-Amidobenzoesäure (36) (Guanidindibenzoesäure),
NHC H CO H
C(NH)j^TTQ^jT*QQ*TT, welche ausser auf dem bereits erwähnten Wege auch
durch £inwirkung von Ammoniak und Quecksilberoxyd auf Sulfoharnstoffbenzoe-
säure (37) entsteht, wird durch Essigsäure aus ihrer alkalischen Lösung als amorpher
Niederschlag gefallt, welcher sich bald in Nadeln umwandelt. Sie verbindet sich
mit Säuren und Alkalien.
m-Cyanamidobenzoesäure (63), CgH^pQ tt , wird durch Einleiten von
Chlorcyan in eine alkoholische Lösung der Amidobenzoesäure und Eingiessen
des Produktes in viel Wasser dargestellt. Sie krystallisirt in weissen, flachen, perl-
mutterglänzenden Nadeln. Schwer löslich in kaltem, leichter in siedendem und in
heissem Alkohol. Beim Erhitzen beginnt ihre Zersetzung gegen 140°, und ver-
läuft rasch bei 210—220°, indem unter Entwicklung von Cyansäure ein Conden-
sationsprodukt entsteht. Beim Kochen mit Salzsäure entsteht m-Uramidobenzoe-
säure; beim Stehen mit Schwefelammonium wird Thiuramidobenzoesäure gebildet.
I$4 Handwörterbuch der Chemie.
Von den Sfilzt^rt ist das Kupfersalz ein charakteristischer brauner Niederschlag.
p<Amidobenzoesäure, Amidodracylsäure, wird durch Reduction der
p-Nitrobenzoe säure (3, 18, 39) mit Zinn und Salzsäure oder durch Oxydation (40)
CO
von p-Tolylsuccinimid, C2H4PQNCßH4CH3, (1 Mol.) mit Kaliumpermanganat
{4 Mol.) und Zersetzung der dabei entstehenden Oxysuccinyl-p-Amidobenzoesäure,
CfiH^CO^*^^^**^^*^' nij^ Salzsäure dargestellt (50—60* theoret. Ausbeute).
Sie krystallisirt aus Wasser in langen Krystallnadeln von röthlich gelber Farbe,
welche bei ISfi — 187° schmelzen. Ziemlich leicht löslich in Wasser, leicht in
Alkohol und Aether. Durch Erhitzen über ihren Schmelzpunkt wird sie in Anilin
und Kohlensäure gespalten, leichter beim Erhitzen mit Salzsäure auf 160 — 180^
SaUe. Barytsall, (C6H4NH3CO,)3Ba, glänzende, leicht lösliche Blättchen. Durch
esst|r5flure5 Blei (41) entsteht selbst in heissen verdünnten Lösungen von p-Amidobenzoesäure
ein kryss^linischcr NkderschUg von cH^CcT'^^*^^'
Sttlzsiiurcs Sah., CgH^^^»^, Blätter oder Säulen. Schwefelsaures Salx,
(C^H^NHj,C05,H),HgS04, in Wasser wenig lösliche Nadeln.
NHN
p-Amidobcnz^imid (42), CgH^p^^-Tj 4- iHjO, durch Reduktion aus p-Nitrobenzamid
datge&telli, bildet grf>ssc hellgelbe, bei 178—179^ schmelzende Krystalle.
CN
ji-ÄmidobenEOnitril(24), C^H^pq' , entsteht aus p-Nitrobenzonitril und krystallisirt
in farblos^ni bei 110^ schmelzenden Nadeln. Es bildet mit Mineralsäuren krystallinische Salze.
Derivate der p-jAmidobenzoesäure mit Alkohol- und Säureradi-
kalen.
Dimethyl-p-Amidobenzoesäure (43), CgH^^^ ^'^*, wird durch mehr-
stündiges Kochen von p-Amidobenzoesäure (in Alkohol gelöst) mit 3 Mol. Jod-
methyl und 2 Mol. Kali am Rtickflusskühler oder durch Zersetzung ihres Chlorids
mit Wasser darge^itellt. Kurze, farblose, bei 235° schmelzende Nadeln. Sic
verbindet sich mit Säuren und Basen. Dimethylparamidobenzoesäurechlorid (41),
Cfi^4 COCl^ '' ^^t^t^^* durch Erhitzen von Dimethylanilin mit Chlorkohlenoxyd
C,H,N(CH3), -+- C0Clj=CeH,gg^^»^2 -+- HCl.
N f C H ^
Diäthyl-p-Amidobenzoesäure (44), ^6^irQ\{^ » analog der Methyl-
verbindung daigestellt, bildet gelbliche bei 188*^ schmelzende Blättchen. Aus
p-Amidobenzoesäure und Aethylenoxyd entsteht die in Prismen krystallisirende
NHC H OH
Oxaethyl-p-Ämidobenzoesäure (41), C^H^qq tI * . Schmp. 187°.
NHCOCH
Acetyl-p-Amidobenzoesäure (45), CgH^^Q pj ', wird durch Oxy-
dation \'on Acetparatoluidin (Schmp. 145°) mit übermangansaurem Kali ge-
wonnen und bildet in Wasser schwer, in Alkohol leicht lösliche Nadeln, welche
bei 250 "" unter Zersetzung schmelzen.
NHCOC H
Benzoyl-p- Amidobenzoesäure (10), CgH^pQ tt ^ *, aus Benzoyl-
p-Tohiidin dargestellt, bildet bei 278° schmelzende Nadeln.
NHCOC H CO H
Oxysuccinyl-p-Amidobenzoesäure (40), CßH^QQ jj ^ * * , durch
Benzoesäure. 185
Oxydation von p-Tolylsuccinimid mit übermangansaurem Kali erhalten, bildet
gelbliche, bei 225—226° schmelzende Nadeln.
Kohlensäurederivate der Amidobenzoesäuren.
m-Urethanbenzoesäure (46) , m - OxäthylcarboxamidobenzoesäureJ,
NHCOOC H
CjH^PQQTT ^ *, entsteht durch Einwirkung von salpetriger Säure auf eine
salzsaure I-,ösung von Oxäthylcarbimidamidobenzoesäure und durch Erhitzen von
m-Amidobenzoesäure mit Chlorkohlensäureäther.
CeH,2HC(NH)0C,H, _^ ^^^^ ^ ^^^^NHCOO C,H, ^ ^^ ^ ^^^
2/ ' NH, \ r H - r H NHCOOC.Hj NHaHCl
Sie bildet weisse glänzende Blättchen, welche bei 189° schmelzen. Schwer
löslich in heissem Wasser, leicht in Alkohol und Aether. Die Salze sind krystal-
linisch. Ueber ihren Schmelzpunkt erhitzt zerfallt die Säure in Kohlensäure,
Alkohol, Hamstoifbenzoesäure (s. d.) und
Uretlianbenzoesäureäthyläther(47),CgH4^Q^^ 2 5, in kaltera und heissem Wasser,
in Alkohol und Aether leicht lösliche Blättchen, welche bei 100—101" schmelzen. Während der
Aether mit alkoholischem Ammoniak in Hamstofif und Amidobenzoesäureäther zerlegt wird, bildet
er anter dem Einfluss von wässrigem Ammoniak
NHCO C H
Urethanbenzoesäureamid (47), CgH^p^^-r* 2 5^ einen mit schwach basischen
Eigenschaften begabten Körper, welcher aus Benzol in Nadeln krystallisirt. Schmp. 157 — 158".
Uramidobenzoesäure, CßH4^Q tt ^, ist in drei Modificationen be-
kannt, welche sämmtlich durch Einwirkung von cyansaurem Kali auf Salze der
Amidobenzoesäuren entstehen. Werden die Amidobenzoesäuren mit Harnstoff
geschmolzen, so liefern die m- und p- Verbindung ebenfalls Uramidosäuren,
während die o- Verbindung unter Abspaltung von Wasser in das Anhydrid der
o-Uramidobenzoesäure tibergeht.
^ „ NHjHCl n^rMT r^ xr NHCONHo . „^,
o. m. p. CgH^QQ ^jj -h CNOK = o. m. p. C^H^qq jj ^ -h HCl.
NH NH NH — CO
«■ CeH,2S;H + C^nS: = ^- CeH,^^ _ ^^ + NH3 -h H,0.
o-Uramidobenzoesäure (49) ist nicht beschrieben. Ihr Anhydrid, das
NH -CO
Uramidobenzoyl (48), C^H^ 1 , dessen Entstehung aus o-Oxäthylcyan-
CO — NH
amidobenzoyl (pag. 179) schon erwähnt wurde, bildet schmale Blättchen, welche
über 350^ schmelzen. In Wasser, Alkohol und Aether schwer löslich.
m-Uramidobenzoesäure (50, 51, 64) entsteht auch durch Einwirkung
von Salzsäure auf Oxäthylcarbimidamidobenzoesäure.
P „ NHC(NH)0C,H5 ^ „ ^ ^ „ NHCONH2 . p TT ow
Die Säure krystallisirt mit 1 Mol. Wasser in kleinen Nadeln. Schwer löslich
in Wasser (1 Thl. in 98-5 Thln. bei 100""), leichter in Alkohol. Beim Erhitzen über
200® geht sie in HarnstoÖ und m-Harnstoffbenzoesäure über.
Das in Wasser leicht lösliche Kalksalz, (C8HgNjO,)jCa ^-iH^O, bildet zu kugligen
Ag^gaten vereinigte Nadeln, das Silbersalz, CjH8N20,Ag, glänzende Schuppen.
iSö Handwörterbuch der Chemie.
Äcihy Jäther (52), C6^4cO C H ' ^"^^^®^* ^^^^^ molekulare Umlagerung beim Schmel-
zen voti Oxäthylcarbimidamidobenzoesäure, CgH^p,^ ^ ^ 25^ und wird ausserdem durch
l'Iltiwirkung; von Kaliumcyanat auf salzsauren Amidobenzocsäureäther dargestellt. Glänzende, bei
17G'* schmcbende Blättchen.
Atnid (50)» ^6^*roNH *' ^"^^^^^^ *"s salzsaurem Amidobenzamid und Kaliumcya-
nat und ] lüdet krystallinische Schuppen oder lange Nadeln.
Acihyl-m.Uramidobenzoesäure(53), CgH^^^^^^^^«^*, wird durch Cyansäurc-
HlliyJillheT aus einer kalt gesättigten alkoholischen Lösung von m-Amidobenzoesäure abgeschieden.
reine, seihst in kochendem Wasser schwer, in Alkohol leicht lösliche Nadeln.
Das Barytsalz, (CjoHj ,Nj03)3Ba + SHjO, ist selbst in kaltem Wasser leicht löslich.
p-Uramidobenzoesäure (54), längliche Blättchen, welche selbst in
kochendem Wasser schwer, in heissem Alkohol jedoch ziemlich leicht löslich
sind. Beim Erhitzen wird unter Austritt von Harnstoff p-Hamstoffbenzoesäure
gebildet.
Nitrouramidobenzoesäuren (55).
Durch Eintragen der Uramidobenzoesäuren in rothe, von salpetriger Säure befreite Salpetcr-
NOj
sHute LiitstcUen Dinitrouramidobenzoesäuren, CgH,N(NO,)CONH,. Die m-Uramidobenzoe-
COjH
sHmtc liefert auf diese Weise drei (a, ß, y), die p- und o-Uramidobenzoesäure je eine (h und t)
Dinitrosaurc. Die a-, ß-, y-Verbindung sind in ihren Eigenschaften so ähnlich, dass eine
direkte 7Vcnnung derselben nicht ausgeführt werden kann. Sie werden daher zunächst durch
NO,
Kochen mtt wässrigem Ammoniak in Mononitrouramidobenzoesäure, CgHjNHCONHj, umge-
CO3H
wnndclr, und die noch heisse ammoniakalische Lösung mit Chlorbarium versetzt Beim Erkalten
«scheidet sich zuerst das Salz der ß-Säure in Nadeln ab, das Filtrat liefert beim Eindampfen das
«-S^lr, m den letzten Mutterlaugen ist das y-Salz enthalten. Durch Behandlung mit Salpeter-
sStnre wird jede einzelne Mononitrosäure in Dinitrouramidobenzoesäure zurUckverwandelt
NO,
Nitrouramidobenzoesäuren (49, 55), CßH,NHCONH,, entsehen durch Kochen der
CO3H
Dlnitroru^midobenzoesäuren mit Ammoniak:
NO2 NO,
C6H8N(N02)CONH3 + H^O = CgH,NHCONH, 4-NO3H.
CO,H CO,H
a) CgHaCOjHNOjNHCONHj,
13 5
P) C^HjCOjHNOjNHCONH,,
1 4 5
t) C,H^CO,HNO,HNCONH,,
13 3
S) C\^H,C02HN0,NHC0NH„
1 s 4
t) C.H.COjHNOjNHCONHj.
l S 6
!>!f a^ ß-, y-Säuren bilden sämmtUch gelbe Krystalle, schwer löslich in Wasser, leicht in
kodi^ndem Alkohol. Durch Kochen mit Kalilauge wird die ß- und $-Säure in m-p-Azimido-
lltiiÄOcsiiure (66), CgHjCOgHN — N, die y-Säure in o - m-Azimidobenzoesäure»
1 >\/*
NH
C|H|GÜ^FiN — N umgewandelt:
NH
NO, N\j^j^
CßHa NHCONH, = CgH,N/^" + CO, + H3O.
COOH CO,H
Benzoesäure. 187
Amidouramidobcn zocsäuren (55, 66), CgH^NHCONH^. Durch Einwirkung von
"COjH
Zinn und Salzsäure auf a-, p-, $-Nitrouramidobenzoesäurcn entstehen die entsprechenden Amido-
uramidobenzoesäuren. Die a- und ß-Säure bilden weisse Krystalle. Die $-Säure ist nicht be-
schrieben. Die a-Säure vereinigt sich mit Basen und Säuren, die ß-Säure nur mit Basen.
Werden die sehr verdünnten salzsauren Lösungen (66) der ß- und 5-Amidouramidobenzoe-
säurcn mit salpetrigsaurem Kali versetzt, so entsteht m-Azimidouramidobcnzosäure.
CO,H (i)
ß) CeHjNHCONH, (3) C0,H
NH, (4) _ r „ N '
CO„H (0 ■" ^« ' I ^N.CONH,.
6) C6H3NH, (3) N^
NHCONHj (4)
Durch Kochen der ß-Amidouramidobenzoesäure mit Salzsäure oder Barytwasser entsteht
unter Abspaltung von Ammoniak die sogen«
ß-Amidocarboxamidobenzoesäure (55), CgH^N^Cj, kleine weisse unlösliche
Kiystalle. Eine isomere Verbindung, die
f-Amidocarboxamidobenzoesäure (56), wird durch Reduction der y-Nitrouramido-
benzoesäure mit Zinn und Salzsäure dargestellt.
Dinitrouramidobenzoesäure (55, 66), C6H,N(NO,)CONH,.
COjH
Die a-, ß-, y-Säuren bilden gelblich weisse Kry stallnadeln, schwer hislich in Wasser, leicht
in Alkohol und Aether. Sie vereinigen sich mit Basen zu Salzen. Die S- und e-Säurcn sind
nicht näher beschrieben (s. jedoch Nitrouramidobenzoesäurcn).
m-Thiouramidobenzoesäure (56), CgH^QQ rj ^, entsteht beim
Verdampfen einer wässerigen Lösung von schwefelsaurer m-Amidobenzoesäure
und Sulfocyankalium. Kleine Krystalle, in kaltem Wasser und Alkohol schwer
löslich, leicht in heissem Wasser. Sie giebt mit Metallsalzen Niederschläge.
T^T-ir^QMr^ TT
Ein Phenylderivat (57), CgH^pQ tt ^ ^, wird aus m-Amidobenzoesäure und
Schwefel erhalten. Schmp. 190—191°.
m-Harnstoffbenzoesäure (Carboxamidobenzoesäure) (47, 58, 59, 64),
NHC H CO H
^^NHC*H*CO*H' ^^^s^^^^ durch Erhitzen von m-Uramidobenzoesäure auf 200°
(neben Harnstoff), von m-Urethanbenzoesäure über ihren Schmelzpunkt (189°) und
durch Entschwefelung von Schwefelharnstoffbenzoesäure mit Quecksilberoxyd.
Im Wasser, Alkohol und Aether fast unlöslich. Sie bildet Salze und wird aus
ihrem Kali- oder Ammonsalz durch Säuren in mikroskopischen Nadeln gefällt
Durch Erhitzen von m-Uramidobenzoesäureäthyläther über seinen Schmelzpunkt
entsteht der bei 162° schmelzende
Aethvläther CO^^^ß^*^^»^»^*
Acinyiamer, ^^NHCßH^COjCaHj'
p-Harnstoffbenzoesäure krystallisirt in Nadeln.
m-Schwefelharnstoffbenzoesäure, ^S^rTr^xj^rQ^jj» entsteht durch
Einwirkung von Schwefelkohlenstoff auf eine alkoholische Lösung von m-Amido-
benzoesäure (60):
und durch Erhitzen von Schwefelhamstoff (58) mit m-Amidobenzoesäure. Feine
Nadeln, welche über 300° unter Zersetzung schmelzen. Beim Kochen in Salz-
saure wird sie in
i88 Handwörterbuch der Chemie.
NCS
Senfölbenzoesäure (58), CgH^p^ „, ein amorphes Pulver, übergeführt.
Diamidobenzoesäure*), CeHg(NHj)jC03H. Die vier bis jetzt bekannten
Modificationen entstehen durch Reduction der Dinitrobenzoesäuren oder Nitro-
amidobenzoesäuren (s. d.). Der o-o-Dinitrobenzoesäure und o-p-Dinitrobenzoe-
säure entsprechende Diamidobenzoesäuren sind bis jetzt nicht dargestellt, da sie
sehr leicht in Kohlensäure und m-Phenylendiamin zerfallen.
Die Diamidobenzoesäuren zeigen saure und basische Eigenschaften, Beim
Erhitzen zerfallen dieselben leicht in Kohlensäure und Phenylendiamin.
1. o-m-Diamidobenzoesäure, CgH.COoHNHoNHj, entsteht aus o-Nitro-
m-Amidobenzoesäure (i, 2) und krystallisirt in gelblich weissen Nadeln. Bei der
Destillation entsteht o-Phenylendiamin. Durch salpetrige Säure wird sie in
CO3H
m-Azimidobenzoesäure, CrHjN-^^„, umgewandelt. '
Das schwefelsaure Sak, (CgH,(NH,)3COj)jH3SO^ +iH30, bildet schwer lösliche Tafeln.
2. O-m-Diamidobenzoesäure (2, 3), CgH.COnHNHjNHj, wird aus
1 ' .*
o - m - Dinitrobenzoesäure und aus den entsprechenden Nitroamidobenzoesäuren
(2, 3) dargestellt Kleine Prismen. In der neutralen Lösung erzeugt Kalium-
nitrit einen gelben Niederschlag. Sie liefert bei der Destillation p-Phenylendiamin.
Durch salpetrige Säure entsteht ein basischer Körper, C14H1JN5O4.
3. m-m-Diamidobenzoesäure, CgH.CO.HNHjNH,-!- H,0, entsteht aus
18 5
der entsprechenden Dinitrobenzoesäure (5). Sie krystallisirt in langen, fast weissen
Nadeln, welche gegen 240° schmelzen. Ziemlich schwer löslich in kaltem Wasser
(1000 Thle. lösen bei 8° 11 Thle.), leichter in heissem Wasser, leicht in Alkohol
und Aether. Sie liefert bei der Destillation mit Baryt m-Phenylendiamin (5). Eine
verdünnte wässrige Lösung wird durch salpetrige Säure gelb gefärbt Beim Erhitzen
mit Harnstoff entsteht Diuramidobenzoesäure.
Das schwefelsaure Salz, CgH,(NH,),CO,HHjSO^, büdet in Wasser und Alkohol
schwer lösliche Nadeln. Das salzsaure Salz, CgH,(NH,),C03H2HCl, Nadeln, leicht löslich
in Wasser und Alkohol. Barytsalz, (CgH,(NH2)aC03)3Ba -+- 1|H,0, Säulen, sehr leicht in
kaltem Wasser löslich.
•) i) GRIESS, Her. 2, pag. 435. 2) Grfess, Ber. 5, pag. 198—199. 3) Griess, J. pr. Ch.
(2) 5, pag. 231. 4) Gerdemann, Z. Ch. (2) i, pag. 51. 5) Wurster u. AMBüm., Her. 7,
pag. 213. 6) Griess, Ber. 2, pag. 47. 7) Muretov, Z. Ch. (2) 6. pag. 642. 8) Griess, Ber. ^,
pag. 39* 9) Brühl, Ber. 8, pag. 485. 10) Griess, Ber. 2, pag. 434 — 35. 11) Griess, Her. 5,
pag. 855—856. 12) Ladenburg u. ROgheimer, Ber. 11, pag. 595, 1656. 13) Salkowski,
Ann. 163, pag. 12. 14) Hübner u. Biedermann, Ann. 147, pag. 258 — 264. 15) Hübner und
Cunze, AniL 135, pag. iii. 16) Hübner u. Weiss, Ber. 6, pag. 175. 17) Hübner, Ber. 10^
pag. 1703. 18) Beilstein u. Kuhlberg, Ann. 152, pag. 240. 19) Burghard, Ber. 8, pag. 558
bis 560. 20) Smith, Ber. 10, pag. 1706. 21) Hübner, Philipp u. Ohly, Ann. 143, pag. 241
bis 244. 22) Hübner u. Petermann, Ann. 149, pag. 133—34. 23) Raveil, Ber. 10, pag. 1707.
24) Greiff, Ber. 13, pag. 288. 25) Beilstein u. Geitner, Ann. 139, pag. i, 26) Dies. 139,
pag. 6. 27) Vollbrecht, Ber. 10, pag. 1708. 28) Griess 154, pag. 332. 29) Grothe, J. pr.
Ch. (2) 18, pag. 326. 30) Benedikt, Ber. 8, pag. 384. 31) Michael u. Norton, Jahresb. 1878,
pag. 451 33) Griess, Ber. 11, pag. 1730— ^734. 34) Griess, J. pr. Ch. 5, pag. 234 n. ffi
35) Rahlis, Ann. 198, pag. 112. 36) Hübner, Ber. 8, pag. 1216, 1219. 37) Hübner, Ber. io>,
pag. 1698—99. 38) HÜBNER, Ann. 195, pag. 37. 39) Ber. 10, pag. 1702 — 4. 40) Salkowski,
Ann. 173, pag. 52. 41) Salkowski, Ann. 173, pag. 40. 42) Cahours, Ann. 74, pag. 308.
43) Salkowski, Ann. 163, pag. i. 44) Salkowski u. Rudolph, Ber. 10, pag. 1254. 45) Fus-
dcrici, Ber. 11, pag. 1975.
'■y--^^i^^m
Benzoesäure. 189
Diamidobenzamid (7), C6Hj(NH3)3CONHj, entsteht durch Reduktion von Dinitro-
benzamid. Grosse bräunliche KrystaUnadehi. Bildet auch saure Salze.
Hexamethyldiamidobenzoesäure (8), durch Einwirkung von Jodmethyl (6 Mol.) und
Aetckali (1 MoL) auf eine methylalkoholische Lösung (10 Thie.) von Diamidobenzoesäure
(l Thl.) entsteht das in sechsseitigen Tafeln krystallisirende Jodid, CyHj(CH3)eN202 .2JH
N(CH,)J
+ H,0 = [CeH,N(CH3),J] (?) (9), welches beim Kochen mit Silberoxyd die freie Base als
CO,H
hygroskopische, aus zarten weissen Blättchen bestehende Krystallmasse liefert. Dieselbe ist stark
basisch, zieht Kohlensäure an und fUllt Metalloxyde.
Das salzsaure Salz, C,H,(CH3)5NjOj 2HC1 -f- 4HjjO, bildet scchsseirige Blättchen. Das
kohlensaure Salz bildet in Wasser leicht lösliche Blättchen mit stark alkalischer Reaktion.
4. m-p-Diamidobenzoesäure (2, 10, 11), CgHjCOjHNHjNHj, entsteht
1 34
aus den entsprechenden Nitroamidobenzoesäuren (6 und 7). Blättchen, welche
unter Zersetzung gegen 211^ schmelzen. Schwer in kaltem, leicht in heissem
Wasser löslich. Liefert bei der Destillation mit Kalk o-Phenylendiamin. Durch
CO,H
salpetrige Säure entsteht m-p-Azimidobenzoesäure, CgHjN-^^-j
Das schwefelsaure Salz bildet schwer lösliche Blättchen.
Triamidobenzoesäure (13), CgHjCOjHNHjNHjNH«, 4H«0, entsteht
1 945
durch Reduction von Dinitro-p-amidobenzoesäure mit Zinn und Salzsäure und wird aus der vom
Zinn befreiten und eingedampften Lösung durch essigsaures Natron in Form feiner Nadeln abge-
schieden, welche durch Umkrystallisiren aus Wasser zu reinigen sind.
Glänzende, schwach braun gefärbte Nadeln, seh wer löslich in kaltem Wasser,
Alkohol und Aether, leicht in heissem Wasser. Sie reagirt sauer. Bei der
trockenen Destillation zerfallt sie in Triamidobenzol und Kohlensäure. Zwei-
säurige Base; einbasische Säure.
SalzsaurcsSalz, C6Hj(NHj)3CO,H.2Ha, bildet leicht lösliche Nadeln. Schwefel-
saures Salz, C6H3(NH,),CO,H.H3SO^ + HjO, hellbraune Tafeln.
Kalk salz, (CgH2(NH2)sC02),Ca, braune, harte krystallinische Krusten.
Triamidobenzoesäure (65), CgH^CÖjHNHjNHjNHa, entsteht durch
1 9 s 5
Einwirkung von Zinn und Salzsäure auf Azodimetadiamidobenzoesäure p-Benzol-
NrrrrNCßH^SOjH
sulfosäure, CßH3(NH,)2, , welche dabei in Sulfanilsäure und Triamido-
COjH
benzoesäure zerfällt. Sie bildet farblose Warzen, welche bald braun werden.
Das schwefelsaure Salz ist selbst in heissem Hj,0 schwer löslich.
Chlor amidobenzoesäuren, CgH,ClNH,CO,H, entstehen durch Reduction der ent-
^rechenden Chlornitrobenzoesäuren. Als Reductionsmittel dient Zinn und Salzsäure.
1. (a) o-Chlor-mAmidobenzoesäure (14), CgH.COjHClNH,. kleine, bei 212*'
1 2 (3-5)?
schmelzende Nadeln. Wird durch Natriumamalgam in m-Amidobenzoesäure Ubergefllhrt.
2. (p) m-Chlor-o-Amidobenzoesäure (15, 16), gelbe, bei 148® schmelzende und
subUmirbare Krystalle. Schwer in Wasser, leicht in Alkohol löslich. Sie wird durch salpetrige
Siure in Chlorsalylsäure Übergeführt. Baryt- und Kalksalz krystallisiren mit 2^ Mol. H^O
iHid sind schwer löslich.
3. (8) m-Chlor-m-Amidobenzoesäure (17), CgHjCOjjH- CINH,, lange, bei 215— 216®
1 35
scbmeUende Nadeln.
4. (c) p-Chlor-mAmidobenzoesäure (14), CgHjCOjHClNH,, kurze, farblose, bei
1 4 i
212® scfamekende Nadeln. Wird durch Natriumamalgam in m-Amidobenzoesäure tibergefUhrt.
Trichloramidobenzoesäure (18), CgHCljNHjCOjH, entsteht aus Trichlomitrobenzoe-
190 Handwörterbuch der Chemie.
säure und bildet feine, bei 210^ schmelzende Nadeln. Schwer löslich in heissem Wasser. Baryt-
salz, (CßHCl3NH.XOj)2Ba4-3H.^O, leicht lösliche Säulen.
Bromamidobenzoesäuren, CgHjBrNHgCOjH, entstehen durch Reduktion der
entsprechenden Bromnitrobenzoesäuren.
1. (a) o-Brom-m-Amidobenzoesäure (19,20), C^HjCOjHBrNH,, breite, bei 180<*
1 3 &
schmelzende Nadeln, leicht löslich in Wasser.
2. (ß) m-Brom-o-Amidobenzoesäure (21, 22), CßHjCOjHBrNHj. lange, bei 208®
1 3 6
schmelzende Nadeln. Wird durch Natriumamalgam in o-Amidobenzoesäure Übergeführt.
3. (y) m-Brom-o-AmidobeDzoesäure (21, 23), CgHjCOjHBrNHj, in Wasser schwer
I 5 6
lösliche Nadeln, welche bei 171 — 172^ schmelzen. Durch Natriumamalgam wird sie in o-Ami-
dobenzoesäure Ubergefllhrt.
4. ifi) p-Brom-m-Amidobenzoesäure (19, 22), CgHgCOjHBrNHj, hellgelbe, bei
1 4 s
220 — 221 ^ schmelzende Nadeln. Wird durch Natriumamalgam in m-Amidobenzoesäure Ubergefiiliit
Dibromamidobenzoesäure, CgHjBrjjNH^COjH.
Dibrom-o-Amidobenzoesäure (20, 24), CgHjCOjHNHjBrBr, entsteht durch Reduc-
1 '^8 4
tion der bei 162^ schmelzenden Dibromnitrobenzoesäure und durch Einwirkung von Brom auf
o-Nitrotoluol, welches auf 170" erhitzt ist. Farblose bei 225° schmelzende Nadeln. Durch
Natriumamalgam entsteht o-Amidobenzoesäure.
Dibrom-p-Amidobenzoesäure (25), CgHjCOjjHNH,BrBr, entsteht neben Tribromanilin
1 4 3 s
durch Einwirkung von überschüssigem Bromwasscr auf eine wässrige Lösung von p-Amidoben-
zoesäure. Die Säure wird durch Auflösen in Ammoniak und Ausfällen mit Salzsäure gereinigt
Sie krystallisirt aus Alkohol in bräunlichen Nadeln. Sie wird, über ihren Schmelzpunkt erhitzt,
zersetzt. Durch salpetrige Säure entsteht y-Dibrombenzoesäure (Sclmip. 209°).
Natronsalz, CgH.jBr.^NHj5COjjNa-|-5Hj,Ü, krystallisirt in seideglänzenden Nadeln.
Barytsalz, (C6H5,BraNH2C02)j,Ba + -IHyO, lange KrystaUe.
Tribrom-m-Amidobenzoesäure (26, 27), CgHBr3NHjCO.jH, entsteht durch Ein-
wirkung von Bromwasser auf m-Amidobenzoesäure. In Wasser schwer lösliche Nadeln, welche
bei 170'5° schmelzen. Zerfällt bei der Destillation in Kohlensäure und Tribromanilin. Barium-
salz, (CgHBr3NHjC05,)3Ba + 5iH20, krystallisirt in Tafeln.
Tribromdiamidobenzoesaure (28), CgBr3(NHj)2COjH, aus m-m-Diamidoben-
zoesäure und Brom dargestellt, bildet lange, weisse Nadeln.
Jodamidobenzoesäure (29), CgHjJNHjCOjH.
Die zwei bis jetzt dargestellten Säuren entstehen durch Reduktion der a- und ^mjod-o-
nitrobenzoesäure.
a-m-Jod-o-Amidobenzoesäure, bildet dunkelbraune, leicht lösliche Krystalle,
welche bei 137° schmelzen. Geht durch Reduction in o-Amidobenzoesäure über. Barytsalz,
(CgH3JNH.jC02)2Ba-|-H20, rechtwinklige Tafehi. Salzsaures Salz, CgHJNHjCOjHHCl,
Nadehi.
ß-m-Jod-o-Amidobenzoesäure schmilzt bei 209° unter Zersetzung. Die Salze sind
leicht zersetzlich. Barytsalz ist wasserfrei.
Dijod-m-Amidobcnzoesäure (30), CgHjjJjNHjCOjH, wird durch Eintragen von
Chlorjod (2 Mol.) und Quecksilberoxyd in eine alkoholische Lösung von m-Amidobenzoesäure
(l Mol.) dargestellt und bildet lange unter Zersetzung schmelzende Nadeln. In Wasser schwer,
in Alkohol leicht löslich.
Dijod-p-Amidobenzoesäure (31), CgH^JjjNH^COjjH, entsteht durch Eintragen
von Chloijod (2 Mol.) auf eine Lösung von p-Amidobenzoesäure in überschüssiger Saksäure.
Die in Wasser unlösliche Säure bildet weisse Über 300° schmelzende Blättchen. Verbindet sich
nicht mit Säuren. Barytsalz, (CeHj2NHj,COj,)jjBa + 4H5,0, Nadeln, in kaltem Wasser
fast unlöslich, in heissem leichter löslich.
Nitro am idobenzoesäuren, CßHjNOjNHjCOjH.
o-Nitro-m-Aniidobenzoesäure (2, 10, 33, 34), C»;H3COjjHNOj.NH^,
Benzoesäure. 19 1
entsteht durch Kochen von f-Dinitro-m-uramidobenzoesäure mit Wasser. Dicke
Säulen. Leicht löslich in heissem Wasser in Alkohol und Aether. Durch Re-
duction entsteht (i) o-m-Diamidobenzoesäure.
Barytsalz, (CgH3NOaNHj,COj),Ba + 7H,0, in Wasser sehr leicht lösliche Nadeln.
2. o-Nitro-m-Amidobenzoesäure (i, 2, ^^)f CßHgCOjHNO^iNHj, aus
1 2*5
a-Dinitro-m-Uramidobenzoesäure dargestellt, bildet gelbe Nadeln. Durch salpetrige
Säure wird sie in o-Nitrobenzoesäure, durch Reductionsmittel in o-m-Diamido-
benzoesäure übergeführt.
Barytsalz, (CgH3NO,NH,CO,)2Ba + SH^O, gelbe, in Wasser leicht lösliche Nadeln.
3. m-Nitro-o-Amidobenzoesäure, CßHjCOgHNOjNHg, entsteht durch
1 3 6
Kochen von E-Dinitro-o-Uramidobenzoesäure (33) mit Wasser, durch Kochen von
ihrem Amid (s. d.) mit Barytlösung und durch Erhitzen von a-o-Brom-m-Nitro-
benzoesäure (35) mit Ammoniak. Feine, gelbe Nadeln, welche bei 2G3° (36)
schmelzen. Sie wird durch salpetrige Säure in m-Nitrobenzoesäure, durch Reduc-
tionsmittel in o-m-Diamidobenzoesäure übergeführt.
Barytsalz, (C6H,NOjNH,CO,),Ba + SH^jO, lange gelbe Nadeln.
Amid (36), C6HjNOjNH.^CONHj, aus dem Diäthyläther, der bei 228^ schmelzenden
Nitrosalicylsäure dargestellt, bildet bei 140^ schmelzende Nadeln.
4. ro-Nitro-o-Amidobenzoesäure (36, 37, 38), CgNaCOjHNOgNH,,
1 5 6
entsteht durch Kochen ihres Amids mit Barytwasser. Lange gelbe Nadeln, welche
bei 204^ schmelzen. Wird durch salpetrige Säure in m-Nitrobenzoesäure über-
geführt.
Barytsalz, (CgH5NOjNHj,CO,)jBa-i-2HjO, schwer löslich in kaltem, leicht in heissem
Wasser.
Aethyläther, CgHjNOjNHjCOjC^Hs, bei 104^^ schmelzende Blättchen.
.Amid, CgHjNOjNHjjCONHj, aus dem Aether der bei 144— 145^ schmelzenden Nitro-
salicylsäure mit Ammoniak dargestellt, bildet bei 109" schmelzende Blätter oder Nadeln.
5. m-Nitro-m-Amidobenzoesäure (39), C6H3CO2HNO2NHJ, entsteht
1 3 &
durch Reduction von m-m-Dinitrobenzoesäure mit Schwefelammonium. Lange,
helle, goldglänzende Nadeln, welche bei 208° schmelzen. Durch salpetrige
Säure entsteht m-Nitrobenzoesäure. Durch Einwirkung von Bromäthyl wird sie in
NO2
Nitroäthylamidobenzoesäure, CßHaNH^CaHg) (Schmp. 208°) übergeführt.
CO^H
6. m-Nitro-p-Amidobenzoesäure, CeHgCOjHNOjNHj, entsteht aus
13 4
Dinitro-p-Uramidobenzoesäure (11) und durch Erhitzen von Nitroanissäure
mit Ammoniak (40). Gelbe Blättchen. Schmp. 284° Durch salpetrige Säure
entsteht m-Nitrobenzoesäure, durch Reductionsmittel m-p-Diamidobenzoesäure.
Barytsalz, (CeH3NOj,NH.^C02)3Ba -r 5HjO, selbst in heissem Wasser schwer lös-
liche rothgelbe Nadeln.
7. p-Nitro-m-Amidobenzoesäure (i, 2), CcHoCOaHNOjNH«, entsteht
14 5
aus ß-Dinitro-m-Uramidobenzoesäure. Gelbrothe Blätttchen. Sie wird durch
Reductionsmittel in m-p-Diamidobenzoesäure umgewandelt.
Barytsalz, (C6HjNOjNHjCO.j).^Ba4-2H20, gelbrothe Säulen, schwer in kaltem,
leichter in heissem Wasser löslich.
Dinitroamidobenzoesäure, C6Hj(N03)2NH3C02H; es ist ein Dinitro-
derivat der o- und p-Amidobenzoezäure bekannt.
Dinitro-o-Amidobenzocsäure (41), CcH.^COgHNH^NOj^NOa. Der
4
192 Handwörterbuch der Chemie.
Aether oder das Ammoniaksalz entstehen durch Erhitzen von Diroethyl- oder Diäthy)-
äther der bei 173° schmelzenden Dinitrosalicylsäure mit Ammoniak.
COjCHs CO^CH,
CßHaOCH, H- NHg = CßHaNHg ■+- CH.OH.
(N0,)8 (NOg),
Die Säure krystallisirt aus siedendem Alkohol in goldglänzenden, bei 256°
schmelzenden Schuppen.
Natronsalz, C6H2NH./NOj)3,C03Na -f- HgO, lange gelbe Schupperi.
Methyläther und Aethylhther bilden gelbe, bei 165^ resp. 135" schmelzende Blättchen.
D i n i t r o-p-Am idobenzoesäure, Chrysanissäure(42)C6 H^CO^HNO j NH^NOj
1 s 4 s *
entsteht durch Einwirkung von Ammoniak auf Dinitroanissäure (43) und durch
Oxydation von Dinitro-p-Toluidin (45) (Schmp. 168°) mit chromsaurem Kali und
Schwefelsäure.
Zur Darstellung (42, 43) wird Nitroanissäure mit dem dreifachen Gewicht rother, rauchender
Salpetersäure gekocht oder die Säure (40 Grm.) in ein kaltes Gemisch von 140 Grm. Salpetersäure
(1*4 spec. Gew.) und IGO Grm. Schwefelsäure eingetragen. Das Rohprodukt, welches ausser
Dinitroanissäure, Di- und Trinitroanisol enthält, wird mit Ammoniak gekocht, die Chrysanissäure aus
dem Filtrat mit Salzsäure gefällt und aus Alkohol umkrystallisirt.
Sie krystallisirt aus heissem Wasser in Nadeln, aus Alkohol in goldglänzen-
den Blättchen, welche bei 259° schmelzen. Schwer löslich in Wasser, leicht in
Alkohol. Die Säure wird durch Zinn und Salzsäure in Triamidobenzoesäure,
durch Schwefelammonium in Nitrodiamidobenzoesäure übergeführt. Durch Kochen
mit Kali entsteht Nitro-p-Oxybenzoesäure, welche durch Erhitzen mit Wasser auf
170° in Kohlensäure und 0-0-Dinitrophenol (44), CßHgOHNOjNOg, gespalten
1 8 6
wird. Durch Erhitzen mit conc. Salzsäure wird ß-Trichlorbenzoe säure gebildet
Ammonsalz bildet glänzende gelbe Nadeln.
Methyläther, aus chrysanissaurem Silber und Jodmethyl dargestellt, bildet goldglänzende,
bei 144® schmelzende Blättchen.
Aethyläther bei 114® sehmelzende, grosse, glasglänzende Blätter.
Benzoylderivate der Oxysäuren.
OCOC H
Benzoylglycolsäure*), CH^qq h ^ ^' entsteht durch Einwirknng von
salpetriger Säure (i) auf eine wässrige Lösung von Hippursäure:
CH^gg^H ^«"* + NO,H = CH^gg^^H^e«» + H,0 + 2N.
•) i) Strecker, Ann. 68, pag. 54. 2) Gössmann, Ann. 90, pag. 181, Conrad, J. pr.
Ch. [2] 15, pag. 251. 3) Otto, Ann. 145, pag. 350. 4) Strecker u. Sokoloff, Ann. 80, pag. 17.
5 Dies., Ann. 80, pag. 42. 6) Wislicenus, Ann. 133, pag. 264. 7) Dessaignes, Jahr. 1867,
pag. 307. 8) Perkin, Ann. Suppl. 5, pag. 274. 9) Anschütz u. Pictet, Ber. 13, pag. 11 78. j
10) Engelhardt und Latschinoff, Z. Ch. 1868, pag. 234. 11) Lössner, J. pr. Ch. [a] 10, i
pag. 235- 12) ZiNiN, Ann. 92, pag. 403. Geuther, Scheitz u. Marsh, Z. Ch. 1868, pag. 305. !
13) Miquel, Ann. ehm. ii, pag. 289 u. ff. 14) Leuckart, Joum. pr. Ch. [2] 21, pag. 33.
15) Creath, Ber. 7, pag. 1739. 16) Kretschmar, Ber. 8, pag. 103. 17) Pike, Ber. 6, pag. 755.
18) Kraut, Jahresber. 1858, pag. 573. 19) Henneberg, Stohmann u. Rautenberg, Ajxn. 124,
pag. 181. 20) Liebig, Ann. 50, pag. 170. 21) Hofmeister, Jahresber. 1873, pag. 870.
22) Schwarz, Ann. 54, pag. 29. 23) Hallwachs, Ann. 106, pag. 164. 24) Weismann, Jahres-
bericht 1858, pag. 572. 25) Verdeil u. Dollfuss, Ann. 74, pag. 214. 26) Meissner u- Shk-
PARD, Untersuchungen Über die Entstehung der Hippursäure im thierischen Organismus. HaxiDo-
ver 1866. 27) Lautemann, Ann. 125, pag. 9. 28) Grabe u. Schultzen, Ann. 142, pag. 346.
29) E. Salkowski u. H. Salkovvski, Ber. 12, pag. 653. 30) Naunyn u. Schultzen, Z. ehem. 1868,
r
■'V'^W'^-
Benzoesäure. I93
oder durch Einleiten von Chlor (2) in eine alkalische Lösung der letz-
teren. Sie krystallisirt in Säulen oder Tafeln. Schwer löslich in kaltem
Wasser, leicht in heissem, in Alkohol und Aether. Durch Kochen mit Wasser
oder besser mit Säuren resp. Alkalien zeriällt sie in Benzoesäure und Glycol-
säure. Durch Natriumamalgam (3) wird sie in zwei isomere Wasserstoff reichere
Säuren C, 3H24O7 umgewandelt, welche wenig untersucht sind. Die Salze (4)
sind meist krystallinisch.
Das Kalksalz, (C9H70^)jCa4- H,0, bildet feine Nadeln. Ebenso das Barytsalz.
Der Aethyläther, aus Chloressigsäureäther und benzoesaurem Natron dargestellt, siedet bei
277-2790
OCOC H
Benzoylmilchsäure, CH,CHqq jt * *» wird durch Erhitzen von Ben-
zoesäure (3) mit Milchsäure auf 180° und durch Einwirkung von Benzoyl-
Chlorid (6) auf Milchsäure oder deren Salze dargestellt. Sie krystallisirt in farb-
losen, bei 112° schmelzenden Tafeln, welche schwer löslich in Wasser sind.
Die Salze krystallisiren. Der bei 188° siedende
OCOC H
Aethyläther, CHjCHp^ r H ^* ^^^^ durch alkoholisches Ammoniak in das Amid (6)
CH,CH^q2^«^5 umgewandelt, welches bei 124° schmelzende Warzen bildet.
Bei allen Darstellungen der Benzoylmilchsäure entsteht ein öliges Hydrat (6),
CiqHiqO^ -hHjO, welches bei längerem Stehen in die krystallisirte Säure
übergeht.
Benzoylweinsaure, CHfOffiCO H ' durch Erhitzen von Wemsäure
(7) und Benzoesäure dargestellt, bildet mikroskopische Warzen. Ihr
Aethyläther (8), CuHgO^CCjHs),, welcher durch Behandlung von WeinsäureUthyläther
mit Benzoylchlorid entsteht, bildet bei 64^ schmelzende Prismen.
Durch verdünntes alkoholisches Kali wird er in
Aethylbenzoylweinsäure,QTj>QUNQ(5 H * ^ ^, übergeführt, welche
in Wasser schwer lösliche Krystallbtischel bildet. Durch Acetylchlorid wird der
Benzoylweinsäureäther in
Acetylbenzoylweinsaureathylather, rnrOCOCH VcO C H ' ^'^
dickflüssiges Oel, umgewandelt.
pag. 29. 31) Schmiedeberg u. Bunge, Jahresber. 1876, pag. 66. 32) Jahresber. f. Thierchem. 1879,
pag.356,' Ber. 12, pag. 2164. 33) Low, J. pr. ehem. [2] 19, pag. 309. 34) Dessaignes, Ann. 87,
P*C*325* 35) Derselbe, Jahresber. 1857, pag. 367. 36) Jazukowitsch, Jahresber. 1867, pag. 430.
37) CuRTius, J. pr. Ch. 26, pag. 145 u. flf. 38) Conrad, J. pr. Ch. 15, pag. 241. 39) LiM-
PRiCHT u. USLAR, Ann. 88, pag. 33. 40) Kraut, Jahresber. 1863, pag. 348. 41) Schwarz,
Ann. 75, pag. 201. Jahresber. 1878, pag. 775. Maier, Ann. 127, pag. 161. 42) Gorup-Besanez,
Ann. 125, pag. 217. 43) Warklyn u. Chapmann, Jahresb. 1868, pag. 296. 44) Otto, Ann. 134,
pag- 303. 45) Schwanert, Ann. 112, pag. 59. 46) Schwarz, Ann. 54, pag. 29; 75, pag. 192.
Schabus, Jahresber. 1850, pag. 411. Kraut u. Hartmann, Ann. 133, pag. 107. 47) Sal-
Kowsn, Jahresber. 1867, pag. 429. Putz, Jahresber. 1877, pag. 795. 48) Campani u. Bizzori,
BolL s. ch. 34, pag. 527. 49) Campani, Ber. 1 1, pag. 1247. 50) Jaquemin u. Schlagdeschauffen,
Jahresber. 1857, pag. 368. 51) Otto, Ann. 122, pag. 129. 52) Bertagnini, Ann. 78,
pag. 100— 112. 53) Schwanert, Ann. 122, pag. 129. 54) Conrad, J. pr. Ch. 15, pag. 254—258.
55) Maier, Z. Ch. 1865, pag. 415. 56) Preusse, Hoppe -Seiler, Jahresber. 5, pag. 63.
57) GRIESS, Ber. i, pag. 190. 58) Jaff^ Ber. 7, pag. 1673. 59) Griess, J. pr. Ch. i, pag. 235.
60) CüRTiüs, J. pr. Ch. 26, pag. 145 u. ff. 61) Ders., Ber. i6, pag. 756. 62) Jaffäe, Ber. 10,
pag. 1925; II, pag. 406. 63) Destrem, Ber. 12, pag. 290, 373.
LAOB.iBtJKG, Chemie. U. I3
s
i^ Handwörterbuch der Chemie.
Dibenzoylweinsäureanhydrid (9), C2ii2i^^^^6^b)iCO^^' ^^^^^^^
durch Einwirkung von Benzoylchlorid auf trockene Weinsäure und krystallisirt
aus Alkohol in weissen, bei 174^ schmelzenden Nadeln.
Benzoyltraubensäureäther(8), €1111807(09115)5, wird aus Benzoylchlorid
und Traubensäure erhalten. Krystalle, welche bei 57° schmelzen.
CH OCOC H
Benzoylisäthionsäure (10), Qjj^gQ h ^ *' Freie Säure nicht bekannt
OCOC H
Das Kaliumsalz, CgH^ qq j^ ^ *, entsteht durch Erwärmen von Benzoylchlorid mit
isäthionsaurem Kali auf 150°. Es krystallisirt aus siedendem Wasser in grossen
Tafeln, aus Alkohol in dünnen Blättern. Bariumsalz, (C9H9S05)5Ba -hH^O,
grosse dünne Tafeln, in kaltem Wasser ziemlich schwer löslich.
Benzoylderivate der Amidosäuren.
Benzoylderivate der Carbaminsäure. Benzoylcarbaminsäure
NHCOC H
äthyläther (11), COqq h ^ ^t wird durch Kochen einer verdünnten alko-
holischen Lösung von Benzoylthiocarbaminsäureäther mit Bleioxyd dargestellt
und krystallisirt aus 40 — 45proc. Alkohol in kurzen, bei 119° schmelzenden
Nadeln. Leicht löslich in absolutem Alkohol und Aether, schwer in Wasser.
Er enthält ein durch Kalium ersetzbares Wasserstoffatom. Das Salz, C^ ^Hj j^NOjK,
fällt beim Vermischen der alkoholischen Lösung mit alkoholischem Kali als
kömiger Niederschlag aus und ist leicht löslich in Wasser.
NHCOC H
Benzoylharnstoff (12), COj^tt ^ *, wird durch Erhitzen von Harn-
stoff mit Chlorbenzoyl oder Benzoesäureanhydrid dargestellt und krystallisirt aus
Alkohol in dünnen flachen Blättern, welche gegen 200° schmelzen. 1 Thl. ist in
24 Thln. siedendem Alkohol löslich. Bei vorsichtigem Erhitzen zerfällt er in
Benzamid uud Cyanursäure.
Aethylbenzoylharnstoff existirt in zwei isomeren Modificationen.
NHCOC H
1- ^^NHC H* * entsteht durch Entschwefelung des Aethylthioben2oylhamstofl&( 13) mittelst
gelben QuecksUberoxyds und bildet rhomboedrische, bei 192° schmelzende Krystalle. Durch
Einwirkung von Chlorbenzoyl auf AethylhamstofF entsteht (14) ein bei 168® schmelzender, in
Nadeln krystallisirender Aethylbenzoylharnstoff, vielleicht identisch mit jenem.
2. C0^^2^5)COCgH5^ ^^^^^ Behandlung des Benzoylthiocarbaminsäureäthers (11) mit
alkoholischem Ammoniak dargestellt, krystallisirt aus 40 — -iöproc. Alkohol in ziemlich grossen
Rhomboedem. Durch Einwirkung von Benzoylchlorid wird er in einen bei 191® schmelzenden
Körper übergeführt.
NHCOC H
Dibenzoylharnstoff (15), ^^nHCOC^H^' entsteht durch Erhitzen von
Benzamid mit Chlorkohlenoxyd auf 160—170° und durch Einwirkung von Ben-
zoesäureanhydrid auf kohlensaures Guanidin bei 100°. Er krystallisirt aus heissem
Alkohol in Nadeln. Schmp. 210°. Zerfallt beim Kochen mit Salzsäure in Am-
moniak und Benzoesäure.
NHCOC H
Benzoylallophansäureäther (16), COj^jj^q ^ j| , durch Erhitzen von
Benzoylchlorid mit Urethan dargestellt, bildet bei 163° schmelzende Krystalle.
Guanidinderivate, s. Guanidin.
NHCOC H
Benzoylthiocarbaminsäure (13), CSqjj ^ ^. Die Säure ist nicht
Benzoesäure. 195
bekannt. Ihre Aether entstehen durch Einwirkung von Alkoholen und Phenolen
auf Rhodanbenzoyl.
Methyläther, CSq^^^^«^* (13), feine farblose Nadeln, welche bei 97°
s
schmelzen. Schwer löslich in Wasser, leicht in Alkohol und Aether. Beim Er-
hitzen mit Wasser auf 100° zerfallt er in Kohlensäure, Schwefelwasserstoff,
Methylalkohol und Benzamid, beim Erhitzen auf 155° wird Ammoniak und Ben-
zoesäure erzeugt. Durch alkoholisches Natron wird er in ein kiystallinisches
Natronsalz, C^HgNSOaNa übergeftihrt.
NHCOC H
Aethyläther (11, 13), CSqq h ^ *' in Wasser sehr schwer, in Alkohol
und Aether schwer lösliche, gelbe, prismatische Krystalle, welche bei 73 — 74*^
schmelzen. Durch alkoholisches Kali entsteht das Salz, CioH^^NSO^K (11),
welches beim Digeriren mit Bromäthyl in alkoholischer Lösung ein schweres
gelbes Oel, CSq^^« »^«^ (?) liefert Dasselbe zerfällt bereits bei 45 » in
Mercaptan und Benzonitril. Durch alkoholisches Ammoniak Wird es in Aethyl-
benzoylhamstoff übergeführt.
Amyläther (13), kleine Prismen.
NHCOC «H
Phenyläther (13), CSqq h ** '^^ schwach gelbe, bei 93° schmelzende
Krystalle, unlöslich in Wasser, leicht löslich in Alkohol und Aether.
NHCOC H
Benzoy^thioharnstoff, CSj^ jj ^ *, entsteht durch Erhitzen von Thio-
hamstoff (17) mit Benzoylchlorid auf 120° und durch Einwirkung von Rhodan-
benzoyl (13) auf schwaches Ammoniak. Er krystallisirt aus siedendem, wässngen
Alkohol in prismatischen Krystallen, welche bei 171° schmelzen. Schwer löslich
in kaltem Wasser.
NHCOC H
Aethylbenzoylthioharnstoff (13), CSj^u/-. jj * *' ^^^ Aethylamin und Rhodan-
benzoyl dargestellt, bildet feine Prismen, welche bei 134° schmelzen. In Wasser unlöslich,
leicht löslich in siedendem Alkohol.
NHCOC H
Phenylbenzoylthioharnstoff (13), CSj^„^ H * *' ^^^ Anilin und Rhodanbenzoyl
erhalten, bildet lange, bei 148 — 149° schmelzende Nadeln. Salpetersäure erzeugt
Nitrophenylbenzoylthioharnstoff, Schmelzp. 230°.
NHCOC H
Benzylbenzoylthiohamstoff (13), CSj^„pTT A t| t Prismen. Schmelzp. 145°.
NHCOC H
p-Tolylbenzoylthioharnstoff (13), CSj^jj^ „ CH ' ^*°^® ^^ ^^^° schmelzende
Prismen.
N HCOC H
Naphtylbenzoylthioharnstoflf (13), CS^^^^^ jj* *, gelbe, metallisch glänzende, bei
172 — 173° schmelzende Prismen.
Er wird durch Salpetersäure in ein Nitroprodukt umgewandelt
NHCOC H
Benzoylamidoessigsäure,Hippursäure, CHgQQ xT * *• Die Säure,
bereits von Rouelle im Kuhham aufgefunden, wurde von Vauquelin und
FouRCROY nach ihrem Vorkommen im Pferdeham Hippursäure genannt.
Vorkommen und Bildungsweisen. Die Säure findet sich als normaler
Bestandtheil im Harn von Pflanzenfressern, besonders von Ochsen (19), Kühen (18),
Pferden (20), Schafen (21), Kameelen (22) etc. Der Gehalt des Harns an Hippur-
säure hängt von der Art des Futters und der Arbeit der Thiere ab. Der Harn
13*
196 Handwörterbuch der Chemie.
von Pferden (20), welche stark angestrengt werden, enthält z. B. nur Benzoesäure.
Im normalen Menschenharn sind etwa 0'03 — 004J^ Hippursäure enthalten; die
Menge derselben kann jedoch durch vorherrschende vegetabilische Nahrung (24)
und durch krankhafte Zustände des Organismus gesteigert werden. Im Ochsen-
harn (19), können bis zu 2*7 J Hippursäure enthalten sein, der Kuhham (19), ent-
hält durchschnittlich 1*3^. Ausser im Harn Rndet sich die Hippursäure fertig ge-
gebildet im Ochsenblut (25); sie ist auch in den Hautschuppen des Menschen bei
Ichthyose aufgefunden worden.
lieber die Entstehung (26) der Hippursäure im Thierkörper sind zahlreiche
Untersuchungen angestellt worden. Gewisse aromatische Substanzen, z. B. Benzoe-
säure (27), Toluol (30), Phenylessigsäure (29), Phenylpropionsäure (29), Mandel-
säure (28), Zimmtsäure (28), Chinasäure (27), gehen innerlich genommen in
Hippursäure über. Substituirte Benzoesäuren werden auf dieselbe Weise in
substituirte Hippursäuren, Homologe der Benzoesäure in Homologe der Hippur-
säure umgewandelt, so dass die Fähigkeit des thierischen Organismus, aromatische
Säuren mit GlycocoU zu vereinigen, ganz allgemein zu sein scheint.
CßHsCOOH -h CH,(NH2)COOH = H^O -h CH, Jqq^^«^*.
Sie wird nur durch anormale Zustände, z. B. durch Nierenaffectionen beim
Menschen aufgehoben.
Die Bildung der Hippursäure wird durch die Nieren (31) vermittelt; bei
einigen Thieren scheint sie jedoch auch in der Leber und im Darm (32) vor
sich zu gehen. Aid Quelle der im Harn von Pflanzenfressern auftretenden Hippur-
säure kann mit ziemlicher Sicherheit die in den Pflanzen vorkommende Benzoe-
säure resp. Chinasäure (33) angesehen werden. Ein Theil verdankt jedoch
seine Entstehung den Eiweisskörpem (29), aus denen bei der pankreatischen
Fäulniss sehr frühzeitig Phenylpropionsäure entsteht, welche dann im Organismus
in Hippursäure übergeht Auf diese Weise lässt sich auch die Anwesenheit von
Hippursäure im Harn von Fleischessern und Hungernden erklären.
Synthetisch entsteht die Hippursäure durch Einwirkung von Glycocollzink {34)
auf Chlorbenzoyl, durch Erhitzen von GlycocoU mit Benzoesäure (35) auf 160**,
durch Erhitzen von Benzamid (36) mit Chloressigsäure auf dieselbe Temperatur
und durch Erwärmen von Glycocollsilber (37) mit einer Lösung von Benzoyl-
Chlorid in Benzol, in letzterem Falle neben Hippuiylamidoessigsäure,
^^«CO^H ^^'^^^^^'^'' "'^^ ^^'^^^ Sä"^^' CioHi.NjO,.
CHscSoH -+-^6H5COCl=CH2^g§2^«^^ 4- AgCl.
2CH,J^g5fjH-2CeH5COCl=CH,gg§2^^«^^^^^"sH-2AgCl4-C^
' Zur Darstellung der Hippursäure wird das aus dem Harn von Pflanzenfressern durch
Salzsäure abgeschiedene Produkt mit etwas weniger Wasser versetzt, als zur völligen Lösung bei
Siedehitze erforderlich ist, die Masse durch Dampf zum Sieden gebracht und gleichzeitig Chlor
eingeleitet, bis der Geruch desselben deutlich wird. Die heiss filtrirte Lösung wird rasch, am
besten durch Vertheilung und häufiges Umgiessen abgekühlt, und die abgeschiedene Säure noch
einmal in derselben Weise mit Chlor behandelt, bis die braune Lösung hellgelb geworden ist.
Durch einmaliges Umkrystallisiren unter Zusatz von Thierkohle wird die aus dieser Lösung ab-
geschiedene Säure rein erhalten.
Die Hippursäure krystallisirt aus heissem Wasser in farblosen, langen, rhom-
bischen Prismen, welche bisweilen undurchsichtig sind. Schmelzp. (38) 187'5^
Benzoesäure. 197
Sic ist schwer löslich in kaltem Wasser (1 Thl. in 600 Thln. HjO bei O"") und
Alkohol, leichter bei Siedehitze. Sie ist fast unlöslich in kaltem Aether, Benzol
und Schwefelkohlenstoff (38). Von heissem Chloroform (37) wird sie nur schwierig
aufgenommen. Sie zerfällt beim Erhitzen (39) auf 240 — 250° in Benzoesäure,
Benzonitril und harzige Produkte. Beim Erhitzen mit Baryt (38, 40) wird
Benzol, Methylamin und Ammoniak erzeugt. Durch Schmelzen mit Chlorzink
wird ebenfalls Benzonitril gebildet. Durch Kochen mit Alkalien und Mineral-
säuren wird die Säure in Benzoesäure und Glycocoll gespalten.
Wird die Hippursäure mit Bleisuperoxyd (41) und Schwefelsäure gekocht,
so werden Hippar affin (S. Aethylidendibenzamid) und Hipparin, CgHjNOj
gebildet Letzteres krystallisirt in grossen, bei 45*7° schmelzenden Nadeln.
Durch Ozon (48) und MnO^H (43) wird die Hippursäure vollständig zerstört.
Salzsäure und chlorsaures Kali erzeugen Chlorsubstitutionsprodukte, Salpeter- und
Schwefelsäure Nitrohippursäure. Die Umwandlung in Benzoylglycolsäure durch
salpetrige Säure und Chlor wurde schon angeführt. Durch Einwirkung von
Nat^iumamalgam (44) auf eine conc. Lösung von Hippursäure in Natronlauge
entsteht zunächst Hydrobenzursäure, C13H24N2O«, eine terpentinähnliche,
erst nach langer Zeit erstarrende Masse, welche bei anhaltender Einwirkung von
Natriumamalgam in Glycocoll und Hydrobenzylursäure, CißHjiNO^, ein gelb-
liches, allmählich erstarrendes Oel zerfällt. In saurer Lösung werden andere
Produkte erzeugt. Wird 1 Mol. Hippursäure mit 2 Mol. Phosphorpenta-
Chlorid (45) destillirt, so gehen zuerst Phosphoroxychlorid und Benzoesäure-
chlorid, dann zwei neue Chloride, CgHgNOCl und C^H^NOClj, über.
Ersteres bildet monokline Säulen, welche bei 40 — 50° schmelzen. Siedep. 220**.
Unlöslich in Wasser und Aether, leicht in Alkohol Das Chlorid CjHjNOCl,,
welches nur in kleiner Menge entsteht, ist ebenfalls krystallinisch.
Salze (46) und Aether der Hippursäure. Die Hippursäure ist eine
starke Säure, welche Zink löst und kohlensaure Salze zerlegt. Die Salze sind
meist löslich in Wasser.
KalisaU, CH,^^^^^«^* -+- H3O, ist undeutlich krystaUinisch und bfldct mit 1 MoL
Hippursäure atlasglänzende Blätter eines sauren Salzes. AmmonsaU, quadratische Säulen,
gicbt leicht Ammoniak ab. Barytsalz, (cHj^q^^^«^») Ba + H,0, büdet quadratische,
dßs Kalksair, ^CHj^^^^^«^*) Ca + 3HaO, rhombische Säulen. Das Zinksalz,
(^">CO^^^*"0 Zn + 5H,0, bildet Blättchen. 1 Thl. ist bei 17° in 52 Thln. Wasser
löslich. Das Blei, Kupfer und Silbersalz sind ebenfalls krystallinisch. Das Eisensalz
(47), dessen Zusammensetzung verschieden angegeben wird, ist unlöslich in Wasser.
Hippursäuremethyläther (38), CHj^^^^^e^*, durch Sättigen einer Lösung der
Sänre in Methylalkohol mit Salzsäure dargestellt, bildet weisse, bei 80'5^ schmelzende Prismen.
Der analog dargestellte
Hippursäureäthyläther (38). CH,^q^^^«^5, krystallisirt in Nadeln, welche bei
SO'O^' schmelzen.
Btttyläther (48), CH,^q^^^«^*, Prismen, welche bei 40« schmelzen. Isobutyl-
äther (48) und Isoamyläther (49) bilden bei 45—56^ resp. bei 27—28^ schmelzende
Krystalle.
NHCOC H
Hippursäureamid (38, 50), CHj^qj^j^j * ^, bildet sich beim längeren
]
t^S Handwörterbuch der Chemie.
Stehen des Methyl- oder Aethyläthers mit alkoholischem, oder beim Erwärmen
mit ronc- wässerigem Ammoniak. Bei 183° schmelzende Krystalle. In kaltem
Wasser, Alkoliol und Aether ist es fast unlöslich, leicht löslich in heissem Wasser
und AlkohoL Mit conc. Salzsäure entsteht eine leicht zersetzbare Verbindung.
Substitutionsprodukte der Hippursäure.
ra^Chlorhippursäure (51), CH^^q^^^^^^I Dieselbe entsteht durch
Einwirkung von Salzsäure und chlorsaurem Kali auf Hippursäure, und zwar meist
neben Dichlorhippursäure, von welcher sie durch ihre grössere Löslichkeit in
Wasser getrennt wird. Sie bildet sich femer beim Durchgang von m-Chlorbenzoe-
säure durch den thierischen Organismus und wird im Harn abgeschieden, ün-
krystallinische, zähe Masse, fast unlöslich in kaltem Wasser, leicht in Alkohol
und Aether.
Da5 Kalksalz, (CgH^aN0j)3Ca + 4H,0, und das Silbersal« sind krystallinisch.
NHCOC H Cl
Dichlorhippursäure (51), CH^qq h ^ ' ^' bildet eine körnige,
krystaUinische, selbst in heissem Wasser schwer lösliche Masse. Durch Salzsäure
wird ste in m-p-Dichlorbenzoesäure und GlycocoU zerlegt Die Salze sind meist
krystaUiniscb .
NHCOC H Br
Bromhippursäure, CH2rQ w ^ * ' durch Einwirkung von Brom auf
eine siedende alkoholische Lösung von Hippursäure (55) wird eine in feinen
Nadeln kr)'stallisirende Säure, wahrscheinlich m-Bromhippursäure, erhalten.
Die p Bromhippursäure (56) findet sich neben p-Brombenzoesäure im
Kam eines Hundes, welcher mit p-Bromtoluol gefUttert ist. Flache Nadeln.
NHCOC H T
Jodhippursäue, CHjpQ jj * *•'; durch Einwirkung von Jodwasserstoff (5 7)
auf Schwefelsäure -Diazohippursäure entsteht eine beständige, in Blättchen
krystallisirende Jodhippursäure. Eine andere Säure (55) wird durch Einwirkung
von Jod auf Hippursäure erhalten. Sie zersetzt sich bei 90° unter Abscheidung
von Jod.
Nitrohippursäure(52, 53), CHjQQ pj ^ * ^, m-Nitrohippursäure.
Dieselbe (54) wird durch Erhitzen von 1 Thl. Hippursäure und 4 Thln. rother, rauchender
SdpetersHure, welche mit dem gleichen Vol. conc. Schwefelsäure versetzt ist, in geschlossenen
Cc fassen auf 30 — 40® dargestellt und krystallisirt aus der mit Wasser verdünnten Reactionsmassc
nach melirtilgigem Stehen aus.
Die Säure entsteht auch beim Durchgang von m-Nitrobenzoesäure (52) durch
den Organismus. Weisse Prismen, welche bei 162° schmelzen. Leicht löslich
in heissem Wasser, in Alkohol und in Aether.
Die Salic lind meist krystallinisch. Barytsalz, (C5HyN,Oj)jBa, bildet Blättchen.
p-Nitro hippursäure (58) findet sich neben p-Nitrobenzoesäure in Form
von p*nitrohippursaurem Harnstoff im Harn eines Hundes, welcher mit p-^fit^o-
toluol gefLittert ist. Sie krystallisirt aus heissem Wasser in grossen, orangerothen
Prismen, welche bei 129° schmelzen. Schwer löslich in kaltem, leicht in heissem
Wasser, in Alkohol und Aether.
Das Barytsalz, (CgH7N,05),Ba4- 4H,0, bildet unbeständige, schwach gelbe Nadeln.
Der p-nitrohippur saure Harnstoff bildet perlmutterglänzende, bei 179 — 180^ schmelzende
Blättchen. Li^icht löslich in Alkohol und Wasser, schwer in Aether.
NHCOC H NH
m*Amidohippursäure (52, 53, 54), CH,qq h ^ * *, wird durch Be-
Benzoesäure. 199
handlung der m-Nitrohippiirsäure mit Schwefelammonium gewonnen. Blättchen
oder kleine Nadeln. Schmp. 194°. Leicht löslich in siedendem Wasser und
Alkohol. Sie vereinigt sich mit Mineralsäuren zu zerfliesslichen Salzen. Durch
salpetrige Säure wird sie in Oxyhippursäure umgewandelt.
m-Uramidohippursäurc (59), CH,^q^^^«^^*^^^^^^«, durch Schmelren von
m-Amidobenzoesäure mit HamstofT erhalten, bildet in heissem Wasser leicht lösliche Warzen.
Neben der vorigen Säure entsteht eine geringe Menge von Carboxamidohippursäure (59),
CijHijN^Oy, welche in heissem Wasser schwer lösliche Blättchen bildet.
Hippurylamidoessigsaure (60), CHjpQ rr * ® **, entsteht,
wie bereits erwähnt, neben Hippursäure und einer Säure C10H13N3O4 bei
der Einwirkung von Benzoylchlorid auf Glycocollsilber, welches in Benzol sus-
pendirt ist. Sie krystallisirt aus heissem Wasser in Nadeln oder Täfelchen, welche
bei 206,5° schmelzen. Unlöslich in kaltem Aether, Chloroform, Benzol und
Schwefelkohlenstoff. Sie zerfallt beim Kochen mit Salzsäure in 1 Mol. Benzoe-
säure und 2 Mol. Glycocoll. Starke Säure, welche mit Silber, Barium, Kupfer,
Zink und Thallium gut krystallisirende Salze bildet
Aethyläther, CH,^Q^^^^a^^^^^«^», bildet atlasglänzende Nadeln oder Tafeb.
Schmp. 1170.
A 'A r'TT NHCOCH,NHCOC-H. , . ,, ^ .. • a • i j
Amid, ^H,p^|^TT ' ^ ^1 aus dem Aether und wassngem Ammoniak dar-
gestellt, bildet grosse, bei 202^ schmelzende Kfystalle.
Dasselbe verbindet sich mit Salzsäure zu einem durch Wasser zersetzlichen Salze. Durch
Erhitzen von GlycocoU mit HippursäureSthyläther entsteht neben der bereits erwähnten Säure
Cj^Hj^NjO^t eine bei 172° schmelzende Säure, welche als
Benzoyldiamidoacetylamidoessigsäure,CH,^Q „ * • « *,
anzusehen ist
Benzoyldiamidovaleriansäure (62). Benzoylomithin,
NHCOC H
C4H7NH2QQ n ^ ^9 entsteht durch Kochen von Omithursäure mit Salz-
säure bis zur Lösung. Sie bildet farblose, harte, bei 230° schmelzende Nadeln.
In Wasser ist sie leicht, in Aether und Alkohol kaum löslich. Durch Kochen
mit conc. Salzsäure wird sie in Benzoesäure und Diamidovaleriansäure gespalten.
Dibenzoylamidovaleriansäure(62), Omithursäure, C4H7XQ TT * ^^*.
Sie bildet sich im Organismus von Vögeln, welche mit Benzoesäure gefüttert
werden, und ist in den Excrementen derselben enthalten. Zur Darstellung
werden die Excremente mit Alkohol ausgekocht und die darin enthaltene Säur»^
auf einem complicirten Wege gereinigt. Sie krystallisirt aus heissem Alkohol in
kleinen, farblosen Nadeln, welche bei 182° schmelzen. Sie ist sehr schwer
löslich in heissem Wasser, fast unlöslich in Aether, leicht löslich in Essigäther.
Schwache Säure, welche mit schweren Metallen unlösliche Salze bildet.
(NHCOC H \
C5H1QPQ * *j O, ist
eine in Wasser unlösliche, amorphe Substanz, welche beim Erhitzen von Leucin
mit Benzoylchlorid auf 100° entsteht. Schmp. 85°.
Benzophosphinsäure*) (i), CßH^^Q^jj ^*, wird durch Oxydation von
•) 1) Michaelis u. Panek, Ber. 14, pag. 405. 2) La Coste, Ann. 208 u. ff. 3) Michaelis
Q Czimatis, Ber. 15, pag. 2018.
200 Handwörterbuch der Chemie.
p-Tolylphosphinsäure, CeH4PTT^ ^*, mit übermangansaurem Kalium, auf dem
bei Benzarsinsäure beschriebenen Wege dargestellt. Sie krystallisirt aus Salzsäure
in glänzenden Tafeln, aus heissem Wasser in atlasglänzenden Nadeln. Sie
schmilzt über 300° unter Zersetzung. Durch Erwärmen mit Phosphorpente-
P O Cl
Chlorid entsteht Benzophosphorsäurechlorid, ^b^aqqqi^ » ^^^ ^®* ^^'^
schmelzende und bei 315° völlig unzersetzt siedende Krystallmasse.
Die Säure ist dreibasisch. Das zweifachsaure Kaliumsalz, ^6^4CO K "^ ^'^*
bildet feine, in Wasser leicht, in Alkohol schwer lösliche Nadeln. Aus seiner Lösung im HG
wird das schwer lösliche
Ubersaure Salz, CgH^^^^^^)« 4- CgH^^^^^^^«, abgeschieden.
Das Silbersalz ist amorph; der daraus gewonnene Methyläther flttssig.
Trimethylphosphorbenzbetam (3), CcH^^^q^^^^^O -h 3H,0. Das
salzsaure Salz entsteht durch Oxydation von p-Tolyltrimethylphosphoniumchlorid,
prcH^ Cl
Cf H4pVt ^^ , mit Kaliumpermanganat. Die freie Base wird durch Alkalien
aus dem Chlorhydrat abgeschieden und kr>'stallisirt aus Wasser in gut aus-
gebildeten Rhomboedem. Sie bildet mit Säuren gut krystallisirende Salze.
Das salzsaure Salz, CjH^^^q^^»^, bUdet kurze, glänzende Prismen.
p-Benzarsinsäure (2), C^H^qq |j ^*, entsteht durch Oxydation von
Tolylarsinsäure, CeH^Q^^^^^*.
Zur Darstellung versetzt man eine Lösung von 10 Grm. Tolylarsinsäure mit 6 Grm. KOH
in ^ Liter Wasser allmälich mit 14 Gnn. Kaliumpermanganat in ^ Liter Wasser, und lässt bis
zur Entfärbung bei 60^ stehen. Nachdem das Mangansuperoxyd durch Filtration entfernt ist,
wird die auf ein kleines Vol. eingedampfte Lösung mit Essigsäure versetzt, und der Uebeischass
an Säure auf dem Wasserbade verjagt. Der trockene Rückstand wird mehrmals mit Alkohol
ausgekocht, wobei unter Lösung von Kaliumacetat saures benzarsinsaures Kalium zurückbleibt
Letzteres wird in heisser Salzsäure gelöst, worauf beim Erkalten die Säure in Krystallen ab-
geschieden wird.
Sie bildet grosse, farblose, durchsichtige Tafeln, löslich in heissem Alkohol.
Durch Erhitzen geht die Säure unter Wasser^'erlust in
AsO
Arsinobenzoesäure, C^U^qq |j, über, welche ein gelbes Pulver bildet.
Jodwasserstoff und Phosphor fuhren die Benzarsinsäure in
Benzarsinjodür, ^s^aqqh» g^^^^» ^^* 1^3° schmelzende Krystalle über.
AsCl
DurchPhosphortrichloridwirdsieinBenzarsinchlorür,CeH4PQ A, umgewandelt,
welches farblose, bei 157° schmelzende Nadeln bildet
Die Benzarsinsäure ist in kohlensauren Salzen unter Kohlensäureentwicklung löslich.
Das ubersaure Kaliumsalz, C^H^^^^^^)« 4- C^H^^^^")», bildet triklin«
Tafeln. * *
Das neutrale Silbersalz, C^H^^q Ac ' ^^^ ^ weisser, amorpher Niederschlag.
Es liefert beim Erhitzen mit Jodmethyl auf 100^ den
Methyllther, C^H^^q ^^ ^"^^ eine durch kochendes Wasser zerseUlicbe Krystallmasse.
Benzoesäure. 201
p-Benzarsinige Säure, C6H4PQ u , wird aus der Lösung von Benz-
arsinjodür in kohlensaurem Natron durch Salzsäure gefällt und krystallisirt aus
heissem Wasser in farblosen, feinen Nadeln. Schmp. 145—160°. Sie verliert
AsO
beim Erhitzen 1 Mol. Wasser und bildet C^H ^qq u
Das Kalksall, (CeH^^^^^a) Ca, krystallisirt in pcrlmutterglänrenden Blättchen.
OH
p-Dibenzarsinsäure, AsO,q jj qq jjx , entsteht durch Oxydation von
OH
Ditolylarsinsäure, AsO/Q tt qu n , mit Kaliumpermanganat. Glänzende Blättchen,
m Alkohol und Wasser schwer löslich. Sie wird durch Jodwasserstoff und rothen
Phosphor in Dibenzarsinjodür, A.sIq tt qq tt\ , und dieses durch kohlen-
OH
saures Natron in Dibenzarsinige Säure, As/q tt qq t^\ , übergeführt.
p-Tribenzarsinsäure, As;p h^CO H^ ' entsteht durch Oxydation von
Tritolylarsin AsCCeH^CH,), mit Kaliumpermanganat und krystallisirt aus Alkohol
oder Aether in krystallinischen Kruslen. Durch Jodwasserstoff" und Phosphor
entsteht tribenzarsinige Säure.
Thiobenzoesäuren*) entstehen aus Benzoesäure durch Austausch des
Sauerstoffes im Carboxyl gegen Schwefel. Es sind demnach drei Thioderivate
möglich, welche den folgenden Formeln entsprechen.
CeHjCOSH CeHjCSOH CeHjCSSH
a-Thiobenzoesäure ß-Thiobenzoesäure Diüiiobenzoesäure.
a-Thiobenzoesäure (i), CeHjCOSH. Das Kaliumsalz entsteht durch
Einwirkung von Benzoylchlorid auf eine alkoholische Lösung von Schwefelkalium
und durch Kochen von Benzoesäureanhydrid oder Benzoesäurephenyläther mit
alkoholischem Kaliumsulfhydrat. Benützt man zur Darstellung Benzoylchlorid,
so wird das ausgeschiedene Chlorkalium abfiltrirt, der Alkohol verdunstet und
die Säure aus der wässrigen Lösung des Kaliumsalzes mit Salzsäure gefälll.
Gelbes Oel, welches durch Abkühlung erstarrt und gegen 24° schmilzt. Die
Säure wird bereits durch den Sauerstoff der Luft in Benzoyldisulfid umgewandelt.
Das Kalisalz, CgHjCOSK, kiystallisirt aus Alkohol in gelblichen Tafeln.
Das Barytsalz. (CgH5COS)jjBa, bildet wasserhaltige Blättchen. Blei- und Silber salz
sind weisse, leicht zersetzliche Niederschläge.
Thiobenzoesäureäthyläther (2), CgHsCOSCjHj, aus Blcunerkaptan und ätherischem
Benzoylchlorid dargestellt, ist ein bei 243° siedendes, nach Mercaptan riechendes Oel.
Thiobcnzoesäurephenyläthcr (3), CgHsCOSCgHs, wird durch Erhitzen von Benzoyl-
chlorid mit Phenylsulfhydiat erhalten und krystallisirt aus Benzol in glänzenden, bei 56 <*
tcluBelzenden Nadeln. Der analog dargestellte
•) I) Engelhardt, Latschinoff u. Malyscheff, Z. Ch. 1868, pag. 353—57- *) Tütt-
5CHKFF, Z. J. 1863, pag. 483. 3) SCHU.LER u. Otto, Bcr. 9, pag. 1634. 4) Otto u. LDders,
^' >3. pag. 1285. 5) MossLiNG, Ann. 118, pag. 303. 6) Klinger, Ber. 15. pag- »^5-
7) Engelhardt. Latschinoff, Z. Ch. 1868, pag. 455. 8) Cahours, J. 1847—48» P^g- 595-
9)toNTHSEM, Ann. 192, pag. 31. 10) Hofmann, Ber. i, pag. 102. 11) Ders., Ber. 2. pag. 645.
») KUNGER, Ann. 192, pag. 48. 13) Wanstrat. Ber. 6, pag. 332—35- >4) Bernthskn,
^•»97, pag. 348-50. 15) Pinner u. Klein, Ber. 11, pag. 1825. 16) Engler, Ann. 14^,
PH- 299- 17) Hofmann, Ber. i, pag. 197.
n
202 Handwörterbuch der Qiemie.
p-Tolyläther (3), CgHjCOSCgH^CHj, bildet grosse, bei 75^ schmelzende Säulen.
Thiobcnzoesäurebenryläther (4), CgHjCOSCHjC^Hj, aus Benzylmcrcaptan und
Benzoylchlorid entstehend, bildet bei 39,5*' schmelzende Krystalle des asymetrischen Systems.
C H CO
Benzoylsulfid (i), ^^jj^pqS, entsteht durch Einwirkung von Benzoyl-
chlorid auf trockenes thiobenzoesaures Kalium und krystallisirt aus Aether in
grossen, bei 48° schmelzenden Prismen. Unlöslich in kaltem Wasser. Durch
Erwärmen mit Ammoniak wird es in Benzamid und Thiobenzoesäure zerlegt.
C H-CO
Benzoyldisulfid, r'^H^CO^^- Dasselbe entsteht durch Einwirkung von
Oxydationsmitteln, z. B. verdünnter Salpetersäure auf Thiobenzoesäure, durch
Erhitzen von Benzoesäureanhydrid in einem Schwefelwasserstoffstrome (5) und
durch Behandlung einer wässerigen Lösung von thiobenzoesaurem Kali mit Eisen-
Chlorid oder Jod (i).
2(CeH,C0SK) + 2J =^«^50052 + 2JK.
I^etztere Methode ist die geeigneteste zur Darstellung. Es krystallisirt aas
Schwefelkohlenstoff in Prismen oder sechsseitigen Tafeln, welche bei 128*^ schmelzen
und meist etwas röthlich gefärbt sind.
ß-Thiobenzoesäure (6), CgHßCSOH, soll durch Oxydation von Benzylidcn-
Sulfid CgHjCHS mit Salpetersäure entstehen. Nach neueren Untersuchungen
ist das sogen. Benzylidensulfid identisch mit Benzyldisulfid , und daher die
Existenz der Säure mehr als zweifelhaft
Dithiobenzoesäure(7)C6H5CSSH. DasKaliumsalz entsteht durch längeres
Digeriren einer sehr verdünnten alkoholischen Lösung von Schwefelkalium mit
Benzotrichlorid.
CßH.CQs -h 2KjS = 3KCI H- CßHsCSaK.
Zur Darstellung der Säure wird das Chlorkalium abültrirt, aus der Lösung zunächst durch
Zusatz von wenig essigsaurem Blei Schwefelblei gefUllt, und darauf durch weiteren Zusatz dithio-
be'nzoesaures Blei, in Gestalt von rothen Nadeln abgeschieden. Dasselbe wird aus siedendem
Benzol umkrystallisirt, mit Salzsäure zerlegt, und die Säure durch Ausschütteln mit Aetber
gewonnen.
Rothviolettes, sehr unbeständiges Oel, in Alkohol und Aether leicht löslich,
in Wasser unlöslich. Es verharzt an der Luft.
Dithiobenzoesaures Blei, (C5H5CS2)jPb, bildet feine, rothe Nadeln. Dithio-
benzoe saures Quecksilber, (CgHjCS3)2Hg, krystallisirt aus Alkohol in röthlich gdbcn
Blättchen.
p-Chlordithiobenzoesäure, CgH^ClCSjH, aus p-Chlorbenzotrichlorid, CgH^QCQ|,
dargestellt, ist ebenfalls ein violettrothes Oel.
Thiobcnzamid (8, 9), CgH^CSNHg. Dasselbe wird durch Einleiten von
Schwefelwasserstoff in eine mit wenig Ammoniak versetzte alkoholische Lösung
von Benzonitril dargestellt.
CßHöCN + HgS = CßHsCSNHa.
Das Amid krystallisirt in gelben Nadeln, welche bei 117° schmelzen. Durch
Kochen mit Quecksilberoxyd und Wasser wird Benzonitril regenerirt. Durch
Zink und Salzsäure wird es in alkoholischer Lösung in Benzylamin (10) um-
gewandelt. Natriumamalgam (12) erzeugt neben anderen Produkten amorphes
und krystallisirtes Benzylidensulfid. Wird die alkoholische Lösung mit Jod (11)
versetzt, so wird unter Abscheidung von Schwefel eine in weissen, bei 90**
schmelzenden Nadeln krystallisirende Verbindung Ci^HjoNjS erhalten, welche
durch Zink und Salzsäure in eine mit dem Aethenyldiphenyldiamin isomere Base
Bcnxol. 203
^14^14^2 (11) tibergeführt wird. Die letztere krystalHsirt aus Wasser in Blättchen
(Schmp. 71°) und bildet gut krystallisirende Salze.
Benzimidothioäthyläther (14), CgHjC__g^„ . Das salzsaure Salz entsteht durch
Einleiten von Salzsäure in ein Gemenge von Benzonitril und Mercaptan, das jodwasserstofTsaure
Salz wird durch Einwirkung von Jodäthyl auf Thiobenzamid erhalten. Der aus diesen Salzen
durch Alkali abgeschiedene Aether ist ein in Wasser leicht lösliches Gel, welches leicht in
Mercaptan und Benzonitril zerßQlt.
Das Chlorhydrat, CgH^C^^^^^ bildet dicke, bei 188^ schmekende Prismen, das
Jodhydrat, C^HjCg^y^, bei 142** schmelzende, monokline Krystalle.
NH
Benzimidothioamyläther (15), CgH.Cc/- », , ist eine leicht bewegliche Flüssigkeit,
dessen in Nadeln krystallisirendes Chlorhydrat aus Amylmercaptan , Benzonitril und Salzsäure
gebildet wird.
N H
Benzimidothiobenzyläther (14), C^HjCg^jr r H ' *^* ^^"^ ^^^ unbeständige Base.
Das Chlorhydrat, analog dem vorigen erhalten, bildet bei 181** schmelzende Tafeln.
Ami do thiobenzamid, C6^4CSNH ' '^^ '^ ^^^^ Modificationen bekannt,
welche durch Reduction von m- und p-Nitrobenzonitril mit Schwefelammonium'
entstehen.
m-Amidothiobenzamid (17) krystallisirt aus Wasser in Nadeln^ welche über 100° in
H,S und Benzonitril zerfallen. Schwache Base. Durch Jod (13) wird sie in eine Verbindung
Cj^HjjNjS umgewandelt.
p-Amidothiobenzamid (17) bei 170<^ schmelzende Krystalle. A. WeDDIGE.
Benzol^, Phenylwasserstoff, Benzin, CgH^. Dasselbe wurde 1825
zuerst von Faraday (i) im Oelgase aufgefunden und 1833 von Mitscherlich (2)
durch trockne Destillation von Benzoesäure mit Kalk in reinem Zustande dar-
gestellt Leigh (3) und später Hofmann (4) wiesen seine Anwesenheit im Stein-
kohlentheer nach.
Das Benzol entsteht durch Destillation von Benzolcarbonsäuren mit Kalk und
beim Durchleiten (5) von kohlenstoffreicheren aromatischen Kohlenwasserstoffen
und von Substanzen der Fettsäurereihe, wie Essigsäure, Alkohol, Aethyläther etc.
durch glühende Röhren. Besonders reichlich wird es nach letzterer Methode
aus Acetylen (6), CjHj, erhalten, jedoch neben kleinen Mengen von Styrol,
Naphtalin und anderen complicirt zusammengesetzten Kohlenwasserstoffen. Es
bildet sich femer bei der trockenen Destillation der Chinasäure (7), beim lieber-
•) i) POGG., Ann. 5, pag. 306. 2) Ann. 9, pag. 39. 3) Mon. scient. 1865, pag. 446.
4) Ann. 54, pag. 200. 5) Berthelot, Jahresb. 1866, pag. 542. 6) Ders., Jahresber. 1866,
P«g. 515. 7) WoEm^ER, Ann. 51, pag. 146. 8) Bolley, Handbuch d. ehem. Technologie V. 2,
pag. 203 u. ff. 9) Hofmann, Ber. 4, pag. 163, 10) Ber. 15, pag. 2893; Ber. 16, pag. 1465.
11) Groth, Ber. 3, pag. 450. 12) Thomsen, Ber. 15, pag. 328. 13) Andrieenz, Ber. 6, pag. 442.
Pbati u. Patern6, J. 1874, pag. 368. Janovsky, Monatsh. d. Ch. i, pag. 311. 14) Wreden
Q. ZnatÖwicz, Ann. 187, pag. 163. 15) Leeds, Ber. 14, pag. 975. 16) Carius, Ann. 148,
pag. 5a 17) Carstanjen, J. pr. Ch. 107, pag. 331. 18) Etard, Ann. ch. phys. 22, pag.
218 — 287. Ber. 14, pag. 848. 19) Krafft, Ber. 10, pag. 797. 20) Carius, Ann. 140, pag. 322.
21) Leeds, Ann. ehem. 2, pag. 277. 22) Abeljanz, Ber. 9, pag. 10. 23) Mitscherlich, Pogg. 35,
pag. 37a Heys, Z. Ch. 1871, pag. 293. Leeds u. Everhardt, Am. ehem. 2, pag. 205.
24) ZwiN, Z. Ch. 1871, pag. 284. 25) Mitscherlich, Pogg. 35, pag. 374. 26) Carius,
Ann. 136, pag. 323; 140, pag. 322. 27) Güstavson, Ber. ii, pag. 21 51.
\
304 Handwörterbuch der Chemie.
leiten v<m Pbenoldampf über glühenden Zinkstaub und bei der trokenen Destillation
vun Holz und besonders von Steinkohlen.
Darsitflluftg, Das in der chemischen Industrie (8) in grossen Mengen gebrauchte Beniol
wird lediglich aus Stoinkohlentheer gewonnen. Es wird das bei der Destillation des Theers xucrst
iiber^chcode leichte Theeröl durch Schütteln mit Natronlauge und Schwefelsäure von Phenolen
und basisdifMi Körpern befreit, und dann in besonders construirten Apparaten einer sorgfältigen
Rectifikation untenvorfen, wobei zunächst ein aus Schwefelkohlenstoff, Amylen, Alkohol, Aceto-
nitri] uthI anderen Substanzen bestehender Vorlauf, dann Benzol und später Toluol und Homologe
übergehen. Zur Reindarstellung bringt man das Benzol durch Eis zum Gefrieren (9) und befreit
CS dorch Pressen \ox\ den nicht erstarrenden homologen Kohlenwasserstoffen.
Das aus Steinkohlentheer dargestellte Benzol, welches lange Jahre für ein
chemisches Jndividuum gehalten wurde, enthält nach den neuesten Unter-
suchtingen von V. Meyer (ig) als steten Begleiter einen schwefelhaltigen Körper,
das Thiophen, C^H^S. Im reinsten Benzol sind circa 0*5 J^ enthalten. Es kann
dem Benzol durch Schütteln mit concentrirter Schwefelsäure entzogen werden.
Ueber die Constitution des Benzols sowie über die Bezeichnung seiner
Derivate s, Art, Aromatische Verbindungen, pag. 39.
Eigenschaften und Umwandlungen. Das Benzol ist eine wasserhelle,
leicht bewegliche Flüssigkeit, welche unter 0° zu rhombischen Prismen (11) er-
starrt, Schmp. circa -+-6°. Benzol siedet bei 80*3° (12) und brennt mit
leuchtender Flamme. Spec. Gew. (13) = 0*885 bei 15°. Verbrennungswärme (12)
des aus Theer dargestellten Benzols bei 19° = 805800«=, des aus Hippursäure
dargestellten — 787950<=. Benzol ist unlöslich in Wasser, mischbar mit Alkohol,
Aether etc. Ks löst sehr leicht Fette und Harze, daher seine Anwendung als
Fl eck Wasser.
Wird Benzol (14) durch glühende Röhren geleitet, so entstehen: Diphenyl,
Diphenylben^ol, Iiiodiphenylbenzol, Triphenylen, Benzerythren und ölige Kohlen-
wasserstoffe.
Die meisten Reductionsmittel greifen das Benzol nicht an. Durch Erhitzen
mit conc. Jodwasserstoff (14) auf 280° entsteht Hexahydrobenzol. Ozon (15)
verwandelt das Benzol in Essigsäure und Oxalsäure. Bringt man Benzol
mit gelbem Pliosphor, der mit Wasser übergössen ist, zusammen, so entsteht
durch das nascirende Ozon im Sonnenlicht Oxalsäure und Phenol (15). Letz-
teres (15) Wird auch durch Einwirkung von Wasserstoffsuperoxyd und Palladium-
Wasserstoff auf Benzol erzeugt. Braunstein (16) und Schwefelsäure oxydiren
Benzol i^ii Amcif^ensäure, Benzoesäure und Phtalsäure. Chromoxychlorid (17)
ftiUrt BeiiKül in Fisessiglösung in Trichlorchinon über. Mit reinem Benzol ver-
einigt sich das Chlorid zu der Verbindung C6H^(Cr02Cl)j (18), welche mit
Wasser Chinon liefert. Durch Einwirkung von chlorsaurem Kali (19) und ver-
dünnter Schwefelsäure entsteht Dichlorchinon und Trichlorhydrochinon. Unter-
chlorige Säure (20) verbindet sich mit dem Benzol zu Phenosechlorhydrin,
C^H^,(ClOH)s. Chlor und Brom verbinden sich im Sonnenlicht direkt mit dem
Benzol, ausserdem wirken sie substituirend auf den Wasserstoff desselben ein. Jod
substituirt denselben nur bei Gegenwart von Jodsäure. Salpetersäure bildet
Nitroprodukte. Wird Untersalpetersäure (21) in Benzol geleitet, so entstehen unter
anderem Nitrobenzol, Pikrinsäure und Oxalsäure. Concentrirte Schwefelsäure
iithn das Benzol in Sulfosäuren, Schwefelsäureanhydrid in Sulfobenzid über.
Kalium {22) erzeugt Benzolkalium. Das Benzol bildet zwei Reihen von Derivaten:
Additionsprodukte und Substitutionsprodukte.
Benzol. 205
Additionsprodukte des Benzols.
Hexahydrobenzol (14), CgHgHß, entsteht c^urch fünfstündiges Erhitzen
von 0*6 Ccentim. Benzol mit 20 Ccentim. bei 0° gesättigter Jodwasserstoffsäure
auf 280°. Bei 69° siedende Flüssigkeit. Spec.-Gew. = 076 bei 0°.
Benzolhexachlorid (23), CßHßClß, entsteht durch Einwirkung von Chlor
auf Benzol im Sonnenlicht oder durch Einleiten von Chlor in siedendes Benzol.
Glänzende monokline Krystalle, welche bei 157° schmelzen. Unlöslich in Wasser,
schwer löslich in Alkohol. Es siedet bei 288° und zerfallt dabei in Salzsäure
und o-p-Trichlorbenzol, eine Umsetzung, welche sehr leicht und vollständig durch
alkoholisches Kali erfolgt.
CeHeCle = CeH3Cl3 + 3HCl.
Durch Einwirkung von Zink (24) auf die alkoholische Lösung wird Benzol
regenerirt. Die Substitutionsprodukte des Benzolhexachlorid sind bei den ent-
sprechenden Benzolderivaten beschrieben.
Benzolhexabromid (25), CgH^Br^, aus Benzol und Brom im Sonnenlicht
dargestellt, krystallisirt aus Aether in mikroskopischen, schiefen, rhombischen
Säulen. Es zerfällt mit alkoholischem Kali in Bromwasserstoffsäure und Tribrom-
benzol. Durch Einwirkung von Zinkäthyl auf eine Benzollösung von Benzol-
hexabromid entsteht ein Produkt, aus welchem durch Chromsäure Benzoesäure,
Dibrombenzoesäure, Iso- und Terephtalsäure erhalten werden.
Unterchlorigsäure Benzol (26), C6Hg(C10H)3.
Zu seiner Darstellimg wird aus 216 Grm. Quecksilberoxyd und 1 Liter Wasser durch Ein-
leiten von Chlor unterchlorige Säure bereitet, auf 0® abgekühlt, 26 Grm. Benzol zugesetzt und
nach zweitägigem Stehen im Dunkeln das Quecksilber durch Schwefelwasserstoff gefällt und
die Verbindung mit Aether ausgezogen.
Farblose, dünne Blättchen, welche bei 10° schmelzen. Unzersetzt flüchtig,
leicht löslich in Alkohol und Aether, schwer in Wasser. Durch Einwirkung von
kohlensaurem Natron wird ein dem Traubenzucker isomerer Körper, die Phenose,
C6Hj(OH)g, erzeugt (s. Zucker).
Aluminiumchlorid-Benzol (27), GCgHß'Al^Clß, durch Einleiten von Salz-
säure in eine Lösung von Aluminiumchlorid in Benzol dargestellt, bildet ein
orangefarbenes Oel, welches bei — 5° zu einer krystallinischen Masse erstarrt
und beiH- 3° schmilzt Spec-Gew. = M4 bei 0°, 112 bei 20°. Ueberschüssiges
Brom erzeugt Hexabrombenzol. Aluminiumbromid liefert eine analoge Verbindung.
Substitutionsprodukte des Benzols.
Chlorsubstitutionsprodukte.*) Chlorbenzol, CgHjCl. Dasselbe ent-
*) i) Beilstein u. Kurbatow, Ann. 176, pag. 27 u. ff. 2) Dies., Ann. 182, pag. 94.
3) Müller, Z. Chem. 1864, pag. 65. 4) Aroniieim, Ber. 8, pag. 1400. 5) Dubois, Z. Chcm.
1866, pag. 705. 6) Gerhardt u. Laurent, Ann. 75, pag. 79. 7) Andrieenz, Ber. 6, pag. 443,
8) Kramers, Ann. 189, pag. 135. 9) Kekule, Ber. 6, pag. 944. 10) Beh^tein u. Kuhlberg,
Ann. 192, pag. 228 — 236. 11) Dies., Ann. 192, pag. 236 — 240. 12) Ladenburg, Ann. 172,
F^- 331* 13) BEU.STSIN u. KimLBERG, Ann. 150, pag. 247. 14) Müller, Z. Ch. 1864, pag. 40.
1$) Beilstein u. Kuhlberg, Ann. 150, pag. 309. 16) Regnault, Ann. 30, pag. 350. Basset,
Z. Ch. 1867, pag. 732. 17) Grabe, Ann. 146, pag. 32. 18) Berthelot u. Jungfleisch, Ann.
S«ppl- 7» pag. 256. 19) RuoFF, Ber. 9, pag. 1483. 20) Merz u. Weith, Ber. 5, pag. 460.
21) CoupSR, Ann. 104, pag. 225. 22) Andrieenz, Ber. 6, pag. 443. 23) Riese, Ann. 164,
pag. 176. 24) Körner, J. 1875, P*6- 302—304. 25) Meyer u. Stüber, Ann. 165, pag. 169.
26) Würster, Ann. 176, pag. 170. 27) Friedel, J. 1869, pag. 387. 28) Schröder, Ber. 12,
P*t- 563- 29) Herzig, Ber. 12, pag. 1265. 30) Körner, J. 1875, P^g« 308—312. 31) Wroblevs-
KY, Ber. 7, pag. 1060. 32) Mayer, Ann. 137, pag. 225. 33) Mitscherlich, Ann. 16, pag. 173.
306 Handwörterbuch der Chemie.
Steht durch Einwirkung von Chlor auf Benzol bei Gegenwart von Jod (3) oder
Molybdänpentachlorid (4), durch Erhitzen von Benzol mit Sulfurylchlorid (5) auf
150° und durch Behandlung von Phenol mit Phosphorpentachlorid (6).
CeHe -I- 2C1 = CßH^Cl + HCl,
CßHß + SOjClj = CßHaCl H- SO, -+- HCl,
CßH.OH + PCI5 = CßHjCl -h POCI5 -f. HCl.
Zur Darstellung leitet man in Benzol, welches mit Jod oder Molybdänpentachlorid versetzt ist,
annähernd 2 Atome Chlor, wäscht das Produkt mit wässrigem Alkali und reinigt das getrocknete
Oel durch Destillation.
Stark lichtbrechendes Oel (7), welches bei 132° siedet, bei — 50° krystallinisch
erstarrt und bei — 40° wieder schmilzt. Wird es in Dampfform durch ein
glühendes Rohr geleitet, so entstehen Biphenyl, Chlordiphenyl und Diphenyl-
benzol. Braunstein und Schwefelsäure liefern Ameisensäure und p-Chlorbenzoc-
säure. Wird Chlorbenzol einem Hunde eingegeben, so geht es als Chlor-
mercaptursäure, C^j^HijClNSOj in den Harn über. Rauchende Salpetersäure
führt Chlorbenzol in o- und p-Chlornitrobenzol über.
Dichlorbenzol (i, 2), CgH^Clj. 1. o-Dichlorbenzol, entsteht in kleiner
Menge, neben p-Dichlorbenzol als Hauptprodukt, durch Einwirkung von 2 MoL
Chlor auf jodhaltiges Benzol.
Das flüssige o-Dichlorbenzol wird zunächst durch Abpressen von dem festen p-Derivat ge-
trennt, dann das Oel 48 Stunden mit rauchender Schwefelsäure auf 210^ erhitzt, wobei nur die
o- Verbindung als Sulfosäure in Lösung geht. Man verdünnt mit Wasser, neutralisirt die filtrirte
Lösung mit kohlensaurem Baryt, zersetzt den o-chlorbenzolsulfosauren Baryt mit Schwefelsture
und zerlegt die freie Säure durch Destillation:
CjHjQjSOjH 4- H,0 = S O^Hj + CßH^Clj.
Das O-Dichlorbenzol wird auch durch Einwirkung von Phosphorpentachlorid
auf o-Chlorphenol erhalten. Flüssigkeit, welche bei 179® siedet. Spec. Gew.
= 1-3278 bei 0®. Erstarrt nicht bei — 14^ Durch Salpetersäure entsteht bei
43® schmelzendes Dichlomitrobenzol.
2. m-Dichlorbenzol (2) entsteht durch Einwirkung von Aethylnitrit auf
Dichloranilin und ist auch aus m-Diamidobenzol erhalten worden. Siedep. 172^.
Spec. Gew. = 1-307 bei 0®. Durch Salpetersäure entsteht bei 33® schmelzendes
Dichlomitrobenzol.
3. p-Dichlorbenzol, dessen Entstehung unter o-Dichlorbenzol besprochen
ist, bildet sich ausserdem durch Einwirkung von Phosphorpentachlorid (i) auf
p-Chlorphenol und p-Phenolsulfosaures Kali (9). Krystallisirt aus Alkohol in
monoklinen Blättern, welche bei 53® schmelzen. Siedep. 172®. Leicht löslich
in heissem Alkohol, in Aether und Benzol. Salpetersäure liefert bei 54*5*
schmelzendes Dichlomitrobenzol.
Trichlorbenzol(io), CßH.CU. 1. C^HaClClCl, wird durch Einwirkung von
18 3
Salpetrigsäureäther auf Trichloranilin, CgHjNHjClClCl dargestellt Es krystallisirt
1 9 s 4
34) Wurster, Ber. 6, pag. 1490. 35) Baessmann, Ann. 191, pag. 206— -8. 36) Mayer, Arn.,
pag. 137/ 227. 37) Körner, J. 1875, pag. 343. 38) Richter, Ber. 8, pag. 1428. 39) Richb
u. B^RARD, Ann. 133, pag. 52. 40) Kekul^, Ann. 137, pag. 161— 172. 41) Halbexstadt,
Ber. 14, pag. 911. 42) Diehl, Ber. 11, pag. 191. 43) Gessnfr, Ber. 9, pag. 1507. 44) RuoFf,
Ber. II, pag. 403. 45) Körner, J. 1875, pag. 319. 46) Ders., J. 1875, pag. 326. 47) Scrügham,
Ann. 92, pag. 318. 48) Griess, Ann. 137, pag. 76. 49) Körner, Jahresber. 1875, pag. 318-
50) Kekule, Z. Ch. 1866, pag. 688. 51) Schützenberger , Jahresber. 1862, pag. 251.
52) Rudolph, Ber. 11, pag. 81. 53) Beilstein u. Kurbatow, Ann. 176, pag. 43. 54) Griess,
Z. Ch. 1866, pag. 455.
\
Benzol. 207
aus Alkohol in langen, breiten Tafeln, welche bei 53—54** schmelzen. Siedep.
218—219®. Leicht löslich in Schwefelkohlenstoff und Aether, schwer in Alkohol. '^
Salpetersäure liefert Trichlomitrobenzol (Schmp. 55®).
2. CeHjClClCl, entsteht durch Chloriren von Benzol bei Gegenwart von
12 4
Jod, durch Zerlegen von Benzolhexachlorid mit Kalilauge, durch Einwirkung
von Phosphorpentachlorid auf Dichlorphenol und durch Substitution des Amids
im o-p- resp. m-p-Dichlöranilin durch Chlor. Schmp. 16®. Siedep. 213®. Spec.
Gew. = 1-574 bei 10® (im festen Zustande). Durch Salpetersäure entsteht
Trichlomitrobenzol (Schmp. 58®).
3. CßH.ClClCl, wird durch Einwirkung von Salpetrigsäure -Aether auf das
1 s 5
entsprechende Trichloranilin dargestellt. Schmp. 635®. Siedep. = 208,5® bei
763-8 Millim. Leicht löslich in Aether, Ligroin, Benzol, schwer in Alkohol. Durch
Salpetersäure entsteht Trichlomitrobenzol (Schmp. 68®).
Tetrachlorbenzol (11), CeHgCl^, 1. C6H2CICICICI, aus Trichloranilin
12 8 4
(Schmp. 67-5) dargestellt, krystallisirt aus Alkohol in langen Nadeln, welche bei
45—46® schmelzen. Siedep. 254® bei 761-3 Millim. Durch Salpetersäure wird es
in Nitrotetrachlorbenzol (Schmp. 64*2) tiberführt.
2. CßH^ClClClCl, wird in reinem Zustande aus Trichloranilin (Schmp. 715®)
12 3 5
dargestellt. Es krystallisirt aus Alkohol in farblosen, bei 50—51® schmelzenden
Nadeln. Siedep. 246®. Schwer löslich in kaltem Alkohol, leicht in Benzol und
Schwefelkohlenstoff. Durch Salpetersäure entsteht Nitrotetrachlorbenzol (Schmp.
21-22®).
3. CeHjClClClCl, ist durch Chloriren von Benzol und aus Trichloranilin
12 4 5
(Schmp. 95—96®) dargestellt worden. In kleiner Menge entsteht es auch beim
Emleiten von Chlor in siedendes Trichlortoluol, CgHgCla- CH3. Schmp. 137—138®.
Siedep 243—246®. Wenig löslich in Alkohol und Ligroin, leichter in Benzol.
Durch Salpetersäure entsteht neben dem bei 98® schmelzendem Nitrotetrachlor-
benzol eine geringe Menge Tetrachlorchinon.
Pentachlorbenzol (12, 13), CgHClä- Dasselbe entsteht durch Einwirkung
von Chlor auf Benzol, Sulfobenzid und Tetrachlorbenzylchlorid (13) C6H-C14CH2C1.
Es krystallisirt aus Alkohol in feinen Nadeln, welche bei 85—86® schmelzen.
Siedep. 275—277®. Spec. Gew. = 1*842 bei 10®. Schwer löslich in kaltem Alko-
hol, leicht löslich in Aether, Benzol und Schwefelkohlenstoff. Es existirt nur in
einer Modifikation. Die Angaben über ein zweites Pentachlorbenzol sind von
Ladenburg (12) endgültig widerlegt.
Hexachlorbenzol (Julin's Chlorkohlenstoff), C^Clg.
Zur Darstellung (14) wird Chlor in ein Gemenge von Benzol und Antimonpentachlorid
geleitet, so lange dasselbe absorbirt M-ird, das Produkt zur Entfernung des Antimonchlorids mit
verdünnter Salzsäure behandelt, das Ungelöste aus Benzol oder Alkohol umkrystallisirt und durch
Sablimation gereinigt.
Das Hexachlorbenzol entsteht ausserdem durch Chloriren von Toluol und Xylol
bei Gegenwart von Antimonpentachlorid, beim Durchleiten von Chloroform oder
Tetrachloräthylen durch glühende Röhren (16), durch Einwirkung von Phosphor-
pentachlorid auf Pentachlorphenol (20), CgCl^OH, oder Tetrachlorchinon (17),
CjCl^O,, durch lOOstündiges Erhitzen von Acetylentetrachlorid (18), CaH^Cl^,
auf 360® und endlich durch Erhitzen von überschüssigem Chlorjod (19), mit ver-
schiedenartigen aromatischen Kohlenwasserstoffen und anderen Verbindungen,
2o8 ^Handwörterbuch der Chemie.
z. B. Diphenyl, Naphtalin, Anthracen, Phenanthren, Phenol, Anilin, Campher etc
auf 200^. Hexachlorbenzol krystallisirt aus einem Gemisch von Benzol und
Alkohol in langen dünnen Prismen, welche bei 226® schmelzen. Siedep. 326*.
Schwer löslich in Alkohol und Aether, leichter in Benzol und Schwefelkohlenstoff.
Bromsubstitutionsprodukte. Brombenzol, C^HsBr, entsteht duicfa
Einwirkung von Brom (2 1) auf Benzol und von Phosphorpentabromid auf Phenol
Zur Darstellung lässt man gleiche Moleküle Brom und Benzol mehrere Tage im zerstreuten
Lichte stehen, wäscht das Produkt mit Kalilauge und befreit es durch Destillation von geiiogen
Mengen Dibrombenzol und Benzolhexabromid.
Farblose (22), bei 154-86— 15Ö-520 siedende Flüssigkeit Spec. Gew.= 1-5176S
bei 0^. Salpetersäure erzeugt zwei Bromnitrobenzole. Im thierischen Organismus
geht es in Bromphenylmercaptursäure, CnHijBrNSOj, über. Natrium entzieht
dem Brombenzol Brom unter Bildung von Diphenyl. Gemenge von Brombenzoi
und Alkyljodiden der Fettreihe werden durch Natrium unter Bildung von
Homologen des Benzols zersetzt. Brombenzol und Methyljodid liefert z. B.
Methylbenzol.
Dibrombenzol, CeH4Br3. 1. o-Dibrombenzol entsteht in geringen
Mengen (23) neben p-Dibrombenzol bei der Einwirkung von Brom auf Benzol.
Es wird am besten aus o-Bromnitrobenzol (24) durch UeberfÜhrung desselben
in o-Bromanilin und Diazobrombenzolperbromid dargestellt. Flüssigkeit, welche
bei 223-8 (751*64 Millim.) siedet Erstarrt bei — 6^ und schmilzt bei — l«.
Spec. Gew. = 2003 bei 0«, 1*858 bei 99«.
m-Dibrombenzol kann durch Einwirkung von Aethylnitrit auf m-Dibrom-
anilin (25) und durch Umwandlung des m-Nitrobrombenzols (24) und m-Dinitro-
benzols (26) dargestellt werden. Farbloses (24), bei 219'4<> (754'80 Millim.)
siedendes Oel, welches bei — 20° nicht erstarrt.
p-Dibrombenzol. Seine Darstellung aus Benzol und Brom \nirde bereits
erwähnt. Es lässt sich ausserdem aus p-Bromphenol und Phosphorpentabromid
und durch Umwandlung von p-Bromnitrobenzol (24) gewinnen.
Zur Darstellung wird ein Gemisch (23) von 1 Thl. Benzol und 8 Thln. Brom mehxcit
Tage am RUckflusskUhler gekocht» der Ueberschuss des Broms entfernt, und das mit Natronlauge
gewaschene Oel abgekühlt Das feste p-Dibrombenzol wird durch Abgiessen von der flüssigen
o-Verbindung getrennt.
Monokline (27) Prismen, welche bei 89*3° schmelzen. Siedep. 218*6^
(757-66 Millim.). Spec. Gew. (28) = 2*222. Schwer löslich in kaltem Alkohol,
leicht in heissem und in Aether. Beim Kochen mit concentrirter Schwefelsäure
entsteht Tetrabrombenzol (Schmp. 136—38®) und auch etwas Hexabrombenzol.
Tribrombenzol, CgHjBrj. 1. CßHjBrBrBr, durch Einwirkung von
1 9 s
Salpetrigsäureäther auf Tribromanilin (CgHaNHjBrBrBr) dargestellt, bildet
13 4 5
grosse, rhombische Tafeln, welche bei 87*4° schmelzen und leicht sublimiren.
2. CßHjBrBrBr. Dasselbe wird aus sämmtlichen drei Dibrombenzolen {31)
19 4
durch Erhitzen mit Brom und wenig Wasser erhalten. Es entsteht ausserdem
durch Einwirkung von Phosphorpentabromid auf m-Dibromphenol (32), aus
Benzolhexabromid (33) und alkoholischem Kali und durch Umwandlung von
o-p-Dibromanilin (34). Weisse, bei 44° schmelzende Nadeln. Siedep. 275 — 76"*.
Auch in warmem Alkohol schwer löslich.
3. CßHjBrBrBr, wird aus Tribromanilin (30, 35) (Schmp. 119-6°) und
Aethylnitrit pder durch Umwandlung von m-m-Dibromanilin (Schmp. 56"5*^ dar-
Benzol. 209
gestellt. Durchsichtige, bei 119*6° schmelzende Prismen. Siedep. 278^ Schwer
löslich in siedendem Alkohol. Durcli Erliitzen mit concentrirter Schwefelsäure
entsteht Hexabrombenzol (29).
Tetrabrombenzol, CgHoBr^. 1. C^HgBrBrBrBr, entsteht durch Ein-
1 9 s 5
Wirkung von Phosphorpentabromid auf Tribromphenol (36) (Schmp. 92°), und
durch Umwandlung von Tetrabromanilin (37) undTribromanilin (38) (Schmp. 1 19'6°).
Zur Darstellung (38) übergiesst man Tribromanilin mit Eisessig, leitet salpetrige Säure ein,
bis alles gelöst ist, fügt concentrlrte BromwasserstofTsäure zu und kocht bis zum Authören der
StickstofTentwicklung. Beim Erkalten scheidet sich Tetrabrombenzol aus, welches durch ein-
maliges Umkrystallisiren gereinigt wird.
Feine, bei 98,5° schmelzende Nadeln. Siedep. 329°. Schwer löslich in
kaltem Alkohol, leicht in heissem und in Aether.
2. CgHjBrBrBrBr (39, 40), durch Erhitzen von p-Dibrombenzol oder Nitro-
12 4 5 (?)
benzol mit Brom auf 150°, resp. 250° dargestellt, krystallisirt aus Alkohol in
langen, bei 137 — 140° schmelzenden Nadeln.
3. Ein drittes Tetrabrombenzol (41) entsteht neben anderen Produkten durch
Erhitzen von p-Nitrobenzoesäure mit Brom auf 270 — 290° und krystallisirt aus
Alkohol in kleinen, weissen, bei 160^ schmelzenden Nadeln.
Pentabrombenzol, C^HBrg, entsteht neben Tetrabrombenzol durch Er-
hitzen von Nitrobenzol (40) mit Brom auf 250®, ferner durch mehrtägiges Erhitzen
von m-m-Tribrombenzol (35) mit rauchender Schwefelsäure auf 100®. Auch
durch Erhitzen von Alizarin mit Bromjod auf 250® ist es erhalten worden.
Krystallisirt aus einem Gemisch von Benzol und Alkohol in Nadeln, welche bei
260^ schmelzen.
Hexabrombenzol, CgBr^, entsteht durch Erhitzen von Bromjod (43) mit
Benzol oder Toluol auf 350—400®, durch Einwirkung von Phosphorpentabromid
(44) auf Bromanil, C^Br^Oj, und durch Behandlung von Benzol mit Brom bei
Gegenwart von Aluminium. Krystallisirt aus Toluol in langen, oberhalb 315®
schmelzenden Nadeln, ist kaum löslich in Alkohol, schwer in Toluol und Benzol.
Chlorbrombenzol, CgH^aBr. 1. p - Chlorbrombenzol (45) aus p - Chloranilin oder
p-Bromanilin durch Einführung von Brom resp. Chlor an Stelle des Amids dargestellt, schmilzt
bei 67-4»* und siedet bei 196-3® (756-12 Millim.). 2. Durch Einwirkung von Brom auf
p-Chloranilin (46) und Behandlung des Produktes mit Aethylnitrit dargestellt, ist eine bei
196® siedende Flüssigkeit.
Jodsubstitutionsprodukte. Jodbenzol, CgHJ, entsteht durch Ein-
wirkung von Jod bei Gegenwart von Jodsäure (40) auf Benzol, durch Einv/irkung
von Jodphosphor (47) auf Phenol und durch Zersetzung von schwefelsaurem Di-
azobenzol (48) (durch Vermischen von gleichen Molekülen Anilin, Schwefelsäure
und salpetrigsaurem Kali dargestellt) mit concentrirter Jodwasserstoffsäure.
Farblose, bei 190—190-5® siedende Flüssigkeit. Spez. Gew. = 1-64 bei 15®.
Dijodbenzol, C6H4J2. Sämmtliche drei Dijodbenzole entstehen durch
Umwandlung der entsprechenden Jodaniline; p-Dijodbenzol wird auch durch Er-
hitzen von Jodbenzol (40) mit Jod und Jodsäure, sowie durch Einwirkung von
Chloijod (51) auf benzoesaures Silber gebildet.
o -Dijodbenzol (49) krystallisirt leicht.
m-Dijodbenzol (52). Rhombische Tafeln, welche bei 36*5® schmelzen.
Siedep. 285®.
p-Dijodbenzol (50). Blättchen, welche bei 129*4® schmelzen. Siedep. 285®.
LADBKBtrvG, Chemie. IL I4
^•lo Handwörtefbuch der Chemie.
Trijodbenzol (40), CgHgJj, wird neben p-Dijodbenzol l)eim Erhitzen von
Jodbenzoi mit Jod und lodsäure erhalten. Kleine, bei 76® schmelzende Nadeln.
Chlorjodbenzol, CgH^ClJ. o- und p-Chlorjodbenzol entstehen durch Einführung von
Jod an Stelle von Amid aus o- und p-Chloranilin. p-Chlorjodbenzol ist auch durch Um-
wandlung von p-Jodanilin (54) dargestellt worden.
o-Chlorjodbenzol (45) ist ein bei 233^ siedendes Oel. Spec. Gew. = 1-928 bei U^.
p-Chlorjodbenzol (45) bildet grosse, bei 56® schmelzende Blätter. .Siedep. 227-5°.
Brom jodbenzoi (45), CgH^BrJ, existirt in drei isomeren Modificationcn , welche ans
den entsprechenden Jod-, resp. Bromanilinen dargestellt werden.
o -Bromjodbenzol. Oel, welches bei 257-5® siedet.
m-Bromjodbenzol. Oel, welches bei 252® siedet.
p-Bromjodbenzol, krystallisirt in Tafeln oder Prismen, welche bei 91-9® schmelzen.
Siedep. 251 '5®. Wird p-Bromjodbenzol mit starker Salpetersäure erhitzt, so wird unter Austritt
von Jod Bromnitrobenzol gebildet.
Nitrosubstitutionsprodukte.*) Nitrobenzol, CßH^NOj, von Mitscher-
LiCH (i) entdeckt, entsteht durch Einwirkung von rauchender Salpetersäure oder
von Salpeter- und Schwefelsäure auf Benzol.
Zur Darstellung im Grossen lässt man ein Gemenge von 130 Thln. Salpetersaure
(1-4 spez. Gew.) und 200 Thln. Schwefelsäure (1-84 spez. Gew.) unter stetem UmrOhren 'm
100 Thle. Benzol fliessen und trägt Sorge, dass sich das Gemisch erst gegen das Ende der
Operation erwärme. Nach dem Erkalten wird das Oel von der Schwefelsäure getrennt, mit Sodi
und Wasser gewaschen und durch Destillation von unverändertem Benzol getrennt.
Nitrobenzol ist eine gelbliche, nach Bittermandelöl riechende Flüssigkeit
Es erstarrt in der Kälte und schmilzt bei -f- 3® (i). Siedep. (2) 2094® bei
745-4 Millim. Spec. Gew. = 12002 bei 0®, und 11866 bei 140. Es ist kaum
löslich in Wasser, leicht in Alkohol, Aether etc. Nitrobenzol findet in der
Farbentechnik und in der Parftimerie (Mirbanöl) Anwendung. Es wirkt stark
giftig-
Die Einwirkung von Reductionsmitteln auf Nitrobenzol ist eine verschiedene,
da einige nur den Sauerstoff entziehen, andere ihn durch Wasserstoff substituiren.
Im ersteren Falle entstehen Azo- und Azoxybenzol, im zweiten Hydrazobenzol und
Anilin. Durch Erhitzen (6) mit concentrirter Salzsäure oder Bromwasserstoffsäure auf
♦) i) MiTSCHERLTCH, Ann. 12, pag. 305. 2) Brühl, Ann. 200, pag. 188. 3) Kopp,
Ann. 98, pag. 369. 4) Laubenhkimer, Ber. 7, pag. 1765. 5) Beilstein u. Kurbatow, Ann. 182,
pag. 102. 6) Baumhauer, Ann. Suppl. 7, pag. 204. 7) Kekul^, Ann. 137, pag. 169. 8) ^tard,
Ann. ehem. phys. [3] 22, pag. 272. 9) Rinne u. Zinke, Ber. 7, pag. 1372. 10) Beilstein u.
Kurbatow, Ann. 176, pag. 43. 11) Körner, Jahresber. 1875, pag. 330 — 32. 12) Bodewig,
Jahresber. 1879, pag. 375. 13) Laubenheimer, Ber. 9, pag. 1828; ii, pag. 1155. 14) Hbpp,
Ber. 13, pag. 2346. 15) Rudnew, Z. Ch. 187 1, pag. 203. 16) Salkowski, Ann. 174, pag. 270.
17) Rinne u. Zinke, Ber. 7, pag. 869. 18) Hepp, Ann. 215, pag. 344. 19) FribdlÄndek,
Jahresber. 1879, P*g- 394« 2°) Socoloff, Z. Ch. 1866, pag. 621. 21) Engelhardt u- Lat-
scHiNOFF, ib. 1870, pag. 229. 22) Beilstein u. Kurbatow, Ann. 182, pag. 102—107.
23) Laubenheimer, Ber. 7, pag. 1765. 24) Bodewig, Ber. 8, pag. 162 1. 25) von Richtek,
Ber. 4, pag. 463. 26) Riche, Ann. 121, pag. 357. 27) Griess, Jahresber. 1866, pag. 457.
28) VON Richter, Ber. 8, pag. 14 18. 29) Clemm, J. pr. Ch. [2] i, pag. 125. 30) Jungfleisch,
Jahresber. 1868, pag. 345—48. 31) Laubenheimer, Ber. 9, pag. 76a 32) Pisant, Ann. 92,
pag. 326. Clemm, J. pr. Ch. [2] i, pag. 150. 33) Liebermann u. Palm, Ber. 8, pag. 380.
Mertens, ib. II, pag. 844. 34) Beilstein u. Kurbatow, Ann. 176, pag. 41. 35) Dieselben,
Ann. 182, pag. 97- 103. 36) Körner, Jahresber. 1875, pag. 323— 325. 37) Engelhardt u.
Lattschinoff, Z. Ch. 1870, pag. 234. 38) Beilstein u. Kurbatow, Ann. 192, pag. 228 — 236.
39) Dieselben, Ann. 192, pag. 236 — 240.
r^
Benzol. 211
250° resp- 190° wird es in m-Dichlor- oder in Di- resp. Tribromanilin tibergeführt.
CMor wirkt nur bei Gegenwart von Jod (4) oder Antimonpentachlorid (5) unter
Bildung von Chlomitrobenzolen auf Nitrobenzol ein. Brom (7) verwandelt das-
selbe bei 250° in Tetrabrombenzol. Mit Chromoxychlorid (8) entsteht eine
leicht zersetzbare Verbindung, welche durch Einwirkung von Wasser in Nitro-
chinon übergeführt wird.
Dinitrobenzol, C6H4(N02)2. Durch starkes Nitriren (9, 10, 11) von
Benzol entstehen sämmtiiche drei Dinitrobenzole und zwar m-Dinitrobenzol als
Hauptprodukt, o- und p-Dinitrobenzol in kleiner Menge.
Zur Darstellung (9, 10, 11) der Dinitrobenzole wird Benzol in ein Gemisch von gleichen
Volumen rauchender Salpetersäure und concentrirter Schwefelsäure, ohne abzukühlen, eingetragen,
kurze Zeit gekocht und dann das Produkt in Wasser gegossen. Wird die abgepresste Krystall-
masse in siedendem Alkohol gelöst, so scheidet sich zunächst reines m-Dinitrobenzol aus,
vihrend sich aus der Mutterlauge nach einigem Stehen Krusten der p-Verbindung absetzen,
velche durch Umkrystallisiren aus Alkohol zu reinigen sind. Die Mutterlaugen der p-Verbindung
enthalten o-Dinitrobenzol, welches am besten durch Umkrystallisiren aus 25 J Essigsäure ge-
reinigt werden kann.
Die drei Dinitrobenzole werden durch Schwefelammonium in Nitraniline,
durch Zinn und Salzsäure in Phenylendiamine übergeführt.
O-Dinitrobenzol krystallisirt in monoklinen (12) Tafeln, welche bei
117-9« (11) schmelzen. 100 Theile siedenden Alkohols (99*4^) lösen 33 Theile.
Wenig löslich in heissem Wasser. Das eine Nitryl (13) wird leicht gegen andere
Radikale ausgetauscht (Unterschied von m- und p-Dinitrobenzol> Beim Kochen
mit Natronlauge entsteht o-Nitrophenol, beim Erhitzen mit alkoholischem
Ammoniak o-Nitranilin.
m-Dinitrobenzol. Rhombische Tafeln, (12), welche bei 89"9*^ schmelzen.
100 Theile Alkohol (99*3 g) lösen bei 24-6^ 5*9 Theile der Verbindung. Durch
Oxydation (14) mit rothem Blutlaugensalz in alkalischer Lösung entstehen die
bei 63® und 114® schmelzenden Dinitrophenole. m-Dinitrobenzol lässt sich auch
aus m-Dinitranilin (15) und aus m-Dinitrophenol darstellen.
p-Dinitrobenzol (16) bildet monokline (12), bei 172° schmelzende Nadeln.
Trinitrobenzol, CgHaNOgNO^NOj (18).
13 5
Zu seiner Darstellung werden 40 Grm. m-Dinitrobenzol mit 300 Grm. krystallisirter
Pyroschwefelsäure und I "20 Grm. rauchender Salpetersäure, welche durch Destillation mit 2 Thln.
Schwefelsäure möglichst entwässert ist, am aufsteigenden KUhler 1 Tag auf 80", dann zwei
Tage auf 120^ erhitzt. Dis Masse wird in Wasser gegossen, mit Soda gewaschen und aus
Alkohol umkrystallisirt.
Es krystallisirt in rhombischen Blättchen oder Nadeln, welche bei 121 bis
122® schmelzen. In kleinen Mengen ist es sublimirbar. Es ist in kaltem Alkohol
und Wasser wenig löslich. Durch eine Lösung von Ferridcyankalium bei
Gegenwart von Soda wird es zu Pikrinsäure oxydirt. Es liefert mit Anilin und
Kohlenwasserstoffen Additionsprodukte. Das auf analogem Wege durch Nitrirung
von p-Dinitrobenzol dargestellte Trinitrobenzol konnte nicht rein erhalten werden.
Chlornitrosubstitutionsprodukte. Chlornitrobenzol, CgH^ClNOg.
o-Chlornitrobenzol bildet sich in kleiner Menge neben der p-Verbindung
durch Einwirkung von Salpetersäure auf Chlorbenzol (20). Durch Einwirkung
von Phosphorpentachlorid auf o-Nitrophenol (21) entstehen ebenfalls geringe
Mengen.
Zur Darstellung (22) wird am besten m-Chlor-p-Nitranilin (Schmp. 157*^) in alkoholischer
Lösung mit salpetriger Säure zerlegt.
«4*
212 Handwörterbuch der Chemie.
Es krystallisirt in Nadeln, welche bei 32*5° schmelzen. Siedep. 243^
Durch Erhitzen mit Natronlauge wird es in o-Nitrophenol, mit alkoholischem
Ammoniak in o-Nitranilin übergeführt. Cyankalium (28) ist ohne Einwirkung auf
o-Chlornitrobenzol.
m-Chlornitrobenzol entsteht durch Chloriren von Nitrobenzol bei Gegen-
wart von Jod (23) oder Antimonchlorid (22) und durch Zersetzung von m-Diazo-
nitrobenzol.
Zur Darstellung (22) wird durch ein erwärmtes Gemisch von 200 Grm. Nitrobenzol und
40 Grm. Antimonchlorid ein rascher Chlorstrom geleitet, bis das Gewicht der Masse um 68 Gnn.
zugenommen hat. Nach dem Abkühlen wird die Masse durch einen Krystall von m-Chlomitro-
bentol zum Erstarren gebracht und nach Entfernung des flüssig bleibenden durch mehrfaches
Umkrystallisiren aus Alkohol gereinigt
Rhombische (24) Krystalle, welche bei 44*4° schmelzen. Siedep. 235*5^
Spec. Gew. = 1-534. Leicht löslich in heissem Alkohol, in Aether und Benzol.
Durch Einwirkung von Cyankalium (25) wird m-Chlornitrobenzol in das Nitril
der o-Chlorbenzoesäure übergeführt.
p-Chlornitrobenzol. Zur Darstellung (26) wird Chlorbenzol in kalter
rauchender Salpetersäure gelöst, mit Wasser gefallt und aus Alkohol umkrystal-
lisirt. Es ist ausserdem aus p-Nitranilin (27) und p-Nitrophenol (21) erhalten
worden. Rhombische, bei 83° schmelzende Blätter. Siedep. 242°. Es geht
beim Erhitzen mit Natronlauge auf 130° in p-Nitrophenol über. Durch Ein-
wirkung von Cyankalium wird p-Chlomitrobenzol (28) in das Nitril der m-Chlor-
benzoesäure übergeführt.
Chlordinitrobenzol, CeH^CKNOa)^.
1. C6H2CINO2NO2 entsteht durch Einwirkung von Phosphorpentachlorid
1 a 4
auf Dinitrophenol (29) (Schmp. 114°) und durch Behandlung von p- resp. o-Chlor-
nitrobenzol (30) mit Salpeter- und Schwefelsäure. Es bildet rhombische, bei
50° schmelzende Krystalle. Siedep. 315°. Spec- Gew. = 1-697 bei 22°. Natron-
lauge oder Ammoniak wirken unter Bildung von Dinitrophenol oder Dinitranilin
auf die Verbindung ein. Durch Erhitzen von o-Chlorbenzol mit rauchender
Salpetersäure entsteht neben der oben beschriebenen Verbindung ein Chlor-
dinitrobenzol (30), welches in rhombischen, bei 42° schmelzenden Prismen
krystallisirt. Siedep. 315°. Spec. Gew. = 1*687 bei 16'5°. Dasselbe geht be-
reits durch Berührung mit einem Krystalle von CgHjClNOjNOj in dieses über.
12 4
2. CßHjClNOijNOg existirt in 4 physikalisch verschiedenen Modifica-
13 4
tionen (31).
Zur Darstellung werden 40 Grm. m-Chlomitrobenzol mit 200 Grm. rauchender Salpeter-
säure und 200 Grm. conc. Schwefelsäure erwärmt, nach beendeter Reaction noch 2b Minuten
gekocht und darauf das Produkt in Wasser gegossen. Das dabei ausgeschiedene und allmäh-
lich erstarrende Oel besteht aus der a-Modification , während die wässrige Lösung Nadeln der
y- Modification abscheidet.
a-Chlordinitrobenzol krystallisirt aus Aether oder Alkohol in mono-
klinen Prismen. Schmp. 363''. Durch Erhitzen auf 40° geht es in ß-Chlor-
dinitrobenzol über, welches monokline, bei 37' 1° schmelzende Prismen bildet
7-Chlordinitrobenzol, entsteht aus der a- Verbindung bereits beim Reiben,
aus a- und ß- Verbindung durch Schmelzen. Bei 38*8° schmelzende Nadeln.
6-Chlordinitrobenzol ist flüssig.
Chlortrinitrobenzol, Pikrylchlorid (32), CgH^C^NOg),, entsteht aus
Pikrinsäure und Phosphorpentachlorid.
Benzol. 2 1 3
Zur Darstellung werden 100 Grm. Pikrinsäure mit 100 Grm. PG5 einige Zeit zum Sieden
erhitzt, der grösste Theil des entstandenen Phosphoroxychlorids abdestillirt, der Rückstand mit
Wasser und Aether behandelt und aus Alkohol oder Ligroin umkrystallisirt.
Monokline Tafeln oder Nadeln, welche bei 83° schmelzen. Durch Kochen
mit Alkalien wird es in Pikrinsäure, durch Ammoniak in Trinitranilin übergeführt.
Es vereinigt sich mit Benzol, Naphlalin etc. zu krystallinischen, jedoch unbe-
ständigen Verbindungen (33).
Dichlornitrobenzol, CgHgCljNOj, existirt in 4 Modificationen, von
denen drei (1, 2 und 4) durch Behandlung der drei Dichlorbenzole mit Salpeter-
säure, die vierte durch Entfernung des Amids aus Dichlomitranilin (Schmp. lOO*')
dargestellt wird.
1. Dichlornitrobenzol (34), C^HgClCNO,, krystallisirt aus Alkohol in langen, bei
43^ schmelzenden Nadeln.
2. Dichlornitrobenzol (35, 36), C.H.CICINO,, durch Nitriren von m-Dichlorbenzol
18 4
dargestellt, bildet lange, bei 83^ schmelzende Nadeln. Durch Zinn und Salzsäure wird es in
o-p-Dichloranilin, durch Erhitzen mit alkoholischem Ammoniak in m-Chlor-p-Nitranilin Ubergefilhrt.
3. m-m-Dichlornitrobenzol (36), CgH,ClQNOj, aus Dichlor-p-Nitranilin erhalten,
ISS
bildet dtinne, bei 65,4° schmelzende Blätter. Durch ZinnchlorUr entsteht m-m-Dichloranilin.
4. p-Dichlornitrobenzol (30), welches in geringer Menge auch beim Chloriren von
Nitrobenzol (35) entsteht, bildet trikline Krystalle. Schmp. 54*5^. Siedep. 266^.
Dichlordinitrobenzol, CßHjCl2(NOj)j. Von den drei isomeren Modificationen ent-
stehen zwei (1 und 2) durch Behandlung von p-Dichlorbenzol oder Nitro-p-Dichlorbenzol mit
Salpeter- und Schwefelsäure, die dritte auf demselben Wege aus m-Dichlorbenzol.
1. p-Dichlordinitrobenzol (36, 37), CgHjCiaNOjNO-, bildet monokline Blätter,
14 9 €
welche bei 104*9^ schmelzen. Es siedet geg^n 312^ unter schwacher Zersetzung. In Alkohol
schwerer löslich als das folgende. Durch Kochen mit kohlensaurem Natron geht es in Dinitro-
chlorphenol (Schmp. 80®) über.
2. Dichlordinitrobenzol (30, 36, 37), CßHjClClNO.NO,, farblose Nadeln, welche
14 2 $ oder h)
bei 101*3® schmelzen. Es siedet gegen 318® unter Zersetzung. Durch Einwirkung von kohlen-
saurem Natron entsteht Chlordinitrophenol (Schmp. 70®), durch alkoholisches Ammoniak Di-
chlomitranilin (Schmp. €6*4®).
3. m-Dichlordinitrobenzol (36), schwach grünlich gefärbte Prismen. Schmp. 103®.
Trichlornitrobenzol (38), CgHjCljNOg, existirt in vier isomeren Modificationen, von
denen drei (1, 2 und 4) durch Nitriren der drei Trichlorbenzole entstehen, während die vierte aus
Dichlomitranilin (Schmp. 67—68®) dargestellt wird.
1. CeHjClClClNO,, Seideglänzende, bei 55— 56® schmelzende Nadeln. Durch Reduktion
12s 4
geht es in Trichloranilin (Schmp. 67*5) über.
2. CeHjClCiaNOg, bildet bei 58® schmelzende Nadeln. Siedep. 288®.
12 4 5
3. CeH.ClClNOjjCl, aus Nitrodichloranilin (Schmp. 67—68®) dargestellt, krystallisirt in
1 s 3 4
farblosen, bei 88 — 89® schmelzenden Nadeln.
4. CeH.QNO.aCl, lange Nadeln, welche bei 68® schmelzen.
1 2 s s
Trichlordinitrobenzol (30), C6HCl3(N03)j, durch mehrstündiges Erhitzen von
1*2*4 Trichlorbenzol mit Salpeter- und Schwefelsäure dargestellt, krystallisirt- in hellgelben, bei
103-5® schmelzenden Prismen. Siedep. 335®.
Tetrachlornitrobenzol (39), CgHCl^NO^i existirt in drei Modificationen, welche
durch Einwirkung von Salpetersäure auf die Tetrachlorbenzole entstehen.
1. CjHaaCiaNOj, kleine, bei 64*5® schmelzende Nadebi.
1 2 s 4 5
2. CgHaaCiaNOj, Nadein. Schmp. 21—22®.
12s» «
r
«14 Handwörterbuch der Chemie.
3. CcHClCiaClNOj, Trikline Krystalle, welche bei 98** schineUcn und bei 304® unter
l Si 4 5 6
ftarkcr Zerscti^ung sieden.
Pentacblornitrobenzol (30), CßCljNOj, durch Kochen von Pentachlorbenzol mit
rauchendi^r Salpetersäure dargestellt, krystallisirt aus Schwefelkohlenstoff in monoldinen Tafeln.
SchOTp. 146^. Siedep. 328 0.
Bromnitrosiibstitutionsprodukte.*) Bromnitrobenzol, C^H^BrNOg.
1. o-Bromnitrobenzol, entsteht neben der p-Verbindimg, von weicheres
dtirch seine leichtere Löslichkeit in Alkohol zu trennen ist, beim Erwärmen von
Brombenzol (1) mit Salpetersäure. Gelbliche, lange Krystalle (2), welche bei
41— 4 i ■5'" schmelzen. Siedep. 261°. Es ist leicht löslich in rauchender Schwefel-
säure (3). Durch Erhitzen mit Kalilauge im geschlossenen Rohr wird es in
o-Nitrophenol übergeführt.
2. m -Bromnitrobenzol wird am leichtesten aus p-Brom-o-Nitranilin (4)
(Sclimp. 104'^) dargestellt. Es entsteht auch durch Zersetzung von m-Diazonitro-
ben^olperb^omid (5). Hellgelbe Blätter (7), welche dem rhombischen System (6)
angehören und bei 56° schmelzen. Siedep. 256*5°. Es wird von Kalilauge kaum
angegriffen.
3. p-Bromnitrobenzol kann, ausser auf dem angeführten Wege (i), auch
aus p-NitraniUn (5) und aus Bromnitranilin (8) (Schmp. 15P) dargestellt werden.
Nadeln (9), welche bei 126— 127 «> schmelzen. Siedep. 255— 256<>. Durch Er-
hitzen mit Kalilauge wird es in p-Nitrophenol übergeführt.
Bromdinitrobenzol, C6H3Br(NOj,)2. Drei Isomere.
1. CgHjjBrNOgNOg, durch Nitriren von Brombenzol (10) mit Salpeter- und
' 1 a 4
Schwefelsäure dargestellt, bildet gelbe, bei 72^ schmelzende Krystalle. Es kann
durch geeignete Reactionen in o-p-Dinitranüin (n), in m-Phenylendiamin (12)
und in o-p-Dinitrophenol (Schmp. 114®) übergeführt werden.
2. CfiH3BrN02N02 entsteht (13) neben geringen Mengen eines isomeren
I s 4
Produktes durch Erhitzen von m -Bromnitrobenzol mit Salpetersäure und
rauchender Schwefelsäure. Grüngelbe monokline Krystalle (6), welche bei 59*4®
schmelzen. Durch Erhitzen mit alkoholischem Ammoniak entsteht Bromnitranilin.
3. C6H3N02N02Br. Aus o-Dibrombenzol (14) dargestellt, bildet bei 87«^
18 5
schmelzende Krystalle.
•) 1) Wai.kkr u. Zinke, Ber. 5, pag. 114. 2) Fittig u. Mager, Ber. 7, pag. 1179.
3) KÖRNER, Jahresber. 1875, P*&- 3^0 — 23. 4) WuRSTER u. Grübenmann, Ber. 7, pag. 416.
5) Grjesp. Jnbrc'^ber. 1863, pag. 423. 6) Bodewig, Jahresber. 1877, pag. 423 — 24. 7) Fittig
u, Mac ER, Ber. 3, pag. 363. 8) Wurster, Ber. 6, pag. 1544. 9) Fittig u. Mager, Ber. 7,
pag. 1175- 10) Kekul^, Ann. 137, pag. 167. 11; Clemm, J. pr. Ch. [2] i, pag. 172. 12) Zinke
u, SI^JTEKIS^ Ber. 5, pag. 791. 13) Körner, Jahresber. 1875, pag. 332. 14) Austen. Ber. 8,
pag. iißz. 15) Körner, Jahresber. 1875, pag. 305—309. 16) Groth, Ber. 7, pag. 1563.
17) AüSTEN, Ber. 8, pag. 1182. 18) KÖRNER, Jahresber. 1875, pag. 333. 19) Austen, Ber. 9,
pag. 621. 20) Ders., Ber. 9, pag. 918. 21) Körner, Jahresber. 1875, pag- 31-2 -3i7-
22) WuRSTLK. u. ^eran, Bcf. 12, pag. 1821. 23) Panebianco, Jahresber. 1879, P^- 3^7*
24) KÖRNER, Jahresber. 1875, pag. 312. 25) Ders., Jahresber. 1875, P^ß- 3^7- 26) WuRSTKR
u. Beran, Ber. 12, pag. 182 1. 27) von Richter, Ber. 8, pag. 1427. 28) Longfürth, Ann. 191,
pag* 202. 29) Körner, Jahresber. 1875, pag. 325—327. 30) Ders., Jahresber. 1875, P*g-
3Z0— 322. 31) GRIESS, Z. Ch. 1866, pag. 218. 32) Körner, Jahresber. 1875, pag- 35^
33) KEKULi, Ann. I37i pag. 168. 34) Körner, Jahresber. 1875, P^g- 327—328. 35) Ders.,
jÄhfCsber. 1875^ pag. 329 — 30.
Benzol. 215
Dibromnitrobenrol (15), C^HjBrjNO,. Dasselbe existirt in fünf isomeren Modifica-
tionen, von denen zwei (i und 5) durch Nitriren von o- resp. p-Dibrombenzol, zwei (2 und 3)
durch Nitriren von m-Dibrombenzol erhalten werden, während die fünfte aus Dibrom-o- resp.
p-Nitranilin gewonnen wird.
1. CgHjBrBrNOj bildet hellgelbe, monokline (16) Tafeln, welche bei 58-€® schmelzen.
13 4
Siedep. 296*'. Es kann in 1, 2, 4 Tribrombenzol übergeführt werden.
2. CgHjBrBrNOj krystallisirt aus Alkohol in weissen, seideglänzenden Nadeln, welche
15 6
bei 82-6'^ schmelzen. Flüchtig mit Wasserdämpfen. Durch alkoholisches Ammoniak wird es bei
180** in Nitro-m-Phenylendiamin umgewandelt.
3. CjHjBrBrNO, krystallisirt aus ätherhaltigem Alkohol in schwefelgelben, triklinen (16)
1 3 4
Kiystallen, welche bei ßVß^ schmelzen. Leicht flüchtig mit Wasserdämpfen. Es kann in
1, 2, 4 Tribrombenzol übergeftihrt werden.
4. CgHjBrBrNOj bildet farblose, dünne Blätter des monoklinen Systems (6), welche bei
1 3 s
104*5^ schnaelzen.
5. CjHjBrBrNO, krystallisirt aus Aether-Alkohol in grünlich gelben, dünnen Tafeln,
14 5
welche bei 85 '4° schmelzen. Durch Zinn. und Salzsäure wird es in Dibromanilin (Schmp. 51**)
übergeftihrt. Es kann in 1, 2, 4 Tribrombenzol übergeführt werden.
Dibromdinitrobenzol, C6H36r2(N02)3» existirt in sechs isomeren Modificationen.
1. a-o-Dibromdinitrobenzol (17) entsteht neben der ß-Verbindung durch Kochen von
o-Dibrombenzol mit Salpeter-Schwefelsäure. Die Trennung wird durch Eisessig, in welchem die
a-Verbindung schwer löslich ist, ausgeführt. Zoll lange, weisse, stark glänzende Nadeln, welche
bei 158^ schmelzen.
2. ß-o-Dibromdinitrobenzol(i7) bildet kleine, glänzende^ bei 120^ schmelzende Krystalle.
3. a-ni-Dibromdinitrobenzol(i8) durch Erwärmen von m-Dibromnitrobenzol (Schmelz-
punkt 61*6°) mit Salpetersäure und rauchender Schwefelsäure bei 100° dargestellt, krystallisirt
in grünlich gelben Nadeln, welche bei 117-4*' schmelzen. Durch Erhitzen mit Kalilauge ent-
steht m-Bromdinitrophenol (Schmp. 91'5®).
4. p-m-Dibromdinitrobenzol (15) wird durch Nitriren von m-Dibromnitrobenzol
(Schmp. 82-6°) dargestellt. Grünliche Krystalle. .
5. a-p-Dibromdinitrobenzol (19) entsteht neben der ß- Verbindung durch Erwärmen
▼on p-Dibrombenzol mit Salpeter- und Schwefelsäure. Es krystallisirt aus Eisessig in durch-
sichtigen Nadeln, welche bei 159^ schmelzen. Durch Ammoniak entsteht bei 75° schmelzendes
Dibromnitranilin.
6. ß-p-Dibromdinitrobenzol, bildet dicke, zugespitzte Nadeln, welche bei 99—100°
schmelzen. Durch Ammoniak entsteht bei 160° schmelzendes Bronmitranilin.
Tribromnitrobenzol, CgHjBrjNOj, existirt in fünf isomeren Modificationen.
1. CgHjBrBrBrNOj (21) wird aus 0-0-Dibrom-p-Nitranilin (Schmp. 202*5°) und aus dem
13 3 5
bei 151 '4° schmelzenden Tribromnitranilin dargestellt und bildet durchsichtige, fast farblose
Krystalle, welche bei 112° schmelzen. Es wird durch alkoholisches Ammoniak in 0-0-Dibrom-
p-Nitranilin (Schmp. 202*5°) umgewandelt.
2. CeHjBrBrBrNOj (21) entsteht neben dem folgenden durch Behandlung von 1, 2, 4
13 4 5
Tribrombenzol mit rauchender Salpetersäure. Lange, schwefelgelbe Nadeln, welche bei 93*5°
schmelzen. Durch Ammoniak wird es in Bromnitro-p-Phenylendiamin übergeführt
3. CeHjBrBrBrNO.. (21) krystallisirt aus Aetheralkohol in fast farblosen, rhombischen
1 3 4 s
Tafeln oder Prismen.
4. CgHjBrBrBrNOj (21) entsteht aus o-p-Dibrom-o-Nitranilin (Schmp. 127*3°) und bildet
13 4 6
seideglänzende, bei 119*5° schmelzende Nadeln. Durch alkoholisches Ammoniak wird es wieder
in o-p-Dibrom-o-Nitranilin übergeführt.
5. CgHjBrBrBrNO.^ (21) wird durch Kochen von 1, 3, 5 Tribrombenzol (22) mit
tl6 Handwörterbuch der Chemie.
SalpetersHurc und durch Entfernung von Amid aus Tribromnitranilin (Schmp. 102*5*^ dargc-
stelll. Grofise, durchsichtige, monokline Prismen (23) oder Tafeln mit schwach giünlicbem
Schimnier. Sdimp. 125*1*^. Siedep. 177® bei 11 Millim. Durch Zinn und Salzsäure entsteht bei
n9*^ schmelzendes Tribromanilin. Durch alkoholisches Ammoniak wird es in Bromnitro-
iD*Phepylendiamin übergeführt.
Tribromdinitrobenzol, C5HBrj(NOj)3.
1. ]i 2, 4 Tribromdinitrobenzol (24), aus Tribromnitrobenzol (Schmp. 93*5®) oder aus
1, 2» 4 Tribrombenzol mit Salpeterschwefelsäure dargestellt, krystallisirt aus Aether in grossen,
hiskss grüngelben Prismen oder Tafeln, welche bei 135*5'' schmelzen und dem monoklincn
System angehören. Durch alkoholisches Ammoniak entsteht Bromdinitrophenylendiamin.
2r ], 3, 5 Tribromdinitrobenzol (25, 26), durch Kochen des entsprechenden Tribromnitro-
i»co£ols mit einem Gemisch von gleichen Theilen rauchender Salpetersäure und krystallisirter
t suchender Schwefelsäure dargestellt, bildet glänzende, bei 192® schmelzende Nadeln.
Tctrabromnitrobenzol, CgHBrBrBrBrNO« , entsteht durch Behandlung (27) des
1 3 s & 6
entsprechenden Tetrabrombenzol mit Salpetersäure (Spec Gew. 1-59) und bildet bei 96®
Kcbmelzende Krystalle. Die rasch abgektihlte Substanz schmilzt bei 60®, wird jedoch allmähhch
wieder in die bei 96® schmelzende Modification umgewandelt. Auch aus absolutem Alkohol
werden feine, bei 60® schmelzende Nadeln (28) abgeschieden, welche sich allmählich in constant
btii B6^ schmelzende Blättchen umsetzen.
Tetrabrom-m-Dinitrobenzol (27), CeBr4(N02)2, wird durch Einwirkung von
rauchender Salpetersäure (Spec. Gew. = 1*54) auf Tetrabrombenzol dargestellt und krystallisirt
aus Beniol in monoklinen, bei 227 — 228® schmelzenden Prismen.
C hl orbiomnitro Substitutionsprodukte (29).
[ . m-Chlorbromnitrobenzol. Durch Nitriren von m-Chlorbrombenzol entsteht ein Chlorbrom-
mtrobenzo], welches nach seinen Zersetzungen als ein Gemenge von zwei Isomeren anzusehen ist
2. CgH^aBrNO, entsteht durch Ersatz von Amid durch Brom im m-Chlor-o-Nitranilin
L 4 5
(Schmp, 123—124®) und krystallisirt aus Alkohol in grünlich gelb gefärbten, bei 49-5°
schmchenden Nadeln.
3. C^HjClBrNO,, aus Chlorbromnitranilin (Schmp. 106*4**) dargestellt, krystallisirt in
13 6
schmalen I dünnen Blättern, welche bei 82*5** schmelzen.
4. CgHgClBrNO, entsteht durch Einwirkung von Salpetersäure auf p-Chlorbrombenzol
14 6
Kiy stalle f welche bei 68*6** schmelzen.
Jodnttrosubstitutionsprodukte. Jodnitrobenzol, CeH4JN02. o-Jod-
nitrobenzol (30) entsteht neben der p-Verbindung durch Nitriren von Jodbenzol.
Die Trennung derselben beruht auf der leichteren Löslichkeit des o-Jodnitroben-
xüls in Alkohol. Citronengelbe Nadeln, welche bei 49'4® schmelzen. Bei der
Keduction entsteht neben Anilin wenig o-Jodanilin.
m-Jrjdnitrobenzol (31, 32), aus m-Diazonitrobenzol dargestellt, bildet mo»
nokline, bei 36® schmelzende Blättchen. Siedet gegen 280®.
p-Jodnitrobenzol (30), welches auch aus Jodbenzol {^^) und Salpetersäure
entsteht, krystallisirt aus Alkohol in platten, hellgelben, diamantglänzenden Nadeln.
Schmp. 17 15®. Durch Reductionsmittel wird es in p-Jodanilin übergeführt,
Joddinitrobenzol, C6H3J(N02)2.
1. CßH3jN02NOa (30) entsteht in kleinen Mengen, neben dem folgenden
13 6
als Hauptprodukt, von welchen es durch seine leichtere Löslichkeit in Alkohol
zu trennen ist, durch Behandlung von o-Nitrojodbenzol mit Salpeter- und Schwefel-
säure. Es krystallisirt aus Alkohol in tief orangegelben, rhombischen Prismen,
welche bei 113'7® schmelzen. Durch Erhitzen mit alkoholischem Ammoniak
wird es in 0-0-Dinitranilin (Schmp. 138°) übergeführt.
2. CtjHjJNOjNOj (30), einziges Produkt der Einwirkung von Salpeter- und
1 s 4
Benzol. 2 1 7
Schwefelsäure auf p-Jodnitrobenzol , krystallisirt aus Aetheralkohol in grossen,
dunkelgelben Tafeln oder Prismen, welche bei 88*5° schmelzen. Durch Erhitzen
mit alkoholischem Ammoniak wird es in o-p-Dinitranilin (Schmp. 182*^) tibergetührt.
m-Dijodnitrobenzol (29), CgHjJJNOj, entsteht durch Auflösen von m-Dijodbenzol
IS 4
in Salpetersäure (Spec. Gew. = 1*52) und bildet citronengelbc Krystallc, welche bei 168*4°
schmelzen. Durch Erhitzen mit alkoholischem Ammoniak wird es in m-Jod-o-Nitranilin über-
^efähit»
Chlorjodnitrobenzol (34), CeHjClJNOj.
1. CgH-ClJNO.., durch Austausch von Amid gegen Jod im m-Chlor-o-Nitranilin (Schmelz-
18 4
punkt 123 — 124°) dargestellt, krystallisirt in gut ausgebildeten Prismen, welche bei (53-4°
schmelzen.
2. m-Chlorjodnitrobenzol wird durch Nitriren von m-Chlorjodbenzol erhalten. Krystallinische
Verbindung, welche höher schmilzt als die vorige.
3. C-HjClJNOj, aus p-Chlor-o-Nitranilin dargestellt, krystallisirt aus Alkohol in conccn-
14 5
Irisch gnippirten Nadeln, welche bei 63*3** schmelzen.
Bromjodnitrobenzol (35), CgHjBrJNOj. Fünf Isomere.
1. o-Bromjodnitrobenzol, CgH,BrJNOj, wird durch Nitriren von o-Bromjodbenzol oder
1 ) 5
durch Austausch von Jod gegen Amid in o-Brom-p-Nitranilin (Schmp. 104"5°) dargestellt und
bystallisiTt aus Alkohol in schwach grünlich gelben Prismen oder Nadeln, welche bei 10G°
schmelzen. Durch Erhitzen mit alkoholischem Ammoniak entsteht o-Bromnitranilin.
2. CgHjBrJNOj, aus m-Brom-o-Nitranilin (Schmp. 15 ll**) dargestellt, bildet intensiv
13 4
gelbe, bei 83*5° schmelzende Krystalle. Durch alkoholisches Ammoniak entsteht m-Brom-o-
Nitranilin.
3. u. 4. m-Bromjodnitrobenzol. Die beiden Verbindungen entstehen durch Erwärmen von
m-Bromjodbenzol mit conc. Salpetersäure. Das Hauptprodukt bildet citronengelbc Prismen oder
Nadeln, welche bei 126*8** schmelzen. Es giebt mit alkoholischem Ammoniak m-Jod-o-Nitra-
5. CjHjBrJNOj, aus p-Brom-o-Nitranilin (Schmp. 111-4**) dargestellt, ist eine bei 90-4°
1 4 6
schmelzende Substanz.
Antimon-, Arsen- und Phosphorderivate des Benzols.*)
Triphenylstibin (8), (C6H5)3Sb, entsteht durch Einwirkung von über-
schüssigem Natrium auf ein Gemenge von Antimon trichlorid und Brombenzol in
Benzol gelöst. Es krystallisirt aus Alkohol in schwach gelben Blättchen, welche
bei 48° schmelzen. Mit Brom und Chlor vereinigt es sich zu krystallinischen
Additionsprodukten.
Phenylarsenchlorür (i), CgH^AsClg. Dasselbe entsteht 1. beim Durcli-
Iciten von Arsentrichlorid und Benzol durch ein rothglühendes Rohr und zwar
neben Diphenyl:
AsClj -+- CeHß = CßH.AsCla 4- HCl
2. Durch Erhitzen von Arsentrichlorid mit Quecksilberdiphenyl:
2ASCI3 -^-Hg(C«H,)3 = 2C6H5ASCI2 -^-HgClg
3. Durch Erhitzen von Triphenylarsin mit Arsentrichlorid (8) auf 250®.
Die erste Methode ist zur Darstellung nicht geeignet, da das Chlorid nicht vom Diphenyl
•) 1) La Coste u. Michaelis, Ann. 201, pag. 191—200. 2) Ibid. 203. 3) Michaelis
u. Link, Ann. 207, pag. 195. 4) Ibid. 305—307. 5) La Coste u. Michaelis, Ann. 201,
pag. 212—215. 6) Ihid. 215 u. ff. 7) La Coste u. Michaelis, Ann. 201, pag. 235. 8) Michae-
lis u. Reese, Ber. 15, pag. 2876. 9) La Coste u. Michaelis, Ann. 201, pag. 237. 10) Dies.,
Ann. 201, pag. 200 — 212. 11) Schulte, Ber. 15, pag. 1955. '^) Michaelis und Schulte,
Bei. 15, pag. 1952. 13) Dies., Ber. 14, pag. 912.
2i8 Handwörterbuch der Chemie.
zu trennen ist. Man stellt es nach 2 dar und erhitxt 700 Grin. AsQj mit 70 Grm. Hg(CjHj),
einige Zeit auf 254° und unterwirft die abfiltrirte Flüssigkeit der fractionirten Destillation.
Das Chlorür bildet eine farblose, stark lichtbrechende, leicht bewegliche
Flüssigkeit, welche an der Luft nicht raucht und bei 252—255° siedet. Es riecht
in der Kälte schwach unangenehm. Wirkt ätzend auf die Haut. Es wird selbst
von siedendem Wasser nicht angegriffen; von Alkalien wird es leicht zersetzt
Phenylarsentetrachlorid (2), CßH.i^AsCl^, entsteht durch Einleiten von
Chlor in das Phenylarsenchlorür. Es erstarrt bei gewöhnlicher Temperatur allmäh-
lich, bei 0° sofort zu breiten, gelben Nadeln, welche erst bei 45° wieder schmelzen.
Es raucht an der Luft; von Wasser wird es unter Bildung von Phenylarsenoxyd
und Phenylarsinsäure zersetzt. Durch Erliitzen im ofienen Gefässe wird es in seine
Componenten zerlegt, ebenso durch Einleiten von Kohlensäure. Im Rohr auf
150° erhitzt wird es in Chlorbenzol und Arsentrichlorid gespalten.
Phenylarsenbromür (2), C g H 5 As Br 2 . Durch Erwärmen von Phenylarsenoxyd
mit conc. Bromwasserstoffsäure dargestellt, bildet eine schwach gelbe, bei 285
unter schwacher Zersetzung siedende Flüssigkeit. Es wird von Wasser nicht zer-
setzt. Brom wirkt unter Bildung von Brombenzol und Arsentribromid darauf ein
Phenyldimethylarsin (4), C6H;,As(CH3)3.
Zur Darstellung lässt man mit Aether oder Benzol verdtinntes Phenylarsencfalorttr zu Zink-
methyl tropfen und scheidet nach dem Abdestilliren des Aethers das Arsin aus dem ztnfick-
bleibenden Synip durch Kalilauge ab. Dasselbe wird nach dem Trocknen Über Chlorcaldum
durch Destillation gereinigt.
Es bildet eine farblose, in Wasser unlösliche, mit Alkohol und Benzol
mischbare Flüssigkeit, welche bei 200° siedet. Durch Einwirkung von Jodmethyl
entsteht
Phenyltrimethylarsoniumjodid (4), CgHjAs(CH3),J, welches aus schwach alkalischem
Alkohol in weissen, bei 244° schmelzenden Nadeln krystallisirt. Das Platindoppelsalz,
(C6H6As(CH3)3)aPtCl4, krystallisirt aus Wasser in schön rothen, bei 219° schmelzenden
Lamellen.
Phenyldiäthylarsin, C6H5As(C2H5)2 (5), der Methylverbindung analog
aus Zinkäthyl dargestellt, ist eine farblose, stark lichtbrechende Flüssigkeit von
unangenehmem Gerüche. Siedep. 240°. Es verbindet sich mit Chlor zu dem
schön krystallisirenden Chlorid, C6H;,As(CeH5)2Cl2. Durch Erhitzen mit Jod-
äthyl im Rohr auf 100° entsteht
Phenyltriäthylarsoniumjodid (5), CgHjAs(C3Hj)2J, welches aus Wasser in farblosen,
prismatischen, bei 112 — 113° schmelzenden Krystallen abgeschieden wird. Es schmeckt bitter.
Es ist leicht löslich in Alkohol, unlöslich in Aether; durch vorsichtiges Erhitzen im Kohlensäure-
Strom wird es in Jodäthyl und Phenyldiäthylarsin gespalten. Durch Erhitzen mit Silberoxyd
und Wasser auf 100^ entseht eine S3nrupaTtige stark alkalische Oxybase, deren salzsahires Ssl«
mit Platinchlorid ein in goldgelben Blättchen krystallisirendes Doppelsalz, [CgH5As(C,Hj),],Pta4,
bildet.
Diphenylarscnchlorür (3, 6), (C6H,r,)2AsCl, entsteht als Nebenprodukt
bei der Bereitung von Monophenylarsenchlortir.
Zur Darstellung werden 230 Grm. des letzteren mit 60 Grm. Quecksilberdiphenyl in einem
Kolben mit aufgesetztem Glasrohr einige Zeit zum Sieden erhitzt, nach dem Erkalten von dem
entstandenen Bodensatz abgegossen, das abdestillirte Monophenylarsenchlortir mit weiteren
50 Grm. Quecksilberdiphenyl in derselben Weise behandelt und darauf die erhaltenen Flüssig-
keiten im Kohlensäurestrom fractionirt.
Hellgelbe, ölartige Flüssigkeit von schwachem Geruch. Es siedet im Kohlen-
Säurestrom unzersetzt bei 333®. Spec. Gew. =1-42231 bei 15®. Unlöslich in
%
V
Benzol 219
Wasser, leicht löslich in Alkohol, Benzol und Aether. Es wird von Alkalien auch
beim Kochen wenig gelöst. Durch Kochen mit conc. Salpetersäure entsteht Di-
phenylarsinsäure. Mit Chlor vereinigt es sich zu
Diphenylarsentrichlorid (6), (CeH5)jAsClj, welches aus wasserfreiem Benzol in
farblosen, bei 174° schmekenden Tafeln krystallisirt. Es zerfällt beim Erhitzen auf 200 **
in Fhenylarsencblorür und Chlorbenzol.
Diphenylarsenbromür (6), (C6H5)2AsBr, wird aus Diphenylarsenoxyd
und conc. BromwasserstofFsäure dargestellt und bildet eine selbst im Kohlen-
säurestrom nicht unzersetzt destillirbare Flüssigkeit.
Diphenylmethylarsin (3), (C6H5)2AsCH3, durch Vermischen von Zink-
methyl und Diphenylarsenchlorür in Benzollösung dargestellt, ist eine stark licht-
brechende, in Wasser unlösliche Flüssigkeit. Siedep. 306°. Es vereinigt sich
mit Jodmethyl zu
Diphenyldimethylarsoni um Jodid (3), (C5H5).^As(CHj)2J, welches aus schwach
alkalischem Alkohol in farblosen, bei 190° schmelzenden, spiessigen Krystallen abgeschieden wird.
Schwer löslich in kaltem Wasser, unlöslich in Aether. Das Pia tindoppel salz krystallisirt in
flachen, rothgelben Tafeln. Schmp. 219°.
Diphenyläthylarsin (7), (C6H5)2AsC2H5, analog der Methylverbindung
aus Zinkäthyl erhalten, bildet eine obstartig riechende Flüssigkeit, welche im
Kohlensäurestrom bei 305° siedet. Es vereinigt sich mit Chlor zu
Diphenyläthylarsendichlorid (7), (C5H5)3AsC2HjCl2, welches aus Benzol in langen,
&rblosen, bei 137° schmelzenden Nadeln krystallisirt. Das Chlorid wird von Wasser unter
Bildung eines krystallinischen Produktes zersetzt.
Diphenyldiäthylarsoniumjodid (7), (C6H5)2As(C2H5)oJ, wird durch Erhitzen von
Diphenyläthylarsin mit Jodäthyl auf 100® erhalten und bildet weisse, bei 184® schmelzende
Nadeln. Das Platindoppelsalz krystallisirt in goldgelben Blättchen.
Diphenylmethyläthylarsoniumjodid (3), (CfiH5)jAsCH3C3H5J, farblose, dem
rhombischen System angehörende Krystalle, welche bei 170® schmelzen. Es zerfällt beim Er-
hitzen im Kohlensäurestrom in Diphenylmethylarsin und Jodäthyl. Das Platindoppelsalz,
[(CjHj),AsCH,CjH5]2Pta4, krystallisirt in gelbweissen, bei 214® schmelzenden Nadeln, das
Pikrat bildet gelbe Nadeln. Schmp. 95®.
Triphenylarsin (9), (C6H5)3As, entsteht in geringen Mengen bei der Dar-
stellung von Mono- und Diphenylarsenchlorür. Es wird durch Erhitzen von Phenyl-
arsenoxyd, CgHjAsO, welches dabei in Arsenigsäureanhydrid und Triphenylarsin
zerfallt, oder besser durch Einwirkung von Natrium (8) auf ein Gemisch von Areen-
trichlorid, Brombenzol und Aether dargestellt. Es krystallisirt aus Alkohol in
farblosen, zerbrechlichen Blättchen, aus Arsentrichlorid in grossen, glasglänzenden
Tafeln, welche bei 58—59° schmelzen. Es siedet im Kohlensäurestrom unzer-
setzt bei»360^ Unlöslich in Wasser, leicht löslich in Aether und Benzol.
Versetzt man eine alkoholische Lösung des Arsins mit Quecksilberchlorid, so
entstehen perlmutterglänzende Blättchen von As(C6H5)gHgCl2i welches durch
siedende Kalilauge unter Bildung von
Triphenylarsinhydroxyd, (C6H5)3As(OH)3, zerzctzt wird. Mit Chlor vereinigt sich
das Arsin zu
Triphenylarsindichlorid, (CgH5)3AsCl3, welches farblose, bei 171^ schmelzende
Tafeln bUdet.
Phenylarsenoxyd (10), C^HgAsO.
Zur Darstellung wird PhenylarsenchlorUr mit Sodalösung zerlegt und das dabei entstehende,
feste Produkt aus Alkohol umkrystallisirt.
Es bildet bei 119—120° schmelzende, krystallinische Krusten, riecht anisartig
1
"iio Handwörterbuch der Chemie.
und ffreift beim Erwärmen die Schleimhäute an. Unlöslich in Wasser, leicht lös-
lich in Benzol.
Ptienylarsin^äure (lo), C6H5AsO(OH)2.
Die Säure wird durch Eindampfen von Phenylarsentetrachlorid mit Wasser und Um-
krystaihfiTen des zurückbleibenden, zähen, krystallinischen Rückstandes aus heissem Wasser dargesteUt
Sie krystallisirt in langen Säulen. Ziemlich leicht löslich in kaltem, leicht
in lieissem Wasser. Löslich in wässrigem und absoluten Alkohol. Sie ist sehr
glAtg. Bei 158^ beginnt sie zu erweichen und geht dabei unter Wasserverlust
in das Anhydrid über. Die Säure löst sich in Ammoniak und Alkalien.
Dil! dabei entstehenden sauren Salze sind mit Ausnahme der Ammonium -Verbindung
nicht ltr}'?tallinisch. Barium- und Calciumsalz sind ebenfalls krystallinisch. Blei- und
Kupf*^r^nlz bilden amorphe Niederschläge.
Phenylarsinsäureanhydrid (lo), CßHjAsO.^, dessen Darstellung schon erwähnt wurde,
ist em amorphes Pulver.
Phcnylarsinsäurechlorid (lo), CgHsAsOQj, durch Zersetzung von Tetrachlorid mit
i Mol. Wasser, oder besser durch Einwirkung von Chlor auf Phenylarsenoxyd dargestellt,
bildet eine weisse, krystallinische Substanz, welche an der Luft raucht. Schmp. 100®.
L7iphenylarsenoxyd (6), [(C6H5)2As]20, wird durch Kochen von Diphenyl-
arsenchiorür mit alkoholischem Kali bereitet und krystallisirt aus heissem Aether
in war?;en förmigen Krystallen, welche bei 91 — 92® schmelzen. Es vereinigt sich mit
Chlor zu Diphenylarsenoxychlorid, einem weissen, bei 117® schmelzenden Pulver.
Diphenylarsinsäure (6), (C6H5)2AsOOH, welche aus Diphenylarsentetra-
oder -üxychlorid und Wasser erhalten wird, bildet feine, weisse, bei 174*
schmeljiende Nadeln. Sie ist leicht löslich in Alkohol und in heissem Wasser,
kaum in Benzol und Aether. Von Ammoniak und Alkalien wird sie unter
Bildung neutraler Salze aufgenommen.
D^^ krystallinische Ammoniumsalz verliert bereits an der Luft sämmtliches AmmoniaL
Barium' und Kupfersalz sind amorph. Das Bleisalz bildet feine Nadeln.
Tfiphenylarsinhydroxyd (6), (C6H5)3As(OH)8, entsteht durch Kochen
von IViphenylarsindichlorid mit verdünntem Ammoniak. Es krystallisirt aus
Wasser oder Alkohol in farblosen, bei 108® schmelzenden Tafeln, welche über
Schwelelsäure unter Wasserverlust in das bei 189® schmelzende Triphenyl-
arsenoxyd, (CßH5)8AsO, tibergehen.
Phenylarsensulfid (ii), CßHgÄsS, entsteht durch Erhitzen von Arseno-
ben/.ol mit Schwefel und durch Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf Phenyl-
arsenoxyd. Weisse, bei 152® schmelzende Nadeln. Leicht löslich in Schwefel-
k ob Jen Stoff und siedendem Benzol, schwer in Alkohol und Aether.
Phenylarsensesquisulfid (ii), (CßH5)jAs2S3, durch Sättigen einer
ammuniakalischen Lösung von Phenylarsinsäure mit Schwefelwasserstoff erhalten,
krystallisirt aus siedendem Eisessig in langen, dünnen Blättchen.
Triphenyl,arsinsulfid (9), (C6H5)3AsS, durch Zusammenschmelzen von
Triplenylarsin oder durch Kochen von gelbem Schwefel ammonium mit Triphenyl-
arsinchlorid dargestellt, krystallisirt aus Alkohol in seideglänzenden, bei 162^
schmelzenden Nadeln.
Arsenobenzol(i2, 13), CßH.^ASjCgHj. Dasselbe bildet sich durch Reducdon
von Phenylarsenoxyd und Phenylarsinsäure. Die Reduction wird am besten durch
Kochen der alkoholischen Lösung dieser Körper mit phosphoriger Säure bewerk-
stellipt. Ks bildet gelbliche, bei 196® schmelzende Nadeln. Unlöslich in Wasser
und Aether, löslich in Chloroform, Benzol und Xylol. Es vereinigt sich direkt
mit Halogenen und Schwefel.
Benzol. 221
Jodarsenbenzol (12, 13), (C6H5)2As2J2, wird durch Reduction von Phenyl-
arsenjodür mit phosphoriger Säure erhalten und bildet höchst zersetzliche, an
der Luft zerfliessliche, rothgelbe Nadeln. Beim Aufbewahren wird es unter
Bildung von Phenylarsenjodtir und Phenylarsinsäure zersetzt.
Phenylphosphin*) (2), CeHjFHa. Dasselbe entsteht durch Zersetzung des
jodwasserstoffsauren Phosphenyljodids und durch Destillation von phosphenyliger
Säure:
SCeHjPCOH), = CßHsPH^ -+- 2C,H,?0{0U)^.
Zur Darstellung wird rohes Phosphenylchlorid, CgH^PG,, in Alkohol gegossen, vom aus-
geschiedenen Phosphor abfiltrirt, die grösste Menge des Alkohols im Kohlensäurestrom abdestillirt
nad der dickflüssige Rückstand in einer kleineren Retorte, ebenfalls im Kohlensäurestrom
destülirt. Das oberhalb 2ÖÜ® Uebergehende, welches aus zwei Schichten, Wasser und dem
leichteren Phosphin mit Benzol gemengt, besteht, wird getrennt, und das über Chlorcalcium ge-
trocknete Phosphin rectificirt
Es ist eine farblose, stark lichtbrechende Flüssigkeit von durchdringendem
Geruch. Siedep. 160—161°. Spec. Gew. = 1001 bei 15°. Es oxydirt sich an
der Luft zu phosphenyliger Säure und verbindet sich bei 100° mit Schwefel zu
CJH5PH2S. Von warmer conc. Salpetersäure wird es unter Feuererscheinung
oxydirt. Mit trockner Jodwasserstoffsäure entsteht Phenylphosphoniumjodid,
CjHjPHjJ (1), welches in weissen, bei 138° schmelzenden Nadeln krystallisirt.
Die Lösung von Phenylphosphin in Salzsäure giebt mit Platinchlorid ein
kiystallinisches Doppelsalz. Durch Erhitzen des Phosphins mit Schwefelkohlen-
stoff (3) auf 150° entsteht eine spröde, glasartige Masse, C14H1JP2S3, welche
als Phenyldiphosphorsulfocarbaminsäure bezeichnet ist.
Phosphenylchlorid (4), C^H-PClj, bildet den Ausgangspunkt für die
meisten Phosphorverbindungen des Benzols. Dasselbe entsteht durch Erhitzen
von Phosphortrichlorid mit Quecksilberdiphenyl auf 180^ und, neben Diphenyl,
beim Durchlciten von Phosphortrichlorid und Benzol durch ein rotliglühendes
Porzellanrohr:
CßHg 4- PCI3 = CeHjPClj -h HCl.
Zur Darstellung nach letzterer Methode wird ein von Michaelis (4) construirter Apparat
benfitzt, das erhaltene Produkt durch Erhitzen auf 180 bis 200^ von freiem Phosphor (5) be-
freit und durch Rectification gereinigt.
Das Phosphenylchlorid (4) bildet eine durchdringend riechende Flüssigkeit,
welche an der Luft raucht und bei 224® (cor.) unter schwacher Bräunung siedet.
Spec. Gew. = 1-319 bei 20®, 1-3428 bei 0®. Es ist mit Benzol, Chloroform,
Schwefelkohlenstoff mischbar. Mit Wasser entsteht phosphenylige Säure. Durch
Erhitzen (5) auf 280" wird es in Phosphortrichlorid und Diphenylphosphorchlorür,
•) 1) Köhler u. Michaelis, Ber. 10, pag. 807. 2) Micil\elis, Ann. 181, pag. 341.
3) Michaelis u. DrrrLER, Ber. 12, pag. 338. 4) Michaelis, Ann. 181, pag. 280. 5) Broglie,
Ber. 10, pag. 628. 6) KÖm.ER, Ber. 13, pag. 1626. 7) Michaelis, Ann. 181, pag. 294.
8) Michaeus u. Köhler, Ber. 9, pag. 519. 10) Michaelis, Ann. 181, pag. 298—301. 11) Ders.,
Ann. 181, pag. 359. 12) Michaeus u. Köhler, Ber. 10, pag. 814. 13) Michaelis, Ann. 181,
pag. 345. 14) Gleichmann, Ber. 15, pag. 198. 15) Michaelis u. Gleichmann, Ber. 15,
pag. 802. 16) Michaelis u. Link, Ann. 207, pag. 208. 17) Michaelis, Ber. 10, pag. 627.
18) Michaelis u. Reese, Ber. 15, pag. 1610. 19) Michaelis, Ann. 181, pag. 345. 20) Köhler
*u. Michaeus, Ber. 10, pag. 816. 21) Michaelis, Ann. 181, pag. 321. 22) Michaelis u. Ben-
ziNGSR, Ann. 188, pag. 275. 23) Köhler u. Michaelis, Ber. 9, pag. 1053. 24) Götter u.
Michaelis, Ber. 11, pag. 885. 25) Köhler u. Michaeus, Ber. 10, pag. 815. 26) Köhler,
^^- «3» pag- 463. 27) Köhler u. Michaelis, Ber. 9, pag. 1053. 28) Michaelis, Ber. 8, pag. 499.
2Z2 Handwörterbuch der Chemie.
(CeHp,)3pCl, gespalten. Es vereinigt sich leicht mit Halogenen und mit Antimon-
pentacblorid (6), Durch Einleiten von Jodwasserstoff entsteht Jodwasserstoff-
ph osph en ylj od i d ^ C ^j H ^ F 1 3 - H J.
Phosphenyltetiachlorid (7), CgHsPCl^, ist ein krystallinischer, schwach gelb gefärbter
Körper, wülchef bei 73^' schmilzt. Er zerfällt mit Wasser in .Salzsäure und Phosphenylsäure.
PhoBphcnylbromid (8)^ CgH^PBr^, durch Zersetzung von Phosphortribromid mit Queck-
silberdiphenyl oder durch Einwirkung von trocknem Bromwasserstoff auf erhitztes PhosphcDyl-
chlorid darj^cstellt, ist oiri^ bei 255—257® siedende Flüssigkeit. Vereinigt sich mit Halogenen.
Phosphenyltftrabromid (8), CgHj^PBr^, gelbrothc, bei 207° schmelzende Nadeln.
Phosphenylhexabroiiiid (8), CgH^PBr^, dunkclrothe, bei 110® schmelzende Nadeln.
Phosphenylcliloroljromid (lo), CgHjPCl^Brg, gelbrothe, monokline Krystalle, welche
l>üi '2Ü8® schmeUcn.
Ph osph eny Ich loTOtelrabromid (lo), CgH^PCL^Br^, rothe Krystallmasse.
Phenyldimetbylphosphin (ii), CeH5P(CH3)2, aus Zinkmethyl und
Phosphenylchlotid dargestellt, ist eine penetrant riechende Flüssigkeit, welche bei
192^ (cor.) siedeL Spec. Gew. = 0*9786 bei 11°. Es wird an der Luft zu
PenyldimctbyliJhos[>hinoxyd oxydirt. Mit 1 Mol. trockner Salzsäure entsteht ein
festesj mit 2 Mol ein flüssiges Chlorhydrat. Das Platindoppelsalz bildet
orangegelbe Blätlclien.
Ph enyltrimethylphosphoniumjodid, CgH5P(CH,)3J, ist eine krystallinische bei205''
schmehcnde Masse,
Penyldiäthylphosphin (13), CßH5P(C3H.i)2, ist eine stark lichtbrechende,
widerlich riechende Flüssigkeit, welche bei 221*9° (cor.) siedet. Spec. Gew. = 0*9571
bei 13^ Die Base wird an der Luft äusserst langsam oxydirt, verbrennt jedoch
im Sauerstoff! Sie bildet der Methylverbindung analoge Chlorbydrate. Sie ver-
bindet sich mit Halogenen, Sauerstoff' und Schwefel.
PhL^nyUliüthylphosptnnchlorid, CgH5P(C3H5)3Cl3, angenehm riechende Fltissigkeit,
welche bei 0'^ krystsillinisch wird. Spec. Gew. = 1*216 bei 13®.
Phenyldiüthylphfjiiphinoxyd, CgH5P(C2H5)20, farblose, bei 55 — 56° schmelzende
Nadeln von obstartigeni Geruch,
PhenyldijUhylphosphinsulfid, CgH5P(CjjH5)2S, widerlich riechende, in einer Kältc-
mi^chutig erstarrende Substanz.
Phenyltriiithylphoi^phoniumjodid, CgH5P(C2H5)3J, bildet bei 115® schmelzende
Nndeln, Das durch Silbertmd entstehende Hydrat ist ebenfalls krystallinisch.
Phcnyldimcthyläthylphosphoniumjodid,CgHäP(CH3)2C2HJ, bei 137® schmelzende
Krystallmnssü.
Phenyldimethyllrrnmüthylphosphoniumbromid (14), CgH5P(CH3)2C3H^BrBr,
aus Bromäthyl en und Dimcthylphenylphosphin dargestellt, bildet bei 173® schmelzende Tafeln.
Vereinigt steh mil vier Atomen Brom zu einer krystallinischen Verbindung.
Phenylmcthyldiäthylphosphoniumjodid, C6H5pCH3(C2H5)2J, weisse, bei 95^
schmelzende Krystalle.
Pr* TT ^CPT ^ Br
AethylcntelrAnicthyMiphenylphosphoniumbromid (14), ^2^4j>c 11 (Qii ('ßr'
oberhalb 300"^^ .schmelzendes Kystallpulver. Es vereinigt sich mit Brom zu krystallinischen Ver-
bindungen,
Diplienyiphosphin (15), (CgHrJgPH. Dasselbe entsteht neben Diphenyl-
phospbinsäure durch Zersetzung von Diphenylphosphinchlorid mit Natronlauge.
2(CeH;,)3pCl + 2H2O = (CgHJgl'H -+- (C6H5)jPOOH -h 2HC1.
Zur DaT*itellung lüsst man das Chlorid in einer Wasserstoffatmosphäre zu verdünnter Natron-
lauge tropfen, erwärmt auf dem Wasserbade und trennt das abgeschiedene von der Lösung des
diphenylphosphiTiüriuTcn Nntrons.
Es ist eine wasserhelle, stark unangenehm riechende Flüssigkeit, welche bei
>-S-T5^.
Benzol. 223
280® siedet. Es ist löslich in conc. Salzsäure, jedoch durch Wasser wieder
fällbar.
Diphenylphosphorchlorür, (C6H3)2PCl, entsteht durch Erhitzen von
Quecksilberdiphenyl (16) mit Phosphenylchlorid und durch Erhitzen des letzteren (5)
im Rohr auf 280®, wobei es in Phosphortrichlorid und Diphenylphosphorchlorür
gespalten wird.
Zur Darstellung (16) werden 400 Grm. Phosphenylchlorid mit 50 Grm. Quecksilberdiphenyl im Oel-
bad erhitzt, nach einstündigem Kochen der Inhalt mit Benzol ausgekocht, von dem Unlöslichen,
welches aus Quecksilberphenylchlorid besteht, abfiltrirt, das Benzol abdestillirt und dann im
Kohlensäurestrom firactionirt. Mit dem bis 200^ übergegangenen unzersetzten Phosphenylchlorid
wird dieselbe Operation noch viermal mit 50 Grm. Quecksilberdiphenyl wiederholt, und aus den
oberhalb 200*^ übergehenden Oelen das ChlorUr durch Destillation gewonnen.
Es ist eine farblose Flüssigkeit, welche gegen 320^ siedet. Spec. Gew. = 1.2293
hei 15**. Mit Chlor entsteht krystallinisches Diphenylphosphortrichlorid (17).
Diphenylmethylphosphin (16), (CgH5)jPCIi3, stark lichtbrechende, bei 284® siedende
Flüssigkeit. Spec. Gew. = 1'0784 bei 15**.
Diphenyldimethylphosphoniumjodid (16), (CgHj)jP(CHj)jJ, bei 241® schmelzende
Kadeln.
Diphcnyläthylphosphin (16), (C6H5)jPC,H5, bei 293® siedende Flüssigkeit.
Diphenyldiäthylphosphoniumjodid (16), (C^Hj^).^P(C^H^)J , farblose, bei 208®
schmelzende Kiystalle.
Diphenyläthylmethylphosphoniumjodid (16), (CgHj)3PC3HjCH3J, rhombische
Kiystalle, welche bei 181® schmelzen. Das Pikrat bildet gelbe, bei 86® schmelzende Nadeln.
Triphenylphosphin (15), (CßHg),?, entsteht durch Einwirkung von Natrium
auf Phosphenylchlorid resp. Phosphortrichlorid und Brombenzol.
Zur Darstellung (18) wird in ^in Gemisch von 1 Mol. Phosphortriclilorid und 3 Mol.
Brombenzol, welches mit dem vierfachen Vol. Aether verdünnt ist, unter Abkühlung Natrium in
Scheiben eingetragen. Nach 12 Stunden erhitzt man am Rückflusskühler, giesst den Aether ab,
zieht den Rückstand wiederholt aus, und krystallisirt die nach dem Verdunsten des Acthcrs er-
haltene Krystallmasse aus Alkohol um.
Es bildet glasglänzende Prismen, welche bei 75—76® schmelzen. Unlöslich
in Wasser, löslich in Aether, Alkohol, Benzol. In einem indifferenten (iasstrom
siedet es unzersetzt oberhalb 360®. Es vereinigt sich mit Sauerstoff, Schwefel und
Alkoholhalogenäthem. Das Sulfid bildet lange, bei 250—251® schmelzende
Nadeln.
Triphenylmethylphosphoniumjodid (15), (C6H5)jPCHjJ, glasglänzendc, bei
165—166® schmelzende Blättchen.
Methylenhexaphenylphosphoniumjodid (15), CH,pL*^„5^H, kleine, glänzende
NSdelchen. Schmelzp. 230—231®.
Aethylenhexaphenylphosphoniumjodid(i5), C.H.p^J^c!? *n r farbloses, über 300®
schmelzendes Kr3r5tallpulver.
Phosphenylige Säure (19), CßHjPOQxj.
Zur Darstellung lässt man Phosphenylchlorid langsam in Wasser tropfen, erwärmt zum
Sieden, dampft im Kohlensäurestrom ein und wäscht die Säure mit Wasser.
Weisse Blättchen, welche bei 70° schmelzen. Durch Oxydationsmittel wird
sie leicht in Phenylphosphinsäure tlbergefiihrt. Durch Einwirkung von Phos-
phorpentachlorid wird Phosphenylsäurechlorid gebildet:
CeHjPOQH -+- 2PCI5 = CeHjPO^ -+- POCl» 4- PCI3 4-2HC1.
Eisenchlorid erzeugt in der Lösung der Säure einen weissen, in kalter conc.
224 Handwörterbuch der Chemie.
Salzsäure unlöslichen Niederschlag. Die Säure ist einbasisch. Die Alkalisalze
sind zerfliessHch. Das Bariumsalz, (C6H5POHO)2Ba -+- 411^0, bildet schief rhom-
bische Krystalle. Durch Einwirkung von Phosphenylchlorid (20) auf Natrium-
alkoholat entstehen zwei Aether, CeHgPOHOCjHs und CeHgPCOCjHs), welche
vielleicht den sauren und neutralen Aether der phosphenyligen Säure darstellen.
Phosphenylsäure (21), C6H5PO(OH)2.
Dieselbe wird durch Eintragen des Phosphenyltetrachlorids in Wasser und mehrfaches Ein-
dampfen der Lösung auf dem Wasserbade zur Entfernung der Salzsäure dargestellt.
Sie bildet schief rhombische, glasglänzende Blättchen, welche bei löS''
schmelzen. Spec. Gew. = 1*475. Sie ist löslich in Wasser, Alkohol und Aether,
unlöslich in Benzol. 100 Thle. Wasser lösen 232 Thle. Säure bei 15°. Beim
raschen Erhitzen zerfällt sie in Benzol und Metaphosphorsäure. Sie ist eine
zweibasische Säure.
Das neutrale Natronsalz, CgHjPOjNaj + 12HjO, bildet spiessige, das saure CgHjPOjHNt,
prismatische Krystalle. Das Kalk-, Zink- und Kupfersalz sind ebenfalls krystallinisch.
Dimethyläther, CgHjPOjCCHj)^, ist eine bei 247° siedende Flüssigkeit.
Diäthyläther, CgHjPOjCCjHjj, bei 267^' siedendes Oel, mit einem an Senföl er-
innernden Geruch.
OC H
Aethylphosphenylsäure.CeHjPO^j^a s, aus dem Tetrachlorid und absolutem Alkohol
dargestellt, ist ein dicker Syrup. Einbasische Säure.
OCH
Phenylphosphenylsäure, CgHjPOQ-r® *i aus Phosphenylsäurechlorid uud Phenol dir-
gestellt, krystallisirt aus wässerigem Alkohol in haarfeinen, bei 57^ schmelzenden Nadeln. Sic
bildet Aether und Salze.
Phosphenylsäurechlorid, CgH^POCl,, wird am besten durch Einleiten von schwefliger
Säure in Phosphenylchlorid dargestellt und ist eine dicke, obstartig riechende Flüssigkeit, wdche
bei 258° unter Bräunung siedet Spec. Gew. = 1-357 bei 20''.
Nitrophosphenylsäure (22), C6H4(N02)PO(OH)o, wird durch Erliitzen
von Phosphenylsäure mit rauchender Salpetersäure auf 100—105^ dargestellt
Sie krystallisirt aus Aether in weissen Nadeln, welche bei 132° schmelzen. Die
wässrige Lösung ist gelb gefärbt. 100 Thle. Wasser lösen 98 Thle. Säure bei
22°. Leicht löslich in Alkohol und Aether. Ueber 100° erhitzt wird sie unter
Explosion zersetzt.
Die Alkalisalze sind nicht krystallisirbar. Das Bariumsalz, CgH4(NO,)P03Ba + 2H,0,
bildet lebhaft glänzende, gelbe Blättchen.
Amidophosphenylsäure (22), C6H4(NHj)PO(OH)j, durch Reduction
der Nitrosäure mit Zink und Salzsäure dargestellt, krystallisirt aus Wasser in
feinen, glänzenden Nadeln. Sie schmilzt nicht beim Erhitzen und färbt sich unter
Zersetzung oberhalb 280° blaugrün. Unlöslich in Alkohol und Aether. Löslich
in Wasser. 100 Thle. Wasser lösen bei 20» 0-43, bei 100» 0*52 Thle. Säure.
Sie bildet, obwohl in Salzsäure löslich, mit Säuren keine Salze.
Die Salze, deren Lösungen sich an der Luft roth färben, sind meist amorphe Nieder-
schläge. Das Natriumsalz, CgH^(NH3)PO,Naj -j- 3Hj,0, krystallisirt in Prismen.
Diazophosphenylsäure(22). Das salpetersaure Salz CgH4(N2 NO 3)PO(OH),,
durch Einleiten von salpetriger Säure in eine heisse salpetersaure Lösung der
vorigen Säure dargestellt, bildet weisse Prismen, welche bei 188® schmelzen
und darüber erhitzt heftig explodiren. In Wasser und Alkohol leicht, in Aether
wenig löslich. 100 Thle. Wasser lösen 5782 Thle. bei 18», 59-03 Thle. bei 80».
Die Salze sind gelb gefärl)t. Natrium-, Kalium- und Bariumsalze sind krystallinisch.
Diphenylphosphinsäure, (CeH5)2POOH; dieselbe bildet sich durch
Benzol. 225
Oxydation (15) von Diphenylphosphorchlorür oder Diphenylphosphin mit Salpeter-
säure. Sie entsteht auch neben Phosphenylsäure bei der Zersetzung von 1 Mol.
Phosphenylchlorid (24) mit 1 Mol. Wasser und kann von derselben durch Alkohol
getrennt werden. Sie krystallisirt aus conc. Salpetersäure in weissen Nadeln (17),
welche bei 190® schmelzen. Spec. Gew. = 1*339. Unlöslich in Wasser, leicht in
heissem Alkohol löslich.
Bei 230® bildet sie ein Anhydrid, [(C6H5),PO],. Die Sake sind krystallinisch. Der
Aethyläther krystallisirt in farblosen, bei 165® schmelzenden Nadeln.
Phosphenylsulfid (i), C^HjPS. Dasselbe entsteht neben einem krystalli-
nischen, bei 138® schmelzenden Sulfid, (C6H5P)3S, durch Erhitzen von Phenyl-
phosphin mit Schwefel. Gelbe, in Alkohol und Aether leicht lösliche Flüssig-
keit Durch längeres Erhitzen wird es in Phenylphosphin, Schwefelwasserstoff und
Isophosphenylsulfid, (CeH5P)2S2, gespalten. Dieselbe Verbindung ent-
steht neben (CßH3)4P4S3 (25), welches weisse, bei 192 — 193® schmelzende
Kiystalle bildet, durch Einleiten von Schwefelwasserstoff in siedendes Phosphenyl-
chlorid Es ist eine dicke Flüssigkeit, welche durch Salpetersäure zu Diphenyl-
phosphinsäure oxydirt wird.
Phosphenylsulfochlorid, CgHsPSCIj, entsteht durch Erwärmen von
Phosphenylchlorid (27) mit Schwefel und durch Behandlung des Chlorids mit
Chlorschwefel (26), im letzteren Falle neben Phosphenyltetrachlorid. Es bildet
eine gegen 270° nicht unzersetzt siedende Flüssigkeit. Spec. Gew. = 1.376 bei
13*^. Mit Kalilauge scheint das Kaliumsalz der Thiophosphenylsäure, CßH5PS(OK)2,
zu entstehen. Mit Alkohol entsteht deren Aether, C6H5PS(OC2H5)j.
Phosphobenzol (i), CßHjPjCgHs, dem Diazobenzol entsprechend, ensteht
ganz glatt durch Einwirkung von Phosphenylchlorid auf Phenylphosphin:
C,H,PC1, ^ CeHsPH, = CßH^PgCeHs -+- 2HC1.
Es bildet ein schwach gelbes Pulver, unlöslich in heissem Wasser, Alkohol
und Aether, leicht löslich in heissem Benzol. Es schmilzt bei 149 — 150° zu
einer harten, krystalUnischen Masse. An der Luft wird es allmählich zu Diphos-
phenyloxyd, durch verdünnte Salpetersäure zu phosphenyliger Säure, durch con-
centrirte zu Phosphenylsäure oxydirt. Die über ihren Schmelzpunkt erhitzte Substanz
wird durch Salpetersäure in Diphenylphosphinsäure und Phosphorsäure übergeführt.
Diphosphobenzol (28), CgHjPjOH, beim Durchleiten von selbstentzünd-
lichem Phosphorwasserstoff durch Phosphenylchlorid entstehend, ist ein schön
gelbes, in Wasser und Alkohol unlösliches, in Schwefelkohlenstoff leicht lösliches
Pulver.
Phenylderivat von P4HJ (24), C6H5P4H. Durch Einwirkung von 1 Mol.
Wasser auf 1 Mol. Phosphenylchlorid und Erhitzen der dabei entstehenden Pro-
dukte erst auf 200° und dann auf 260° wird eine harte Masse gebildet, welche
nach der Behandlung mit Wasser und Alkohol vollständig in Schwefelkohlenstoff
löslich ist Aus der Lösung scheidet sich beim Verdunsten C6H5P4H als amor-
phes, dunkelgelbes Pulv'er ab. Die Mutterlauge enthält eine zweite Substanz,
(CgH5)jP503H, welche in gelben Nadeln krystallisirt.
Borderivate des Benzols*) (i), Phenylborchlorid, CßHjBClj.
Zur Darstellung erhitzt man 20 Grm. QuecksUberdiphenyl mit 20 Grm. Borchlorid, BCI3, einige
Stunden im geschlossenen Rohr auf 180 — 200^, giesst nach dem Erkalten die Flüssigkeit von
*) 1) Michaelis u. Becker, Ber. 15, pag. 180. 2) Ladenburg, Ann. 173, pag. 151.
3) Otto u. Dreher, Ann. 154, pag. 93. 4) Aronheim, Ann. 194, pag. 148. 5) Otto u.
Dreher, J. pr. Ch. [2] i, pag. 179. Zeitschr. 1870, pag. 9.
LAOKNBi'itc, Chemie. I(. 15
326 Handwörterbuch der Chemie.
den au$gi*s£hiedenen Krystallen ab, rieht letztere mit Benzol aus und fractionirt die vereinigten
Lösungen,
Das Chlorid bildet eine farblose, an der Luft rauchende Flüssigkeit, welche
bei ITa*^ siedet und in einer Kältemischung zu einer bei 0° wieder schmelzenden
Krystallmasse erstarrt. Es vereinigt sich mit Chlor zu einer leicht zersetzliclien
Verbindung. Lässt man das Chlorid langsam zu Wasser tropfen, so scheidet sich
Fhenylborsäure, CgH3B(0H)^, als weisses Pulver ab, welches durch Er-
hit7.eTi gelöst, beim Erkalten in Nadeln auskrystallisirt. Schmp. 204°. Mit Wasser-
dampfen fluchtige, schwache Säure. Durch Destillation wird sie in Phenylbor-
oxyd llbergeführt, ebenso beim Aufbewahren im Exsiccator. Die Säure wirkt
stark antiseiitisch. Die Salze sind meist krystallinisch. Das Ammonsalz reducirt
Silberlösnng. Selbst verdünnte Lösungen der Säure geben mit Quecksilber-
chlorid einen Niederschlag.
NatriumfaU, CgHjBOjNaj, bildet quadratische Tafeln, das Calciumsalz, (C6HjBO,H)jCa,
farblose Kry stalle.
Aethyläther, C6H5B(OC.^H5)j, ist eine angenehm riechende Flüssigkeit. Siedep. IW\
Phenylboroxyd, CgH^BO, dessen Darstellung schon beschrieben wurde, ist eine farblose,
l>ei 190 f' schmelzende Krystalbnasse. Siedep. 360^. Unlöslich in Wasser, - löslich in Alkohol
und Aether,
Siliciiimderivate desBenzols(2). Phenylsiliciumchlorid, CgHjSiClj.
Zur Darstellung wird 1 Thl. Chlorsilicium, SiCl^, mit 2 Tliln. Quecksilberdiphenyl im Rohr
auf 300** LThitÄt und das Phenylsiliciumchlorid durch fractionirte Destillation leicht vom unier-
scttten SiiiciuEnchlorid getrennt.
Farblose, an der Luft rauchende Flüssigkeit, welche bei 197° siedet. Un-
zersetzt löslicli in Aether und Chloroform. Durch Alkohol wird es in Ortho-
üilicobenzoeäther, CßH5Si(OC2H5)3, eine stechend riechende, bei 235°
siedende Flüssigkeit übergeflihrt. Wird derselbe mit Jodwasserstoff behandelt, so
entsteht
Si Uc ob enz Ölsäure, CgHgSiO-OH, welche ebenfalb aus Phenylsilicium-
chlorid und Ammoniak dargestellt ist.
Um die Säure rein zu erhalten, wird die in beiden Fällen entstehende Reaktionsmnsse in
nbsolut iilkohnljschem Kali gelöst, Kohlensäure eingeleitet, der Niederschlag mit absolutem
Alkohol gewnschen und diese Lösungen auf dem Wasserbad verdunstet.
Glasartige Masse, welche bei 92° schmilzt. Leicht in Aether löslich. Sie
bildet keine Salze- Durch Erwärmen auf 100° wird sie in das amorphe An-
hydrid, {C„H5SiO).^0 umgewandelt.
Phcnylsiliciumtriäthyl, CeHgSi (€2113)3, durch Erhitzen des Chlorids
mit Zinkätlyyl auf 150— 1G0° dargestellt. Es ist eine farblose, bei 230° siedende
Flüssigkeit, deren Dampf dem Nelkenöl ähnlich riecht. Spec. Gew. = 0*9042
bei 0". Unlöslich in Wasser, löslich in Aether. Durch Einleiten von Chlor in
das abgekülilte Phenylsiliciumtriäthyl entsteht als Hauptprodukt das Chlorid,
SiCj^HijiCl, ein dickflüssiges, bei 260—650 siedendes Oel, welches durch alko-
holisches» Kiiliumacetat nicht zersetzt wird.
Querk Silberderivate des Benzols. Quecksilberdiphenyl, (CgHj)jHg.
Dasselbe entsteht aus Brombenzol (3) und Natriumamalgam:
2(CeH,Br) + RgNa^ = (CßHJaHg -h 2NaBr.
Zu seintr Darstellung (3, 4) wird Brombenzol in dem gleichen Volumen Xylol gelöst, mit
^Q is^mt-'-i Gewiclites an Essigäther und überschtlssigem 2'7proc. Natriumamalgam längere Zeit
Mt\ RLlckllub^kü liier erhitzt, heiss ültrirt, der Rückstand nochmals mit heissem Benzol extrahirt,
und dAä ausgeschiedene Produkt aus Benzol oder Alkohol umkrystallisirt
Benxol. 227
Es bildet rhombische Krystalle, welche bei 120® schmelzen. Spec. Gew.
= 2-318. Wenig flüchtig mit Wasserdämpfen. Es destillirt unter 300® unter
tbeilweiser Zersetzung in Quecksilber, Benzol und Biphenyl. Leicht löslich in
Benzol, Schwefelkohlenstoff, siedendem Alkohol etc., unlöslich in Wasser. Durch
Einwirkung von Halogenen entsteht das betreffende Halogenderivat des Benzols
und des Quecksilberphenyls, z. B.:
(CeH5)aHg 4- 2Br = CeH^HgBr -+- CßH.Br.
Durch Erhitzen mit einbasischen Säuren der Fettreihe entstehen Säurc-
derivate des Quecksilberphenyls neben Benzol, z. B.:
(C,H,),ilg 4- CH3CO3H = CeHjjHgCOaCHj -h CßHß.
Quecksilberphenylchlorid (3), CgH^HgQ, welches auch durch Erhitzen von Queck-
silberdiphenyl und Quecksilberchlorid mit Alkohol auf 100^ dargestellt ist, bildet rhombische,
bei 250^ schmelzende Täfelchen.
Quecksilberphenylbromid (5), CeH^HgBr, rhombische, bei 275^ schmelzende Tafeln.
Quecksilberphenyljodid (3), CgHjHgJ, rhombische, bei 265 — 266^ schmelzende
Tafeln.
Quecksilbe rphenylcy an id (5), CgH^HgCN, aus Quecksilberdiphenyl und Cyan-
quecksilber dargestellt, bildet feine rhombische Prismen. Schmp. 203— 204 ^
Quecksilberphenylrhodanid (5), C^HjHgSCN, analog dem vorigen erhalten, bildet
klebe, bei 226—227** schmelzende Täfdchen.
Queck8ilberphenylnitrat(5), CgHjIigNOj, bei 165 — 168® unter Zersetzung schmelzende
Tafeln.
Quecksilberphenylformiat (3), CgHjHgCOjH, bei 171° schmelzende Tafeln.
Quecksilberphenylacetat (5), CgHjHgCOjCH,, schief rhombische Prismen. Schmeli-
punkt 148 — 149°. Die Derivate der Propionsäure und Myristinsäure sind ebenfalls krystallinisch.
Quecksilberphenyloxydhydrat (5), CgHjHgOH, durch Kochen des
Chlorids mit Silberoxyd und Alkohol dargestellt, krystallisirt aus Alkohol in
rhombischen Prismen. Schmilzt oberhalb 200° noch nicht. In kaltem Wasser
wenig, in Alkohol und heissem Wasser mehr löslich. Es reagirt alkalisch und
treibt Ammon aus.
Quecksilberphenylsäure (3), CgH-.HgOjH, durch Oxydation des Queck-
silberdiphenyls mit Chamäleonlösung dargestellt, ist ein weisses, bei 251 — 252®
schmelzendes Pulver. Schwer in kaltem, leicht in heissem Wasser löslich. Ein-
basische Säure.
Zinnderivate des Benzols.*) Zinnphenyltriäthyl (i), C6H5Sn(C2H5)3.
Die Verbindung entsteht durch Erhitzen einer ätherischen Lösung von Zinn-
triäthyljodid und Brombenzol mit Natrium. Es ist eine bei 254® siedende
Flüssigkeit, unlöslich in Wasser, leicht löslich in Alkohol und Aether. Spec.-Gew.
= 1-2639 bei 0®. Es verbindet sich mit Zinnchlorid zu Zinnphenyläthyl-
chlorid, CgHjSnCgH.^Clg, welches aus Aether in Tafeln krystallisirt. Schmelz-
punkt 45®.
Zinndiphenylchlorid(2), (CßHOgSnClj, dasselbe wird durch Einwirkung
von Quecksilberdiphenyl auf Zinntetrachlorid neben Zinndiphenylhydroxychlorid
erhalten. In Bezug auf die Details der complicirten Darstellung sei auf die
oben citirte Abhandlung (2) verwiesen. Es entsteht auch aus dem unten be-
schriebenen Hydroxychlorid durch Erwärmen im Salzsäurestrom auf 45®. E.s
krystallisirt, am besten aus Ligroin, in farblosen, triklinen Prismen, welche bei
42« schmelzen. Es siedet unter partieller Zersetzung bei 333—337®. In Aetber
•) i) Ladenburg, Ann. 159, pag. 251. 2) Aronhkim, Ann. I94» P^g- «45- 3) E>ers.,
^. 12, pag. 509.
15*
p
aaS Handwörterbuch der Chemie.
und Alkoiiol sehr leicht, in Wasser unter partieller Zersetzung zu Hydroxychlorid
löslich. Durch Einwirkung von Natriumamalgam auf die ätherische Lösung ent-
steht ^mntriphenylchlorid. Dasselbe Produkt entsteht durch Erhitzen des Chlorids
in Ammoniakgas auf 100 — 200® und durch Einwirkung (2) von Natriumnitrit
auf eine T^ösung des Chlorids in Eisessig.
Zinndiphenylhydroxylchlorid, (C gH 5) jSnCl OH, dessen Darstellung aus
dem Chlorid bereits erwähnt wurde, bildet ein amorphes Pulver, welches bei
187** schmilzt. Unlöslich in den gewöhnlichen Lösungsmitteln. Nicht unzersetzt
flüchtig. Durch Einwirkung von Alkalien wird es in
Zinndiphenyloxyd, (CßH5),SnO, übergeftihrt Das Oxyd, welches auch durch Ein-
iipirkung von Alkali auf das Chlorid entsteht, ist ein nicht flüchtiges, unlösliches Pulver.
Zinndiphenylbromid, (CgH5),SnBrg, durch Erwärmen des Oxyds in Bromwasserstoil^
gewonnen, bildet bei 38® schmelxende Krystalle.
Zinndiphenylchlorobromid, (CgHj)2SnClBr, durch Einwirkung von Bromwasserstoff
auf das Hyttroxylchlorid dargestellt, bildet bei 39® schmelzende Krystalle.
Zinndiphenylchlorojodid, (CgH5)jSnClJ, aus Hydroxylchlorid oder dem Chlorid und
JadwasserstofT dargestellt, krystallisirt in glashellen, monoklinen Prismen. Schmp. 69**.
Zinndiphenyldiäthyloxyd, (CgH5),Sn(OC3H5)j, entsteht durch Zersetzung des
Chlßride!^ mit Natriumalkoholat und bildet kleine, bei 124® unter Zersetzung schmelzende Krystalle.
Zinntriphenylchlorid, (C6H5)3SnCl, dessen Darstellung unter dem Chlorid
erwähnt wurde, krystallisirt aus Aether in schwach gefärbten Krystallen, welche
bei 103** schmelzen. In alkoholischer Lösung wird die Verbindung durch
Ammoniak in das Hydrat Sn(C6H5)30H -h l^H^O umgewandelt.
A. Weddige.
Betizylverbindungen*). Als »Benzyl« bezeichnet man nach Liebig's Vor-
gang die früher von Gerhardt »Toluenyl« genannte Atomgruppe C7H7, d. h.
^) i) Kraut, Ann. X07, pag. 208; 109, pag. 255, Ber. 1869, pag. 180. 2) Busse, Ber. 1876,
pag- 830* 3) Cannizzaro, Ann. 88, pag. 129. 4) Ders., Ann. 96, pag. 246. 5) BeU-STEIN u-
GEfTNKR, Ann. 139, pag. 331. 6) Lauth u. Grimaux, Ann. 143, pag. 79. 7) Lunge u. Petii,
Ber. 1877^ pag. 127$. 8) LmPRiCHT, Ann. 139, pag. 307. 9) van DoRP, Ber. 1872, pag. 107a
10) ZiscKK, Ber. 1874, pag. 276. 11) Cannizzaro, u. Rossi, Ann. 121, pag. 250. 12) Aron-
HKM^ Ber. 1875, pag. 1406. 13) Zincke, Ber. 1869, pag. 739. 14) Perkin und Hodgkinson,
Chem. soc, J. 1880, pag. 721. 15) Zincke, Ann. 159, pag. 367, Ber. 1871, pag, 298, 510; 1873,
pag. 119; 1S76, pag. 31. 16) Paterno, Ber. 1872, pag. 288. 17) Paterno u. Spica, Ber. 1877,
pAg- ^94' t8) Aronheim, Ber. 1872, pag. 1068. 19) Köhler u. Aronheim, Ber. 1875, P^* S^*
20) L. Seskmann, Ber. 1873, pag- 1085; ^^77, pag. 758. 21) Neuhof, Ann. 146, pag. 319.
aa) Bk[t/?tew u. Kuhlberg, Ann. 147, pag. 339. 23) Jackson u. Field, Ber. 1878, pag. 904.
Ainer. chcni^ J. 2, pag. 94. 24) Beilstein u. Kuhlberg, Ann. 146, pag. 317. 25) Dieselben.
Ann* 150, pag. 290. 26) Paterno u. Mazzara, Ber. 1878, pag. 1384. 27) Grimaux, Ann. 145«
pag. 47. 28) Strakosch, Ber. 1873, pag. 1056. 29) Wachendorff, Ann. 185, pag. 259.
50) STRAKckSCH, Ber. 1873, pag. 328. 31) Kekul^, Ann. 137, pag. 188. 32) Beilstein, Ann.
»43p P^g. 369. 33) Lauth und Grimaux, Zeitschr. Chem. 1867, pag. 378. 34) Jackson und
LfiwtJiv, Btr. 1875, pag. 1672. 35) Jackson, Ber. 1876, pag. 931. 36) Jackson und WHrrE,
Ber. 18S0, pag. I2l8. Amer. chem. J. 2, pag. 316. 37) Dies., Ber. 1879, pag- 1965. 38) Die*;.,
Amet. CUenK J. 2, pag. 391. 39) Mabery u. Jackson, Ber. 1878, pag. 55; 1881, pag. 995.
Amer. ehem. J. i, pag. 103; 2, pag. 250. 40) Wachendorff, Ber. 1876, pag. 1345. 41) Gukun«
Hand b. VI., pag. 38. 42) Lieben, Joum. pr. Ch. 107, pag. 119. 43) V. Meyer, Ber. 1877;
pag. 311. 44) Cannizzaro, Ann. 90, pag. 252; 92, pag. 113. 45) Friedel, Bull. soc. chün. 1862,
pag. Ig. 46) Herrmann, Ann. 132, pag. 75. 47) Lippmann, Ann. 137, pag. 252. 48) Nieoerist,
Ann. tgfj, pag. 349. 49) Fremy, Ann. 30, pag. 328. 50) Laubenheimer, Ann. 164, pag. 289.
51) Tjlckn» Pharm. J. Trans. (3) 5, pag. 761. 52) R. Meyer, Ber. 1881, pag. 2394. 53) Kach-
BcDzylverbindungen. 229
den einwerthigen Toluolrest C^Hg -CHg — • Die Benzylverbindungen sind danach
als Derivate des Toluols zu betrachten, welche sich von diesem durch Vertretung
eines WasserstofFatoms seiner Seitenkette ableiten. Einige derselben, wie das
Benzylchlorid und Benzylbromid, lassen sich durch direkte Substitution aus dem
Toluol gewinnen und bilden das gewöhnlichste Ausgangsniaterial für die Dar-
stellung der übrigen Benzylverbindungen.
Die Benzyläther der Benzoesäure und der Zimmtsäure kommem fertig vor im
Penibalsam (i), und im Tolubalsam (2), derjenige der Zimmtsäure neben dem
Styracin anscheinend auch im Storax (50).
Aus der angegebenen Beziehung der Benzylverbindungen zum Toluol ergiebt
sich, dass sie isomer sind mit denjenigen Toluolderivaten, die sich durch die
LER, Ber. 1869, pag. 512. 54) Kopp, Ann. 94, pag. 311. 55) Brühl, Ber. 1879, pag. 2142.
56) Graebe, Ber. 1875, P^- ^^SS' 57) Councler, Ber. 1877, pag. 1657;, 1879, pag. 133.
58) Meyer u. Wurster, Ber. 1873, pag. 963. 59) Paterno u. FmEXt, Ber. 1876, pag. 81.
60) Beilstein u. Kuhlberg, Ann. 152, pag. 224. 61) Jackson u. Lowery, Ber. 1877,
pag. 1209. 62) jAFFi, Zeitschr. physiol. Chem. 2, pag. 55. 63) Cahours, Compt. rend. 80,
lag. 1317; 81, pag. 1163. 64) SiNTENis, Ann. 161, pag. 329. 65) Canizzaro, Jahresber. 1856,
pag. 581. 66) Paterno, Ber. 1872, pag. 288. 68) Naquet, Ann. Suppl. 2, pag. 248. 68) Neu-
hof, Ann. 147, pag. 344. 69) Lauth u. Grimaüx, Ann. 143, pag. 81. 70) Stadel, Ber. 1881,
pag. 898. 71) Cannizzaro, Ann. 92, pag. 115. 72) Jackson, Jahresber. 1880, pag. 480.
73) Brunner, Ber. 1876, pag. 1745. 74) Orth, Ber. 1882, pag. 1136. 75) Conrad u. Hodg-
HNSON, Ann. 193, pag. 298. 76) Hodgkinson, Chem. soc. J. 1878 [i], pag. 495; Ann. 201,
pag. 168. 77) Cahours u. Demarqay, Compt. rend. 83, pag. 688. 78) Cannizzaro, Ber. 1870,
pag. 517; 1871, pag. 412. 79) Campisi u. Amato, Ber. 1871, pag. 412. 80) Wallach u.
LtEBMANN, Ber. 1880, pag. 507. 81) Leits, Ber. 1872, pag. 90. 82) Strakosch, Ber. 1872,
pag. 692. 83) Del Zanna u. Guareschi, Gazz. chim. ital. 1881, pag. 255. 84) CLAessoN
u. Lundvall, Ber. i88o, pag. 1703. Henry, Ber. 1869, pag. 637. 86) Barbagija, Ber. 1872,
pag. 689. 87) Jackson, Ann. 179, pag. 8. 88) Piria, Ann. 56, pag. 37. 89) Moitessier,
Jahresber. 1866, pag. 676, 677. 90) Beilstein u. Reinecke, Ann. 128, pag. 179. 91) Greene,
Compt rend. 90, pag. 40. 92) Beilstein u. Seelheim, Ann. 117, pag. 83. 93) Nencki, Arch.
f. Anat. u. PhysioL 1870, pag. 399. 94) Cannizzaro u. Körner, Ber. 1872, pag. 436.
95) van der Velden, Joum. pr. Ch. [2] 15, pag. 163. 96) Tiemann u. Will, Ber. x88i,
pag. 969. 97) Herzfkld, Ber. 1877, P^* 1267. 98) Bernheimer, Monatsh. f. Ch. i, pag. 456.
99) Bötsch, Ebend. i, pag. 621. 100) Dennstfj>t, Ber. 1878, pag. 2265. loi) Schiff,
Ber. 1881, pag. 304. 102) Kraut, Ann. 156, pag. 123. 103) Gerhardt, Ann. chim. phys. [3] 7,
pag. 215. 104) GiACOSA, Joum. pr, Ch. [2] 21, pag. 221. 105) Cannizzaro u. Bertagnini,
Ann. 98, pag. 188. 106) Cannizzaro, Ann. 134, pag. 128. 107) Ders., Ann. Suppl. IV, pag. 24, 80.
108) Limpricht, Ann. 144, pag. 304. 109) Mendius, Ann. 121, pag. 144. 11 o) Hofmann,
Ber. 1868, pag. 102. iii) Rudolph, Ber. 1879, pag. 1297. 112) Berlin, Ann. 151, pag. 137.
113) Brunner, Ann. 151, pag. 133. 114) Rohde, Ann. 151, pag. 366. 115) Panebianco,
Garz. chim. ital. 8, pag. 354. 116) Ladenburg u. Struve, Ber. 1877, pag. 43. ir7) v. Meyer,
Bei. 1877, pag. 309. 118) Ladenburg, Ber. 1877, pag. 561, X153, 1634. 119) v. Meyer,
Ber. 1877, pag- 9^4> ^291. 120) Wyss, Ber. 1877, pag. 1368. 121) Fleischer, Ann. 138,
pag. 225. 122) Bfrnthsen u. Tromtetter, Ber. 1878, pag. 1760. I23)Michler u. Gradmann,
Ber. 1876, pag. 1915; 1877, pag. 2078. 124) Willm u. Girard, Ber. 1875, pag. 1196.
125) Meldola, Ber. 1881, pag. 1385. 126) Witt, Ber. 1877, pag. 657. 127) Vasca-Lanza,
Ber. 1874, pag' 82. 128) Tiemann u. Friedländer, Ber. 1881, pag. 1969. 129) Cannizzaro,
Gazi. chim. ital. 1871, pag. 41. 130) Paterno u. Spica, Ebend. 1875, pag. 388. 131) Cam-
pisi u. Amato, Ebend. 187 1, pag. 39. 132) Spica, Ebend. 1877, pag. 90. 133) Hofmann,
Ber. 1872, pag. 100; 1873. pag. 302. 134) Ders., Ann. Suppl. L, pag. 323. 135) Cannizzaro,
-^o- I37f pag- 244. 136) Ders., Ann. 117, pag. 238. 137) Gabriel, Ber. 1869, pag. 1641.
138) Gabriel u. Borgmann, Ber. 1883, pag. 2064.
r/"?.;-'..xv
1
t$o . Handwörterbuch der Chemie.
entsprechende Vertretung eines Wasserstoffatoms im Benzolrest von demToluol
ableiten. Isomer sind z. B. Benzylchlorid C^Hj-CHjCl und die MonocWor-
toluole CßH^Cl-CHg, Benzylalkohol CgHs-CH^OH und die Kresole
CeH4(OH).CH3, Benzylamin CßHft.CHjNHa und die Toluidine C6H4(NH,>
CH„ Benzylsulfosäure CeHj.CHa-SOjH und die Toluolsulfosäuren C6H4(SO,H).
CH3.
Benzylchlorid, CgHg'CHjCl. Zuerst von Cannizzaro (3) 1853 durch
Einleiten von Salzsäuregas in aus Bittermandelöl gewonnenen Benzylalkohol,
später auch durch Behandeln von siedendem Toluol mit Chlor (4) dargestellt.
Gewinnung. Man leitet einen raschen Chlorstrom in die Dämpfe von Toluol, welches
an einem RtickflusskUhler im Sieden erhalten wird, und reinigt das entstandene Benzylchlorid von
unverändertem Toluol und von chlorreicheren Produkten durch fractionirte Destillation (4 — 6).
Die Temperatur ist bestimmend ftir die Art der Einwirkung des Chlors auf
das Toluol. Während in Siedhitze Benzylchlorid entsteht, bildet sich in der
Kälte, namentlich bei Anwesenheit von Jod, als erstes Substitutionsprodukt das
damit isomere Monochlortoluol. (Parachlortoluol mit etwas Orthochlortoluol.)
Das Benzylchlorid ist eine farblose, stark lichtbrechende, stechend riechende,
mit Wasser nicht mischbare Flüssigkeit. Spec. Gew. = 1107 bei 14° (Limpricht).
Siedep. 176°.
In seinem chemischen Verhalten unterscheidet sich das Benzylchlorid von
den isomeren Monochlortoluolen sehr wesentlich dadurch, dass sein Chloratom
sich sehr leicht gegen andere Atome oder Atomgruppen austauschen lässt. Schon
durch anhaltendes Kochen mit Wasser, leichter durch Erhitzen mit Kalilauge,
wird Benzylalkohol gebildet.
Erhitzen des Benzylchlorids mit den Salzen der meisten Säuren fuhrt zu den
Benzylestern der letzteren. Mit Alkoholaten oder Phenolaten entstehen die ent-
sprechenden gemischten Benzyläther, wie Aethylbenzyläther, Phenylbenzyläther,
mit alkoholischem Ammoniak die Benzylamine, mit alkoholischen Losungen von
Kaliumsulfid oder Kaliumsulfhydrat Benzylsulfid oder Benzylsulfhydrat, beim Er-
hitzen mit Cyankalium Benzylcyanid (das Nitril der Phenylessigsäure). —
Durch Oxydation des Benzylchlorids mit verdünnter Salpetersäure werden
Benzaldehyd und Benzoesäure gebildet (6, 7). Ersteren erhält man reichlicher
bei Anwendung von salpetersaurem Blei als Oxydationsmittel (6). Durch Chrom-
säure wird Benzoesäure erzeugt (5).
Die Einwirkung von Chlor in der Kälte, namentlich bei Gegenwart von Jod,
fiihrt zu Substitutionsprodukten des Benzylchlorids, wie CgHiCl-CHjCl, während
bei Siedhitze das Chlor in die schon chlorhaltige Seitenkette tritt und zunächst
Benzalchlorid CeH.,.CHCl, bildet (5).
Durch concentrirte Jodwasserstoffsäure wird das Benzylchlorid bei 140° zu
Toluol reducirt.
Bei manchen Reactionen werden aus dem Benzylchlorid unter Abspaltung
von Salzsäure oder Austritt von Chlor Condensadonsprodukte gebildet Wird
z. B. Benzylchlorid mit Wasser in zugeschmolzenen Röhren auf 200° erhitzt und
das Produkt destillirt, so erhält man neben kleinen Mengen von Benzyläther,
Benzaldehyd und Anthrachinon wesentlich Anthracen (8) und Benzyltoluol (9).
Diese beiden Verbindungen entstehen erst bei der Destillation des Rohprodukts,
und zwar das Benzyltoluol durch Zersetzung eines zunächst entstandenen Chlorids
C,4HiaCl(= 2C7H,C1 - HCl) (10).
Durch Einwirkung von Natrium auf Benzylchlorid entsteht Dibenzyl (11).
Beneyl Verbindungen. ^31
m
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Beim Erhitzen mit einprocentigem Natriumamalgam auf 110 — 120° liefert
das Benzylchlorid unter lebhafter Salzsäureentwicklung kleine Mengen von
Stilben (12). Beim Erhitzen mit feinvertheiltem Kupfer oder Silber entsteht
unter stürmischer Entwicklung von Salzsäure ein fester, harzartiger Kohlenwasser-
stoflF von der Zusammensetzung (C7H6)n (13). Aluminiumchlorid wirkt in der
Hitze heftig auf Benzylchlorid ein, wobei Toluol und Anthracen entstehen (14).
Bei seiner grossen Reactionsfähigkeit ist das Benzylchlorid ein werthvolles Material >^
für die Synthese zahlreicher complicirterer Benzolderivate.
Wird es mit Benzolkohlenwasserstoffen und Zinkstaub erhitzt, so tritt die
Benzylgruppe ein- oder mehrmals für je ein WasserstofFatom in den Kohlen-
wasserstoff ein. Bei Anwendung von Benzol erhält man Benzylbenzol (Diphenyl-
methan) und Dibenzylbenzole (15), aus Toluol Benzyltoluol u. s. w. In gleicher
Weise, wie in jene Kohlenwasserstoffe lässt sich das Benzyl in andere aromatische
Verbindungen einführen. So entsteht Benzylphenol, C6H5-CHj-CßH4-OH (16),
wenn Benzylchlorid mit Phenol und Zinkstaub erhitzt, Benzylkresol (26) oder
Benzylanisol (16), wenn anstatt des Phenols ein Kresol oder Anisol angewandt
wird.
Mit Zinkäthyl liefert das Benzylchlorid Normalpropylbenzol (17), mit Allyl-
jodid und Natrium Phenylbutylen (18), mit Amylbromid und Natrium Capryl-
benzol (18), mit Isopropyljodid und Natrium Isobutylbenzol (19), mit den
Natracetessigestern Benzylessigsäure(Hydrozimmtsäure) undDibenzylessigsäure (20).
Chlorsubstitutionsprodukte des Benzylchlorids können entweder
durch Einwirkung von Chlor auf kaltes, mit Jod versetztes Benzylchlorid, oder
durch Behandlung der betreffenden gechlorten Toluole mit Chlor in Siedhitze
gewonnen werden. Sie sind isomer mit den höheren Chlortoluolen.
Von den möglichen drei Monochlorbenzylchloridcn wurde das Parachlorbcnzylchlorid,
1 4
CjH^a-CHja, (21—23), von Jackson und Field (23) durch Chloriren von Parachlortoluol
bei 160® in reinem Zustande dargestellt. Farblose, glänzende Nadeln oder Prismen, unlöslich
in Wasser, leicht löslich in warmem, weniger in kaltem Alkohol, sehr leicht in Aether, Benzol,
SchwcfelkohlenstofT und Eisessig. Schmp. 29'^. Siedep. 213 — 214^ (21). Schon bei gewöhn-
licher Temperatur sublimirend, von angenehm aromatischem Geruch, aber äusserst heftiger Ein-
wirkung auf die Schleimhäute. Wie bei den chlorreicheren Substitntionsprodukten des Benzyl-
chlorids zeigen die Chloratome der Verbindung die ihrer verschiedenen Stellung entsprechende,
verschiedene Reaktionsfähigkeit Beim Kochen mit Wasser entsteht Parachlorbenzylalkohol (23),
durch Oxydation Parachlorbenzoesäure (22).
3*4 1
m-p-Dichlorbenzylchlorid, C^HjCl^-CHjCl- (24). Durch Chloriren von m-p-Dichlor-
toluol in der Hitzj, sowie durch Einwirkung von Chlor auf jodhaltiges Benzylchlorid in der
Kälte dargesteUt, flüssig. Siedep. 24 1^.
Trichlorbenzylchlorid, C^Hj^Clj-CHjCl (25), entsteht durch Chloriren von Trichlor-
toluol in der Hitze. Flüssig. Spec. Gew. 1.547 bei 23° Siedep. 273°
Tctrachlorbenzylchlorid, CgHCl^-CHjCl (25). Ebenso aus Tetrachlortoluol ge-
wonnen. Flüssig. Spec. Gew. 1-634 bei 25°. Siedep. 296®.
Pcntachlorbenzylchlorid, Cga^-CHja (25), erhält man durch Chloriren von
siedendem Pentachlortoluol, oder zweckmässiger, indem man Benzylchlorid anfangs in der
Kälte bei Gegenwart von Jod, später in der Wärme bei Gegenwart von AntimonchlorUr mit
Chlor behandelt. Feine, weisse Krystallnadeln, schwer löslich in siedendem, unlöslich in kaltem
Weingeist Schmp. 108**. Siedep. 325—327°.
p-Nitrobcnzylchlorid, C5H4(NO,).CHaa, entsteht neben einer flüssigen Verbindung
beim Eintragen von Benzylchlorid in rauchende Salpetersäure (5, 27), welche zweckmässig auf
— 15^ abgekühlt wird (28). Die durch Eingiessen in Wasser ausgeschiedene breiförmige
r
1
«5» Handwörterbuch der Chemie.
Masse wird au^irepresst und der feste Antheil aus Alkohol krystallisirt. Die Verbindung bildet
sich auch beim Einleiten von Chlor in p-Nitrotoluol bei 185 — 190*^ (29). Feine Nadeln od«
ptfflmutterglHnicnde Blättchen. Schmp. 71^. Chromsäure oxydirt die Verbindung zu Paranitro-
bcnioe säure (5). Kalilauge spaltet Salzsäure ab und bildet Dinitrostilben (30).
1 s
iH'Nitrobenzylchlorid, CgH^(N03)«CH2Cl. Durch Einwirkung von Phosphorpenta-
düprid auf in-Nitrobenzylalkohol erhalten. Lange, hellgelbe Nadeln, bei 45 — 47** schmelzend
uad unter eLncni Druck von 30 — 35 Millim. zwischen 173 und 183® siedend (138).
1 3
o-Nitrobcnzylchlorid, C6H4(N02)'CH3C1. Ebenso aus o-Nitrobenzylalkohol gc-
litniiicn- Efi krystallisirt aus Petroleumäther in derben, gelblichen Krystallen, die bei 48—49^
sdiinelzcTi (13S).
Benzylbromid, CgHj'CHjBr. Es entsteht beim Sättigen von Benzylalkobol
mit Brom Wasserstoff (31), sowie bei der Einwirkung von Brom auf siedendes oder
dampfförtniges Toluol (^^, 32). An der Luft rauchende Flüssigkeit, deren Dämpfe
äusserst stark zu Thränen reizen. Spec. Gew. 1'4380 bei 22°. Siedep. 198 bis
199°. Das Benzylbromid geht ebenso leicht, oder noch leichter Zersetzungen
ein, wie das Chlorid.
p-Chiorbcnzylbromid, CgH^Cl'CHjBr (23). Aus p-Chlortoluol durch Bromiren in
der Hitic dargestellt. Dem p-Chlorbenzylchlorid sehr ähnlich. Schmp. 48*5°.
P'Brombi^nzylbromid, CgH^Br-CH^Br (34, 35). Durch Bromiren von siedendem
p-BTt)mtoluol gewonnen. Krystallisirt aus Alkohol in Nadeln, aus Orthobrombensylbromid in
grosäftif rham bischen Prismen. Mit Wasserdampf destillirbar. Geruch angenehm aromatisch,
aber die Schleimhäute stark angreifend. Schmp. 61**.
m-Brombenrylbromid, CgHjBr-CHjBr (35). In entsprechender Weise aus Meta-
bromtoliiol dart^eptellt, aber nur in sehr geringer Ausbeute erhalten. Blätter oder flache Nadeb.
Schinp. 41 '^ Ziemlich leicht in kaltem, reichlicher in heissem Alkohol, leicht in Aether,
Scbwflelknhlensioff und Eisessig löslich. Mit Aetherdampf sehr leicht flüchtig, weniger leicht
mit AlkolioJ-t schwer mit Wasserdampf. Chromsäuremischung greift die Verbindung nicht an,
oxydirt aber tlcn daraus zu gewinnenden Alkohol zu Metabrombenzoesäure.
1 3
o-Brombcnzylbromid, CgH^Br-CHjBr (35, 36), ensteht nur langsam und schwierig
hctm Brom Ire ti des o-Bromtoluols in Siedhitze. Die zunächst fltlssige Verbindung krystallistTt,
nachdem liie <liirch Destillation im Bromwasserstoflstrom gereinigt ist, beim Abkühlen in
rhombischen Tafeln, die bei 30® schmelzen (36). Nicht unzersetzt siedend, aber mit Wasser-
dampf destill irbnr, Chromsäuremischung greift die Verbindung nicht an. Der aus letzterer dargestellte
Alkohol wird durch Chromsäure zerstört (35), durch Einwirkung von Natrium auf eine ätherische
Lösung des O'ßrombenzylbromids entsteht wesentlich Anthracen (3?), neben etwas Phenantiiren,
Diben^ylj Ditolyl etc. (38).
p-Jodbenzylbromid, CgH^J-CH^Br (39). Durch Bromiren von p-Jodtoluol bei 115
bis 150^ erhalten. Aus Alkohol in flachen Nadeln krystallisirbar, in kaltem Alkohol sehr schwer
löslich. Schmp. 78*75°. In Nadeln sublimirbar.
1 3
TTi-Njtrobcnzylbromid, CgH^(N0j)«CH3Br (40, 29), entsteht beim Erhitzen von
m-Nitrotoluol mit der berechneten Menge Brom in geschlossenen Röhren auf 120 — 130**. Aus
hetsftem Alkohol In feinen Nadeln oder Blättchen krystallisirbar. Schmp. 57 — 58®.
1 4
p-Niirqbetizylbromid, C6H4(NOj)'CH2Br (29). Auf gleiche Weise aus p-Nitrotolttol
ürhaJten. Es krystallisirt aus heissem Alkohol in seideglänzenden, verfilzten Nadeln. Schmelz-
l*unkt 99^100*^.
B en z y 1 j o di d , CgHg • CHgJ. Eine Benzyljodid enthaltende Flüssigkeit gewann
Can^nizzaro durch Eintragen von Jod in eine Lösung von Benzylalkobol und
Phosphor in Schwefelkohlenstoff und Abdestilliren des letzteren (41). Rein er-
hält man das Jodid durch wochenlange Einwirkung von Jodwasserstofisäure
:'v^-m
Bcnzylverbindungen. 233
(Spcc. Gew. 1-96) auf Benzylchlorid im Dunkeln bei gewöhnlicher Temperatur (42).
Es lässt sich auch durch Jodkalium aus Benzylchlorid gewinnen (43). — Farblose,
bei 24*1<> schmelzende Krystallmasse, unlöslich in Wasser, löslich in Aether,
wenig in Alkohol und Schwefelkohlenstoff von 0®. Geruch sehr stark zu Thränen
reizend. Die geschmolzene Verbindung hat bei 25° das Spec. Gew. 1-7335. Bei
weiterem Erhitzen färbt sie sich roth und zersetzt sich bei beginnendem Sieden
(circa 240**) vollständig in Jod, Jodwasserstoff, einen dem Toluol ähnlichen
Kohlenwasserstoff und einen schwarzen, schmierigen Rückstand. (Für Benzyl-
jodid, welches durch Einwirkung von Methyljodid auf Benzylsulfid erhalten war,
bestimmte Cahours (63) den Siedepunkt zu 218— 220<>.)
Benzylalkohol, C^Hj-CHa-OH. Einfachster aromatischer Alkohol. Isomer
mit den Kresolen und dem Anisol. In unreinem Zustande schon von Fremy
(49) aus Perubalsam dargestellt und als »Peruvin« bezeichnet. Rein zuerst von
Cannizzaro 1853 aus dem Benzaldehyd durch Einwirkung von alkoholischer
Kalilauge, (2C6H5.CHO -+- KOH = CgHs-CH^-OH -+- C6H5.CO2K) (3, 44),
später auch durch Ueberfiihrung des aus Toluol bereiteten Benzylchlorids in den
Essigester und Verseifung des letzteren gewonnen (4).
Der Alkohol entsteht auch durch Einwirkung von Natriumamalgam und
Wasser auf Benzaldehyd (45) oder auf Benzoesäure (46), beim Behandeln von
Benzoylchlorid mit Natriumamalgam und Salzsäuregas (47), beim Erhitzen von
Benzylchlorid mit Wasser (48) oder mit Wasser und Bleihydroxyd (6).
Kleine Mengen von freiem Benzylalkohol sollen neben seinem Benzoesäure-
und Zimmtsäureester im Perubalsam und im Tolubalsam vorkommen (2). Tilden
(51) hält eine im Kirschlorbeeröl gefundene Substanz für Benzylalkohol.
Darstellung. 1. Benzylchlorid wird etwa 24 Stunden lang mit der 20— 25 fachen Menge
Wasser am RückfiusskUhler gekocht Man erhält ungefähr 76^ der theoretischen Ausbeute (48).
2. 10 Thle. Benzaldehyd werden in einem Stöpselcylinder mit einer Lösung von 9 Thln.
Kaliumhydroxyd in 6 Thln. Wasser bis zur bleibenden Emulsion geschüttelt und die Mischung
12 Stunden stehen gelassen. Sic erstarrt zu einem Krystallbrei von benzoesaurem Kalium. Man
▼erdttnnt zur klaren Lösung, schüttelt mit Aether aus, destillirt den Aether ab und rektiftcirt
den Benzylalkohol (52).
3. Penibalsam wird mit dem doppelten Volumen Kalilauge vom spec. Gew. 1*2 stark ge-
schüttelt, die emulsionartige Flüssigkeit mit Aether erschöpft und der Aether abdestillirt. Das
zurückbleibende gelbliche Oel erhitzt man mit dem 4 fachen Volumen wässriger Kalilauge vom
Spec Gew. 1'3 bis eine klare Lösung entstanden ist. Diese erstarrt beim Erkalten zu einem
weichen Brei von zimmtsaurem und benzoesaurem Kalium. Die Salze werden zwischen Lein-
wand ausgepresst Die abgelaufene Flüssigkeit destillirt man, so lange das Destillat noch milchig
ist, trennt den sich absetzenden Benzylalkohol von der wässrigen Flüssigkeit und entzieht dieser
die letzten Antheile desselben mittelst Aether (53).
Farblose, stark lichtbrechende Flüssigkeit von schwachem, angenehm
aromatischem Geruch, mit Alkohol, Aether etc. in allen Verhältnissen mischbar,
bei 17*^ in 25 Thln. Wasser löslich (52). Spec. Gew. 1-0628 bei 0°, 10507 bei
15*4° (54). Siedep. 204 *> (corrig.) (44, 52). Das Ausdehnungsvermögen ist von
Kopp (54), die Molecularrefraction von Brühl (55) bestimmt worden.
Durch verdünnte Salpetersäure, beim Kochen mit salpetersaurem Blei und
Wasser, sowie bei Gegenwart von Platinmohr schon durch den atmosphärischen
Sauerstoff wird der Benzylalkohol zu Benzaldehyd, durch Chromsäure zu Benzoe-
säure oxydirt. Durch Erhitzen mit Jodwasserstoff und Phosphor auf 140^
wird er in Toluol übergeführt (56). Bei der Destillation mit starker alkoho-
lischer Kalilauge entstehen Toluol und Benzoesäure: SCßHg-CHj-OH-H KOH
r I
^34 Handwörterbuch der Chemie. |
= ^CgH^^CHg -h CßHft-COaK -+- SH^O (44). Wasserentziehende Mittel bilden
bei gemässigter Einwirkung Benzyläther; bei intensiverer Einwirkung fiihren die-
selben (z. B. Schwefelsäure oder in der Wärme Zinkchlorid, Phosphorsäure-
anhydrid, Borfluorid) zur Bildung eines harzartigen Kohlenwasserstoffe, (C7Hß)n(44).
Beim Einleiten von Borchlorid in Benzylalkohol entstehen unter lebhafter
Salis5äureentwicklung Benzylchlorid und Dibenzyl (57).
Auf ein Gemisch von Benzylalkohol und Benzol einwirkend erzeugt mit Eis-
essig verdünnte Schwefelsäure Diphenylmethan (58). Bei Anwendung von
Phenul anstatt des Benzols resultirt in geringer Menge ein Phenol des Diphenyl-
melhans (59).
p-Chlorbenzylalkohol, CgH^Cl-CHj-OH. p - Chlorbenzylacctat, aus dem p-Chloi-
Innzylchlnrid mittelst alkoholischer I,ösung von essigsaurem Kalium dargestellt, wird mit
Ammr\nbk auf 160*^ erhitzt (22) oder p-Chlorbenzylchlorid (resp. -bromid) mit Wasser am Rück-
flusskühk'r erhitzt (23). Schwer löslich in heissem Wasser, fast gar nicht in kaltem, sehr leicht
in Alkohtd und Aether. Aus heissem Wasser scheidet sich die Verbindung in langen, spiessigen
Kry&tallen aus. Schmp. 70*5®. Unzersctzt siedend.
m-fi-Dichlorbenzylalkohol, CgHjClj-CHj «O H. Aus dem Dichlorbenzylacetat durch
Erliitzen mit Ammoniak auf 180" dargestellt (22). Schwer löslich in heissem Wasser, daraus
in ^iüjileglänzenden Nadeln krystallisirend. Schmp. 77".
Triehlorbenzylalkohol, CgHoClj • CHg »OH (60), entsteht direkt beim Erhitren von
Trichtnrlptnzylchlorid mit einer weingeistigen Lösung von essigsaurem Kalium auf 150 — 160**.
In *iiedt:tidcm Wasser schwer lösliche Krystalle.
Ti^irachlorbenzylalkohol, CgHCl^«CHjj«OH (60), wurde auf gleiche Weise aus dem
Tcirachlorbenzylchlorid bei 180" erhalten. Aus Weingeist oder siedendem Wasser krystallisirbar.
l\*n(achlorbcnzylalkohol, CgCl^-CHj'OH (60), in derselben Weise aus dem Penta-
chlorbeniLyJ Chlorid bei 200" gewonnen, krystallisirt aus einem Gemisch von Benzol und Alkohol
in kmen^ kurzen Nadeln, die bei 193" schmelzen und selbst in siedendem Alkohol nur wenig
iOsUch sind* Durch Chromsäuremischung wird er verbrannt.
1 2
o-Brombenzylalkohol, CgH^Br-CH^-OH (61), durch Kochen von Orthobrombenzyl-
bn^mid nni Wasser dargestellt, krystallisirt aus heissem Wasser in flachen Nadeln. Mit Wasscr-
dümprcn kicht flüchtig. Schmp. 80".
1 4
p-Brom benzylalkohol, CgH^Br« CHj'OII, wurde durch Erhitzen von Parabrombcnzyl-
atütai mit Ammoniak auf 150'\ besser durch tagelangcs Kochen von Parabrombenzylbromid mit
Wasser tltT rgestellt Lange, flache Nadeln, bei 77" schmelzend (72), wenig in kaltem, leichter in
siicttcndL-n; Wasser, sehr leicht in Alkohol und Aether löslich. Mit AVasscrdämpfcn schwer
llUchtig.
I 4
Jj-Jodbenzylalkohol, CgH^J'Cfl^'^^^ (39)> wurde nach den bei der vorigen Verbiodung
angtfgchentn beiden Methoden aus p-Jodbenzylbromid dargestellt. Es krystallisirt aus Schwefel-
kohkn<!tonr in seideglänzenden Schuppen. Leicht löslich in Alkohol, Aether, Benzol, wenig in
Wft£scr> Schmp. 71*8".
1 2
o-Nitrobenzylalkohol, CgH^(N02)-CH./0H (62). Diese Verbindung entsteht beim
Kochen der nach Genuss von o-Nitrotoluol im Hundeharn enthaltenen »Uronitrotoluolsäure«,
(C^ j,Ffj jNOg), mit verdünnter Schwefelsäure. Lange, feine Nadeln, bei 74" schmelzend, bei
vorsichtigem Krhitzcn unzersctzt flüchtig, leicht löslich in Alkohol und Aether, ziemlich schwer
Ui kaltem Wasser. Bei der Oxydation durch Chromsäure entsteht o-Nitrobenzoesäure, bei der
Destillation mit Kalilauge o-Nitrotoluol und o-Azoxybenzoesäure. VergL (138).
m-Nitrobenzylalkohol, CgH4(N02)'CH2*OH (27), wurde anscheinend in unreinem
Zustande von Grimaux beim Erhitzen von m-Nitrobenzaldehyd mit alkoholischer Kalilauge er-
halten und als ein nicht krystallisirbares, nur unter sehr vermindertem Druck unzersetzt destillir-
h^TV's Od beschrieben. Vergl. (138).
BeDzylverbindungen. 235
p-NitTobcnzylalkohol, C6H4(NO.^)-CH./OH (22), entsteht beim Erhitzen des p-Nitro-
benzylacetats mit wässrigem Ammoniak auf 100®. Wenig in kaltem, leicht in heissem Wasser
loslich und daraus in feinen, farblosen, am Licht gelb werdenden Nadeln krystallisirend.
Schmp. 930 [91** (70)].
Methylbenzyläther, CgHj-CHa-OCHjj, bikiet sich beim Erwärmen von
Bcnzylchlorid mit Methylalkohol und Kaliumhydroxyd (64), sowie beim Erhitzen
von Methylsulfid mit Benzylbromid und Benzylalkohol (63). Siedep. 167 — 168°
(64). Spec. Gew. 0-938— 0-987 bei 19—20° (63). Chlor erzeugt in der Kälte
Methylchlorid und Benzaldehyd.
Aethylbenzyläther, C6H5-CH3-OC2H5. Durch Kochen von Benzyl-
chlorid mit alkoholischer Kalilauge erhalten. Leicht bewegliche, auf Wasser
schwimmende Flüssigkeit von angenehmem Geruch. Siedep. 185° (65). Durch
Einwirkung von Chlor entstehen in der Kälte Salzsäure, Aethylchlorid und Benzal-
dehyd, in höherer Temperatur Aethylchlorid und Benzoylchlorid , in der Kälte
bei Gegenwart von Jod: Aethyljodid und Aldehyde gechlorter Benzoesäuren (64).
Brom erzeugt in der Kälte BromwasserstofF, Aethylbromid, Benzaldehyd, Benzyl-
bromid und Benzoylbromid (66).
p-Chlorbenzyläthyläther, C5H4Cl-CH.^*OCjU5, wurde erhalten beim Kochen von
p-Chlorbenzylchlorid (67, 21,64) oder von p-Chlorbenzylacetat (68) mit. alkoholischer Kalilauge.
Siedep. 215 — 218**. Chlor erzeugt in der Kälte Parachlorbenzaldchyd, in der Hitze Parachlor-
beozoylchlorid (64). '
Benzylphenyläther, CgH^-CHj-OCeHj, entsteht beim Erhitzen von
Bcnzylchlorid mit Phenolkalium und Alkohol auf lOO'^ (69). Perlmutterglänzende
Schuppen. Schmp. 38—39**. Siedep. 286—287'* (uncorrig.) (64). Durch con-
centrirte Chlor- oder Brom wasserstoffsäure wird der Aether bei 100** in Phenol
und Benzylchlorid oder -bromid zerlegt. Chlor und Brom erzeugen schon in der
Kälte neben Benzylchlorid oder Benzylbromid Substitutionsprodukte des Phenols.
Ebenso entsteht durch Jod Jodphenol. Bei Gegenwart von frisch gefälltem Queck-
silberoxyd wirken hingegen Chlor und Brom ohne Spaltung des Aethers substi-
tuirend auf denselben. Es entstehen:
Benzylmonochlorphenyläther, CgHj-CHj-OCßH^Cl (64), farblose Nadeln, bei
70 — 71® schmelzend, und
Benzylmonobromphenyläther, CgHj'CHj« OCgH^Br (64). Lange Nadeln, die bei
59—59-5** schmelzen.
Trinitrobcnzylphenyläther, CgH4(NOj)-CH20CfiH3(NOj)(N02) (70). Product der
Einwirkung von concentrirter Salpetersäure (Spec-Gew. 1*5) auf kalten Benzylphenyläther.
Schmp. 198**. Giebt mit alkoholischem Ammoniak schon in niederer Temperatur p-Nitrobenryl-
alkohol und a-Dinitranilin.
Auf dieselbe Weise wie die beschriebenen analogen Verbindungen wurden
noch dargestellt:
Benzyl-o-kresyläther, CH.^-C6H4-0-CH2«C6H5 (70), farbloses, allmählich
gelb werdendes, dicküüssiges Oel von lauchartigem Geruch. Siedep. 285 — 290^*.
Trinitrobenzyl-o-kresyläther, CH,-CgH2(Nb2)(NO,.)-6-CII/C6H4(Nb3). (70).
Schmp. 145**. Giebt mit alkoholischem Ammoniak p-Nitrobcnzylalkohol und ein bei 208**
schmelzendes Dinitrotoluidin.
Benzyl-p-kresyläther, CH3.Cf,H4-6-CH2C6H5 (70). Krystallisirt aus
Alkohol in seideglänzenden Blättchen oder in durchsichtigen, sechsseitigen Säulen.
Schmp. 41**. Concentrirte Salpetersäure erzeugt kein einfaches Substitutions-
produkt, sondern Dinitro-p-kresol und p-Nitrobenzylnitrat.
13& Handwörterbuch der Qiemic.
Benzylätbefj C6H5-CH2-0-CH2-C6H5. Von Cannizzaro (71) durch
Erhitzen von Benzylalkohol mit Borsäureanhydrid auf 120 — 125® dargestellt. Ent-
steht in kleiner Menge auch beim Erhitzen von Benzylchlorid mit Wasser auf
190^ (8). Oelartige, etwas fluorescirende Flüssigkeit, bei 310 — 315® siedend,
liber 315^ erhitzt wesentlich in Benzaldehyd und einen Kohlenwasserstoff (Toluol?)
zerfallend.
Salpetersäure-Benzylester (Benzylnitrat), CgHj-CHj-NOj, scheint bei
der Einwrkung von Benzylchlorid auf salpetersaures Silber zu entstehen. Bei
der Destillation des Produkts tritt aber eine stürmische Entwicklung salpetriger
DlLmpfe ein, und es destilliren Benzaldehyd und Benzoesäure (73).
1 4
SaJpctersäurc*p-Nitrobenrylester, C6H^(N02)-CH3-N03. Zuerst von Beilsthn
tiMil KuHLüERC (22) durch Einwirkung von höchst concentrirter Salpetersäure auf p-Nitrobcniyl-
»Ikohül gewonnen und für Dinitrobenzylalkohol gehalten. Von Staedel (70) und Orth (74)
richtig erkannt- Man erhält die Verbindung auch durch Erhitzen von p-Nitrobenzylchlorid mit
Salpeter saurem Silber in alkoholischer Lösung (74). Sie entsteht ausserdem neben Dinitro-
p-Krcsol bei der Behandlung des Benzyl-p-Kresyläthers mit sehr concentrirter Salpetersäure (70).
]ii Alkohol leicht in Wasser sehr wenig lösliche Nadeln. Schmp. 71®. Durch Chromsäurc wird
ilie Verbindung zu p-Nitrobenzoesäure oxydirt (70).
Essigsäure-Benzylester, CgHj.CHg-O-C^HjO, entsteht beim Erhitzen
von Benzylalkohol mit Essigsäure und Schwefelsäure (3), wird zweckmässiger dar-
gestellt diircli Erhitzen von Benzylchlorid mit essigsaurem Kalium in weingeistiger
I^ösung (4J. Angenehm aromatisch riechende Flüssigkeit. Spec. Gew. 1'0570
bei 16%5o. Sicdep. 206® (75).
Natrium wirkt bei etwa 120® unter lebhafter Wasserstoifentwicklung auf
Essjgsätirebenzylesier ein. Es entsteht neben essigsaurem Natrium der Benzyl-
€Ster der Hydrozimmtsäure (ß-Phenylpropionsäure):
4CfiH5- CH^ O-CgHgO -h Na^ = 2C6H3.CHj.O.CO.CHa.CH3.C6H5
-+-2C2H30aNa-hH2.
Durch weitere Einwirkung des Natriums auf den Hydrozimmtsäurebenzylester
entsteht zimmtsaures Natrium und Toluol:
2CHH5/CH3*0*CO.CH2.CH2.C6H5-hNa2 = 2C6H5.CH:CH.COaNa
4-2CeH,.CH3-hHa (75).
EsMg:fäurt-p-Chlorbenzylester, CgH^Cl-CHa-O-C^HgO (21), flüssig. Sicdep. 240**.
34 1
Essigsäur^-m-p-Dichlorbenzylester, CgHjCL/CHj-O'CjjHjO (22), flüssig. Siede-
punkt 259H
Essigsätire-p-Btombenzylester, CgH^Br-CHj'O'CjHgO (61). Angenehm riechende,
iilige FlUssigkeitp y.ivi stehen 250 und 2G0® unter erheblicher Zersetzung siedend.
4 1
Ks5ig!>äurt-p-Jodbenzylester, CgH^J-CHj'O'CjHjO (39). Nur in unreinem Zu-
i^lünile :ils fin s^chon durch Wasser leicht verseifbares Oel erhalten.
4 1
Essigsäure-p-Nitrobenzylester, CgH^(N03)'CH3'0*CjH,0. Durch Einwirkung von
e^sigsnurem Kalium auf p-Nitrobenzylchlorid (27), sowie durch Nitriren von Essigsäurebenxyl-
elfter (22) dargestellt. Lange, hellgelbe Nadeln, die sich am Licht dunkler färben. Leicht
Iftstich in heisserot w^n'ig in kaltem Alkohol. Schmp. 78® (22).
Propionsäure-Benzylester, C6H5-CH2'0-C3H50 (75). Angenehm
rieehende, mit Wasser nicht mischbare Flüssigkeit. Spec. Gew. 1'0360 bei 16'5*.
Siedep. 219—220^. ZerföUt beim Erhitzen mit Natrium in propionsaures Natrium
und Phenylbuttersäure-Benzylester, (CßH^-CgHg'COj-CyHY).
Buttersäure-Benzylester, CßHg-CHg-O «041170 (75). Angenehm
riechende Flüssigkeit. Spec. Gew. 1*016 bei 16<>. Siedep. 238—2400. Beim
Benzylverbindungen. 237
Erwärmen mit Natrium entsteht neben buttersaurem Natrium der Benzylester der
Phenylvaleriansäure.
Isobuttersäure-Benzylester, CgHß-CHj'O'C^HYO (76). Angenehm
riechendes, stark lichtbrechendes Oel. Spec. Gew. 10160 bei 18<>. Siedep. 228°.
Giebt beim Erwärmen mit Natrium Benzylisobuttersäure-Benzylester: (CßHj-CHj-
C(CH,),.C02.C7H,).
Oxalsäure-Benzylester, (C6H5'CH2)2*C204, wurde durch Einwirkung
von Benzylchlorid auf trocknes oxalsaures Silber (22) und durch Erhitzen von
entwässerter Oxalsäure mit Benzylalkohol (77) dargestellt. Krystallisirt aus heissem
Alkohol in glänzenden Schuppen. Schmp. 80-5®. Unter geringer Zersetzung
destillirbar. Beim Lösen der Verbindung in höchst concentrirter Salpetersäure
entsteht Oxalsäure-p-Nitrobenzylester (22).
Bernsteinsäure-Benzylester krystallisirt in Blättchen, die bei 41*5 — 42*5^
schmeken (83).
Adipinsäure-Benzylester ist eine angenehm riechende, in Wasser unter-
sinkende Flüssigkeit, die sich beim Erhitzen zersetzt (S^),
Oxaminsäure-Benzylester, CgHjj'CHj'O'CjOj-NHj. Aus Oxamethan-
chlorid, CjHj-COj'CClj-NHj, und Benzylalkohol gewonnen (80). Krystallisirt
aus Alkohol in färb- und geruchlosen Nadeln, die bei 134 — 135® schmelzen.
Carbaminsäure-Benzylester (Benzylurethan) , CßHj-CHj-COj-NHj,
entsteht neben Dibenzylhamstoff, wenn festes oder gasförmiges Chlorcyan auf
kalten Benzylalkohol einwirkt (78), sowie beim Erhitzen von Benzylalkohol mit
salpetersaurem Harnstoff auf 130—140° (79). Sehr leicht löslich in Alkohol,
massig leicht in Aether, schwer in heissem Wasser; aus letzterem in farblosen
Blättern krystallisirend. Schmp. 86°. Bei 220° zersetzt sich die Verbindung in
Benzylalkohol und Cyanursäure.
Orthothioameisensäure-Benzylester, (CßH5-CH2S)3 011(100), entsteht
beim Erhitzen einer wässrigen Lösung von Natriumbenzylmercaptid mit Chloroform.
Wohlausgebildete Krystalle, leicht löslich in Chloroform, Aether und siedendem
Alkohol. Schmp. 98°. Erst bei 250° wird die Verbindung durch rauchende
Salzsäure in Benzylsulfhydrat und Ameisensäure gespalten.
Isocyansäure-Benzyleste r, s. unter »Cyanverbindungen«.
Benzylsenföl, s. unter »Senfole«.
Benzylsulfacetsäure (Benzylthioglycolsäure), CgHä.CHg-S.CHa-COjH
(137). Aus Benzylsulfhydrat durch Einwirkung von Monochloressigsäure und
Natronlauge erhalten. Die Säure krystallisirt aus siedendem Wasser in flachen
Täfelchen. Schmp. 58—59°.
Ihr Silbersalz bildet feine, in heissem Wasser lösliche Nadeln. Der Aethylester
siedet zwischen 275 und 290^. Er giebt mit Ammoniak bei 100^ das Amid, welches bei
97® schmilzt und aus heissem Wasser in grossen, rechtwinkligen Platten krystallisirt.
Sulfocyansäure-Benzylester (Benzylrhodanid), CgHs-CHg-SCN, wird
durch Erhitzen von Benzylchlorid mit Rhodankalium und Alkohol erhalten (85, 86).
Schöne Prismen, in Alkohol, Aether und Schwefelkohlenstoff leicht löslich.
Schmp. 41° (86), [36—38° (85)]. Siedep. 230—235° (86), [256° (85)]. Bei der
Oxydation durch Salpetersäure entstehen Benzaldehyd und Benzoesäure. Mit
trocknem Bromwasserstoif verbindet sich das Rhodanid zu einem krystallinischen,
in Aether unlöslichen Körper, der durch Wasser zersetzt wird (85).
Salfocyaosäure-p-Chlorbenzylester, CgH^Cl.CHj.SCN (23), Schmp. 17«.
r
238 Handwörterbuch der Chemie.
Suirocyansäurc-p-Brombenzylester, CßH^Br.CHj.SCN (61), in Alkoirf sehr
kieht lösliche Nadeln von unangenehmem Geruch. Schmp. 25®.
SuUocyansäure-o-Brombenrylester, CgH^Br-CHj'SCN (36), ist ein auch in der
Kälit nicht erstarrendes Gel.
Sulföcyansäure-p-Jodbenzylester, CßHJ-CHj.SCN (39), krystallisirt aus Alkohol
tu langen^ glänzenden Platten. Wenig löslich in kaltem Alkohol, leicht in Aether, Benzol und
Sdtwertilkohlenstofr. Schmp. 40®.
SuJfocy ansäure -p-Nitrobenzylester, C6H4(NO,).CH,. SCN. Sowohl durch
Nitriren des Sulfocyansäureesters, wie aus p-Nitrobenzylchlorid und Rhodankalium zu ge-
winaea (B5). Krystallisirt aus Alkohol in kleinen, spröden, gegen 70® schmelzenden Nadeb.
Nicht untersetzt destillirbar.
Selencyansäure-Benzylester, CgH.'CHg-SeCN (87), entsteht schon
in der Kälte aus Benzylchlorid und Selencyankalium in alkoholischer Losung.
Nadeln oder Prismen von höchst widerwärtigem Geruch. Schmelzp. 71*5°.
Selencyansäure-p-Nitrobenzylester, C6H^(NOj).CHj.SeCN (87). Wie die ent-
sprechend*.' Schwefelverbindung darstellbar. Fast geruchlose, sternförmig vereinigte Nadeln.
SchiQp. \*22'b^ (uncorrig.). In Aether nicht, in Wasser und Alkohol nur bei Siedhitze ziemlich
lüsJid).
Üxybenzylalkohole, C6H4(OH)CH2 0H.
i. Ortho -Oxybenzylalkohol, C6H4(OH)CH2 0H, (Saligenin). Zuerst
aus seinem Glycosid, dem Salicin, durch Spaltung mittelst Emulsin oder vcr-
tlannten Säuren dargestellt (88): C,8Hig07 -f- HgO = C7H8O2 -h C^H, jO^.
(Dextrose), Auch wenn in einer an der Luft stehenden wässrigen Lösung von
Salicin Schimmelbildung eintritt, spaltet sich dieses in Saligenin und Zucker (89).
Saligenin wird femer aus dem Salicylaldehyd durch Behandlung mit Natrium-
amalgam und Wasser erhalten (90). Es lässt sich synthetisch durch anhaltendes
Erhitzen von Phenol mit Methylenchlorid und concentrirter Natronlauge auf 1(W
darstellen: CßH^OH H-CR^Cla -+- 2NaOH = C7H8OJ -h 2NaCl -h H3O (91)-
Darstellung. 50 Thle. gepulvertes Salicin werden mit 100 Thlen. Wasser angerieben
iHifr mit *] Thln. Mandel-Emulsin versetzt. Man erwärmt auf 40", lässt die Lösung 10— 12 Stun-
(Wn in j^i;Hnder Wärme stehen, sammelt dann den schon herauskrystallisirten Antheil des Sau-
ge 11 ins uml entzieht der Fltissigkeit den Rest desselben mittelst Aether (88). Das Saligenin wird
schliL'^sHch durch Umkrystallisiren aus Benzol gereinigt (92).
Perlmutterglänzende, rhombische Tafeln oder kleine Rhomboeder, in ungefähr
i:'i Thlen. Wasser von 23°, fast in jedem Verhältniss in siedendem Wasser lös-
iiclu sehr leicht löslich auch in Alkohol und Aether (88). Bei 18° bedarf es
^22 Thle. Benzol zur Lösung, in Siedhitze viel weniger. Spec. Gew. 1-1613 bei
^5^ (92)» Es schmilzt bei 82° und beginnt schon bei 100° zu sublimiren. An-
haltendes Erhitzen auf 140—150° verwandelt es in Saliretin. Ebenso wirken in
der Wärme Kalilauge, verdünnte Mineralsäuren, Essigsäureanhydrid u. s. w.
Concentrirte Schwefelsäure löst das Saligenin mit intensiv rother Farbe. Durch
KtseiKhlond wird seine wässrige Lösung tief blau geförbt. Durch Oxydations-
mittel, wie verdünnte Salpetersäure, Chromsäure, Silberoxyd, schmelzendes Aetz-
kali, Platinmohr wird es in Salicylaldehyd resp. Salicylsäure übergeführt. Beim
Kuclien mit Mangansuperoxyd und verdünnter Schwefelsäure entstehen nur
AnitiisLnisäure und Kohlensäure. Chlorgas fällt aus wässriger Saligeninlösung
Trichlurphenol. — Im Organismus geht das Saligenin in Salicylursäure über (93).
Mvt all Verbindungen. Wässrige Saligeninlösung wird durch Metallsalze nicht gef&llL
Trägt m^ti Natrium in eine Lösung von Saligenin in absolutem Aether ein, so scheidet sich
•'■•:'■ :^i
Ben^ylverbindungcn. 239 :*!
unter WasserstofFentwicklung eine Natriumverbindung als weisser Niederschlag ab, der in ^ ^|
Wasser und Alkohol leichl löslich ist und durch Kohlensäure zersetzt wird. Eine Lösung von ; /^j
Saligenin in Barytwasser hinterlässt beim Verdunsten im Vacuum wawellitartige Krystalle einer v r ,
Bari um Verbindung (92). ' ''• ij
Aether. Methyl-Saligenin, CHj-O-CgH^- CHj(OH), entsteht, wenn eine mit der be- ''■''■■
rechneten Menge Kaliumhydroxyd versetzte Lösung von Saligenin in Methylalkohol mit Methyl-
jodid erhitzt wird. Oelige Flüssigkeit, die erst in einem Gemisch von Aether und fltissiger
Kohlensäure glasig erstarrt. Spec. Gew. M20 bei 23^, 1.0532 bei 100''. Siedep. 247-50(94).
Als das mit diesem Phenoläther isomere Aetherphenol, HO- CgH^ »0113(0 CHj), ist an- 1 *^'
scheinend das Caffeol, CgH^pO.^ zu betrachten, welches neben Caffein, Essigsäure, festen Fett- ^
säuren, Kohlensäure und kleinen Mengen Pyrrol, Hydrochinon, Methylamin und Aceton beim
Rösten der Kaffebohnen auftritt. Es ist ein angenehm nach Kaffee riechendes Oel, bei 195 bis
197^ siedend, in einem Kältegemisch nicht erstarrend, et%vas löslich in heissem Wasser, leicht .: ',
löslich in Alkohol und Aether," schwer in concentrirter Kalilauge. Eisenchlorid färbt die alko- .»*
holische Lösung roth. In der Kalischmelze entsteht Salicylsäure (98).
Aethyl-Saligenin, CjHj- O.C5H^-CHj(OH). Aus Saligenin durch Erhitzen mit
Afthyljodid und Kaliumhydroxyd dargestellt. Angenehm ätherisch riechende, in Wasser unlös-
liche Flüssigkeit, bei 0^ erstarrend, bei 205 ^ siedend. Eisenchlorid giebt keine Färbung. Bei
der Oxydation mittelst Salpetersäure entsteht Aethylsalicylsäure (99).
Chlorsaligenin, CgHjCl (OH) '0112(011), lässt sich aus dem Monochlor- '
salicin durch Spaltung mittelst Emulsin gewinnen. Es krystallisirt aus Wasser in
rhombischen Tafeln, die auch in Alkohol und Aether leicht löslich sind. Eisen-
chlorid färbt die Lösung blau. Concentrirte Schwefelsäure löst die Verbindung
mit intensiv grüner Farbe. Verdünnte Mineralsäuren wirken verharzend (88).
Saliretin,C,4Hi405 = HOC6H4CH2-OC6H4CHaOH. Durch Wasser-
austritt aus dem Saligenin entstehendes Condensationsprodukt. Es wird aus dem-
selben erzeugt durch Erwärmen mit verdünnten Mineralsäuren (88) oder mit
Essigsäureanhydrid (92), beim Behandeln mit Phosphorpentachlorid (92), beim
Erhitzen einer wässrigen Saligeninlösung über 100° (89). Es bildet sich auch
neben Glycosan direkt aus Salicin, wenn dieses auf 230 — 240° erhitzt wird (loi).
Darstellung: s. (102).
Gelbliches Pulver, löslich in Alkohol und in Alkalien. Aus der letzteren
Lösung wird es niclit nur durch Säuren, sondern auch durch Kochsalzlösung ge-
fällt. Bei 200° sintert es ohne Wasserverlu